Askese und Sucht

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Hier beschäftigt sich ein Professor von einem Lehrstuhl für Kulturgeschichte mit "ASkese und Sucht" (vor allem Anorexie = Magersucht).

Ausschnitt:
Das Christentum war - ebenso wie das Judentum - eine nahöstliche Wüstenreligion; eine Religion des agrarischen Lebens, Ausdruck seiner Hoffnungen, Ängste und Leidenschaften; eine Religion, die sich in den Städten zwar als machtpolitischer Faktor, nicht aber als Glaubenssystem zu etablieren vermochte. Die christliche Religion war eine Hungerreligion, deren zentrales Sakrament ein gemeinsames Mahl bildete: zu den Mysterien von Brot und Wein gehörte auch die Plackerei der landwirtschaftlichen Arbeit. Nicht umsonst sprachen die Gleichnisse des Neuen Testaments durchwegs zu Bauern und Fischern; sie erzählten vom Weinberg, von wundersamer Brotvermehrung, von Aussaat und Ernte, von Senfkörnern, Sauerteig oder von der Versuchung, Steine in Brot zu verwandeln. Die Predigt über die Vögel, die weder säen noch ernten, und dennoch ein glückliches Leben fristen, wendete sich selbstverständlich an Bauern, und nicht an ein städtisches Publikum, - ebenso wie das Gebet um »das tägliche Brot« oder die beinahe deliranten Versicherungen: "Ich bin das Brot des Lebens" und "Ich bin der wahre Weinstock".8 Wie viele andere Religionen hat auch das Christentum als Religion des agrarischen Zeitalters reüssiert: als ein dramatischer Versuch, die Qualen des Hungers in spirituelle Energien zu übersetzen. Die Askese figurierte als Antwort auf die mit Sündenfall und Brudermord assoziierten Mühen bäuerlicher Existenz, als die paradoxe Übung, just in bitterster Not das Paradies eines aufgehobenen und erlösten Begehrens zu schmecken.
Nicht zufällig läßt sich jener Prozeß einer gesellschaftlichen Entmachtung des Christentums, den Nietzsche als »Tod Gottes« reflektierte, mit dem Sieg des industriellen Zeitalters über die agrarische Kultur synchronisieren. Die Stelle des »Hungerkünstlers« wurde von einem Raubtier besetzt; die Stelle des »ewigen Lebens« vom Versprechen unendlicher Fortschritte; die Stelle der Askese vom Puritanismus fleißiger Unternehmer. Im Dienste kapitalistischer Expansion wurden die asketischen Ideale säkularisiert und den Interessen der Profitmaximierung angepaßt. Während das Mittelalter den Stand der Bettelmönche respektierte und gelegentlich sogar glorifizierte, wurde die neuzeitliche Armut in die Nähe von Krankheit oder Sünde gerückt; John Wesley, der Begründer des Methodismus, dekretierte folgerichtig: "Wir müssen alle Christen ermahnen, zu gewinnen was sie können, und zu sparen was sie können, das heißt im Ergebnis: reich zu werden."9 Mit der Durchsetzung puritanischer Lebens- und Arbeitspraktiken wurde die gesellschaftliche Macht des Hungers gebrochen; der puritanische Asketismus bezog sich schließlich nicht mehr auf Ernährung, sondern stattdessen auf Lebenszeit und Sexualität. »Zeit ist Geld«, wußte Benjamin Franklin, und diese Zeit wurde gespart: in den Ehebetten, Bordellen und an allen übrigen Orten, die dem puren Spaß, der Verschwendung von Geld, Samen und »Freizeit« dienen konnten. In den letzten drei Jahrhunderten wurde die moderne Askese generiert: eine Komposition aus Arbeitssucht und Aktivismus, Streß und Zeitdruck, Einsamkeit und Depression, eine traurige Mixtur aus Sexismus, Kinderfeindlichkeit und zölibatärer Impotenz.
5.

