Ich bin anders - und das ist gut so!

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19.08.10
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ICH BIN ANDERS - UND DAS IST GUT SO!



Aber,

wie Shelley an anderer Stelle schrieb: 'Es hilft mir doch immer sehr,
zu erfahren, wie andere...'

Ich glaube, d a s trifft auf uns alle zu.
Wir diskutieren hier nicht über die Behandlungsmöglichkeiten
von Grippe oder Zahnschmerz - im gesamten Bereich der psychischen
(Erkrankungen möchte ich gar nicht sagen) Störungen (?) klingt auch nicht
nett, denn wer definiert, was eine Störung ist?

Der, der sich gestört fühlt!

Also, beim ganzen Psychiatrie/klin. Psychologie-Bereich geht es
letztlich um die Bewertung menschlichen Verhaltens bzw. die Frage:

Wie weit ist ein Mensch in der Lage, sich reibungslos in ein bestehendes
System einzufügen?

Kann er es nicht, versucht man herauszufinden, ob es dafür organische
Ursachen gibt, dann, ob er unter dem Einfluß von Giften
(Drogen,Umweltgifte etc.) stand.
Und wenn dies alles nicht zutrifft, wirds schwierig.

Wir alle gehen dabei von der stillschweigenden Übereinkunft aus,
dass die Welt, in der wir leben, völlig in Ordnung ist, so wie sie ist
und man sich ihr deshalb auch anpassen k a n n.

Wir vergessen dabei, dass ein psychisch vollkommen gesunder Mensch
des Mittelalters wahrscheinlich bereits nach einem Tag am Rande des
Nervenzusamenbruchs wäre, gelänge ihm ein Zeitsprung - wobei er
noch nicht einmal in New York landen muss.

Diese Flut von Reizen, der wir täglich ausgesetzt sind!
Die minderwertige Nahrung, die zusammen mit künstlich erzeugten
elektromagnetischen Feldern unsere Abwehr schwächt!
Ein Mensch, der sich diesen krankmachenden Bedingungen anpaßt,
wird zwangsläufig krank.
Die, die Strategien entwickeln, um sich diesen Prozessen zu verweigern,
zeigen für mein Empfinden eine weitaus größere Überlebensbereitschaft
und -fähigkeit als alle anderen.

Dazu passt auch, dass Asperger ohnehin meist eine aussergewöhnlich
hohe Intelligenz aufweisen und die Fähigkeit, verschiedene Sinnes-
eindrücke zu vernetzen, (Synästhesie)*
bei ihnen recht verbreitet ist.
Sprich: beim hören eines Wortes diesem einen 'Wert' zuzuweisen,
der aus optischen, akustischen und haptischen Eindrücken
zusammengesetzt ist.

Freunde, die um meine 'Lieblingstheorien' wissen,
zu denen auch die gehört, dass Krankheiten häufig
'artifiziell' sind, also heiß geliebte Kinder
einer omnipotenten Pharmaindustrie, schenkten mir ein Buch
mit dem Titel: Das Zeitalter der Nervosität
- Deutschland zwischen Bismark und Hitler, Joachim Radkau,
Propyläen Taschenbuch.

In dem der bekannte Historiker seine These von der Genese
des 2. Weltkriegs und des Nationalsozialismus vertritt.
Er kennzeichnet die gesamte wilhelminische Epoche als eine Ära,
die von einer starken Nervosität getragen wurde und schließt damit an
Thomas Mann an, der behauptete, Hitler stand unter
'kaum zu ertragender Nervenanspannung'.

Das will ich gar nicht weiter verfolgen.
Wobei, die Vorstellung, bestimmte Psychopathologien könnten,
wenn sie denn um sich greifen (100.-Affe-Theorie), ganze
Länder an den Rand des Abgrundes führen,
an sich schon interessant ist.

Was mich aber besonders interessierte, ist der Aspekt,
den ein Kritiker von 'Die Zeit' hervorhob, indem er
dieses Buch 'eine profunde Sozialgeschichte
der Nervosität' nannte.

Hier wird einmal exemplarisch aufgezeigt, wie Krank-
heitsbilder entstehen und auch wieder verschwinden.

Beschreibt man jemanden heutzutage als 'sehr nervös'
assoziiert dies 'leicht hysterisch', vielleicht auch
'paranoid', in jedem Fall nicht voll belastbar.

