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Auf ein Wort | 08.01.2008 18:20 Uhr
Die dicken Deutschen
"Na, noch ein bisschen Käse?" Es ist wieder soweit. Fressen bis zum Umfallen, keiner geht, ehe nicht die letzte Salzstange geschafft ist. Acht Leute am Tisch, alle hungrig. Dabei sind die Feiertage gerade erst vorbei. "Von der guten Ziegenrolle?" Kuh oder Ziege, sagt meine Schwägerin immer, da muss sich die Frau mit den Jahren entscheiden. Freundlich und dick - oder zickig und dünn. Dann lieber freundlich. "Gibt´s auch Kuh?"
Essen macht Spaß, zufrieden und fett. Das ist bekannt. Aber an so einem Abend, da kann man doch mal ... "Macht ihr diesen Sommer wieder Badeurlaub?" Der Schreck fährt mir in die Glieder. Nein, ich bin nicht richtig übergewichtig. Aber Badeurlaub. Das Dickendiskriminierungswort. Der Moppelschreck. Ich sicher nicht. Nicht mal ins benachbarte Freibad. Längst sind die Zeiten vorbei, in denen ich es noch wagte, Bikinis zu tragen, gar in schicken Dessousläden anzuprobieren, wo weiß-gelbes Licht die blasse Haut noch bleicher schimmern lässt. Heute ziehe ich die Online-Bestellung vor, um geräumige Einteiler zu ordern, die zumindest die Bauchrolle kaschieren. Aber ich bin nicht allein.
Die Deutschen werden dicker, davon künden die Magazine und erzählen unsere Gegenüber. Mein Cousin zum Beispiel. Er ist ein echter XXLer, liebt Goliathgroße Holzfällerhemden und robuste Daunenjacken, die nie verraten, wo die Daune endet und der Speck beginnt. Das war einmal anders: einst passte er in Größe 50, steckte mit Freude das Hemd in die Hose und konnte schmale Mäntel tragen. Ich kenne das nur von alten Photos.
Kein Wunder, mein Cousin lebt in Thüringen und dürfte es damit unter die Top Tausend der dicksten Männer Deutschlands geschafft haben. Liegt der Umfang der Körpermitte bei Männern im ganzen Land bei 96,97 Zentimetern, misst der Thüringer Männerbauch im Schnitt 98,27. Es folgen der Bauch aus Mecklenburg-Vorpommern mit 98,10 Zentimetern und der aus Sachsen-Anhalt mit 97,95. Der Hamburger Männerbauch ist mit 94,81 Zentimetern der zierlichste. Merke: die dicksten Deutschen leben in Thüringen, Deutschlands starker Mitte.
"Gibt´s noch etwas Wurst?"
Auch in meinem Falle ist die Epoche vergangenen, in der man von Wespentaille sprechen konnte. Hummelrumpf würde ich das heute nennen. Statt schmaler Schultern verfüge ich seit geraumer Zeit über stramme Ringerextremitäten. Und über mein Trippelkinn mache ich mir schon lange keine Gedanken mehr. Ich habe mir eine stattliche Anzahl Halstücher zugelegt, von denen das erste von meinem Mann kam. Er meinte, ich solle meinen zugegeben etwas stark geratenen und mit Ringen wie eine Eiche versehenen Hals vor Zug schützen. Ich denke, er meinte eher, ich solle ihn vor diesem Anblick bewahren.
"Ja, so ein bisschen Wurst nehme ich noch."
Der deutsche Frauenbauch hat übrigens im Durchschnitt einen Umfang von 85,80 Zentimetern. Und auch hier liegt Thüringen mit üppigen 87,10 vorn. Die Hamburgerin misst lediglich 83,63.
Nur warum? Warum sind die Menschen im Osten fetter als die im Westen? Und warum sind Städter schlanker als Dörfler? Weil im Osten die Sofas bequemer und im Dorf die Würste besser sind. Weil in der Stadt mehr Singles leben, die mehr Sport treiben, und der Parkplatzmangel zur Bewegung zwingt. Sagen die Forscher. So einfach ist das.
"Wir fahren im Sommer wieder in die sächsische Schweiz, zu diesen wunderbaren Bockwürsten", höre ich mich sagen.