Die Anachoreten und Hungerkünstler wurden begraben, durch junge Panther oder Top-Manager ersetzt, aus ihren Klöstern, Zellen, Gitterkäfigen vertrieben, und schließlich in die geschlossenen Abteilungen psychiatrischer Anstalten eingeliefert. Die zeitgenössische Hungerkunst gilt als Krankheit; sie trägt den gelehrten Titel Anorexia nervosa, zu deutsch: Magersucht. Die Mediziner halten sie für ein »neues« Leiden, manchmal für eine »Modekrankheit«. Sie befällt vorzugsweise junge Mädchen, häufig bereits in alarmierenden Grössenordnungen; aber sie soll noch in keinem einzigen unterentwickelten Land aufgetreten sein. Die Anorexie ist - nach Ansicht mancher Therapeuten - ein Zivilisationsleiden, eine Art von »Wohlstandskrankheit« wie der Herzinfarkt. Mystische oder ekstatische Motive der modernen Asketinnen wurden bis heute nicht entdeckt; ganz im Gegenteil: "Gleichgültig, zu welchen religiösen Überzeugungen sie sich bekennen, sie sind stets schematisch, starr und ganz ohne Liebe".10 Zwar hat der Historiker Rudolph M. Bell versucht, Isomorphien zwischen den Lebensläufen weiblicher Heiligen aus dem 12. Jahrhundert und aktuellen Fallgeschichten der Anorexie zu eruieren;11 aber seine Schlußfolgerungen blieben zweifelhaft, weil sie eine entscheidende Differenz ignorierten. Die mittelalterlichen Mystikerinnen lebten in einer askesetechnisch versierten und hochgradig bewußten Kultur: beispielsweise war von vornherein klar, daß Fasten nur als ein Mittel zur Ekstase, niemals jedoch als Selbstzweck in Betracht kommen durfte; schon die byzantischen Wüstenheiligen hatten davor gewarnt, die euphorischen Gefühle, welche durch Hungerpraktiken erzeugt werden können, mit Offenbarungen zu verwechseln.
Holy Anorexia. Wie ein fernes Echo der alten asketischen Maximen klingen manche Aufzeichnungen der französischen Philosophin Simone Weil, die im Alter von vierunddreißig Jahren an Hunger und Auszehrung gestorben ist. Wenige Monate vor ihrem Tod - mitten im Zweiten Weltkrieg - notierte sie etwa: "Nichtgestilltes Verlangen, unersättlich durch sich selbst. Die Unmöglichkeit, es zu stillen, ist seine Wahrheit, die Hoffnung, es zu sättigen, ist falsch. [...] In der wesentlichen Nicht-Sättigung berührt man eine andere Wirklichkeit, besitzt man auf eine andere Art. Jedes Begehren, wenn man ihm seine Aufmerksamkeit zuwendet, ob (relativ) erfüllt oder nicht, ist ein Weg zur Nicht-Sättigung." Und an einer anderen Stelle: "Der ewige Teil der Seele nährt sich von Hunger. Wenn man nicht ißt, verdaut der Organismus sein eigenes Fleisch und verwandelt es in Energie. Die Seele ebenfalls. Die Seele, die nicht ißt, verdaut sich selbst. Der ewige Teil verdaut den sterblichen Teil der Seele und verwandelt ihn. Der Hunger der Seele ist hart zu ertragen, aber es gibt kein anderes Heilmittel für die Krankheit. Bei lebendigem Leibe den vergänglichen Teil der Seele Hungers sterben lassen."12
Unzweifelhaft werden in solchen Sätzen anorektische Symptome artikuliert. Was Ludwig Binswanger - anläßlich der bemerkenswerten Krankengeschichte von Ellen West - analysierte: eine existentielle Leere, die den Affekt der Gier, als Verwechslung von Fülle und Völle, zugleich provoziere wie verleugne,13 oder was Frederick S. Perls als den paranoischen Drang nach narzißtischer Fusion charakterisierte,14 läßt sich umstandslos auch den Notizen Simone Weils entnehmen. Aber diese Symptome stehen im Schatten einer subtilen, theologisch inspirierten Idee des Begehrens. Die Revolutionärin, Neo-Gnostikerin, Anarchistin und Übersetzerin der Upanishaden verstand die asketische Haltung als eine Art von reflexiv aufgeklärter Sehnsucht: als eine Sehnsucht, die sich der Illusion entledigt hat, durch irgendeinen Menschen oder durch irgendein Objekt erfüllt werden zu können, ohne darum an ihrer Unstillbarkeit zu zerschellen. Das Zeichen »Gott« bedeutete ihr nichts anderes, als die Möglichkeit solchen Begehrens und solcher Sehnsucht: "Von zwei Menschen ohne Gotteserfahrung ist der, welcher ihn leugnet, ihm vielleicht am nächsten
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Neue Askese?

Wenn ich mir diesen Satz ansehe:
verstand die asketische Haltung als eine Art von reflexiv aufgeklärter Sehnsucht: als eine Sehnsucht, die sich der Illusion entledigt hat, durch irgendeinen Menschen oder durch irgendein Objekt erfüllt werden zu können, ohne darum an ihrer Unstillbarkeit zu zerschellen.
dann denke ich, daß die heutige Magersucht oder Diätsucht oder pro-ana-Bewegung der äußerliche Ausdruck dieser inneren Sehnsucht ist, von außen befriedigt zu werden. Die Welt als Selbstbedienungsladen, der nicht wirklich funktioniert. -
Der Eindruck, daß die Welt zu meiner "Bedienung" da ist - also für meine Bedürfnisse zu sorgen hat, hängt sicher u.a. mit der Fülle, die äußerlich häufig geboten wird und der Leere, die innen trotzdem besteht, zusammen.
Die Askese der mittelalterlichen Mystiker war genau in dem Punkt anders: Diese Mystiker konnten sich kasteien und damit glücklich sein, weil sie es mit einem Ziel taten: der Annäherung an Gott.
Ohne Ziel ist so ein Verhalten nur selbstschädigend und zerstörerisch.

Insofern muss jede Therapie versuchen, den Selbstwert aufzubauen und die Freude am Aufbau inneren und äußeren Lebens zu wecken und zu festigen.

