Hermann Hesse

hi leon,

ja wer sich einmischt übernimmt verantwortung.
der satz klingt mir seit ein paar tagen nach.
finde ihn schön und wahr.

ein gutes beispiel ist aus meiner sicht, als politiker der ex-bundespresident
v. weizsäcker.
ich empfinde ihn als geistigen menschen zugleich integer aber er war eben auch politiker.
ich meine man kann auf solche leute nicht verzichten.
ebenso wie h. schmidt oder h. geissler und andere die leider erst mit dem ausscheiden aus ämtern ihre schreckliche politikerrhetorik abgelegt haben.

nur kommentatoren oder beobachter zu haben wird ja nicht reichen die welt zu verbessern.
es braucht auch leute für die drecksarbeit die idealerweise ihre würde nicht verlieren.
das scheint aber in der tat schwierig.

lieber gruß
andreas
 
Hallo Holon,

ich denke, man muss da ja auch in Betracht ziehen, dass Hermann Hesse unter dem Eindruck ganz bestimmter historischer Ereignisse geschrieben hat. Ich vermute, dass er die Vereinnahmung der Intelektuellen im Stalinismus und während des NS - Regimes im Blick hatte.

Z.B. ein Günther Grass, der durch wiederholte Partei - Ein- und Austritte der SPD immer wieder "Dampf" gemacht hat, steht glaube ich auf einem anderen Blatt.


Herzliche Grüße von

Leòn
 
hallo leon,
das kann ich auch nur einmal mehr abnicken.
man vergißt ja nur zuschnell das jede aussage ihren kontext in der zeit hat.
wobei es bisweilen gelingt, dinge zu sagen, die grundlegende prinzipien beschreiben und ihre gültigkeit so behalten.
da sind wir dann wieder beim glasperlenspiel.:)

lieber gruß
andreas
 
Hallo Holon,

wobei es bisweilen gelingt, dinge zu sagen, die grundlegende prinzipien beschreiben und ihre gültigkeit so behalten.
da sind wir dann wieder beim glasperlenspiel.

genau so sehe ich es auch! - Manchmal ist es nicht ganz einfach, das eine vom anderen zu trennen. Und wer weiß - vielleicht gibt es mal wieder Zeiten, in denen das früher sinnvoll erscheinende wieder passt?

Herzliche Grüße von
Leòn


Folgendes Gedicht hat Hermann Hesse später ins Glasperlenspiel, in "Josef Knechts hinterlassene Schriften" eingefügt:

Klage

Uns ist kein Sein vergönnt. Wir sind nur Strom,
Wir fließen willig allen Formen ein:
Dem Tag, der Nacht, der Höhle und dem Dom,
Wir gehn hindurch, uns treibt der Durst nach Sein.

So füllen Form um Form wir ohne Rast,
Und keine wird zur Heimat uns, zum Glück, zur Not,
Stets sind wir unterwegs, stets sind wir zu Gast,
Uns ruft nicht Feld noch Pflug, uns wächst kein Brot.

Wir wissen nicht, wie Gott es mit uns meint,
Er spielt mit uns, dem Ton in seiner Hand,
Der stumm und bildsam ist, nicht lacht noch weint,
Der wohl geknetet wir, doch nie gebrannt.

Einmal zu Stein erstarren! Einmal dauern!
Danach ist unsre Sehnsucht ewig rege,
Und bleibt doch ewig nur ein banges Schauen,
Und wird doch nie zur Rast auf unsrem Wege.

[Januar 1934]
 
Zuletzt bearbeitet:
29. Juli 2007
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Lange Hesse-Nacht im Deutschlandfunk
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Zwischen Bewunderung und Verachtung bewegten sich schon zu Lebzeiten die Stimmen, wenn es um die Person und das Werk Hermann Hesses ging. Heute überwiegt die Kritik, in intellektuellen Kreisen gilt der Autor und Nobelpreisträger nicht viel. Sein weltweites Publikum hat das nie geschert. Hermann Hesse wurde zum erfolgreichsten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, zum Guru und Idol für ganze Generationen rebellischer Jugend.

