Deutsch für Anfänger?

Themenstarter
Beitritt
25.01.05
Beiträge
1.598
Liebe Forumsteilnehmer,

derzeit stelle ich mit Erstaunen fest, dass in der Schweiz eine Debatte über Deutsche Einwanderer geführt wird. Die Schweiz als der Deutschen liebstes Einwanderungsland quasi.


Wie eine Sendung auf SF DRS gestern Abend beispielhaft zeigte, mögen die einen die andern ganz gut, umgekehrt aber offenbar nicht. Vorurteile vom Gröbsten wurden da aufgetischt. In der Boulevardpresse ist das natürlich - einmal mehr - ein Thema.

https://www.20min.ch/news/schweiz/story/26075173

Ist dem tatsächlich so? Oder wird einemal mehr etwas kasseklingelnd masslos aufgebauscht?

Da unser Forumsname mit .ch endet, die Mitglieder ebenso aus D, A wie CH und darüber hinaus sind, möchte ich einfach kurz mal nachfragen - gibt es diesbezügliche Erfahrungen oder gar Ressentissements?

Mir persönlich ist das ganze sehr fremd. Ob in D oder A und in CH, wo immer ich bin entstehen neue Freundschaften...

ein etwas konsternierter Phil :confused:
 
Die Schweiz hat eine europäische Sonderrolle. Weder in Eu noch Nato, legt sie weiterhin Wert darauf, möglichst autark und unabhängig zu sein. Dann ist bekannt, dass es "die Schweiz" nicht gibt. Die Kantone unterscheiden sich untereinander weit mehr als die Deutschen Bundesländer. Deutsch, Schwyzerdeutsch, Französisch und Italienisch werden gesprochen. Die Schweizer haben ein Identitätsproblem, wenn auch aus anderen Gründen als der Deutsche - mit Kriegsschuld beladene - Nachbar.

Aus dem zitierten Artikel geht auch hervor, was die Eidgenossen so umtreibt, wenn das Thema auf den großen Nachbarn kommt. Die Lesermeinungen sind jedenfalls differenziert und spiegeln die Stimmung im Lande. Ähnlich denken übrigens die Österreicher über die "Piefkes". Als Touristen sind wir willkommen - aber nicht als "Arbeitsplatzvernichter". Dabei finden sich kaum mehr Österreicher, die im Hotelgewerbe oder Handwerk qualifizierte Arbeit anbieten können. Die Ausgebildeten jungen Deutschen - häufig aus den neuen Bundesländern - besetzen dann die freien Stellen.

Das wird dann gerne ausgeblendet, man zieht sich lieber auf Ressentiments der Vergangenheit zurück. Wobei die Vergangenheitsbewältigung in Austria als ehr eigenwillig und scheinheilig bezeichnet werden darf: Man sieht sich gerne als okkupierter kleiner Nachbar, der damals unfreiwillig "heim ins Reich" geholt wurde. Das diese Entscheidung in der Bevölkerung 1939 auf sehr große Zustimmung traf, wird verschwiegen.

Unter dem Strich halte ich Deutschland Heute für weltoffener und toleranter als seine Nachbarn. Da wurden, was die Gesellschaft im Großen angeht, tatsächlich Lehren aus der Geschichte gezogen. Spannendes Thema, Phil.

Grüße, Bodo
 
Einige Bekannte haben in der Schweiz studiert (St. Gallen) und sind dann auch dort geblieben. Aber nicht lange. Schon im Studium haben sie immer wieder berichtet, daß sie sich von den Schweizern nur als Geldbringer akzeptiert fühlten, nicht aber schlicht und einfach als Menschen gleicher Klassse. Wenn sie mal etwas Kritisches über die Schweiz sagten, wurden sie sofort aufgefordert, doch wieder nach Deutschland zurückzugehen. Und das selbst an der Universität, wo man doch denken sollte, daß da wenigstens ein freies und eher kosmopolitisches Denken herrschen sollte.
Dies mag ja teilweise daran liegen, daß Deutsche an dieser Universtität eine recht schwierige Aufnahmeprüfung machen müssen. Wer da durchkommt, ist schon eine gewisse positive Auslese. Schweizer müssen keine Aufnahmeprüfung machen, so daß also jeder dort studieren kann. Vielleicht entsteht dadurch ein gewisses Vorurteil gegenüber diesen "elitären" Deutschen?
Trauriges Fazit aus diesen Erfahrungen ist, daß nun diese Deutschen ein Vorurteil gegen die Schweizer haben...

Gruss,
Uta
 
Lieber Bodo,

bevor du dich über die deutsch-österreichische Geschichte äußerst, solltest du ein bisschen tiefer in das Thema einsteigen. Du müsstest mindestens 1848 (Paulskirche) anfangen, den Gegensatz zwischen Preußen und Österreich um die kleindeutsche bzw großdeutsche Lösung verstehen, du müsstest anfangen den Zusammenbruch der Österreich-Ungarischen Monarchie und die Folgewirkung zu begreifen, bevor du daran gehen könntest, die Hitlerei in diesem Zusammenhang bewerten zu dürfen. In der Zwischenzeit behalte dein eher oberflächliches Wissen bitte für dich.

Im übrigen haben alle kleineren Nachbarn zu Deutschland ein zwiespältiges Verhältnis, weil sie historisch und gegenwärtig immer wieder leicht in die Rolle des kleinen Bruders gera(ie)ten, den der Große nicht ernst nimmt und denkt "mein Gott, was hat denn der Kleine schon wieder!" Wofür ihn dieser ans Bein pinkelt.