Dieses Buch hier wird als Pflichtlektüre in manchen psychosomatischen Kliniken, die mit Magersüchtigen arbeiten, vorgeschrieben:
www.ffl.at/PDF/Johnston.pdf

Gruss,
Uta
 
Alle Symptome der strengen "Anorexia nervosa" sind bei Katherina von Siena vertreten. Solange sie noch lebte, wurde ihre Heiligkeit dennoch in Frage gestellt. Ihre merkwürdige Eßgewohnheiten gerieten in den Verdacht, vom Teufel angeregt zu sein. Von der Kirche wurde sie lange als Hexe oder Simulantin angesehen. Für eine junge Frau des 14. Jahrhunderts war es schwierig, die Kleriker davon zu überzeugen, daß sie von Gott auserwählt worden sei. Für eine junge Frau des 20. Jahrhunderts ist es kaum weniger schwierig, die Ärzte davon zu überzeugen, daß die Essensverweigerung die für sie einzige mögliche Lebensweise ist. Die Strategie bleibt aber in beiden Fällen die gleiche, schreiben G. Raimbault et C. Eliacheff: Die Unterordnung wird simuliert, eine scheinbare Zusammenarbeit eingehalten, die Eßzufuhr aber weiterhin aufs Minimum reduziert. Dennoch unterscheidet sich das asketische Fasten grundsätzlich vom anorektischen Fasten durch die Bezugnahme auf Gott, die in der Anorexie gemeinhin völlig fehlt. Die magersüchtige Frau führt keinen Dialog mit Gott. Sie versucht hingegen einen Zustand zu erreichen, in dem sie sich selbst genügt, in dem sie niemanden braucht. Sie will ihr eigener Gott sein. Wenn man davon ausgeht, daß das Wort "Religion" aus dem lateinischen "religare" (verbinden) stammt, so ist die Phantasie der Autarkie, die Verneinung jeder Bindung nicht nur un-religiös, sie ist geradezu teuflisch. Die teuflische Seite der Magersucht, die jedem Diskurs entgeht (das WORT - die Sprache - ist angeblich in Gott), ist besonders geprägt, wenn sie im Zusammenhang mit der Wiederholung der Freßanfälle und Erbrechen der Nahrung steht: jede Bindung wird verneint.....
Das Auftreten der Magersucht

Uta
 
Hallo Uta,

ein sehr, sehr interessantes Thema finde ich. In vielerlei Hinsicht.
Zunächst möchte ich vorausschicken, dass ich davon überzeugt bin, dass es kaum gesellschaftliche - (zivilisatorische) Phänomene gibt, die in der Vorwelt nicht auch schon da gewesen wären. Was sich im historischen Verlauf immer mal wieder ändert, ist ihre Betrachtungsweise.
www.ph-heidelberg.de/org/ife/zulas/Essstoerungen_bei_Heranwachsenden.pdf
Noch im 12. Jahrhundert sangen geistlich gebildete Fahrende sozusagen das Lob "des runden Bauches" bibliotheca Augustana . Noch im zwölften Jahrhundert lehrte Hildegard von Bingen die Zusammenhänge von Geist-Körper und Ernährung und forderte Mäßigung - auch hinsichtlich der Enthaltsamkeit!Hildegard von Bingen

Im Zuge von klerikalen Reformen business.chello.at/franziskaner/Pater%20Olivers%20Publikationen/Ordensgeschichte%20OFM.pdf

Eine der ersten deutschen Heiligen, die dieses Ideal (was - das sei gesagt nicht durchweg schlecht oder schädlich war, sondern nur in seiner fanatischen Übertreibung zu schlimmen Folgen führte), lebte war Elisabeth von Thüringen.
Elisabeth von Thüringen: Unterwerfung unter die Kirche - Elisabethjahr 2007 - allgemein
Elisabeth von Thüringen: Unterwerfung unter die Kirche - Elisabethjahr 2007 - Tod

Die Geschichte der Heiligen und der Mytikerinnen ab dem dreizehnten Jahrhundert ist voll von Erzählungen, die ihre Enthaltsamkeit rühmen.

www.pensis.net/documente/22schriftlichearbeiten_Rel/Sufismus.Christl%20Myst-Schlerka.pdf
Neue Askese?
www2.uni-wuppertal.de/FB3/paedagogik/sagebiel/frauen_im_ma.pdf

Auch Dr. Hartmut Irmgart führt in seinem Aufsatz Essstörungen Essstörungen, Bulimie, Magersucht
Katharina von Siena an.

Das Phänomen der hungernden Frauen war schon im Mittelalter bekannt. Die Anorexia mirabilis, das heißt die wundersame Appetitlosigkeit trat bei jungen Frauen auf, die aus religiösen Gründen fasteten. Nicht wenige wurden als Heilige verehrt, die bekannteste von ihnen ist Katharina von Siena. Obgleich es viele Parallelen zu den heutigen Magersüchtigen gibt, existieren auch grundlegende Unterschiede. Die mittelalterliche Asketin strebte danach, durch Fasten die Schönheit der Seele zu vervollkommnen im Sinne eines religiösen Ideals. Die heutige Anorektikerin strebt nach Vollkommenheit des Körpers im Sinne eines gesellschaftlichen Schönheitsideals (nach Brumberg).

