Schilddrüse - die Situation 2014

  • Themenstarter Paula3
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Paula3

Ich möchte gerne im Zusammenhang mit unseren jüngsten Erkenntnissen zu Autoimmunerkrankungen/Darm/Gluten/Schilddrüse noch etwas schreiben.

Hashimoto und Basedow sind Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse und damit nichts anderes als andere Autoimmunerkrankungen wie MS, Lupus erythematodes, Rheumatoide Artritis, M. Crohn ect. auch. Auch der Entstehungsmechanismus, wie ihn sich die Wissenschaft heute denkt, ist derselbe.

Meine Erfahrung mit dem Thema ist, daß in Behandlungen nicht unterschieden wird zwischen der Funktionsstörung der SD und der Erkrankung ihrer Struktur. Dabei sind das prinzipiell zwei verschiedene Dinge. Einmal geht es um die Störung der Funktion der SD, d.h. sie macht zu wenig oder zu viel Hormon, auf der anderen Seite geht es um ein strukturelles Problem, einen entzündlichen Autoimmun-Prozeß, der die Drüse zerstört. Wobei die Funktionsstörung "Hypothyreose" ihre Ursache in 90% der Fälle in dieser Struktur(zer)störung hat. Also wäre es logisch, so früh wie möglich den autoimmunen Prozeß zu stoppen. Aber genau das wird nicht gemacht, ist vielen Ärzten nicht einmal bewußt. In der Regel wird in Deutschland erst dann behandelt, wenn die SD soweit zerstört ist, daß sie nicht mehr genug eigene SD-Hormone produzieren kann. Dann werden Schilddrüsenhormone als Ersatz verschrieben.

Genauso wie es Dr. Kharrazian 2010 in seinem Buch Why Do I Still Have Thyroid Symptoms? (S. 21) für die USA beschrieben hat.

Auch wenn das jetzt ein sehr großer Bogen ist, möchte ich doch die Geschichte hinter der heutigen Schildrüsensituation wenigstens einmal in aller Kürzer erwähnt haben, nicht zuletzt um die Namen derjenigen Ärzte festzuhalten, die so viel für Patienten getan haben, und durch deren Bücher ich überhaupt gelernt habe, was mit der Schilddrüse sein kann.

Hinter der Situation, wie sie heute ist, steht eine lange, extrem frustrierende Geschichte, die vor allem vielen Frauen - weit überwiegend sind Frauen betroffen - ein normales Leben voller Energie unmöglich gemacht hat. Die Geschichte der Behandlung von SD-Erkrankungen in Deutschland und weltweit ist deshalb so hochgradig frustrierend, weil sie ein extremes Beispiel einer Erkrankung ist, die massiv ignoriert wurde, wo stärkste ärztliche Lobby über mehr als 20 Jahre die Umsetzung neuer Erkenntnisse verhindert hat. Eine in meinen Augen kriminelle Geschichte. Und nur weil es weltweit eine Handvoll mutige Ärzte gegeben hat und irgendwann ein paar Patientinnen, wie Mary Shomon und später Janie Bowthorpe, die sich massiv weltweit für Aufklärung und die Belange von Patientinnen eingesetzt haben, haben wir gelernt, warum das mit der SD nicht „so einfach“ ist, und was alles falsch läuft. Die Streitpunkte sind unendlich. Über den TSH, wie „gefährlich“ ein supprimierter TSH ist, was „subklinischer“ Hypothyroidismus ist, welches SD-Hormone das richtige ist, welche Normwerte gelten, welche Dosierungen, ob RT3 eine Bedeutung hat, ect. Es gibt nichts, wo es nicht aus den Reihen der Endokrinologen massiven Widerstand gab und z.T. heute noch gibt.

Dr. Broda Barnes, 1906 bis 1988, hat äußerst umfangreiche Feldforschung zur Schilddrüse betrieben. Sie Buch Hypothyroidism. The unsuspected illness, leider nicht übersetzt, müßte eigentlich jeder Arzt gelesen haben! Dann müssen genannt werden: Dr. John Lowe und Dr. Blanchard in den USA, Dr. Peatfield und Dr. Gordon Skinner in England, Dr. Hertoghe in Frankreich und einige wenige andere.