Die Betrachtung und Be'inhaltung' von 'nervös' veränderte
sich aber im Laufe der Zeit.
So galt in der vorwilhelminischen Ära das Prädikat: 'nervös'
als Zeichen 'guter Rasse' - war also mehr den
herrschenden Schichten vorbehalten.
'Feinnervig' wurde eher mit 'sehr sensibel' übersetzt
und war keineswegs ein negativ besetzter Begriff.

Zum, eine Pathologie kennzeichnenden Begriff wandelte
er sich, als findige 'Society'- Ärzte auf den Gedanken
kamen, man könne Bäder einrichten,
um finanzträchtigen Nutzern den Eindruck zu vermitteln,
dort könne etwas
zur 'Nervenberuhigung' getan werden.
Ganz reale Profitinteressen (des Arztes) trafen hier auf
den Wunsch, des 'Nutzers', also des Badereisenden,
seine vergnügliche Reise zu rechtfertigen,
ihr etwas 'seriöses' zu verleihen. (Ich tu das nicht für mich,
sondern um meine Nerven zu kurieren.
Schließlich muß ich ja eine Firma leiten.)
Er w u r d e also erst zum 'Patienten'.

Wie uneins man in der Bewertung des Krankheits-
bildes 'Nervenschwäche' (Neurasthenie) war,
zeigt sich in den höchst unterschiedlichen
Behandlungsweisen. Zum einen, eher sedierend,
Reize abschirmend -
mehr der heutigen Wellness-Erfahrung mit Massagen,
leiser Musik etc.entsprechend, andererseits gab es
jedoch auch Ärzte, die meinten, man müsse die
hypersensible Klientel 'abhärten' und versuchen, ihre
Reizschwelle etwas nach oben zu verlagern.
Die vermittelten dann eher
'Überlebenstrainings'- und 'Bootcamp'-Erfahrungen.
In jedem Fall war man sich einer Sache gewiß,
dass man es mit einem
ernsthaften Krankheitsbild zu tun habe, denn
schließlich ließ es sich ja behandeln.
Das änderte sich schlagartig, als plötzlich scharenweise
durch den 1. Weltkrieg stark traumatisierte Soldaten
auftraten, die tatsächlich 'nervenkrank' waren.
So viele Bäder, um die alle zu befrieden, gab es gar nicht.
Die Kranken- und Rentenkassen, damals auch nicht
anders als heute, verweigerten die Kostenübernahme
und die Soldaten wurden als Versicherungsbetrüger
und Drückeberger denunziert und bestenfalls
der Hypochondrie bezichtigt!

Aber die Anfänge waren bereitet und die enge
Verknüpfung von 'Modernität' (mit großstädtischer
Reizüberflutung, Industriealisierung und
vor allem: einer unglaublichen Beschleunigung
des Lebenstempos) und Neurasthenie zu auffällig,
um einfach übergangen zu werden.

Und man interessierte sich für Wesenszüge, die
besonders empfänglich
für Neurasthenie machten. Der Neurologe Dubois sprach
von 'der pedantischen Pünktlichkeit' vieler
Neurastheniker.
(Asperger-Syndrom, ich hör dich trapsen!)

Auffällig waren ebenfalls die nationalen Häufungen.
Bei den Briten schien 'Neurasthenie' fast unbekannt
zu sein und man bescheinigte ihnen einen sehr
'robusten' Nationalcharakter.
Wohingegen die Deutschen, mit ihrer Neigung zu
Grübelei und Trübsinn (das faustische Element)
wohl mehr als andere empfänglich
zu sein scheinen.
(Goethe: "Dem Phlegma gehört die Welt!" war es auch,
der den Begriff 'veloziferisch' schuf. Eine Verknüpfung
zwischen schnell und teuflisch, die sicher nicht zufällig war.
Dazu gibts eine tolle dctp-Folge, Alexander Kluge im
Gespräch mit... Peter Berling, glaube ich))
Die Rolle, die den Lebensumständen zukommt, wird
immer wieder hervorgehoben.
So zitiert der Autor Georg Grabe, einen Telefon-
techniker bei Siemens, der in seinen Memoiren den
Ausbruch einer Massenhysterie unter den
Telefonistinnen beschreibt.
Ein neues, noch nicht ausgereiftes, System wird
eingeführt und bringt, statt der erwarteten Verbesserungen
nur fehlerhafte Schaltungen.
Viele Anrufe kommen nicht zustande.
Viele Verbindungen 'stehen' nicht.
Die Teilnehmer werden fuchsig und die Telefonistinnen
noch mehr.
Bis eine zu schreien anfängt und andere folgen.
Der Telegrafendirektor, der Zeuge eines technischen
Triumphes werden sollte, will nun auf das alte System
zurückschalten, ringt die Hände und ruft ein ums andere
Mal: "Meine armen Mädchen!"
Vor der Berufswahl 'Telefonistin' wurden besonders
die sensibleren Gemüter in zahlreichen Publikationen
gewarnt.
Soviel zum Thema Umwelt und Krankheit.
Und nicht nur die Menschen früherer Zeitalter hätten mit
der heutigen Welt wahrscheinlich so ihre liebe Not.