So, und zum Nachdenken noch ein Bericht aus jüngerer Zeit:

https://www.geocities.com/Athens/Styx/3117/mfa_l9.htm

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier mal - aus kirchlicher Sicht, eine Lebenszusammenfassung der Heiligen Katharina:

Die heilige Katharina von Siena

(+ 29. April 1380)

Die am 25. März 1347 in Siena (Toscana, Italien) als 24. und vorletztes Kind des Färbermeisters Jacopo Benincasa und der Lapa Nuccio Piagenti geborene und bereits mit 33 Jahren am 29. April 1380 in Rom gestorbene Dominikaner-Terziarin ist von ihrem Landsmann Papst Pius II. am 29. Juni 1461 heiliggesprochen, von Papst Paul Vl. aber als erste Frau am 4. Oktober 1970 zur Würde einer “Kirchenlehrerin” erhoben worden.

In seiner Ansprache bei der feierlichen Proklamierung der neuen Kirchenlehrerin wies Papst Paul VI. u. a. auf die charismatische Weisheit dieser jungen Frau hin und und sagte: “Tatsächlich, welch starke Strahlen übermenschlicher Weisheit, welch drängende Mahnungen zur Nachahmung Christi in allen Geheimnissen seines Lebens und Leidens, welch wirksame Unterweisungen über die Übung der Tugenden, wie sie zu den verschiedenen Lebensständen gehören sollten, finden sich verstreut in den Werken dieser Heiligen (in ihrem “Dialog über die göttliche Vorsehung”, in ihren Gebeten und in ihren 382 Briefen). Es gibt darin gleichsam Funken eines mystischen Feuers, das in ihrem Herzen von der unendlichen Liebe, nämlich vom Heiligen Geist entzündet worden war.

Welche sind nun aber die charakteristischen Linien, die vorherrschenden Themen der aszetischen und mystischen Lehre der heiligen Katharina? Uns dünkt, als ob sie in Nachahmung des ,ruhmreichen Paulus’(Dialog c. 11), von dem sie bisweilen sogar den kräftigen und ungestümen Stil widerzustrahlen scheint, eine Mystikerin des menschgewordenen ewigen Wortes, vor allem des gekreuzigten Christus sei; sie war eine Sängerin des Lobpreises auf die erlösende Kraft des anbetungswürdigen Blutes des Sohnes Gottes, das dieser am Holz des Kreuzes mit dem ganzen Großmut seiner Liebe für das Heil aller Generationen der Menschheit vergossen hat (vgl. Dialog c. 127). Dieses Blut des Erlösers aber sieht die Heilige dank des Dienstes der Priester ununterbrochen im Messopfer und in den Sakramenten zur Reinigung und Verschönerung des ganzen mystischen Leibes Christi fliessen. Wir könnten Katharina darum auch die Mystikerin des (eucharistischen und) mystischen Leibes Christi, der Kirche nennen.”

Nach solchen Worten Pauls VI. dürfen wir die heilige Katharina von Siena sicher mit vollem Recht unter die eucharistischen Heiligen einreihen. Sie schätzte die Heilige Eucharistie über alles und lebte aus ihr, nicht bloß seelisch, sondern lange Zeit auch leiblich. Fast alle charismatischen Begnadigungen bis hin zur Stigmatisierung, fast alle Visionen und Ekstasen wurden ihr während oder unmittelbar nach dem Empfang der Heiligen Eucharistie zuteil. Auch die Bedeutung, Größe und Heiligkeit der Kirche sowie die Würde der Priester der Kirche sah die heilige Katharina eigentlich nur im Zusammenhang mit der Heiligen Eucharistie und wegen der unsagbar großen Erhabenheit und Heiligkeit der Eucharistie stellte sie an die Priester, denen die Verwaltung dieses hochheiligen Sakramentes anvertraut ist, in einer bisweilen sehr harten Sprache die Forderung nach sittlicher Reinheit und Lauterkeit.

Katharina selbst hatte eine ganz innige Beziehung zur Heiligen Eucharistie. Sie eine nicht bloß - wenn es ihr irgendwie möglich war - jeden Tag zur heiligen Messe, sondern empfing auch die heilige Kommunion für die damalige Zeit ungewöhnlich oft, ja eigentlich fast täglich zum “Ärgernis” mancher Zeitgenossen. Sie wusste um die Größe des eucharistischen Geheimnisses und um die Notwendigkeit, sich auf der Pilgerschaft in die himmlische Heimat mit diesem “Brot des Lebens, der Frucht des Blutes”, zu stärken. An den jungen Maler Andrea Vanni, dem wir das einzige authentische Bildnis Katharinas verdanken, schrieb sie die ermunternden Worte über den Empfang des “süßen Sakramentes”: “Saget nicht: Ich bin nicht würdig für ein so großes Mysterium; wenn ich mich einmal würdiger fühle, werde ich es empfangen und kommunizieren.’ Nein, so soll man es nicht machen. Vielmehr sollte man stets bedenken, dass man auf Grund eigener Gerechtigkeit freilich niemals würdig ist; und selbst wenn man sich auch als würdig erwiese, ohne die entsprechende Demut wäre man dennoch unwürdig. Aber Gott ist würdig, uns würdig zu machen. Aus seiner Würde heraus sollen wir die heilige Kommunion empfangen. Dies muss auf zweifache Weise geschehen: sakramental äußerlich und geistlich; in beiden Fällen aber mit heiliger Wahrhaftigkeit und hingebender Sehnsucht. Das sehnsuchtsvolle Verlangen soll sich dabei nicht nur auf den Augenblick der Kommunion beziehen, sondern soll zu jeder Zeit und an jedem Ort wirksam sein, so wie es die heilige Speise selber ist, die man zu sich nimmt, um mit ihr für die Seele das Gnadenleben zu empfangen.”