Gruss, Horaz
 
Lieber Horaz, ich kenne mich ebenfalls ganz gut in der Geschichte aus. Sinn und Zweck dessen, was ich schrieb, war kein Geschichtsseminar sondern der richtige Hinweis auf landestypische Geschichtsklitterung. Immer diese Unterstellungen. Wenn ich über die sinnvolle Innovation des Airbags bei Autos berichte, und statistisch belege, das dadurch die Zahl der Unfalltoten zurück ging, dann rede ich ja auch nicht einleitend über technische Dinge, die nur ein Ingenieur versteht. An meiner Aussage ist nichts falsch und nichts zurückzunehmen. Vielleicht sollten mal Österreicher und Schweizer Stellung nehmen.

Gruß, Bodo
 
Lieber Bodo, ich bin Österreicher, deshalb weiss ich sehr genau, von was ich rede!
 
Prima. Ein Österreicher mit Wohnort Bayern. Dann wäre das auch geklärt.

Gruß, Bodo
 
Grüss euch,

wie eingangs erwähnt, finde ich überall Freunde, unabhängig ihrer nationalen Zugehörigkeit. Dabei ist mir bewusst, dass ein jeder ein Kind seiner Zeit ist. Und mal ganz ehrlich, wie hätte jeder einzelne von uns sich zu anderer Zeit verhalten? Wofür wäre er eingestanden, was hätte er wider besseren Wissens unterlassen? Ressentissements gibt's ja auch innerhalb kleinster Distanzen. Von Familie zu Familie, von Dorf zu Dorf, von Bundesland zu Bundesland, und dann sind wir bereits bei der Nationalität. Dann gibt's auch noch die Mentalitäten, die autochtone Küche etc.

Ich bin aber fast sicher, dass jeder einzelne von uns immer wieder die Erfahrung macht, dass die Menschen, die er persönlich kennt, ganz anders sind als die Deutschen, Österreicher, Südtiroler, Elsässer, Schweizer, Liechtensteiner und Ostbelgier sind - um mal im germanophonen Raum zu bleiben.

Selbstverständlich lässt sich dies beliebig auf Menschen jeglicher Herkunft ausweiten.

Woran also liegt es tatsächlich, dass diese Vorurteile dennoch soweit verbreitet und wirksam sind?

herzlichst - Phil
 
Seid alle ganz herzlich willkommen!



Ich grüße Euch alle,

ehrlich gesagt war die erste Gefühlsregung, die ich beim Überfliegen des Textes hatte (Phils Link), eine Art "diebische Freude". Ich dachte:

"Siehst Du, jetzt erleben wir Deutschen mal das, was vielen Migranten in der Bundesrepublik alltäglich passiert!" - Ist der Gedanke: "Ausländer nehmen uns die Arbeit weg!" und andere, "Ausländer"-kritischen Aussagen, doch durchaus verbreitet.

«Was mach ich eigentlich in einem Land, wo mich keiner leiden kann?»
Genau diese Frage mag sich in Deutschland manch türkisch-, afghanisch-, afrikanisch-, albanisch - usw. -stämmiger, täglich stellen.

Wenn es noch mehr gibt, müsste ich Hochdeutsch sprechen», lautet die Einschätzung einer Befragten. Andere bemängeln das «draufgängerische Wesen» der Nachbarn. Der Hauptkritikpunkt ist aber: Deutsche gelten als arrogant. So pauschal der Vorwurf ist, er ist tief in den Schweizer Köpfen verankert. Auch die Verknüpfung zu den Nazigräueln ist auch nach Jahrzehnten noch präsent.

"Ja", dachte ich, "genauso - mit Vorurteilen nämlich, gehen wir in unserem Land - Deutschland nämlich, auf Migranten zu: den Einen wird verstärkter Hang zum Autodiebstahl, den anderen eine Affinität zu Messerstechereien unterstellt. Von den Dritten heißt es dann, dass alle ihre Kinder zwangsverheiraten usw.!

Die Angst vor "Überfremdung" ist bei manchen Deutschen groß!

Der Hauptgrund für deutsche Auswanderer ist aber nicht die schöne Landschaft - sondern die Arbeitsplätze. Die Stellenknappheit in Deutschland treibt immer mehr Arbeitnehmer in die Schweiz. Während in Deutschland zirka 9,5 aller erwerbsfähigen Personen ohne Arbeitsstelle sind, zählt die Schweiz lediglich etwas mehr als 4 Prozent Arbeitslose.

"Genau", so dachte ich weiter "wie oft hast Du nicht schon den Spruch gehört: "die....nehmen uns die Arbeitsplätze weg!"

"Jawohl", dachte ich grimmig: "recht geschieht es uns, wenn wir das alles - in diesem Fall im schweizer Ausland, auch einmal erfahren!"

Die Freude verflog dann schnell, weil ich mich über solche kleinkarierten Gedankengänge einfach nicht freuen kann, egal von wem sie kommen oder wem sie gelten.
Ein Stück weit kann ich solche Gedanken zumindest nachvollziehen. Verständnis habe ich sogar für gewisse Ängste. Wir sollten Offenheit lernen!



Mensch, die Welt ist doch groß genug für uns alle. Und unsere Länder auch! Wie traurig und trostlos wären Länder ohne Zuwanderung!

Aber Borniertheit und Kleinkariertheit - und Angst - sind nun einmal grenzenlos!

Herzliche Grüße von

Leòn
 
Oben