In über 50 Sprachen sind seine Bücher übersetzt, in mehr als 100 Millionen Exemplaren verbreitet. Mit Sigrid Löffler, Helmut Böttiger und Gunnar Decker diskutiert Joachim Scholl das Phänomen Hermann Hesse, der am 2. Juli vor 130 Jahren geboren wurde. Wo liegen die Gründe und der Ursprung seiner unvergleichlichen Wirkung? Was haben "Demian", "Steppenwolf" und "Glasperlenspiel" uns heute noch zu sagen? Kompetente Kritiker werden ihre Faszination und Skepsis beschreiben, der Dichter kommt selbst in Original-Aufnahmen und Lesungen zu Wort.

Das Hermann Hesse-Portal
 
Pilger

Ferneher der Donner ruft,
Schwarze Wolkenmänner jagen
Stöhnend durch die schwüle Luft
Und der Wald beginnt zu klagen.

Einsam durch das weite Feld
Kommt ein Pilger hergeschritten,
Einer, der im Kampf der Welt
Schmach und Wunden viel erlitten.

Zitternd knistert Zweig und Laub,
Schwüler wird die Luft und gelber,
Dick in Wolken fliegt der Staub,
Und der Pilger bin ich selber.

(Hermann Hesse)
 
Hallo Malve,

herzlichen Dank für den Radio - Tipp! Das merke ich mir vor!

Herzliche Grüße von
Leòn
 
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Kleiner Knabe
(Hermann Hesse)
Hat man mich gestraft,
Halt ich meinen Mund,
Weine mich in Schlaf,
Wache auf gesund.

Hat man mich gestraft,
Heißt man mich den Kleinen,
Will ich nicht mehr weinen,
Lache mich in Schlaf.

Große Leute sterben,
Onkel, Großpapa,
Aber ich, ich bleibe
Immer, immer da.

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Viele sagen, sie "lieben die Natur". Das heißt, sie sind nicht abgeneigt, je und je ihre dargebotenen Reize sich gefallen zu lassen. Sie gehen hinaus und freuen sich über die Schönheit der Erde, zertreten die Wiesen und reißen schließlich eine Menge Blumen und Zweige ab, um sie bald wieder wegzuwerfen oder daheim verwelken zu lassen. So lieben sie die Natur. Sie erinnern sich dieser Liebe am Sonntag, wenn schönes Wetter ist, und sie sind dann gerührt über ihr gutes Herz. Sie hätten es ja nicht nötig, denn "der Mensch ist die Krone der Natur". Ach ja, die Krone!
- Hermann Hesse, Peter Camenzind
 
Gewiß, zwei Völker und zwei Sprachen werden einander nie sich so verständlich und so intim mitteilen können wie zwei einzelne, die derselben Nation und Sprache angehören. Aber das ist kein Grund, auf Verständigung und Mitteilung zu verzichten. Auch zwischen Volks- und Sprachgenossen stehen Schranken, die eine volle Mitteilung und ein volles gegenseitiges Vertrauen verhindern, Schranken der Bildung, der Erziehung, der Begabung, der Individualität. Man kann behaupten, jeder Mensch auf Erden könne grundsätzlich mit jedem andern sich aussprechen, und man kann behaupten, es gebe überhaupt keine zwei Menschen in der Welt, zwischen denen eine echte, lückenlose, intime Mitteilung und Verständigung möglich sei - eins ist so wahr wie das andre.
- Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel
 
In diesen Tagen war beständig großes Wolkentheater. Zuweilen freilich waren wir in die Wolken eingehüllt und sahen gar nichts, es wurde manchmal so dunkel, als wäre es Dezember. Aber es dauerte selten länger als eine Stunde, dann riß irgendwo ein Luftstrom ein Loch in den dicken Nebel, jagte die zerstiebende Wolke in Fetzen nach oben, öffnete ein Tor, ein Fenster, einen Ausblick, und plötzlich sah man die unwahrscheinlichsten und erregendsten Bilder: Landschaften, wie sie seit Altdorfer und Grünewald kaum wieder gemalt worden sind, paradiesische sowohl wie apokalyptische Landschaften: durch riesig aufgebaute schwarze Höllentore Blick in eine sonnig goldengrüne Ferne, oder umgekehrt: eine für kurze Zeit warm und leuchtend bestrahlte Nähe mit blitzenden Tropfen an Gras und Stein hob sich grell von einer blauschwarz geballten Ferne ab, in der zuweilen Donner hörbar wurde oder ein einzelner Blitz aufzuckte.