Auf das unsagbar große, sehnsuchtsvolle Verlangen der heiligen Katharina nach der Vereinigung mit Christus, ihrem Bräutigam in der heiligen Kommunion kommt ihr langjähriger Seelenführer und Beichtvater, der selige Raimund von Capua (+ 1399) mehrmals in der von ihm verfassten Biographie der Heiligen zu sprechen. Katharina wollte durch die häufige Kommunion nicht nur mit dem Geist, sondern auch mit dem Leib ihres göttlichen Bräutigams vereint werden. “Denn sie wusste: Das hochheilige Sakrament des Leibes und Blutes Christi bringt der Seele diese große geistliche Gnade der Vereinigung mit ihrem Heiland und Erlöser. Diese Vereinigung ist ja der Hauptzweck, zu dessen Bewirkung dieses Sakrament überhaupt eingesetzt worden ist. Denn wer in Wahrheit diese heilige Speise genießt, wird sogleich mit dem Leib Christi verbunden und geeint. Um darum immer inniger mit diesem erhabenen Gegenstand ihrer Liebe verbunden und vereint zu werden, beschloss Katharina, sooft als möglich die heilige Kommunion zu empfangen” (Vita, Nr. 124)

Im sanften Wehen des Heiligen Geistes wurde in Katharina von Tag zu Tag mehr das Feuer der Liebe entzündet. Daraus leitete sich dann ihre Gewohnheit ab, fast täglich die heilige Kommunion zu empfangen, wenn sie nicht gerade durch Krankheit oder durch seelsorglichen Einsatz daran gehindert wurde. Aber die Sehnsucht, den Herrn möglichst oft zu empfangen, war in ihr so groß, dass sie dann, wenn ihr die Stillung dieser ihrer Sehnsucht nicht möglich war, bitteres Leiden durchmachen musste. Sie hat mir selbst gestanden und ich habe es auch aus den schriftlichen Unterlagen meines Vorgängers als Beichtvater Katharinas ersehen, dass dann, wenn sie die heilige Kommunion empfangen hatte, eine Überfülle von Gnaden und himmlischen Tröstungen in ihre Seele gesenkt wurden und dass sich dies dann auch auf ihren Leib auswirkte: ihr Magen hatte kein Bedürfnis nach leiblicher Speise mehr, er konnte diese nur mit Widerwillen in sich aufnehmen und behalten, wenn sie sich gezwungen hatte, leibliche Speise zu sich zu nehmen. Ihr ganzer Organismus hatte dann darunter zu leiden, weil ihr die Verdauung der zu sich genommenen Speise unmöglich geworden war.” (Vita Nr. 167)

“Immer mehr kam es dazu, dass durch die andächtig empfangene heilige Kommunion nicht bloß die Seele Katharinas, sondern auch ihr Leib ernährt wurde und bei Kräften blieb... Ihr Beichtvater wollte von ihr wissen, ob sie dann, wenn sie die heilige Kommunion nicht empfangen könne, im Magen Hungergefühl bekomme. Sie antwortete darauf: Wenn ich einmal das heiligste Sakrament nicht empfangen kann, dann genügt mir zur Sättigung schon, dass ich dieses heiligste Sakrament wenigstens in meiner Nähe weiß und es sehen kann, ja, sogar ein Priester, der dieses heiligste Sakrament berührt hat, bringt mir dann schon so viel Trost, dass jeder Gedanke, nach leiblicher Speise zu verlangen, schwindet.” (Vita Nr.170-171)