Auch die, die in -von der unserigen- strark abweichenden
Kulturen aufwachsen, sind nicht zwangsläufig zu
bemitleidende, da von der westlichen
Light (sorry! natürlich: Leit-)Kultur abgeschnittene Lebens-
formen, sondern vielleicht wesentlich glücklichere
Menschen, da sie in einen tragfähigen sozialen
Kontext eingebunden sind, der es ihnen sogar
gestattet, persönliche Besonderheiten aufzuweisen.
Also:
BiMi sagt (ich bin müde und gestatte mit jetzt einen
Rückfall in infantile [regressive] Verhaltensweisen):

Nicht nur Menschen früherer Zeiten würden wahr-
scheinlich heutzutage in der einen oder anderen
Form als 'psychisch krank' eingestuft werden,
auch die jeweilige Kultur kann toleranter oder intoleranter
bezüglich der Definition von Krankheiten sein.
(Temporale und lokale Unterschiede.)
Aber selbst am gleichen Ort zur gleichen Zeit gibt
es kaum Einigkeit bezüglich der Auslegung.
Es gibt Autisten, Asperger, HSPler (High Sensitive Person), Savants
und Hochbegabte...

Viele scheint zu einen, dass sie über besondere
Fähigkeiten verfügen, die sich auf der Basis eines
höchst verfeinerten Sensoriums entwickelten.
Besondere Fähigkeiten machen einsam.
Sie separieren den 'Betroffenen' von seiner Umwelt.
Das war immer so und kann auch nicht anders sein.
Aber es ist unnötig, Menschen zu s t i g m a t i s i e r e n,
indem man ihnen ein Krankheitsbild zuordnet.
Nur, weil sie mit den bestehenden Verhältnissen nicht
konform gehen.

Wenn wir das Ende der symptomorientierten Behandlung
auch auf Asperger ausweiten wollen, müssen wir uns
ebenfalls bemühen, die Welt, in der wir leben,
menschlicher zu gestalten.
Da gibts einiges zu tun.
Sowohl was die (Mit-)menschlichkeit unseres Verhaltens
angeht, als auch in Bezug auf die ständig zunehmende
Unbewohnbarkeit unseres Planeten.
Der Mensch ist eines der anpassungsfähigsten Lebewesen.
Das war die Voraussetzung für unseren Triumphzug.
Vielleicht wird es auch unseren Untergang besiegeln.


BiMi




*Als Synästhesie bezeichnet man die Fähigkeit, parallel zueinander oder gleichzeitig einen visuellen, olfaktorischen oder akustischen Reiz wahrzunehmen.

Es gibt ein gutes Buch zumThema aus dem, leider nicht mehr existenten 'Byblos-Verlag'
(Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser nur ins Leben gerufen wurde,um m i r eine Freude zu bereiten. Es waren alles wundervolle Bücher, die dort erschienen!).
Das Buch ist von Richard E. Cytowic und heißt: Farben hören, Töne schmecken
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie empfindet ein Asperger sich selbst?

Für diejenigen, die Probleme mit der Akzeptanz ihres Asperger-Status
haben, hier die Kopie der Einleitung zu meinen 'CANCERMAILS'.
Darin setze ich mich kritisch mit den Definitionen von psychischen
'Krankheitsbildern' auseinander.
Da das Buch noch nicht veröffentlicht ist, könnt ihr gern Anmerkungen
und Änderungswünsche übermitteln. Ob ich sie berücksichtige, kann
ich nicht versprechen.
Wer sich 'verdient' macht, hat gute Chancen sich im Danksagungsteil
wiederzufinden. Ich habe ohnehin niemanden, bei dem ich mich für
Unterstützung bedanken kann.
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Ich gelte als Asperger-Syndrom-Patientin.
So bezeichnet man hochspezialisierte Autisten.
Autisten, die an das Leben der Normalen so weit angepasst sind,
dass sie den Anforderungen des Alltagslebens weitgehend entsprechen können.
Im Idealfall wird ihr Handikap von der Umwelt nicht einmal bemerkt.
Sowohl meine langjährigen Freunde, als auch die Männer mit denen ich mein
Leben teilte, würden sicherlich bestreiten, dass mit mir überhaupt etwas nicht stimmt. Die Menschen, die in der letzten Zeit mit mir zu tun hatten, würden das sicher ganz anders sehen.
Während ich bislang immer bemüht war, meine Macken zu kaschieren, lasse ich nun häufiger die Sau raus. Bildlich gesprochen.
Vielleicht auch im wortwörtlichen Sinne. Mehr und mehr widerstrebt es mir, mich einer Umwelt anzupassen, die ich zumindest teilweise als einen, mich krankmachenden Faktor ansehe. Zumindest jetzt erwarte ich, dass mein Umfeld auf mich Rücksicht nimmt. Meist jedoch werden diese Erwartungen nicht erfüllt.

