Stress-Stoffwechsel: Wie Pflanzen auf Schwermetalle reagieren

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Friedrich-Schiller-Universität Jena 04.07.2001


Stress-Stoffwechsel: Wie Pflanzen auf Schwermetalle reagieren


Giftige Schwermetalle wie Uran, Cadmium und Blei stören bereits in geringen Konzentrationen den Stoffwechsel von Pflanzen erheblich. Sie reagieren "gestresst", bilden mehr spezifische Aminosäuren und Folgeprodukte als Schutz und haben ein geringeres Wachstum und verminderte Erträge. Diese Prozesse haben nun Ernährungswissenschaftler um Prof. Dr. Hans Bergmann an der Universität Jena an Gerste, Weizen sowie weiteren Nahrungs- und Wildpflanzen näher untersucht. Die Forscher stellten fest, dass auch so genannte essenzielle Schwermetalle wie Zink, Mangan, Kupfer und Nickel, die als Spurenelemente im natürlichen Stoffwechsel durchaus benötigt werden, in erhöhten Dosen eine ähnliche Wirkung verursachen.

Trockenheit, Bodenversauerung und -versalzung - z. B. durch Fehler in der Landbewirtschaftung - verstärken diese Effekte zusätzlich. "Grundsätzlich werden Schwermetalle, die die Pflanzen über den Boden aufnehmen, im pflanzlichen Organismus verkapselt deponiert. Sie bleiben also in den Pflanzenzellen gespeichert und gelangen so in die Nahrungskette des Menschen", erklärt Prof. Bergmann. Für die Landwirtschaft in Deutschland sieht er aber aufgrund der vorsichtig definierten Grenzwerte etwa für die Klärschlamm-Düngung keine Gefahren für die Verbraucher, wichtiger seien seine Forschungsergebnisse für Entwicklungsländer. Bergmann und seine Mitstreiter forschten an ihren Test-Pflanzen vor allem nach Stoffwechselprodukten, die typisch für die natürliche Stressantwort auf giftige Schwermetalle bzw. auf ein Überangebot an Schwermetallen sind. Phytochelatine und Aminosäuren wie N-Trimethylglycin umschließen die Schwermetall-Ionen, so dass diese ihre zerstörerische Wirkung nicht entfalten können.

Sicher "verpackt" lagern die Pflanzen die deaktivierten Gifte dann in den Zellen ab. Amine wie Putrescin und Spermin arbeiten quasi als "Schutztruppen", um Schäden an den Zellmembranen und den Chromosomen durch Schwermetalle zu verhindern. "Das bedeutet aber, dass die für diesen Stressstoffwechsel benutzten Aminosäuren als Grundbaustoffe des Lebens nicht mehr zur Verfügung stehen", erläutert Bergmann. "Und natürlich wird dabei auch einiges an Energie verbraucht." Die Folge: Das Wachstum der Pflanzen ist erheblich gebremst. Und als Nahrungsmittel mag Bergmann sie nicht nur wegen der im Übermaß gespeicherten Schwermetalle weniger empfehlen, sondern auch aufgrund der veränderten Zusammensetzung an Stoffwechselprodukten.

Gemeinsam mit Doktoranden hat der Lebensmittelkundler zuletzt Projekte in Ägypten und Indien betreut. "Dort kommen praktisch alle schädlichen Faktoren zusammen: hohe Trockenheit, Bodenerosion, allmählich versalzende oder versauernde Böden und - durch unzureichend kontrollierte Industrie-Emissionen verursacht - ein erhöhter Schwermetalleintrag", so der Jenaer Professor. Langfristig erkennt er darin zunehmende Risiken für die Welternährungslage. Bergmann: "Gerade Entwicklungsländer kommen um wirksame Umweltschutzprogramme nicht herum, die natürlich zugleich wichtige Aspekte des Verbraucherschutzes beinhalten."

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Hans Bergmann
Institut für Ernährungswissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Tel.: 03641/949701, Fax: 949702
E-Mail: [email protected]

Literatur: Amino Acids 2001; 20(3): 325-9

Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dr. Wolfgang Hirsch
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Fürstengraben 1
D-07743 Jena
Telefon: 03641 · 931030
Telefax: 03641 · 931032
E-Mail: [email protected]

Quelle: innovationsreport - Forum für Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft

Kommentar: läuft unter "wieder ein Stück von großen Puzzle"
 
Ich dachte, Klärschlamm würde schon lange nicht mehr auf die Felder gespritzt :confused: . Kann aber auch sein, daß das in Bayern schon länger weitgehend nicht mehr praktiziert wird. Ich erinnere mich auf jeden Fall, daß vor ca. 10 Jahren die Felder oft ganz weiß davon waren, jetzt aber nicht mehr.
https://www.stmugv.bayern.de/de/aktuell/reden/2005/73.htm

Wenn das "Wegpacken" von Giften bei Pflanzen so funktioniert, könnte es ja beim Menschen auch so sein. Das würde bedeuten, daß bestimmte Aminosäuren evtl. verbraucht werden, die dann fehlen.
Nur: wo anfangen, um das festzustellen, und wo enden, um das zu ändern?
Hinweise könnte dieses Labor geben:
https://www.orthomedis.ch/spermin.htm

Gruss,
Uta
 
Mit Nickel und Verwandten gegen Infektionen

Pflanzen reichern Schwermetalle an und ersetzen damit ihr defektes Abwehrsystem

Die hohen Schwermetallkonzentrationen in den Zellen mancher Pflanzen sind ein Ersatz für ihr defektes Abwehrsystem gegen Krankheiten. Das haben amerikanische Forscher entdeckt, als sie so genannte Metallhyperakkumulatoren mit anderen Pflanzen verglichen. Demnach hat irgendwann im Lauf der Evolution eine Mutation das ursprüngliche Verteidigungssystem bei den Hyperakkumulatoren blockiert. Gleichzeitig ermöglichte diese Veränderung den Pflanzen jedoch, höhere Metallkonzentrationen unbeschadet zu überleben, so dass sie das Metall als Waffe gegen Erreger einsetzen konnten. Das berichten David Salt und seine Kollegen von der Purdue-Universität in West Lafayette in der Fachzeitschrift Plant Physiology (Bd. 137, S. 1082).