Der selige Raimund von Capua hat in seiner Biographie der heiligen Katharina von Siena dem 2. Buch noch ein 12. Kapitel mit der Überschrift “Amante del sacramento” (Die Liebhaberin des heiligsten Sakramentes) angefügt. Hier schreibt er einleitend: “Alle, die Katharina kannten, wissen mit mir, wie groß und hervorragend ihre Andacht zum hochheiligen Leib des Herrn war. Weil sie oft die heilige Kommunion empfing, ging im Volk das Gerede, sie kommuniziere täglich und sie lebe davon und bleibe dabei bei guter Gesundheit, ohne je eine andere Speise zu sich zu nehmen... Die Wahrheit aber ist, dass sie nicht jeden Tag kommunizierte, aber dass sie sehr oft mit ganz großer Andacht das heiligste Sakrament empfing; und an dieser Häufigkeit haben gewisse gescheite Leute, die mehr Philister als Christen sind, Kritik geübt.” (Vita Nr. 312) Raimund von Capua verteidigt dann die Oftkommunion, beziehungsweise die tägliche Kommunion mit dem Hinweis auf Pseudo-Dionysius Areopagita, der sich in seinem Werk “Kirchliche Hierarchie” dafür einsetze mit dem Hinweis auf die Apostelgeschichte (2,46), wo vom täglichen “Brotbrechen” der Christen der Urkirche die Rede sei, dann mit dem Hinweis auf die Brotbitte im Gebet des Herrn (“Unser tägliches Brot gib uns heute”), die vielfach auch vom täglichen Empfang des Himmelsbrotes verstanden worden sei; dann verweist er noch auf Kirchenväter, die lehren, dass jeder Gläubige, der frei sei von Todsünden, nicht nur erlaubterweise, sondern auch verdienstvoller Weise dieses heilbringende Sakrament empfangen könne. “Wer könnte demnach einer Person, die nicht nur wahrhaft christlich, sondern heilig lebt, verbieten, häufig dieses Verdienst zu erwerben? Ich zweifle nicht daran, dass man jener Person das größte Unrecht zufügt, genauso wie man jemandem, der das Gedächtnismahl der Passion des Herrn, beziehungsweise die Wegzehrung für die Pilgerfahrt zu empfangen wünscht, dies verwehren würde. Das sei gesagt für jene, die da behaupten, es sei nicht jedem Gläubigen, auch nicht einem wahrhaft Frommen und Vollkommenen, erlaubt, sich oft mit dem Leib des Herrn zu stärken, und sei gesagt gegen jene, die - ohne recht zu wissen, was sie sagen - behaupten, es genüge der Kommunionempfang einmal im Jahr. Ich halte es da lieber mit der Heiligen Schrift als mit etwaigen wahrscheinlichen Vernunftargumenten.”

Raimund von Capua bringt dann noch jenes dem heiligen Augustinus zugeschriebene, aber von Gennadius von Marseille (in seinem “Liber de ecclesiasticis dogmatibus” c. 22, PL 58/994) stammende Wort, das vielfach gegen die tägliche Kommunion vorgebracht wurde, dass nämlich die tägliche Kommunion weder zu loben noch zu tadeln sei (“Quotidie Eucharistiae communionem accipere nec laudo nec vitupero”). Der selige Raimund von Capua schreibt dazu: “Mir kommt diesbezüglich die Antwort in den Sinn, die in meiner Gegenwart die heilige Katharina einmal einem Bischof gegeben hat, der sich auf dieses angebliche Augustinuswort berufen hatte, um gegen die tägliche Kommunion zu argumentieren. Sie sagte ihm nämlich: Wenn der heilige Augustinus die tägliche heilige Kommunion nicht tadelt, warum wollt dann Ihr sie tadeln? Ihr stellt Euch ja dann gegen ihn!- Der Dominikaner Raimund von Capua verweist in der Frage nach der täglichen heiligen Kommunion dann noch auf den heiligen Thomas von Aquin, der sich in seiner Summa Theologica 11/q. 80” a. 10) darüber sehr klar geäußert hat. Schließlich stellt er von Katharina noch folgendes fest: “Wenn sie das sehnsuchtsvolle Verlangen nach der heiligen Kommunion verspürte und dieses Verlangen nicht befriedigen konnte, litt sie auch körperlich mehr, als wenn sie von ganz starken Schmerzen gemartert oder von tagelangem Fieber gequält würde.” Man habe leider damals - so bemerkt der Selige - unklugerweise auf dieses Verlangen Katharinas oft nicht Rücksicht genommen und ihr die heilige Kommunion bisweilen in sehr harter Weise verwehrt, er aber habe sie dann klüger behandelt und sei auf ihre Wünsche eingegangen. Wenn sie wieder das ungestüme Verlangen nach der heiligen Kommunion in sich verspürte und ihn sah, pflegte sie nur zu sagen: “Pater, ich habe Hunger, um der Liebe Gottes willen gebt meiner Seele die heilige Speise!” (Vita, Nr. 312-315).

Da werden dann vom seligen Raimund von Capua noch angeblich bestens bezeugte Fälle erzählt, in denen das glühende Verlangen der heiligen Katharina nach der Vereinigung mit Christus im heiligsten Sakrament so groß war, dass es wie ein Magnet zu wirken begann und die heilige Hostie dem zelebrierenden Priester bei der Spendung der heiligen Kommunion aus den Fingern glitt und unsichtbar oder sogar auch sichtbar zur heiligen Katharina hinschwebte oder Christus selbst ihr die heilige Hostie in den Mund legte (vgl. Vita Nr. 381-324).

Wichtiger als diese angeblich wunderbaren Phänomene beim Kommunionempfang der heiligen Katharina ist die Tatsache, dass sogar Papst Gregor XI. das ungestüme Verlangen der Heiligen nach der möglichst täglichen heiligen Kommunion respektierte und ihr das für eine Frau ganz ungewöhnliche Privileg des “Altare portatile” (des Tragaltars) gewährte und erlaubte, dass sich in ihrer Gesellschaft immer Priester mit voller Jurisdiktionsgewalt befänden, die ihr und den von ihr Bekehrten täglich die Beichte abnehmen und die heilige Kommunion reichen könnten (vgl. Vita Nr. 315).

