Depressive Mutter

Hallo Carrie,
Mir fällt noch ein, dass kleine Geschenke auch manchmal etwas positives rüberbringen. Im Grunde ist so ein Brief auch ein kleines Geschenk. Eine schöne Postkarte, eine Kollage aus dem Fotoautomaten, Internetblumen, ein Buch, CD... Vielleicht redet sie sowieso nicht gern.
Und dann fiel mir noch ein, ob evtl. Ein Hausarzt nach ihr schauen könnte oder zu regelmäßigen Kontrollen einladen könnte?
Oder kann man ihr was zu tun geben, dass sie zB etwas besorgt, was du gebrauchen könntest?
Viele Grüße
Earl Grey
 
Nun ja, ich denke, meine Frage hier ist - ist es gerechtfertigt, sich so zu verhalten wie ich es tue.....
ja, es ist dein Recht und deine Pflicht, auf dich selber zu schauen.

Um Schuldgefühle abzubauen, schick ihr zu Anlässen eine schöne Karte und wenn du sie mal besuchst, erzähle ihr von deinen Sorgen oder wie gut es dir geht, du bist das Kind und nicht sie deines. Sie ist für ihr Leben selber veantwortlich.
Was nicht bedeutet, dass man ihr helfen kann, wenn sie Hilfe braucht, dann soll sie konkret sagen, was sie will und man kann ihr dafür auch einiges abverlangen, als Beispiel: "Mama, wir besorgen dir einen Maler oder tapezieren, wenn du die Wohnung aufgeräumt hast. Melde dich dann!"
 
So viele Ratschläge, ich danke Euch!
Ja, es ist nicht einfach.
Ich habe in der Vergangenheit öfter angerufen, aber die Gespräche waren immer sehr elendig, es drehte sich meistens um ihre Beschwerden und Sorgen und Paniken. Ich habe auch Blumen geschickt an Feiertagen, aber dann hatte sie in einem Telefonat mal gesagt, sie solle keine Blumen, weil sie Probleme hat, die großen Kartons zu entsorgen. Es macht also schon Probleme, sich einen Karton unter den Arm zu klemmen und zum Container zu gehen. Ich bekomme schon länger keine Geschenke mehr zu Weihnachten oder zu meinem Geburtstag. Ist auch ok, ich weiß, sie hat nicht viel Geld. Aber es geht natürlich mehr um ein zeichen der Aufmerksamkeit.
Sie ist Jahrgang 55. Die Infos über ihre leibliche Mutter habe ich aus der Akte, die ich von dem zuständigen Amt per email angefragt hatte. Es waren allerdings nicht viele Informationen, und die letzte Spur meiner leiblichen Großmutter verliert sich.