Hermann Hesse, "Wolken"

Die Beschreibung passt auf unser momentanes Wetter...

Malve
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Eine Tugend gibt es, die liebe ich sehr, eine einzige. Sie heißt Eigensinn.
- Von allen den vielen Tugenden, von denen wir in Büchern lesen und von den Lehrern reden hören, kann ich nicht so viel halten. Und doch könnte man all die vielen Tugenden, die der Mensch erfunden hat, mit einem einzigen Namen umfassen. Tugend ist: Gehorsam. Die Frage ist nur, wem man gehorche. Nämlich auch der Eigensinn ist Gehorsam. Aber alle anderen, so sehr beliebten und belobten Tugenden sind Gehorsam gegen Gesetze, welche von den Menschen gegeben sind. Einzig der Eigensinn ist es, der nach diesen Gesetzen nicht fragt. Wer eigensinnig ist, gehorcht einem anderen Gesetz, einem einzigen, unbedingt heiligen, dem Gesetz in sich selbst, dem "Sinn" des "Eigenen".
Hermann Hesse

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Da ich, aufmerksam geworden durch ein Radio - Hörspiel, im Moment das spannende Jugendbuch "Die letzte Fahrt der Hindenburg" lese, habe ich neulich mit Interesse im Radio eine Sendung über aktuelle Zeppelinflüge über dem Bodensee verfolgt.
Darin enthalten war ein kurzer Exkurs über Hermann Hesses Zeppelin - Fahrten in den zwanziger Jahren. Einschließlich einer schönen Reiseschilderung. Den habe ich bis jetzt leider nicht gefunden.

Zu den ersten Dichtern, die von der Aufhebung der Gravitation und vom fliegenden Menschen nicht nur geträumt, sondern das Fliegen bereits in der Pionierzeit der Luftfahrt ausprobiert haben, gehört Hermann Hesse. In drei Erlebnisberichten aus den Jahren 1911, 1913 und 1928 über Flüge mit dem Zeppelin, im zweisitzigen Eindecker und in einem der ersten Passagierflugzeuge der 1926 gegründeten Deutschen Lufthansa hat Hesse seine Eindrücke geschildert. Der Reiz der Lektüre solcher Aufzeichnungen liegt darin, daß uns heute, wo das Fliegen ebenso selbstverständlich ist wie das Autofahren, Telefonieren oder Fernsehen, darüber mit dem Erstaunen des noch Ungewohnten und einem Blick für Einzelheiten berichtet wird, der noch nicht abgestumpft ist durch die Gewohnheit.
Lektuere Vorschläge zu Hesse

Herzliche Grüße von
Leòn

 
Hallo León,

zu Deinem Beitrag habe ich folgende Schilderungen von Hesse gefunden:

Der Schriftsteller Hermann Hesse hat acht Jahre am Bodensee gelebt – in Gaienhofen am Untersee. Im Juli 1911 erhielt er Post aus Friedrichshafen, die Einladung zu einem Flug mit dem Zeppelin „Schwaben“. Über den zweistündigen Flug, der ihn begeisterte, hat er später unter dem Titel „Spazierfahrt in der Luft“ berichtet: „Aber plötzlich stieg das Schiff empor (...), und als ich rasch aufstehend mich über die Brüstung beugte, entwich unter uns die Erde und ich hatte vom ersten Augenblick an nicht mehr das Gefühl, etwas mit ihr zu tun zu haben und zu ihr zu gehören. Die Menschen wurden klein und komisch, die Stadt Friedrichshafen wurde erstaunlich übersichtlich und niedlich. (...) Dafür aber ging uns das Reich der Lüfte auf, und die Welt wurde erstaunlich groß und weit, wir sahen nahe und ferne Städte still um den See stehen, der auch an Größe verlor, und die großen Zusammenhänge der Landschaft, die Formen der Ufer, das Niedersinken der Berge von den Arlberger und Graubündner Alpen über die Vorberge und Uferhügel hinweg wurden klar...“