Zeitlebens habe ich mit Definitionen von Krankheitsbildern, besonders im
psychischen Bereich, meine Probleme gehabt.
Vorbehalte, die ich bestätigt fand, als ich bei Carl Gustav Jung las, dass auch
dieser die Ansicht vertrat, Definitionen von Pathologie hätten in diesem Bereich nur bedingt Gültigkeit.
Sinngemäß lautete sein Credo, die Bandbreite dessen, was innerhalb einer
Gruppe als tolerables menschliches Verhalten akzeptiert werden könne,
würde mehr über die Toleranzfähigkeit einer Gesellschaft aussagen, als über
die tatsächliche psychische Gesundheit des Einzelnen.
Konsequent zu Ende gedacht bedeutet dies eine völlige Umkehrung des
gültigen Konsenses, denn es bedeutet ja, dass hier eine Aussage über die
psychische Gesundheit der gesellschaftlichen Struktur getätigt wird.
Ist sie in der Lage, ihren einzelnen Mitgliedern den Raum zu bieten,
den diese benötigen, um das ihnen innewohnende Potential zu entfalten?
Ist es ihr möglich, wie es in kleinen, überschaubaren Stammeskulturen durchaus der Fall ist, einzelnen Personen mit Handikap einen Raum zu bieten, in dem diese im Idealfall ihre vermeintliche Schwäche in Stärke verwandeln können?
Die in einigen Kulturkreisen hochgeachteten Schamanen sind dafür ein
gutes Beispiel.
Oder ist sie regressiv und unterdrückt diese? Je mehr Menschen den gängigen
Definitionen von psychischer Pathologie entsprechen, desto schlechter ist es
dann um die jeweilige Gesellschaft bestellt.
Sie ist nicht nur nicht in der Lage, den einzelnen Mitgliedern den ihnen zu-
stehenden Raum und geeigneten Rahmen für die eigene Entfaltung zu bieten,
sie beraubt sich auch selbst dieses sozialen Potentials und schafft im Gegenzug bei denen, die noch den Normen von Gesundheit entsprechen Angst vor den Anderen.
Jede Abweichung von der Norm wird misstrauisch beäugt.
Zunächst bei den Anderen, bei sensibleren und darum meist selbstkritischeren
Naturen aber zunehmend auch bei sich selbst.
In einer Schulungsveranstaltung für medizinisches Personal erläuterte ich
einmal Hebephrenie, eine nach der Göttin der Jugend benannte Psycho-
pathologie, die sich definitionsgemäß unter anderem durch 'läppisch-heiteres,
häufig der Situation unangepasstes Verhalten wie auch durch mangelnde
Verantwortung im Umgang mit Geld' auszeichnet.
Eine Teilnehmerin meldete sich zu Wort und meinte: "Wenn ich Ihnen so zuhöre, muss ich sofort an meinen Cousin denken, alles was Sie beschrieben haben, trifft auf ihn zu..."
Woraufhin ich ihr lachend erwiderte: "Sie werden mich jetzt
nicht dazu bringen, Ihren Cousin der Hebephrenie zu bezichtigen.“

Denn genau dies ist der Punkt. Bis zu einem gewissen Grade sind wir alle in
die gängigen Krankheitsschemata einordbar.
Zumindest Ansätze zu pathologischen Verhaltensformen sind bei jedem von
uns nachweisbar und die Grenzen werden sicher bei den meisten im Laufe
ihres Lebens auch einmal überschritten. Die Frage ist, wie reagiert die
Gesellschaft, also auch das engere Umfeld, die unmittelbar Betroffenen,
darauf? Wie kann sie damit umgehen?
Kann sie dieses Verhalten zunächst einmal annehmen, es akzeptieren,
es verstehen? Erst dann ist eine Auflösung von Konflikten möglich.
Um es kurz zu machen: Ich hatte immer das Gefühl, den gängigen
Autismus-Theorien zufolge, wären die meisten anderen Menschen
wesentlich autistischer als ich.
 