Nun ist bald wieder ihr Geburtstag. Natürlich werde ich anrufen. Aber vielleicht will sie gar nicht mehr mit mir reden. Wahrscheinlich fühlt sie sich im Stich gelassen, weil ich seit Weihnachten nicht mehr angerufen habe. An Weihnachten war ich da, hab mit ihr im Wohnzimmer gesessen, war mit ihr einkaufen. Aber mehr konnte ich nicht. Und dann meinte sie, ich wäre so kaltherzig. Ich habe versucht, ihr zu erklären, wie stark es mich beeinflusst, und dass ich auch stark mit Depressionen zu kämpfen hatte, und mir da auch keiner die Hand gehalten hat. Aber das war ein furchtbarer Tag. Das zu der eigenen Mutter zu sagen und zu denken, ja, am liebsten hätte ich gar keinen Kontakt mehr zu Dir, am liebsten hätte ich eine andere Mutter, eine Mutter, die für MICH da ist.
Mich ekelt es sogar vor ihr :( Sie hat so starke Neurodermitis am ganzen KÖrper, die Wohnung ist schmutzig und es stinkt. Ich schäme mich. Ich mag sie kaum umarmen (und um ehrlich zu sein, jedes Mal, wenn ich da war, fühle ich mich selbst vergifteter).
Auf der anderen Seite denke ich, es könnte ihr viel besser gehen, in einer anderen sauberen kleineren Wohnung, mit einem Betreuer, mit jemandem, der ihr gesunde Mahlzeiten kocht, mit einem Heilpraktiker, der mit ihr Schritt für Schritt Entgiftung in Angriff nimmt. Ich hatte ihr vorgeschlagen zum Heilpraktiker zu gehen, der bei ihr in der Stadt ist, und dass ich das zahlen würde. Aber sie geht nicht. Ich weiß nicht, ob es Angst ist. Sie sagt immer, sie mag nicht mit Fremden reden (daher auch keine Therapie). Sie will auch keine medikamente nehmen (sie liest immer die Packungsbeilagen und denkt dann, sie bekommt alles, was da an Nebenwirkungen aufgelistet ist).
Aber ich kann nicht bei ihr einziehen und sie jeden Tag zum Heilpraktiker begleiten, und ihr einen Entgiftungsplan aufstellen. Obwohl das das einzige wäre, was helfen würde. Entgiftung. Ernährungsumstellung.
Sie ist wahrscheinlich voll mit Candida, und isst ständig Süßigkeiten. Jetzt wurde ihr eine Fettleber diagnostiziert (sie trinkt nicht). Sie hat ständig Darmbeschwerden. Jedes Mal, wenn wir sprechen erzählt sie von ihren Beschwerden. Ich weiß, sie möchte nur Aufmerksamkeit, Mitleid. Ich weiß, sie hat Beschwerden, aber die Ärzte in ihrer kleinen Stadt haben natürlich keine Ahnung von reizdarm, Candida, Schwermetallbelastung oder gar MTHFR. Ich glaube, sie wartet nur darauf, dass sie irgendwann die Diagnose Krebs bekommt (ihre schlimmste Angst jedes Mal), so dass sie dann endlich mehr Aufmerksamkeit bekommt.
Ängste Ängste, Sorgen, Sorgen.
Was mir auch leid tut - bin ich. Mein jüngeres Ich. Das Kind, das ich war, das in diesem Umfeld von Ängsten, Sorgen etc aufwachsen musste. Was mich fürs Leben geprägt hat.
Pff.

Ich danke Euch fürs Zuhören und Eure Ratschläge.
Alles LIebe!!
 
Liebe Carrie, hast Du denn die Fragen, die sich Dir stellen, für Dich versucht mal einzeln, konkret und vor allem auch schriftlich zu beantworten?
Ich empfinde das als wichtig, um für sich Klarheit zu bekommen.

Fragen hier wären für mich unter anderem:

Was will ich meiner Mutter geben, wieviel will ich ihr geben?
Was kann ich mit welchen Mitteln wirklich auch bewirken?
Was kostet es mich (an Kraft, Zeit, Lebensfreude, Energie, Gesundheit usw)
Was davon kommt an, wie kommt es an - kommt es überhaupt an oder verpufft es einfach, ohne positive Wirkungen oder Nutzen?

Was will ich eigentlich geben, freiwillig? Und was meine ich, sollte ich aus der Pflicht heraus geben - weil sie "die Mutter ist"?
Habe ich ihr gegenüber eine Verpflichtung?
Was sind die Gründe, die Argumente "für die Pflicht"?
Sind sie für mich stimmig? Oder sind es einfach solche Sätze wie "eine Tochter sollte und müsste"?
Ist es wirklich so - soll und muss ich als Tochter - will ich diese Regel für mich als gültig betrachten, oder ist es im Grunde für mich so nicht gar nicht stimmig?
Was ist mir wichtig?

All das führt dann zu letzten und wichtigen Frage: Wie sehr und auf welche Art will ich für sie "da-sein"? Das ist alleine Deine Entscheidung; da gibt es keine Regeln, ausser denen, die Du für Dich aufstellst.
Wichtig ist, denke ich, nachdem man sich gründlich damit beschäftigt hat, sich dann aber auch für etwas zu entscheiden - und dies dann auch wirklich umzusetzen. Ohne immer wieder ins Grübeln zu kommen und alles immer wieder anzuzweifel.


Liebe Grüße, Hexe
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich halte es auch für wichtig, Carrie, für sich selber das Thema Schuldgefühle anzugehen, Du sagst mehrfach sogar "unendliche Schuldgefühle" oder ähnliches. Räumlichen Abstand hast Du ja ziemlich fiel, aber durch Telefon ist der dann auch nicht unbedingt größer, als wärest Du in D'land - nur dass Du nicht schnell mal eben vorbeikommen kannst, so wie Deine Schwester.