Die Tagespost - Auf halber Höhe über den Bodensee

... es war die einfachste und vergnüglichste Sache von der Welt, da einzusteigen und in der eleganten, luftigen Kabine auf den behaglichen Rohrstühlen Platz zu nehmen, wo man saß wie in einem sehr bequemen Speise- oder Aussichtswagen. Plötzlich stieg das Schiff empor und die Menschenmenge wurde klein und komisch ...
Wir flogen mit einer Schnelligkeit, die wir nur am eilig dahin rasenden Schatten des Luftschiffes annähernd schätzen konnten. In der Kabine war trotz der weiten, nicht verglasten Fenster kaum eine Spur von Luftzug zu bemerken; sobald man indessen Kopf oder Hände aus dem Fenster streckte, brauste die Luft wie ein Sturmwind vorüber ..."

WELT ONLINE - Sightseeing im Schwebezustand - Nachrichten print-wams

LG,

Malve
 
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Hallo Malve,

:freu: herzlichen Dank für die Texte und Links!

Viele Grüße von
Leòn
 
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hallo,
tja.... man muß es wohl zugestehen.
die leute die hesse bisweilen "abgehoben" finden haben so unrecht nicht. ;)
 
Hermann Hesse: Altern

So ist das Atern: was einst Freude war,
Wird Mühlsal, und der Quell rinnt trüber,
Sogar der Schmerz ist seiner Würze bar -
Man tröstet sich: bald ist's vorüber.

Wogegen wir uns einst so stark gewehrt:
Bildung und Last und auferlegte Pflichten,
Hat sich in Zuflucht und in Trost verkehrt:
Man möchte doch sein Tagwerk noch verrichten.

Doch reicht auch dieser Bürgertrost nicht weit,
Die Seele dürstet nach beschwingtern Flügen.
Sie ahnt den Tod, weit hinter Ich und Zeit,
Und atmet tief ihn ein in gierigen Zügen.
 
Zirkadiane Befindlichkeiten
Alles, was mein Leben schwer und heikel und zu einem gefährlichen, ja häßlichen Problem macht, spricht am Morgen überlaut, steht übergroß vor mir. Alles, was mein Leben süß und schön und außerordentlich macht, alle Gnade, aller Zauber, alle Musik, ist am Morgen fern und kaum sichtbar, klingt kaum noch wie Sage und Legende herüber. Aus dem allzu seichten Grabe meines schlechten, kurzen, oft unterbrochenen Schlafes erhebe ich mich am Morgen, nicht beflügelt mit Auferstehungsgefühlen, sondern schwer, müde und zaghaft, ohne jeden Schutz und Panzer gegen die einstürmende Umwelt, die meinen empfindlichen Morgennerven all ihre Schwingungen wie durch einen heftigen Vergrößerungsapparat mitteilt, mir ihre Töne durch ein Megaphon zuheult. Erst von Mittag an wird das Leben wieder erträglich und gut, und an glücklichen Tagen wird es am Spätnachmittag und Abend wunderbar, strahlend, schwebend, innig durchglüht von zartem Gotteslicht, voll Gesetz und Harmonie, voll Zauber und Musik, und entschädigt mich golden für die tausend und tausend bösen Stunden. (Hermann Hesse: Kurgast)
www.bibliomaniac.de/fab/split/hh.htm

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Mehr aus "Kurgast" mit Zeichnungen hier: ThermalBaden - im mineralreichsten Thermalwasser der Schweiz: Thermalschwimmbad Baden
 
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