Es kommt sicher immer darauf an, weshalb man überhaupt kommuniziert, ob man z. B. nur Lust zum Plaudern hat oder ob man sein Gegenüber zu einer Handlung bewegen möchte. Vielleicht möchte jemand auch nur einen Ratschlag haben und wünscht eine Antwort.
Ich habe sehr oft mit Menschen zu tun, die rhetorisch geschult sind. Eigentlich finde ich diese einstudierten Sätze und Floskeln ziemlich albern und für mich zeugt das von Unsicherheit. Natürlich gibt es Berufe, da machen bestimmte Kommunikationsregeln Sinn und sie haben sich, ohne Frage, auch bewährt.
Im privaten Bereich ist für mich die Kommunikation befriedigend, wenn jeder so sein und kommunizieren darf, wie er ist.
Lernen klar zu sagen, was man denkt, was man fühlt, was man schön findet, aber auch belastend, was man erwartet und auch was man fordert, das sind meine Regeln für eine Kommunikation im Umgang mit meinen Kindern. Das habe ich als Erwachsener erst mühsam lernen müssen, denn in meiner Kindheit spielte der Ton die Musik. Immer zurückhaltend und bescheiden sein, was sollen die anderen Leute sonst denken...
Wenn der Satz "Der Ton macht die Musik" in der Familie erstmal zum Leitspruch geworden ist, wird es vielleicht mit einer Kommunikation schwierig und Kinder lernen möglicherweise nicht zu zeigen, was sie fühlen. Denn zur Kommunikation gehören schließlich nicht nur Worte. Mimik und Gestik gehören auch dazu, ebenso wie Töne. Und die können durchaus bei bestimmten Emotionen auch mal schrill sein. Und wenn etwas wirklich Scheiße ist, dann meine ich, darf man auch "Scheiße" dazu sagen

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Ein Gesprächsklima, in dem permanent darauf geachtet werden muss, was man sagt, wie man etwas sagt, wann man es sagt, wo man es sagt, wie oft man es sagt, wem man es sagt, weshalb man es sagt usw. finde ich persönlich belastend. Ich bin, wie ich bin und kommuniziere so, wie ich es am besten kann. Das sollte man bei jedem Gesprächspartner voraussetzen und nicht irgendwelche bösen Absichten unterstellen.
Mir ist wichtig, was hinter den Worten steckt und nicht, wie sie gesagt werden. Dazu habe ich schon zu viele "nette" und "anständige" Menschen kennengelernt, die in der Lage sind, mit einer sehr poetischen Sprache und auf sehr wohlklingende Weise zu sagen, für was für ein Arschloch sie ihr Gegenüber halten. Sprachlich gewandt - aber sonst nichts.
Von vorn zu kommen ist jedenfalls für mich die sinnvollste und ehrlichste Form der Kommunikation. Sicher - sie wird oft nicht als gelungen empfunden

. Schlimmer ist es doch, erst nach Jahren zu hören, was bereits seit Jahrzehnten stört...- die Kommunikation gelang demzufolge wunderbar über ein paar Jahrzehnte (mit schauspielischem Talent), aber irgendwann muss man dann doch enttäuscht feststellen, dass eigentlich gar nicht kommuniziert wurde.
Aber solange der Betreffende das gar nicht merkt, wird es schwierig.
Es muss nicht schwierig werden. Die Angst zu verletzen, ist nach meiner Erfahrung oft nur eine Ausrede. Die Angst, als schlechter und unsensibler Mensch dazustehen, ist nach meinem Gefühl meistens größer, als der Wunsch dem betreffenden Menschen die Möglichkeit zur Reflektion zu geben. Es kann dochr sein, dass derjenige sich gar nicht "verletzt" fühlt und ganz einfach sagt: "Na und? Ich bin halt so!"

. Und alle Sorgen waren unbegründet...
Viele Grüße, Anne