Da das Thema hier für mich genau in meiner Osterferien-Therapiepause lag, und ich in der letzten Stunde ganz kurz erwähnte, dass es mich (obwohl ganz anders als meine eigene Geschichte) beschäftigt hat, habe ich vorgestern mal meine Therapeutin (tiefenpsychologische Traumatherapeutin nach Luise Reddemann) gefragt, ob sie in so einem Fall bereit wäre und Zeit hätte für ein Informationsgespräch über Traumatherapie, zum Beispiel.
Ich hatte ja auch das erste Mal mit ihr telefoniert in ihrer Telefonsprechzeit, die sie einmal in der Woche hatte.
Sie würde dafür zur Verfügung stehen, Carrie, wenn Du Interesse hättest, könnte ich Dir ihren Namen und Telefonnummer weiter geben. Wie gesagt, zur Information vielleicht, für Dich selber(?), und für Deine Mutter vielleicht. Sie ist auf keinen Fall eine Psychologin/Psychotherapeutin, die sagt, sie wüsste alles, und sie könne alles therapieren. Ganz am Anfang sprach sie auch von moderner Hirnforschung bei Trauma-Patienten, und ich erzählte ihr von meiner "Vorgeschichte" mit Themen Ernährung oder Schwermetalle. Da wusste ich schon, dass ich wirklich "alles" sagen konnte und könnte, ohne dass sie vielleicht die Nase rümpft "Was erzählen Sie denn da Komisches!?" - Es geht mir nicht darum, was sie von diesen Themen weiß, das ist auch nicht unser Therapie-Thema, aber ich weiß eben, dass ich diese Themen nicht "aussparen" muss, ich muss nicht überlegen, kann ich dies oder das mal ansprechen.
Okay, ich dachte, vielleicht könnte ein persönliches Gespräch mal helfen, denn Informationen über die Imaginative Traumatherapie findet man natürlich auch so. Ich merke, wenn ich schon mal etwas "über" das lese, was ich da gerade in einer Psychotherapie "mache" und erlebe, dass es was anderes ist, das macht mich eher unruhig, weil es eben theoretisch und allgemein ist.
Wie gesagt, die Möglichkeit würde bestehen.

Alles Liebe - Gerd
 
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Hallo Carrie, ich würde sagen, meine Eltern sind schon ein Leben lang depressiv.
Mir hat das und erst recht die unseeligen Folgen der Scheidung dann bis heute ne Menge in meinem Leben verhagelt.
Ich bin gerade dabei , mich um Traumatherapie zu kümmern und zwar auch noch um ein Kostenerstattungsverfahren, was nicht so einfach ist, weil damit muss ich nicht ewig auf einen Therapieplatz warten. Für mich ist die angestrebte Therapieform: EMDR im Rahmen der Verhaltenstherapie.

Ich bin nach der Scheidung bei meinem Vater und meiner Stiefmutter aufgewachsen.
Habe heute alle paar Jahre Kontakt zu meiner Mutter und zu meinem Vater oder Stiefmutter sporadisch.
Dazu kommt noch, dass meine Mutter und ihr Mann seit langem Neonazis sind.
Ich halte mich fern und habe zum Glück wenig Schuldgefühle. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass ich mich schwer binde.

Ich wünsche Dir, dass Du einen Weg findest,mit dem Du gut Leben kannst.

Alles Gute.
Claudia.
 
Ich halte mich fern und habe zum Glück wenig Schuldgefühle
Ich weiss, wie sehr Schuldgefühle das Leben belasten und habe das Bedürfnis, noch einmal ganz klar zu schreiben:
Schuldgefühle sind keine feste Größe, die man "halt hat" und mit denen man sich abfinden muss.
Es sind Gefühle, deren Basis und Boden (die eigenen) Gedanken, Ansichten und Überzeugungen sind.
Was man sich also wirklich anschauen muss, sind diese Ansichten. Ganz ehrlich hinschauen. Beleuchtet "man" diese Ansichten, lernt sie kennen, hinterfragt sie, setzt man sich mit ihnen auseinander - kann man zu anderen, neuen Einsichten gelangen und die Schuldgefühle verändern sich - oder verschwinden ganz.

