Die Algenwirkung bei Amalgam
Gegenwärtig werden ca. 30 verschiedene Arten von Mikroalgen sensu lato der Gattung Chlorella zugeordnet und als solche in der Fachliteratur beschrieben. Von jeder dieser Arten sind wiederum eine Vielzahl von Stämmen bekannt.
Die Taxa verteilen sich auf zwei Klassen (Trebouxiophyceae und Chlorophyceae) innerhalb der Abteilung der Chlorophyta. Das Fehlen artspezifischer morphologischer Strukturen, so variieren Zellgröße und -form sowie die Zusammensetzung diverser Speichersubstanzen und Sekundärprodukte stärker unter Einfluß von Alter, Nährstoffangebot und Umweltfaktoren als artbedingt, führt zu beträchtlichen Problemen bei der taxonomischen Zuordnung der Chlorella - Spezies. Reproduktionszyklen unter Autosporenbildung ausschließlich asexueller Natur erschweren die Charakterisierung zusätzlich.
Auf Grund der genannten geringen morphologischen und physiologischen Unterschiede der einzelnen Spezies existieren zwangsläufig Fehl- und Doppelzuordnungen. Moderne biochemische und molekularbiologische Untersuchungsmethoden wie z. B. die Analyse der 18sRNA - Sequenzen erlaubten in den letzten Jahren eine genauere Klassifizierung der einzelnen Chlorella - Spezies.
Mit der genannten Methode lassen sich die phylogenetischen Abstände der jeweiligen Arten exakt bestimmen, die vorgefundene ausgeprägte Polyphylie innerhalb der traditionell der Chlorella zugeordneten Taxa macht jedoch Umbenennungen und Neueinteilungen erforderlich. So konnte gezeigt werden, dass Chlorella vulgaris; Chlorella sorokiniana; Chlorella lobophora und Chlorella kessleri phylogenetisch sehr eng miteinander verwandt sind, mit der Konsequenz vorzuschlagen, die Gattung Chlorella auf diesen Cluster zu beschränken [HUSS et. al; J. Phycol. (1999), 35, 387, ]. Weiterhin mußten bisher als selbstständige Arten beschriebene Vertreter anderen bekannten Arten zugeordnet werden.
Das bedeutendste Ergebnis in diesem Zusammenhang ist die Feststellung, daß das Taxon "eChlorella pyrenoidosa„ nicht existent ist. D. h, bei den bisher unter dem Begriff "eChlorella pyrenoidosa„ beschriebenen Algen handelt es sich nicht um Vertreter einer eigenen Art, sondern um verschiedene (!!!) Stämme anderer, definierter Chlorella- Arten, und zwar der: Chlorella vulgaris, Chlorella sorokiniana und der Chlorella fusca var. vacuolata.
Wie voranstehend erwähnt, sind Chlorella sorkiniana und Chlorella vulgaris sehr eng miteinander verwandt. Chlorella sorokiniana unterscheidet sich makroskopisch von der Chlorella vulgaris nur durch eine erhöhte Thermophilie sowie das Vorkommen eines speziellen Enzyms, der Hydrogenase. Letzteres ist aber nur von akademischem Interesse, da die Hydrogenaseaktivität nur unter anoxischen Bedingungen zu beobachten ist. Chlorella fusca var. vacuolata besitzt zusätzlich zur Thermophilie und der genannten Hydrogenaseaktivität die Fähigkeit, sekundäre Carotinoide zu synthetisieren. Eines dieser sekundären Carotinoide ist das sogenannte Sporopollenin, ein Zellwandpolymer auf Isoprenbasis.