Wie empfinden Asperger die Welt?

Sinnesphysiologie - Wahrnehmung und Interpretation von Reizen

Nochmal ein Ausschnitt aus CANCERMAILS:

Obwohl ich nicht zu den Synästheten gehöre, neige ich dazu,
unterschiedliche Sinneseindrücke miteinander zu kombinieren.
Sie gewissermaßen parallel zueinander wahrzunehmen.
Farben mit Geräuschen, Gefühle mit Geschmäckern zu verbinden.
Als ich klein war, hielt ich das für die normale Art und Weise die Welt
wahrzunehmen.
Später habe ich mich oft gefragt, wie nun, ganz konkret, meine
Sinneseindrücke entstehen.
Ob es einfach immer schon so war, dass ganz unterschiedliche Reize
gleichzeitig auftreten und von mir wahrgenommen werden, es sich dabei
also um eine angeborene Fähigkeit handelt oder ob ich es mir einfach
angewöhnt habe, Dinge auf diese Weise zu sehen.

So fand ich es beispielsweise immer komisch, dass ich als Kind des Ostens,
'Osten' immer mit einer sehr hellen, lichtgrauen Farbe gleichsetzte, während
'Westen' einen sehr klaren, aber auch recht dunklen Grauton, mehr ein
'Mausgrau' assoziierte. Rein vom Gefühl her, müsste es doch eher
andersherum sein.
Wenn ich das Ganze als konditionierten Prozess betrachte,
könnte es natürlich auch so sein, dass ich den Ausspruch: 'Ex Oriente Lux',
der mir auch als Kind bekannt war, in die Visualisierung einfließen ließ.

Das wäre die verkopfte Form der Erklärung, die eher intellektuelle Variante.
Eine eher sensitive intuitive gibt es auch.

Als Kind überquerte ich auf meinem Schulweg, Tag für Tag die Karl-Marx-Allee
und während ich auf eine Unterbrechung im Fahrverkehr wartete, sah ich
nach links, Richtung Osten, wo meist gerade die rotleuchtende Sonne zwischen den Türmen des Frankfurter Tores aufging.
Für diese Theorie spräche, dass ich tatsächlich auch heute noch, Osten, zumindest gefühlsmäßig, auf die linke Seite der Windrose setze. Den Westen nach rechts.
Dorthin, wo er sich auf meinem Schulweg von Nord nach Süd auch befand.
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Falls ihr mir etwas zum Thema Synästhesien mitteilen könnt (und auch möchtet), würde ich mich sehr freuen.

Eure
BiMi
 
Falls ihr mir etwas zum Thema Synästhesien mitteilen könnt (und auch möchtet), würde ich mich sehr freuen.

Ich bin mir jetzt zwar nicht sicher, ob du damit was anfangen kannst, aber mir war jahrelang nicht bewusst, dass andere Menschen nicht synästhetisch wahrnehmen.
Mir fiel es überhaupt erst richtig auf, als jemand mir sagte, dass es lustig sei, dass ich z.B. Töne mit Geschmacksrichtungen erkläre.
 
Ja, P_P!

Das ging mir genauso!
Es ist wahrscheinlich ein Aspi-Problem.
Wir denken, andere empfinden ihre Umwelt genau wie wir auch.
Was sollen wir auch sonst denken?

Ein wenig habe ich die Hoffnung, dass das, was wir hier mitteilen, besonders den Eltern und Kontaktpersonen von Aspergern hilft, sich in deren 'besondere' Situation einzudenken. (oder zu fühlen).

Also, vielen Dank!

BiMi
 
Es ist wahrscheinlich ein Aspi-Problem.

Das denke ich nicht.

Jeder Mensch scheint so vorzugehen - wie könnte er auch anders? Solange es keine offenliegenden Beeinträchtigungen der Sinnesorgane gibt, geht doch jeder davon aus, dass er alles genauso sieht, hört, schmeckt, ... wie andere.
Abstufungen sind dann zwar verständlich, aber schlecht vorstellbar.
Aber völlig andere Wahrnehmungen? Die kann man sich weder vorstellen noch erklären.

Ich weiss dafür aber eines sehr genau, würde mir das Fehlen, wäre ich mehr als "blind".
 