Das zu tun ist nicht unbedingt leicht, aber sehr effektiv. Ich weiss das aus eigener Erfahrung.

Liebe Grüße, Hexe
 
Zuletzt bearbeitet:
Es sind Gefühle, deren Basis und Boden (die eigenen) Gedanken, Ansichten und Überzeugungen sind.
Was man sich also wirklich anschauen muss, sind diese Ansichten. Ganz ehrlich hinschauen. Beleuchtet "man" diese Ansichten, lernt sie kennen, hinterfragt sie, setzt man sich mit ihnen auseinander - kann man zu anderen, neuen Einsichten gelangen und die Schuldgefühle verändern sich - oder verschwinden ganz.

Liebe Grüße, Hexe


Danke! Hexe


Herzliche Grüße von Kayen
 
Ein kurzes Update.
Ich hatte sie also vor kurzem an ihrem Geburtstag angerufen. Hatte davor ein halbes Jahr keinen Kontakt gehabt, außer einem Brief, den ich ihr geschickt hatte, und Blumen an Ostern.
Und ich hatte Glück: sie war ganz gut drauf. Sie hat sich sogar entschuldigt für ihr Verhalten an Weihnachten (wo sie sehr schlecht drauf war und mir Kaltherzigkeit vorgeworfen hat). Sie hat sich diesmal sogar für mich und mein Leben interessiert und Fragen gestellt, und nicht nur von ihren Beschwerden erzählt.
Ich fand es ein gutes Gespräch. Wobei es natürlich auch Glückssache ist. Man kann sie auch an richtig schlechten Tagen erwischen, dann ist natürlich alles verloren. Vielleicht hat meine Schwester auch nochmal mit ihr geredet.
Natürlich geht es mir nicht darum, dass meine Mutter nett zu mir ist, oder sich für mein Leben interessiert etc. Aber für mich ist das auch ein Zeichen, dass er ihr an diesem Tag nicht allzu schlecht ging. Natürlich hat sie immer noch viele viele Beschwerden, und ist gefangen in ihrem Kopf.
Ich werde jetzt aber versuchen, mich vielleicht einmal im Monat zu melden, und hab mir überlegt, ihr einmal im Monat ein interessantes Buch zu schicken, was ihr vielleicht helfen könnte. Zum Geburtstag gab es jetzt schon ein Buch über zuckerfreie Ernährung mit Tipps zur Umstellung. Und sie hat es auch dankbar angenommen!
Ich war jedenfalls sehr erleichtert nach dem Telefonat. Aber natürlich weiß man nie vorher, was einen erwartet wenn man anruft.
Jedenfalls nochals danke für alle Eure Ratschläge und lieben Nachrichten!
 
Hallo Carrie,

das sind wunderbare Nachrichten! Ich wünsche euch viel Freude miteinander für die kommende Zeit. Und wichtig ist, dass man sich von den schlechten Tagen nicht runterkriegen lässt, denn die hat ja jeder Mensch, sondern stark und zuversichtlich bleibt und sich auf die guten Tage konzentriert und aus ihnen viel Freude, Positives und Kraft schöpft. Die gute Familie hält eben immer zusammen, auch in weniger guten Zeiten. Das macht weiser, toleranter und stärker, und glücklicher und zufriedener mit sich selbst.

Alles Gute und Liebe!
Miglena
 
Die Nachricht hat mich auch gefreut.

So erlebe ich es bei Problemen auch manchmal: man verstrickt sich darin, es ergibt ein riesen Knäul, aber trotzdem gibt es die Wende zum Guten mit einer umsetzbaren Lösung.

Viele Grüße!
 