Fast alle Pflanzen besitzen eine Art Immunsystem, um sich vor Infektionen mit Pilzen oder Bakterien zu schützen. Bei Kontakt mit einem Erreger produziert dieses System eine Substanz namens Salicylsäure, die mit dem Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure verwandt ist. Dieser Stoff löst eine ganze Reihe biochemischer Reaktionen aus, die schließlich zur Aktivierung bestimmter Abwehr-Gene führen. Einmal eingeschaltet, blockieren die Produkte dieser Gene die Bildung der Salicylsäure, so dass deren Konzentration wieder sinkt. Auf diese Weise ist die Salicylsäuremenge im Allgemeinen sehr niedrig und wird nur bei Bedarf gesteigert.

Metallhyperakkumulatoren wie das www.naturheilkundelexikon.de/0186a2921d05add16/0186a292a60c2885f.html, ein im Gebirge heimisches Kreuzblütengewächs, enthalten jedoch auch ohne Kontakt zu Erregern ungewöhnlich hohe Salicylsäurekonzentrationen, entdeckten Salt und seine Kollegen. Diese großen Mengen der Signalsubstanz machen die Pflanzen jedoch nicht resistenter gegen Infektionen als andere – im Gegenteil: Trotz der hohen Salicylsäuremengen waren die Pflanzen einer Pilzinfektion nahezu schutzlos ausgeliefert, wenn sie auf normalen Böden wuchsen. Viel wichtiger für die Abwehr der Erreger waren offenbar die aus dem Boden aufgenommenen Schwermetalle, zeigten weitere Experimente. Wurden die Pflanzen nämlich auf ihren gewohnten, nickelreichen Böden gezüchtet, konnten die Pilze ihnen kaum etwas anhaben.

Offenbar löst die Salicylsäure bei den Hyperakkumulatoren nicht die Reaktionsfolge aus, die zum Bekämpfen der Erreger nötig ist, schließen die Forscher. Möglicherweise ist im Lauf der Evolution bei den Pflanzen eine Mutation aufgetreten, die den Abwehrmechanismus blockiert hat. Lediglich die Exemplare, die zufällig auf metallhaltigen Böden wuchsen, konnten sich danach gegen Infektionen wehren. Dabei profitierten sie von einem Zufall: Durch die Blockade des Signalweges stieg nicht nur die Menge an Salicylsäure an, sondern auch die des Antioxidans Glutathion – und erst das ermöglichte den Pflanzen, die ansonsten giftigen Schwermetalle aus dem Boden aufzunehmen und sie zur Infektionsbekämpfung einzusetzen.

ddp/wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel


Neue Hoffnung für Schwermetall-belastete Böden

Pflanzenforscher beschäftigen sich seit Ende der 1980er Jahre intensiv mit so genannten Metallhyperakkumulatoren, also Pflanzen, die Metall-Ionen in großen Mengen in ihren Blättern und Sprossen speichern können und eine bemerkenswerte Metalltoleranz aufweisen. Dieses Interesse entwickelte sich zeitgleich mit der Erkenntnis, dass Metall-Ionen in der Biologie generell eine wichtige Rolle spielen und eine Reihe von schweren Erkrankungen des Menschen, wie "Menke’s Disease", "Wilson’s Disease" oder die Hämochromatose, möglicherweise aber auch Alzheimer und Prionenkrankheiten, auf einen gestörten Metallhaushalt zurückzuführen sind. Denn alle Organismen sind mit demselben Dilemma konfrontiert: Metalle wie Kupfer, Zink, Eisen, Mangan oder Nickel sind in geringen Mengen lebensnotwendig. Wird ein solches Metall jedoch im Überschuss akkumuliert oder falsch verteilt, kann es zu schweren Schädigungen des Organismus kommen. Daher besitzen alle Lebewesen ein eng gestricktes und streng reguliertes Netzwerk von Proteinen des Metallhaushaltes.

Bisherige Untersuchungen dieser Proteine zeigten überraschend, dass sie in so unterschiedlichen Organismen, wie beim Menschen, in der Bäckerhefe oder in Pflanzen einander ziemlich ähneln. In Metallhyperakkumulator-Pflanzen wie Thlaspi caerulescens sind einzelne an der Metall-Speicherung beteiligte Proteine kaum von ihren Gegenstücken in verwandten, aber nicht Metall-toleranten Pflanzenarten zu unterschieden, werden jedoch anders reguliert. Allerdings war es bislang nicht möglich, einen globalen Überblick über das komplexe biochemische Netzwerk im Metallhaushalt dieser Pflanzen zu gewinnen.
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Stichworte: Phytoremediation, Metallophyten, Phytosanierung, Mykorrhiza
 
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