Von den verschiedenen Berichten über das wunderbare Kommunizieren der heiligen Katharina, die hier ausführlich erzählt werden könnten, sei nur einer herausgegriffen: Es war an einem 18. August: Katharina nahm an der heiligen Messe in der Kirche San Domenico in Siena teil und wartete mit großem Verlangen auf die heilige Kommunion. Der Priester hatte gerade die heilige Hostie in die Hand genommen und Katharina befohlen, die Worte zu wiederholen: “Herr, ich bin nicht würdig, dass Du eingehst unter mein Dach...” Da hörte die Heilige die Stimme Christi, die zu ihr sprach: “Aber Ich bin würdig, dass du bei Mir einkehrst!” Als sie dann die heilige Kommunion empfangen hatte, schien es ihr, als ob ihre Seele ganz und gar in den Herrn hineingenommen würde und umgekehrt der Herr in ihre Seele und es war ihr so, wie es beim Fisch der Fall ist, der ins Wasser taucht und nun ganz vom Wasser umgeben ist. Sie fühlte sich nun in Christus ganz hineingetaucht (vgl. Vita, Nr. 192). Diesen Vergleich bringt die Heilige selbst im Eingangskapitel ihres “Dialogs über die göttliche Vorsehung”

“Da die Seele bei der heiligen Kommunion inniger mit Gott vereint wird und sie seine Wahrheit tiefer erfasst - die Seele ist ja dann in Gott und Gott in der Seele, wie der Fisch im Meer und das Meer im Fisch -, deshalb sehnt sie (Katharina) immer den Morgen herbei, um der heiligen Messe beiwohnen zu können.”

Die tiefsten Gedanken über das heiligste Altarssakrament hat die heilige Katharina von Siena dort in ihrem “Dialog über die göttliche Vorsehung” niedergeschrieben, wo sie auf die Würde der Priester zu sprechen kommt und den unwürdigen Lebenswandel mancher Priester tadelt. Auf ihre Bitte um Erbarmen für die heilige Kirche antwortet ihr Gott Vater mit folgenden ergreifenden Worten:

“Nun will ich dir beantworten, was du Mich über die Diener der heiligen Kirche gefragt hast. Ich will dir als erstes ihre Würde schildern, zu der Ich sie in Meiner Güte erhoben habe. Diese Würde übertrifft noch die Liebe, die Ich allgemein für Meine Geschöpfe hegte, indem Ich euch nach Meinem Bild und Gleichnis schuf und im Blute Meines eingeborenen Sohnes neu zur Gnade erschuf. Durch die Einigung, die Meine Gottheit mit der menschlichen Natur einging, gelangtet ihr zu solcher Vorzüglichkeit, dass ihr die Engel an Würde und Erhabenheit überragt, da Ich eure Natur annahm und nicht die des Engels. Somit wurde Gott Mensch und der Mensch wurde Gott durch die Vereinigung Meiner göttlichen Natur mit eurer menschlichen. Diese Würde ist im allgemeinen jedem Geistwesen verliehen; unter diesen aber habe Ich Meine Diener auserwählt, damit euch durch sie das Blut des demütigen und unbefleckten Lammes, Meines eingeborenen Sohnes, gespendet werde. Ihnen übertrug Ich es, die (eucharistische) Sonne zu verteilen, indem Ich ihnen das Licht der Wissenschaft, die Glut der göttlichen Liebe und die mit dieser Glut und diesem Licht gemeinsame Farbe verlieh, nämlich das Blut und den Leib Meines Sohnes. Dieser Leib ist eine Sonne, weil er eins ist mit Mir, der wahren Sonne, so sehr eins, dass Wir nicht voneinander geschieden noch getrennt werden können, so wenig sich bei der Sonne ihre Glut von ihrem Licht, noch das Licht von ihrer Farbe abtrennen lässt. Beide sind vollkommen eins.

Die Sonne spendet, ohne sich von ihrer Scheibe zu trennen und sich zu teilen, der gesamten Welt und jedem einzelnen, der von ihr erwärmt werden will, Licht und Wärme; kein Schmutz kann sie beflecken, und ihr Licht ist ganz eins. So ist auch dieses Wort, Mein Sohn, und sein sanftes Blut eine Sonne, ganz Gott und ganz Mensch, da er ein Einziges ist mit Mir und Ich mit ihm. Meine Macht ist von seiner Weisheit nicht zu trennen, und die Glut, das Feuer des heiligen Geistes, ist weder von Mir, dem Vater, noch von ihm, dem Sohn, geschieden, denn der Heilige Geist hat ein Einziges mit Uns, da er von Mir, dem Vater, und von ihm, dem Sohn, ausgeht und Wir eine einzige Sonne sind.