Jetzt sitze ich also wieder hier, 3,5 Jahre später....und es ist wieder schlimm.
Es war natürlich schlimm und unverändert all die Zeit über. Keine Verbesserung für sie, sie lebte halt ihr Leben so weiter irgendwie. Ich besuchte 1-2mal im Jahr und rief ein paar mal an.
Jetzt ist die Situation verschärft.
Im August/September ist meine Oma (ihre Adoptivmutter) gefallen und musste mit Beckenbruch ins Krankenhaus und blieb dort einige Wochen. Zu der Zeit war ich für 3-4 Wochen von der Arbeit frei gestellt und bin nach Deutschland geflogen. Hab meinen Opa zuhause unterstützt und für beide ein Pflegeheim gesucht, denn es wurde ziemlich schnell klar, dass meine Oma nicht wieder nach Hause kommen konnte :( Zum Glück haben meine Schwester und ich ein wirklich schönes Zimmer in einem Pflegeheim gefunden, wo sie nun beide aufgehoben sind. Natürlich ist es trotzdem extrem traurig. Ich bin meinen Großeltern sehr verbunden, wahrscheinlich weil wir im selben Haus aufgewachsen sind und sie mich wenigstens etwas gerettet haben in meiner Kindheit mit der depressiven Mutter. Ich hab so viele schöne Erinnerungen an meine Großeltern und sie haben mich immer unterstützt. Natürlich ist es der Lauf des Lebens, sie sind jetzt 92 und 91 Jahre alt, und ich bin so dankbar dass sie immer noch sich gegenseitig haben. Mein Opa ist noch so rüstig, der gehört gar nicht ins Pflegeheim, aber natürlich lässt er seine Frau von über 65 Jahren nicht alleine. Es ist so rührend und herzzerbrechend, sie zusammen zu sehen.
In dieser Zeit, als ich in Deutschland war, habe ich also entschlossen, eine Zeitlang zrück nach Deutschland zu gehen, um etwas mehr Zeit mit meinen Großeltern in ihren letzten Jahren zu verbringen (wenngleich es natürlich nur kurze Besuche im Pflegeheim werden würden). Und auch um meine Schwester endlich mehr zu unterstützen, die Ende des Jahres auch noch ihren Job verlieren wird durch Covid. Sie fährt jedes Wochenende zu meinen Großeltern ins Heim.
Nun hätte ich letzten Dienstag fliegen sollen - und ich habe Panik bekommen und bin nicht geflogen. Es war einfach zuviel für mich geworden. Mein ganzes Leben hier aufzugeben, neu zu starten, neuer Job, Wohnugssuche, Familie, und dazu noch die ganze Covid Situation mit der Ungewissheit wann und ob ich je wieder in meinen geliebten Süden zurück kommen könnte. Ich hatte einen kleinen Nervenzusammenbruch, man kann es nicht anders sagen.
Natürlich sind die Schuldgefühle nun groß, und die Scham, dass ich es nicht geschafft habe. Ich fühle mich schuldig meiner Schwester gegenüber, und meinen Großeltern, die doch immer für mich da waren.
Und dann ist da meine Mutter natürlich immer noch. Sie müsste eine umfassende Zahnsanierung haben, sprich fast alle Zähne rausnehmen und dann Prothese. Natürlich ist das zuviel für sie. Meine Schwester hatte sie zum Zahnarzt begleitet und es war schon alles arrangiert, und dann hat sie abgesagt aus Angst (so wie ich mit dem Flieger am Dienstag. Dinge wiederholen sich wenn ich nicht endlich Heilung finde). Dann war ich in Deutschland und bin mit ihr zu einem ganzheitlichen Zahnarzt für eine zweite Meinung. Der hat aber genau das gleiche gesagt. Am Ende wurde sie zu einer größeren Klinik verwiesen, wo meine Schwester sie noch hingefahren hat. Dort hat man auch Schatten im Oberkiefer gesehen (evtl. Schimmel? Von Schimmel in der Wohnung vielleicht?).
Es wäre wahrscheinlich sogar richtig gut für sie, all die kranken und alten Zähne rauszubekommen und den Kiefer ausfräsen zu lassen. Aber natürlich hat sie davor massiv Panik. Sie würde Vollnarkose bekommen und könnte dann auch 1-2 Tage in der Klinik zur Überwachung bleiben. Aber sie hat Panik. Und ich verstehe es. Es ist ein großer Eingriff, und ich kenne den Zustand der Panik und das Gefühl des Überwältigtseins zu gut selber.
Aber sie kann es ja nicht ewig verschieben. Sie ist ja leider alleine, keiner, der ihr dann nach der OP zuhause helfen könnte. Wir haben angeboten, für sie einzukaufen (zumindest meine Schwester, die ja da ist).

