Hallo und guten Tag, Vanilla
03.12.2012
giftige Mineralölrückstände in der Schokolade von Adventskalendern - diese Meldung von Stiftung Warentest schreckte in der vergangenen Woche viele Verbraucher auf. Die meisten Verantwortlichen aus Politik, Behörden und Lebensmittelindustrie reagierten wie so oft: Beschwichtigen, das Problem kleinreden, alles halb so dramatisch. Dabei kommt eine Studie, die das Bundesverbraucherministerium selbst in Auftrag gegeben hatte, zu einem ganz anderen Ergebnis. Doch davon sagt Ministerin Ilse Aigner kein Wort.
Aber der Reihe nach. Pünktlich zu Beginn der Vorweihnachtszeit meldete Stiftung Warentest vergangenen Montag, dass sich in Schoko-Täfelchen von 24 getesteten Adventskalendern Rückstände von schädlichen Mineralölen und ähnlichen Stoffen fanden. In neun Fällen war die Schokolade so belastet, dass die Stiftung Kinder vor dem Verzehr warnte. Die Ölreste kamen durch die Altpapierverpackung in die Süßigkeiten.
Einer der Hersteller reagierte umgehend und kündigte an, seine Produkte vom Markt zu nehmen. Auch der Bundesverband der Süßwarenindustrie reagierte noch am gleichen Tag - von Problembewusstsein war hier aber wenig zu spüren: "Die getesteten Erzeugnisse sind im Hinblick auf die angeblichen Mineralölgehalte voll verkehrsfähig und entsprechen den lebensmittelrechtlichen Normen. Insbesondere sind sie nicht gesundheitsgefährdend", hieß es in einer Erklärung. Ende der Durchsage.
Und auch der Lobby-Verband der Lebensmittelhersteller, BVE, meldete sich zu Wort - und kritisierte die Stiftung Warentest: Man sei vorab nicht informiert worden, beklagte sich BVE-Hauptgeschäftsführer Matthias Horst, und überhaupt handele es sich doch "um ein in Deutschland bekanntes Problem".
Die zuständigen Behörden bemühten sich ebenfalls redlich, das Thema herunterzuspielen. "Unsere Besorgnis ist nicht allzu groß", teilte etwa das Bundesinstitut für Risikobewertung, das dem Bundesverbraucherministerium untersteht, mit.
Komisch nur, dass eine Studie, die das Ministerium selbst in Auftrag gegeben hatte, schon vor mehr als einem halben Jahr das Problem ganz anders einschätzte. Die vom Ministerium beauftragten Wissenschaftler stellten hohe Mengen krebsverdächtiger Mineralölbestandteile in vielen Lebensmitteln fest - unter anderem in Reis, Gries, Backmischungen oder Frühstückscerealien. Neben Mineralölbestandteilen identifizierten die Forscher zudem mehr als 250 andere, potenziell gefährliche Stoffe, die aus den Receycling-Kartons in die Lebensmittel übergehen können, darunter krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Klebstoffe, Weichmacher und Photoinitiatoren. Nur auf einer versteckten Internetseite der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ist der 204 Seiten umfassende Abschlussbericht publiziert. In der Reaktion auf den Adventskalender-Test der Stiftung Warentest ging Verbraucherministerin Ilse Aigner mit keinem Wort auf die alarmierende Analyse ein: Sie verschweigt die eigenen Untersuchungsergebnisse.
Stattdessen kündigte sie an, einen Grenzwert für Mineralöl in Lebensmittelverpackungen zu prüfen. Klingt ja erst einmal gut. Nur weiß die Ministerin aus ihrer Studie, dass ein Grenzwert allein für Mineralölrückstände das grundsätzliche Problem nicht lösen wird - bei mehr als 250 umstrittenen Stoffen in Verpackungen. Die Studie kommt deshalb zu einem eindeutigen Ergebnis: In der derzeitigen Form sind Recyclingkartons für Lebensmittel schlicht ungeeignet. foodwatch fordert: Statt eines Grenzwertes für Mineralöl muss Ilse Aigner dafür sorgen, Altpapier zukünftig nur dann für die Verwendung als Lebensmittelverpackung zuzulassen, wenn die Produkte durch eine Trennschicht vor gesundheitsgefährdenden Substanzen aus der Verpackung geschützt werden. Genau das ist die Empfehlung der Wissenschaftler in der Aigner-Studie.
Liebe foodwatch-Interessierte, wir bleiben an dem Thema dran, denn der Fall zeigt (leider) wieder einmal: Wir müssen Politik, Behörden und der Industrie genau auf die Finger schauen. Ansonsten versucht man, uns Verbraucher mit Halbwahrheiten und Alibi-Maßnahmen abzuspeisen.
Herzliche Grüße,
Ihr foodwatch-Team
PS: Egal ob Dioxin im Frühstücksei oder Mineralöl in der Schokolade: Viel zu oft scheut die Politik wirksame Maßnahmen - aus Rücksicht auf die Interessen der Industrie. Dagegen kämpft foodwatch.