Dr. John Lowe ist im Januar 2012 an einer Kopfverletzung gestorben und Dr. Gordon Skinner im November 2013. Allen hat man das Leben schwer gemacht. Dr. Skinner mußte immer wieder vor Gericht und seine Behandlungen rechtfertigen, weil er z.B. schon bei „subklinischer“ Hypothyreose behandelt hat, weil er auch T3 gegeben hat, usw. Er hat jeden Prozeß gewonnen, aber zu was für einem Preis, es hat ihn unendlich Kraft und Geld gekostet. Jedes Mal haben Patienten öffentlich für ihn Partei ergriffen und demonstriert. Ich weiß nicht genau wann, aber ich glaube 2012 hat er noch die Seite „World Thyroid Register“ eingerichtet, um einmal mehr in Namen von Patientinnen und Patienten auf die Mißstände aufmerksam zu machen. Die Seite hat 5389 Mitglieder. World Thyroid Register - Home. Er schreibt:

"Das Welt-Schilddrüsen-Register wurde ins Leben gerufen, um auf die prekäre Situation von Patientinnen mit einer Schilddrüsen-Unterfunktion aufmerksam zu machen, die noch nicht diagnostiziert wurde, und auf Patienten, die gezwungen sind, mit einer inakzeptabel niedrigen Dosis Schilddrüsenhormone zu leben. Die Situation hat sich im letzten Jahr erheblich verschlechtert, weil zwei Ärzteverbände in UK (Royal College of Physicians und Royal College of General Practitioners) unter anderem dafür plädiert haben, dass bei Patienten solange keine Schilddrüsen-Unterfunktion diagnostiziert werden soll, solange ihr TSH unterhalb von 10 ist, und daß Armour ein abzulehnendes Schilddrüsenpräparat sei, weil das Verhältnisses von T4 und T3 nicht dem beim Menschen entspricht, und daß Ärzte ausschließlich T4 verschreiben sollten. Das alles macht überhaupt keinen Sinn."

Dr. Peatfiled wurde die Praxis geschlossen, er hat sich zurückgezogen und Bücher und Artikel geschrieben und anderen Ärzten sein Wissen weitergegeben. Alle Bücher dieser Ärzte sind beeindruckend, besser als jeder Roman.

AUF DIESER PIONIERARBEIT BERUHEND gibt es nun sehr erfreulich eine neue Generation Ärzte in den USA, die das, was die Ärzte vor ihnen geleistet haben, mutig weiterführen, die öffentlich auftreten sich nicht mehr einschüchtern lassen. Dank Internet und Übersetzungen von Büchern verbreitet sich das Wissen, und dieser Geist läßt sich - hoffentlich - nicht mehr zurück in die Flasche schieben. Einige Namen sind Dr. Datis Kharrazian, Dr. Brownstein, Dr. Holtorf, Dr. Alan Christianson. Das Buch von D. Kharrazian war das erste, in dem ich gelesen habe, daß die Ursache für SD-Erkrankungen alles andere als eindimensional ist, und daß man bei Autoimmunen SD-Erkrankungen viele Aspekte angehen muß, wenn man die Erkrankung aufhalten will.

Die Situation ist immer noch nicht rosig. In einem Audio-Beitrag sagte Dr. Kharrazian kürzlich u.a., daß er seit über 10 Jahren Ärzte weiterbildet, daß er es aber jetzt aufgegeben hat, weil nur ein winziger Bruchteil dieser Ärzte das Gelernte für ihre Patienten umsetzt. Seine Kollegen haben es ähnlich gesagt. Alle engagieren sich jetzt noch mehr in der Informationsvermittlung direkt an Patientinnen und Patienten, weil sie der Überzeugung sind, daß NUR DURCH PATIENTEN und PATIENTINNEN die notwendigen Veränderungen im System herbeigeführt werden können.

Ich persönlich glaube, daß viele Menschen mit gesundheitlichen Beschwerden auch heute noch unterdiagnostiziert sind, was die SD betrifft. Ich glaube sogar,daß ein Teil der CFS/ME Erkrankungen SD-Erkrankungen sind.

Darum reicht es nicht, wenn user schreiben, wie man es hier fast alle paar Tage lesen kann:
Schilddrüsenwerte waren im Normalbereich, nach den exakten Werten hab' ich jetzt leider nicht gefragt,

Vor kurzem wurden auch ein kompletter Check der Schilddrüse gemacht, auch ohne Befund.

Schilddrüse: Alles gut.

Werte waren OK
Der erste Schritt muß sein, daß jeder seine Werte in Zahlen kennt und den schriftlichen Befund, d.h. die Beurteilung seines Ultraschallbefundes und/ oder Szintigramms. Und daß er/sie sich mit den Zahlen vertraut macht, was diese bedeuten. Denn das spielt für die weitere Behandlung eine ganz entscheidende Rolle.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Was für eine stärkste ärztliche Lobby? Meinst du die Gesellschaft für Endokrinologie?

Kharrazian ist Chiropraktiker, kein Schilddrüsenarzt. Nach Brownstein musste ich erst googeln. Meinst du den, der Lugolsche Lösung (also viel Jod) empfiehlt? Bei Basedow und Hashimoto keine so geile Idee.....
 
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