Mikroalgen, die dem eigentlichen Chlorella-Cluster (siehe oben) zuzuordnen sind, (z. B. Chlorella vulgaris) synthetisieren kein Sporopollenin. An Stelle des Sporopollenins synthetisiert die Chlorella vulgaris neben den cellulose- und hemicelluloseartigen Zellwandbestandteilen Makromoleküle auf Glycosaminbasis, d. h., chitinartige Verbindungen, wie sie in ähnlicher Form z. B auch in vielen Pilzen vorkommen. Nun zur Frage der schwermetallbindenden Eigenschaften des Sporopollenins. In der Fachliteratur, und hier sind entsprechende naturwissenschaftliche und medizinische Journale und nicht pseudowissenschaftlich / esoterische Schriften gemeint, läßt sich nur ein Zitat finden, welches die entgiftende Wirkung der Chlorella mit Sporopollenin in Verbindung bringt.
Allerdings handelt es sich hierbei um einen Entgiftungsprozeß im Zusammenhang mit lipophilen Chlororganika (Chlordekon, einem Dekachlorpentacyclodekan-3-on), der Autor spricht von der Möglichkeit, daß neben anderen Komponenten Algen - Sporopollenin durch Adsorptionsvorgänge zur Entgiftung beitragen kann (Pore, RS.: Detoxification of Chlordecone poisoned rats with chlorella and chlorella derived sporopollenin: Drug. Chem. Toxicol. 1984, 7(1), 57.).
Aus dieser durchaus als Arbeitshypothese akzeptierbaren Vermutung den kühnen Zirkelschluß zu ziehen, daß nur "eChlorella pyrenoidosa„ auf Grund ihres Sporopolleningehaltes zur Quecksilberausleitung geeignet sei (zwei der oben aufgeführten und bislang als Chlorella pyrenoidosa geführten Algenarten können kein Sporopollenin synthetisieren!) zeugt entweder von fachlicher Unbedarftheit, oder aber, und das wohl eher, von dem Bestreben, Marktanteile zu sichern.
Die Schwermetallentgiftung bzw. beschleunigte Ausscheidung läßt sich anders erklären: Polare bzw. wasserlösliche, in ionischer Form vorliegende Komponenten (z. B. die Kationen diverser Schwermetallsalze) gehen mit polaren Funktionen der Zellwandpolymere (z. B. NHR- Gruppen aus Peptiden, Glucosaminen, Hydroxylgruppen der Cellulosen und Hemicellulosen) sowie polaren Zellinhaltsstoffen (z. B. Phytochelatinen, S- haltigen Proteinen, Cystein), elektrostatische Wechselwirkungen ein, die zu Komplexen und Chelaten, denjenigen von DMPS vergleichbar, führen. Lipophile Verbindungen, wie z. B. Methylquecksilberderivate oder aber auch kolloidal verteiltes metallisches Quecksilber werden vorwiegend an der polysaccharidhaltigen Zellwand sowie von den Lipiden der Chlorella adsorptiv gebunden.
Die Adsorptionsprozesse sind unter physiologischen Bedingungen partiell reversibel, sofern sie an für den Körper verfügbaren Komponenten stattfinden. Weiterhin belegt ist die Stimulation von Phase II Eliminationsprozessen, d. h. die verstärkte Bildung konjugierend wirkender Enzyme wie Glutathion-S-Transferasen (GST), nach Chlorella - Gaben. GST sind Schlüsselenzyme in Entgiftungsreaktionen und beschleunigen nicht nur Konjugations- und damit Ausscheidungsprozesse elektrophiler Xenobiotika, sondern haben über ihre Peroxidasefunktion auch Einfluß auf die Verminderung von oxidativem Stress.
In diesem Zusammenhang ist auch die hohe Konzentration von Antioxidantien (u. a. Polyphenole und Carotinoide) in der Chlorella vulgaris von Bedeutung. Sowohl Glutathion als auch GST binden auf Grund ihrer hohen Affinität zu Schwermetallen anorganische und organische Quecksilberverbindungen, wobei GST inhibiert werden. Dieses schützt zwar einerseits den betroffenen Organismus vor Quecksilber, andererseits wird aber der Entgiftungsvorgang elektrophiler Organika gestört sowie die Anfälligkeit gegenüber oxidativem Stress erhöht. Eine zusätzliche Stimulation der GST - Aktivität durch die Chlorella sollte somit mit einer erhöhten Chemoresistenz einhergehen.