Hallo DiMi,

nur als Anmerkung - nix für ungut !
Vorbehalte, die ich bestätigt fand, als ich bei Carl Gustav Jung las, dass auch
dieser die Ansicht vertrat, Definitionen von Pathologie hätten in diesem Bereich nur bedingt Gültigkeit.
Sinngemäß lautete sein Credo, die Bandbreite dessen, was innerhalb einer
Gruppe als tolerables menschliches Verhalten akzeptiert werden könne,
würde mehr über die Toleranzfähigkeit einer Gesellschaft aussagen, als über
die tatsächliche psychische Gesundheit des Einzelnen.

Als Nicht-Asperger erinnern mich diese Sätze u.a. an Thomas Mann, auch insofern, als es mir schwer fällt und die Lust fehlt, mich da durchzuarbeiten.

Grüsse,
oregano
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Oregano,

bin ich jetzt 'gesperrt'? Im Sinne von 'letzte Verwarnung'.

Oder war das eine 'künstlerische' Anmerkung?

Thomas Mann war k e i n Asperger. Wobei - wenn ich mir seine Biografie mal genauer vornehmen würde...

Du hast natürlich recht. Seine Sätze gehen manchmal über eine halbe Buchseite.
Schwer zu lesen? Na, klar!
Marcel Reich-Ranicki findet ihn trotzdem besser, als die meisten Gegenwartsautoren. Nein! Selbstverständlich vergleiche ich mich nicht mit Th. Mann! Aber mir ging es in dem Fall um den Inhalt und weniger um stilistische Dinge.

Gruss

biMi
 
Hallo BiMi,
das war nur mein Eindruck beim Lesen. Es ging mir auch nicht um einen möglichen Vergleich mit Thomas Mann, und an Reich-Ranicki habe ich gar nicht gedacht. Es ging mir nur darum, daß ein schwer zu lesendes Buch eben schwer zu lesen ist und vielleicht schneller zur Seite gelegt wird als ein Buch,d as flüssig zu lesen ist.

Gruss,
Oregano
 
Als Nicht-Asperger erinnern mich diese Sätze u.a. an Thomas Mann...

Ich denke mal, dass das nicht nur Nicht-Aspergern so geht. :)

Es ist zweierlei ... so zu schreiben und so etwas zu lesen. Das Schreiben ist recht einfach - es sind schliesslich die eigenen Gedanken- , es jedoch zu lesen erfordert hohe Konzentration, die man nicht zwangsläufig bereit ist -längere Zeit- aufzubringen.
 
Hallo Oregano und alle anderen,

da habe ich nun mit 'für kritische Hinweise bin ich jederzeit dankbar' eingeleitet, dann darf ich mich jetzt wohl nicht beschweren, nicht wahr?

Ja, ihr habt sicher nicht Unrecht!

Problematisch beim ganzen Buch ist, dass es von meiner Krebserkrankung handelt - dem Schock über diese wahnsinnige Isolation, die man erleidet, wenn man sich nicht in die 'Mühlen der Schulmed.' einfügt.

Und dann sieht: die lassen einen fallen wie eine heiße Kartoffel.
Da ist nichts mit: "Na, wenn Sie keine Chemo wollen, suchen wir g e m e i n s a m nach anderen Wegen."
Durch den Aspergerstatus wird es nicht einfacher.
Die Isolation wird noch größer.
Ich wollte den 'Asperger' in mir nicht ganz 'hinten runterfallen lassen'.
Die komplizierte, verschlungene Sprache gehört dazu.

Okay, vielleicht nicht bei allen Aspergern, aber doch vielen.

Wenn ich einfache Subjekt-Prädikat-Objekt-Sätze benutze, bin ich keine
Aspergerin, sondern eine Schriftstellerin, die vorgibt eine Aspergerin zu sein.

Versteht ihr, was ich meine?
Und das Thema an sich grenzt natürlich schon die Leserschaft ein.
Denkt ihr, i c h lese ein Buch über eine Krebserkrankung?
Doch nicht freiwillig!

Viele Grüße
BiMi
 
Ich wollte den 'Asperger' in mir nicht ganz 'hinten runterfallen lassen'.
Die komplizierte, verschlungene Sprache gehört dazu.
Okay, vielleicht nicht bei allen Aspergern, aber doch vielen.
Wenn ich einfache Subjekt-Prädikat-Objekt-Sätze benutze, bin ich keine
Aspergerin, sondern eine Schriftstellerin, die vorgibt eine Aspergerin zu sein.