Also im Großen und Ganzen eine überwältigende Situation. Und dazu Covid.
Ich denke, es wäre gut da zu sein. Ich weiß nicht, wie lange meine Oma noch hat oder wie lange sie noch klar genug ist um mich zu erkennen wenn ich zu besuch komme. Dann ist da mein OPa, der mit gebrochenem Herzen zurück bleiben würde, allein. Und dann müsste das Haus verkauft werden und wo bleibt meine Mutter dann. Und meiner Schwester ist mit allem allein und muss auch noch nen neuen Job suchen.
Ich weiß, ich müsste da sein. Ich schäme mich dass ich den Flieger nicht nehmen konnte am Dienstag. Aber ich versuche auch Verständnis für mich zu haben. Es war alles zu viel.
Obwohl ich andererseits auch denke, es wäre vielleicht auch gut für mich, nach Deutschland zu kommen. Was neues lernen, Veränderung, und vielleicht wäre es auch heilend für mich, mich mit der Familie auseinander zu setzen. Ich merke, dass ich einiges von der Mutter übernommen habe. Ich weiss auch nicht wie lange ich mein Leben hier in Spanien aufrecht erhalten kann mit allem was gerade in der Welt passiert.
Es macht mir nur so viel Angst alles. Das ist bisher die größte Herausforderung vor der ich je stand. Ich könnte den nächsten Flieger am Dienstag nehmen.
 
Und das Schönste und Schlimmste ist, dass ich jederzeit hier in meinen alten Job zurück kann, und ich einen Job in Deutschland angeboten bekommen habe, von einem unglaublich netten Menschen, inklusive Zimmer und wahrscheinlich sogar mobilen Untersatz. Das heisst, beide OPtionen sind offen. Wobei ich den Job in deutschland natürlich nicht ewig offen halten kann. Aber es schien mir wie ein Wink des >Universums zu sein, als er mir das alles so erzählte, mit Zimmer und Auto. Als ob das Universum mich stark unterstützt mit allem. Und in der Stadt wo ich dann arbeiten würde, gibt es auch EMDR Therapeuten. Was ich auch sehr gerne machen würde.
Morgen nachmittag hab ich eine schamanische Session mit Tarot. Vielleicht kann sie mir mehr Klarheit verschaffen.
Bachblueten nehme ich übrigens auch seit ca. einer Woche.
 
Morgen nachmittag hab ich eine schamanische Session mit Tarot. Vielleicht kann sie mir mehr Klarheit verschaffen.

Liebe Carrie, hast du denn nun mehr Klarheit bekommen? Ich wünsche es dir sehr.

Ich habe mit Interesse deine beiden Threads gelesen und dabei überwältigten mich so viele Erinnerungen. Leider fällt es mir schriftlich schwer zu formulieren, was mich so beim Lesen deiner Zeilen bewegte, aber ich verstehe dich sehr gut.

Es ist eine Situation, die viel emotional abverlangt und trotzdem sollte man sich nie selbst aus den Augen verlieren.
Ich weiß, das sagt sich so einfach, aber ich spreche aus Erfahrung.
Als meine Eltern in ein Pflegeheim kamen, wurde ich ihre Betreuerin und in der langen Zeit von 15 Jahren war ich immer für sie da, das heißt - täglich.
Es waren meine Schuldgefühle, die ich übrigens nie los wurde, denn meine Mutti verlor ihre Sprache und war rechtsseitig gelähmt und ließ ich sie zurück, zerriss es mich.

Erst als ich in dieser Zeit das Forum fand wurde es für mich leichter, konnte über alles reden, fühlte mich verstanden und hatte liebe Begleiter an meiner Seite.
Ich bereue nichts, im Gegenteil Carrie, aber in diesen 15 Jahren floss das eigene Leben irgendwie an mir vorbei.

Nun, wenn ich nach sieben Jahren auf diese Zeit zurückschaue, dann erfüllt es mich, dass ich für meine Eltern da sein konnte, habe aber meine Familie und mich in dieser Zeit vernachlässigte. So oft die Möglichkeit besteht spreche ich nun dieses Thema bei meinen Kindern an, für zukünftigen Entscheidungen, die mich betreffen.