Da das Ganze mit einer Stabilisierung und direkten Aktivierung des Immunsystems, einer weiteren wichtigen physiologischen Wirkung der Chlorella, einhergeht, werden bisher rein empirisch beobachtete positive Effekte im Sinne einer Entgiftung biochemisch erklärbar, wobei die gleichzeitig mit der „eEntgiftung“ stattfindende Aktivierung des durch Schwermetalle angeschlagenen Immunsystems wichtig zu sein scheint.
Nun zur Frage der Dosierung im Zusammenhang mit Amalgamentfernungen. Aus der Fachliteratur ist bekannt, daß trotz vieler Vorsichtsmaßnahmen das Entfernen von Amalgamfüllungen eine relativ hohe Stoßbelastung mit Quecksilber für den betroffenen Körper bedeutet. Diese Belastung setzt noch während der Behandlung ein, erreicht nach ca. 24 h ein Maximum und klingt über einen Zeitraum von 2- 3 Wochen wieder bis hin zur vorausgegangenen Untergrundbelastung ab. In diesem Zeitraum werden im Serum, aber auch z. B. im Darmbereich Quecksilberkonzentrationen erreicht, die durchaus schon toxische Relevanz besitzen. Um diesen Stoßbelastungen die Spitzen zu nehmen, sollte schon im Vorfeld der Zahnbehandlung ( ca. 2 - 3 Wochen vor Beginn) die normale 3 g - Tagesdosis (falls nicht sowieso geschehen) eingenommen werden. Diese ca. 2 Tage vor Behandlungsbeginn auf 5 g erhöhen, nach der Behandlung für ca. 5 - 7 Tage 6 - 8 g nehmen, dann entsprechend der abnehmenden Stoßbelastung die Dosis innerhalb der nächsten 2 Wochen wieder auf die üblichen 3 g verringern.
Alle anderen Entgiftungen im Zusammenhang mit „eAusleitungskuren“ in Gegenwart von Koriander und Bärlauch sollten durch den Heilpraktiker begleitet werde. Die entgiftende Wirkung des Bärlauchs ist nachvollziehbar, da durch den hohen Gehalt dieser Pflanze an schwefelhaltigen Inhaltsstoffen (Bisallyldithiosulfinate / -sulfensäurederivate u. ä.) dem Körper bei Verzehr somit große Mengen wirksamer Hg - affiner Substanzen zugeführt werden, die dieses auch interzellulär wirkungsvoll binden und z. B. einer renalen Ausscheidung zugänglich machen. Über die Dosierung liegen mir leider keine Hinweise vor, ich denke, wie beim Knoblauch (letzterer sollte ähnlich wirken) sind hier durch die Geruchsbelästigung Grenzen gesetzt. Als Ergänzung zur Chlorella können eigentlich keine Fehler gemacht werden. Über die Wirkung des Korianders kann ich keine Aussagen machen, eine Reihe von Therapeuten behaupten, er öffne diverse „eIonenkanäle in Nervenzellmembranen“ (?), so daß Quecksilber auch von dort nach außen gelangen, gebunden und ausgeschieden werden kann.
Leider sind mir keine Inhaltsstoffe des Korianders bekannt, denen eine derartige Wirkung nachgewiesen werden konnte. (Im Koriander kommen hauptsächlich terpenoide Verbindungen [alpha -Pinen, Linalool, Kampfer usw.] vor). Nach Aussage von Heilpraktikern darf Koriander erst genommen werden, wenn die Hg- Belastung außerhalb des Nervengewebes durch längere Ausleitung schon unter das Niveau innerhalb der Nervenzellen gebracht wurde, um ein „eRückfluten“ zu verhindern, was zwar logisch klingt, leider aber nirgends durch exakte Messungen bewiesen ist.
Bei Betrachtung der oben genannten terpenoiden Inhaltsstoffe sollte man aber immer an deren allergenes Potential denken.
M.Ecke
Algomed - Forschungsabteilung