Ich weiss, was du meinst. Aber schau dir deinen letzten Post an. Der ist in einer geraden unkomplizierten Weise geschrieben. Der ist eingängig, ohne Mühe zu lesen. Bist du deswegen kein Asperger mehr? ;)

Als ich anfing Programmiersprachen zu lernen, sagte mir ein sehr kluger Mensch etwas: Einfach genial - genial einfach.

Oder auch in die Kerbe: Wenn jemand etwas erklären soll und das nicht in einfachen Worten kann, dann hat er es nicht wirklich begriffen.
 
Hallo BiMi,


inhaltlich würde ich das "hochspezialisierte Autisten" rausnehmen und alternativ vielleicht gleich in den folgenden Satz überleiten. ("…So bezeichnet man Autisten, die an das Leben der Normalen so weit angepasst sind, dass sie den Anforderungen des Alltagslebens weitgehend entsprechen können….")
Hoch bzw. extrem spezialisiert sind auch autistische Savants, die im Alltag oft nicht ohne Hilfe überleben können.
Passender wäre "hochadaptiert" oder "mit einer weniger starken Symptomatik".

Ich habe übrigens in deinem anderen Buch gelesen und da hatte ich eher den Eindruck eines unverschnörkelten Schreibstils, dem man auch anmerkt, dass du Praxis hast im Unterrichten.

Anscheinend benutzt du verschiedene Schreibweisen und bist nun im autobiografischen Bereich eher deinem natürlichen Schreibfluss gefolgt.
Sooo verrankt finde ich diese Texte aber auch nicht. (Allerdings muss ich mich auch selbst häufig ermahnen, dass ich spätestens ab der dritten Zeile nach einer "eleganten Scheidung" suche. ;) )


Viele Grüße
Iris

PS: Hat das mit der Mail geklappt?
 
Hallo Iris,

danke, danke, danke!
Was du sagst gefällt mir sehr u n d ist auch hilfreich!

Deine Anmerkung zu meinem anderen Buch ist lustig, denn ein netter Mensch mit wesentlich mehr schriftstellerischer Erfahrung als ich, sagte mal:
"Man merkt es ihm (dem Buch) doch sehr an, dass es eine Zusammenfassung Ihrer Vorträge ist."

Das habe ich nicht unbedingt als negative Wertung verstanden, aber es stimmt, dass es mehr meiner Art zu reden, entspricht.

Was das neue Buch vom alten unterscheidet: Bei '7 Gründe...' bin ich mehr
(Sachbuch-)Autor als Schriftstellerin.

Da lockere ich mal das trockene Faktenmaterial durch eine Story aus der Praxis auf - das ist es dann aber auch schon.
'Cancermails' spielt in einer Welt aus Empfindungen und Gefühlen - für Rationalität war da sehr wenig Platz. Das ist sehr schwer auszudrücken und zu vermitteln.

Das war ja nur die Einführung. Später geht es um ganze viele, sich widersprechende Emotionen, die alle auf einmal vorhanden sind.
Die Angst vor dem Krebs, der Wunsch zu überleben, bei gleichzeitiger
Fühllosigkeit und auch immer wieder den Selbstmordwünschen, weil der nun
(fremde) Körper so schwer zu ertragen ist.
Das ist in seiner Komplexität schwer zu schildern.

Ja, du hast das richtig erkannt, es geht mir um größtmögliche Authentizität.
Und natürlich habe ich den Wunsch, ein etwas anderes Buch über eine Brustkrebserkrankung zu schreiben, als die, die ohnehin schon auf dem Markt sind.

Also, nochmals danke!

(Ja, die Mails sprengten zwar den Rahmen - du hast sie aber doch irgendwie durch den Briefschlitz gezwängt. Auch dafür, danke!)

Liebe Grüsse
BiMi
 
Asperger und Sprache

Asperger und Sprache

Eine Ärztin fragte mich einmal, ob ich 'irgendwelche Übungen' machen würde und ich dachte: 'Wie stellt sie sich das vor? Ich spiele jetzt
mal: 'nicht Autist sein'? Später fiel mir auf, dass ich genau das mache. Und das ist vielleicht das Verwirrende am 'high functioning A.':