Autor: Ulrike Toma
Stand: 08.01.2008 16:51 Uhr
NDR Info - Programm - Sendungen
Die dicken Deutschen
"Na, noch ein bisschen Käse?" Es ist wieder soweit. Fressen bis zum Umfallen, keiner geht, ehe nicht die letzte Salzstange geschafft ist. Acht Leute am Tisch, alle hungrig. Dabei sind die Feiertage gerade erst vorbei. "Von der guten Ziegenrolle?" Kuh oder Ziege, sagt meine Schwägerin immer, da muss sich die Frau mit den Jahren entscheiden. Freundlich und dick - oder zickig und dünn. Dann lieber freundlich. "Gibt´s auch Kuh?"
Essen macht Spaß, zufrieden und fett. Das ist bekannt. Aber an so einem Abend, da kann man doch mal ... "Macht ihr diesen Sommer wieder Badeurlaub?" Der Schreck fährt mir in die Glieder. Nein, ich bin nicht richtig übergewichtig. Aber Badeurlaub. Das Dickendiskriminierungswort. Der Moppelschreck. Ich sicher nicht. Nicht mal ins benachbarte Freibad. Längst sind die Zeiten vorbei, in denen ich es noch wagte, Bikinis zu tragen, gar in schicken Dessousläden anzuprobieren, wo weiß-gelbes Licht die blasse Haut noch bleicher schimmern lässt. Heute ziehe ich die Online-Bestellung vor, um geräumige Einteiler zu ordern, die zumindest die Bauchrolle kaschieren. Aber ich bin nicht allein.
Die Deutschen werden dicker, davon künden die Magazine und erzählen unsere Gegenüber. Mein Cousin zum Beispiel. Er ist ein echter XXLer, liebt Goliathgroße Holzfällerhemden und robuste Daunenjacken, die nie verraten, wo die Daune endet und der Speck beginnt. Das war einmal anders: einst passte er in Größe 50, steckte mit Freude das Hemd in die Hose und konnte schmale Mäntel tragen. Ich kenne das nur von alten Photos.
Kein Wunder, mein Cousin lebt in Thüringen und dürfte es damit unter die Top Tausend der dicksten Männer Deutschlands geschafft haben. Liegt der Umfang der Körpermitte bei Männern im ganzen Land bei 96,97 Zentimetern, misst der Thüringer Männerbauch im Schnitt 98,27. Es folgen der Bauch aus Mecklenburg-Vorpommern mit 98,10 Zentimetern und der aus Sachsen-Anhalt mit 97,95. Der Hamburger Männerbauch ist mit 94,81 Zentimetern der zierlichste. Merke: die dicksten Deutschen leben in Thüringen, Deutschlands starker Mitte.
"Gibt´s noch etwas Wurst?"
Auch in meinem Falle ist die Epoche vergangenen, in der man von Wespentaille sprechen konnte. Hummelrumpf würde ich das heute nennen. Statt schmaler Schultern verfüge ich seit geraumer Zeit über stramme Ringerextremitäten. Und über mein Trippelkinn mache ich mir schon lange keine Gedanken mehr. Ich habe mir eine stattliche Anzahl Halstücher zugelegt, von denen das erste von meinem Mann kam. Er meinte, ich solle meinen zugegeben etwas stark geratenen und mit Ringen wie eine Eiche versehenen Hals vor Zug schützen. Ich denke, er meinte eher, ich solle ihn vor diesem Anblick bewahren.
"Ja, so ein bisschen Wurst nehme ich noch."
Der deutsche Frauenbauch hat übrigens im Durchschnitt einen Umfang von 85,80 Zentimetern. Und auch hier liegt Thüringen mit üppigen 87,10 vorn. Die Hamburgerin misst lediglich 83,63.
Nur warum? Warum sind die Menschen im Osten fetter als die im Westen? Und warum sind Städter schlanker als Dörfler? Weil im Osten die Sofas bequemer und im Dorf die Würste besser sind. Weil in der Stadt mehr Singles leben, die mehr Sport treiben, und der Parkplatzmangel zur Bewegung zwingt. Sagen die Forscher. So einfach ist das.
"Wir fahren im Sommer wieder in die sächsische Schweiz, zu diesen wunderbaren Bockwürsten", höre ich mich sagen.
Autor: Ulrike Toma
Stand: 08.01.2008 16:51 Uhr
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