Als ihre Mutti wünsche ich mir , dass sie ihr Leben leben und es nicht für mich aufgeben. Ihre Liebe zu mir ist in mir und brauche ich Hilfe, finden sie hoffentlich eine gute Lösung. Sie wissen, dass ich dann in ein Pflegeheim möchte.

Die Frau meines jüngsten Sohnes durchlebt eine ähnliche Situation, wie du. Sie gab viel auf, auch ihren Beruf und bekam Depressionen und Angstzustäne.

Wichtig ist, dass deine Mutti und Schwester wissen, dass du immer an sie denkst. Liebe Carrie, wie ist denn deine Beziehung zu deiner Schwester? Könnt ihr über alles reden und hat sie das Gefühl, dass du immer für sie da bist und sehr dankbar darüber bist, dass sie sich um eure Mutti und Oma und Opa kümmert?

Es sind schwere Entscheidungen die du treffen möchtest und dafür wünsche ich dir ganz viel Kraft liebe Carrie.🍀🍀🍀

Liebe Grüße von Wildaster
 
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Meine Mutter ist depressiv seit ich denken kann. Sie hat nie gearbeitet, war immer nur zuhause, und es wurde schlimmer und schlimmer mit der Zeit. Nach der Scheidung meiner Eltern wurde es schlimmer, und dann ist meine Schwester ausgezogen, und dann ich, so dass sie alleine war und bis heute ist.
Es tut so weh, die eigene Mutter so zu sehen. Jedes Jahr, wenn ich für eine Woche nach Hause fahre, und sie so sehe, bricht mein Herz und ich habe einen mentalen ZUsammenbruch (ich übertreibe nicht, das letzte Mal hatte ich suizidale Gedanken nach dem Besuch).
Es ist, als wenn man einen Dämonen sieht, der die eigene Mutter beherrscht.
Sie hat schreckliche Neurodermitis, ihre Hände zittern, die Wohnung ist ein schmutziger Messi-Haushalt.
Das Elend ist, dass meine Mutter im selben Haus wohnt wie meine Großeltern (es sind ihre Adoptiveltern, was ich als ihr Kindheitstrauma bezeichnete. Sie hat die ersten 3 Jahre in einem Waisenhaus gelebt, was natürlich schlimme Auswirkungen auf jeden Menschen haben würde).
Aber sie hat den KOntakt zu ihnen vor Jahren abgebrochen.
Meine Großeltern haben ihre Depressionen nie verstanden und dadurch hat sie sich auch stets missverstanden gefühlt.

Zum Thema Adoption und Trauma habe ich das gefunden:
Adoption Is Trauma. It’s Time To Talk About It.
von einer Frau, die selber adoptiert wurde.

Adoption is trauma ...
For me, like most adoptees, attachments, separations, and rejections trigger an anxiety response disproportionate to the event. My fear is unconscious, one imprinted in my neurological system from my first separation.
Like all preverbal traumas, the severing of maternal-child bond leaves a wound that we cannot always describe but we can feel.

Danach ein Zitat von Nancy Verrier aus einem Text "The Three Faces of Adoptees"
All mammals know their own mothers through all their senses. Therefore, when a baby is immediately taken from the bio mom and handed over to another mom, the baby is confused and disoriented. “Where is mom?” The new mom doesn’t pass the “sensory test.” She doesn’t sound right, or smell right, or feel right, or have the right resonance or energy. The infant becomes disregulated. This is no one’s fault except that we continue to ignore it and therefore don’t address it. What does the child do?

The child goes immediately into coping mode. Something devastating happened and he/she doesn’t want it to happen again. “My most intimate relationship was severed; therefore, I do not want to get too close to anyone in case they leave me” (the stiff-armed child). Or,” I need to hang on so tight that she cannot get away” (the Velcro child). In neither case is there trust that the mother will be there for the child. This distrust is transferred to every person the adoptee wants to get close to.

Dann weiter von Mindy Stern
The dominant cultural narrative of adoption as a noble act — the whole better life thing — squelches adoptees ability to speak openly about our pain. My life is not better because someone adopted me, my life is different. And no Lifetime movie can capture how complicated reunion feels.