Ich bin immer furchtbar traurig, wenn ich mich so richtig einsam fühle und es mir vielleicht auch noch körperlich schlecht geht.. Dann kommen Freunde vorbei, erzählen wie sie lange versucht haben, mich zu erreichen und wie große Sorgen sie sich gemacht haben. Fragen: "Dir geht es
schlecht, nicht wahr?" Und ich sage: "Ach, es geht schon! Wie geht es dir?" Und dann reden wir die nächsten drei Stunden über i h r e Probleme. Ihnen geht es besser, wenn sie gehen, mir nicht.Dann frag ich mich, wie sie denn überhaupt eine 'Idee' von Autismus entwickeln
können, wenn ich Ihnen immer das Bild vermittele, dass alles 'ganz normal' wäre. Da brauche ich mich doch nicht zu wundern, wenn sie ständig
nur betonen, wie unverständlich sie es finden, dass ich mich so gegen die 'Einführung des Telefons in meinem Wohnbereich' sperre, wo sie
doch so viele logische Gründe haben, die dafür sprechen. "Du brauchst ein Telefon! Du hast auch Herzrhythmusstörungen und Krebs - Du brauchst es einfach!"Sie sehen es als Widerborstigkeit an, wenn ich mich gegen ihren Bestrebungen, mich unter Leute zu bringen, sperre.
"Du mußt mal raus kommen. Du brauchst andere Menschen!" Es wirkt nicht glaubwürdig, wenn ich sage, dass ich mich sehr unwohl in Gesell-
schaft vieler Menschen fühle, zumal ich mal gemodelt und als Dozentin gearbeitet habe. Das scheint sehr widersprüchlich. Aber beides sind
Tätigkeiten mit strengen Regeln. Regeln, die auch Sicherheit bieten. In gewisser Weise ist man in beiden Fällen auch ziemlich allein und bildet
sein eigenes kleines Universum. Für mich war das eine Art Rollenspiel. Wenn ich mit anderen Menschen zusammen bin, lasse ich mich auf deren Bedürfnisse ein und versuche sie zu bedienen.

Das kann im Extremfall dazu führen, dass ich zum Arzt gehe und mich dabei erwische, wie ich seine Frage:"Wie geht es Ihnen?" fast mit:
"Danke gut - und Ihnen?" beantwortet hätte. Ich war lange als Therapeutin tätig und habe diese Frage an andere gestellt. In einer 'Praxis-
situation' muss ich mir erst vergegenwärtigen, auf welcher Seite ich stehe. Die Frage:"Wie geht es Ihnen?" ist missverständlich und kann dazu
führen, dass ich mein Anliegen vollkommen vergesse, zumal dann, wenn es mir gerade besser geht.
Die 'korrekte' Begrüßung des Aspergers durch den Arzt müßte also lauten: "Welche Beschwerden haben Sie denn heute zu mir geführt?"
Das ist klarer, präziser und leicht zu beantworten.
Wenn ich erst mal anfange darüber nachzudenken 'wies mir geht' - na, Leute! Das kann keiner von uns wollen. Da könnte ich eine, primär
unangepaßt erscheinende Antwort geben, die sich eher auf meine soziale und psychische Situation bezieht, weil das momentan mehr
Auswirkungen darauf hat, w i e es mir geht. Aber mit dieser Antwort könnte der Arzt natürlich überhaupt nichts anfangen.

Die 'gut funktionierenden' A. rufen vielleicht deshalb so viel Irritationen hervor, wenn sie mal nicht 'richtig' reagieren, weil sie ansonsten
nicht nur gut, sondern 'besser' als andere zu funktionieren scheinen. Wenn es um Behördenschreiben geht, kommen alle Freunde und Bekannte zu mir, weil ich in meinem Schreiben den Eindruck einer Rechtsanwaltskanzlei entstehen lassen kann.

Es macht auch wirklich Spaß, diese etwas blasierte und amtsdeutsch-trockene Sprache zu benutzen und wir lachen uns 'schief und scheckig' darüber, wenn ich sage. "So.Das dürfte reichen - nun hast du Ruhe."
Aber es ist wie ein Rollenspiel. Eines, das leicht zu handhaben, weil es sprach-basiert, ist.

Liebe Grüße

BiMi
 
Ich bin einer der - so Emrich - 150000 deutschen Synaesthetiker.

Synaesthesie hat mit Asperger nichts zu tun.

Lesen:
"Hinderk Emrich - Welche Farbe hat der Montag"
 
Ich bin mir jetzt zwar nicht sicher, ob du damit was anfangen kannst, aber mir war jahrelang nicht bewusst, dass andere Menschen nicht synästhetisch wahrnehmen.
Mir fiel es überhaupt erst richtig auf, als jemand mir sagte, dass es lustig sei, dass ich z.B. Töne mit Geschmacksrichtungen erkläre.

ich sehe die Woche immer in Helligkeitsdarstellung. Sonntag hell,sonnig hoch und den Montag tief,dunkel...und das steigert sich dann immer mehr zum Sonntag hin...

LG, Duffy
 
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