Why does everyone love our tear jerking reunion videos anyway? I mean, think about it. The reason those images are so moving is that the viewer understands that a lifetime apart caused suffering they hope reconciliation will end. A happy ending. A happy ending to a story that no one acknowledges is sad?

And before it is anything else, adoption is loss.
Allow us our side of the story.
Listen to our pain.
And hear our voices.
 
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ein Zitat von Nancy Verrier aus einem Text "The Three Faces of Adoptees"
auf ihrer Website nancyverrier.com/the-three-faces-of-adoptees
und ihre Bücher The Primal Wound (nancyverrier.com/the-primal-wound/), Coming Home to Self (nancyverrier.com/coming-home-to-self/)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Meine Mutter ist depressiv seit ich denken kann. Sie hat nie gearbeitet, war immer nur zuhause, und es wurde schlimmer und schlimmer mit der Zeit. Nach der Scheidung meiner Eltern wurde es schlimmer, und dann ist meine Schwester ausgezogen, und dann ich, so dass sie alleine war und bis heute ist.
(Nach allem, was ich heutzutage weiß, denke ich, dass ihre Depression ihre Ursachen hat in verschiedenen genetischen Ursachen - da ich ähnliche Anlagen habe und auch mti depressionen zu tun hatte -, in ihrer schlechten Ernährung, ihren Amalgamfüllungen und anderen Toxinen, sowie aber auch psychisch durch Kindheitstrauma).
Ich lebe seit 7 Jahren nicht mehr in Deutschland, und sehe meine Mutter einmal pro Jahr. Es ist grausam zu sehen und zu wissen. Für mich selbst musste ich mich stark abgrenzen, aus reinem Selbstschutz, aber ein großer Teil von mir fühlt sich natürlich UNENDLICH schuldig und traurig für sie. Ein vergeudetes Leben.
Ich habe meinen Weg (mehr oder weniger) aus der Depression rausgefunden, durch diverse Wege, die ich gegangen bin. Umso mehr trauere ich, dass sie es soviel besser gehabt haben könnte, wenn sie gewisse Schritte unternommen hätte/gewusst hätte.
Meine Schwester und ich haben viele Male versucht, ihr zu Therapie zu raten, sogar zu Medikamenten (obwohl oich kein großer Fan davon bin, aber um ihr zumindest eine Art Kickstart zu geben), zu Ernährungsumstellugn etc.
Sie setzt nichts um, und klar, ich weiß, dass das auch Teil der Krankheit ist. Keine Motivation, Ansgt sich mit Fremden auseinanderzusetzen etc. Ich weiß es so gut, weil ich selbst einen Bruchteil dieser Dunkelheit erlebt habe.
Umso mehr tut es mir weh.
Nun ja, ich denke, meine Frage hier ist - ist es gerechtfertigt, sich so zu verhalten wie ich es tue. Ich rufe kaum noch an, vielleicht 2-3 mal im Jahr (Telefonate verlaufen schweigend oder jammernd oder anklagend). Ich habe sie mehr oder weniger im STich gelassen. (Meine Schwester schaut nach ihr alle 2 Wochen).
Ist es gerechtfertigt? Ich weiß, es ist schwer, eine Antwort darauf zu geben. Es tut so weh, die eigene Mutter so zu sehen. Jedes Jahr, wenn ich für eine Woche nach Hause fahre, und sie so sehe, bricht mein Herz und ich habe einen mentalen ZUsammenbruch (ich übertreibe nicht, das letzte Mal hatte ich suizidale Gedanken nach dem Besuch). Es ist, als wenn man einen Dämonen sieht, der die eigene Mutter beherrscht. Sie hat schreckliche Neurodermitis, ihre Hände zittern, die Wohnung ist ein schmutziger Messi-Haushalt.
Und ich. Tue nichts.
Was könnte ich tun? Ich weiß es nicht.
Urlaub nehmen, hinfahren und die Wohnung ausmisten. Bei ihr einziehen und ihr jeden Tag frisches Essen kochen, sie zur Therapie begleiten.
Natürlich kann ich das nicht. Ich habe Arbeit, und es würde mich psychisch kaputt machen.
Aber manchmal machen mich die Schuldgefühle auch fertig.
Warum siehst Du nur, dass deine Mutter psychisch krank ist und hälst dich für körperlich krank ?
 
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