Der Leib Meines eingeborenen Sohnes ist eine Sonne. Er kann euch nicht gereicht werden ohne das Blut, das Blut nicht ohne die Seele dieses Wortes, und Seele und Leib nicht ohne Meine, des ewigen Gottes Gottheit, weil keines vom andern zu trennen ist. Denn die göttliche Natur löst sich nie von der menschlichen, weder durch den Tod noch durch sonst etwas. So wird euch in diesem süßen Sakrament in dem weißen Brot die ganze göttliche Wesenheit mitgeteilt. Und so wenig die Sonne sich teilen lässt, genausowenig das Ganze von Gott und Mensch in der weißen Hostie. Doch gesetzt, die Hostie wird geteilt, und es wäre möglich, tausendmal tausend Stückchen daraus zu machen: in jedem Stückchen wäre doch der ganze Gott und der ganze Mensch enthalten, so wie in einem geteilten Spiegel immer das ganze Bild erscheint. Oder wie - um ein anderes Beispiel zu nehmen - das Feuer ungeteilt bleibt: Nimm an, du trügest ein brennendes Licht, und die ganze Welt träte herzu, sich daran zu entzünden: es würde nicht vermindert, und doch besäße jeder das Licht ganz. Zwar holt sich der eine mehr davon als der andere, je nach dem Brennstoff, den er mitbringt. Gesetzt viele Leute trügen Kerzen herbei, dieser für eine Unze, jener für deren zwei oder sechs, der hier eine pfündige Kerze, der dort eine noch schwerere, und sie kämen zur Flamme, um ihre Kerzen anzuzünden: man sähe an jeder Kerze, den großen wie den kleinen, immer die ganze Flamme, was Glut, Farbe und Helligkeit betrifft. Trotzdem wirst du behaupten, dass der weniger hat, der bloß eine Unzenkerze bringt, als jener, der mit der Pfundkerze daherkommt.

So geht es auch denen, die das heilige Sakrament empfangen: jeder bringt seine Kerze herbei, nämlich die heilige Sehnsucht, mit der er es empfängt. Aus sich selber ist seine Kerze lichtlos, aber durch den Empfang des Sakramentes wird sie entzündet. Lichtlos, sage Ich, weil ihr aus euch selber nichts seid, obwohl es wahr ist, dass Ich euch den Stoff gegeben habe, womit ihr in euch dieses Licht nähren und erhalten könnt. Euer Stoff ist die Liebe, denn Ich schuf euch aus Liebe, und darum könnt ihr ohne Liebe nicht leben... Ich habe die Seele erschaffen und liebesfähig gemacht, und zwar so sehr, dass sie ohne Liebe nicht leben kann: die Liebe ist ihre Speise. So groß aber wird euer Anteil am Licht sein, das heißt an der Gnadengabe des Sakramentes, als die Sehnsucht groß ist, mit der ihr euch bereitmacht, es zu empfangen. Wer sich mit einer Todsünde dem süßen Sakrament nahte, der empfinge keine Gnade, wenn er auch tatsächlich den ganzen Gott und Menschen aufgenommen hat. Weißt du, wie es einer Seele ergeht, die das Sakrament unwürdig empfängt? Wie einer Kerze, die euch ins Wasser fiel und nur noch zischt, wenn man sie in die Nähe des Feuers bringt. Sobald sie das Feuer fasst, erlischt sie schon wieder, und nichts bleibt als nur Rauch. So trägt diese Seele wohl ihre Kerze herbei, die sie in der heiligen Taufe empfangen hat, aber das Wasser der Schuld ergoss sich darauf und netzte den Docht der Taufgnade. Und weil die Seele ihn nicht am Feuer wahrer Reue getrocknet hat durch Bekenntnis ihrer Schuld, tritt sie zum Altar, um das Licht zwar äußerlich, nicht aber dem Geiste nach zu empfangen. Sie hat sich nicht, wie es einem so großen Geheimnis geziemt, vorbereitet. Darum bleibt auch das wahre Licht nicht gnadenhaft in ihrem Innern, sondern lässt sie stehen und sie bleibt in noch größerer Verwirrung zurück, lichtlos in der Finsternis und mit noch schwererer Schuld beladen. Sie gewinnt durch den Empfang (der heiligen Kommunion) nichts als nur heftige Gewissensbisse, nicht weil etwa das Licht versagt hätte, das in keiner Weise beeinträchtigt werden kann, sondern wegen des Wassers der Schuld, das sich in der Seele vorfand und ihr Liebesstreben hemmte, so dass sie kein Licht empfangen konnte. Du siehst: die Flamme, in welcher Glut und Farbe und Licht geeint sind, lässt sich nicht teilen, weder infolge des geringen Verlangens der Seele beim Empfang des Sakramentes, noch durch die Mängel, die sie vielleicht an sich hat, noch durch die des Spenders, wie schon anlässlich der Sonne erhellte, die auch den Schmutz bescheint, sich aber damit nicht befleckt. Ebensowenig wird die süße Flamme im Sakrament durch irgend etwas befleckt, noch teilt und mindert sich ihr Licht, noch löst es sich aus seiner Bahn, selbst wenn die ganze Welt an Licht und Wärme dieser Sonne teil gewänne. Und so trennt sich auch das Wort, die Sonne, Mein eingeborener Sohn nicht von Mir, der Sonne und dem ewigen Vater, obwohl Er im mystischen Leib der heiligen Kirche jedem ausgespendet wird, der Ihn empfangen will: als Ganzer bleibt er euch und als Ganzen habt ihr ihn, Gott und Mensch, wie im Beispiel der Flamme: auch wenn die ganze Welt sich mit Licht versähe, alle haben es ganz, und es selbst bleibt ganz.

O mein liebes Kind, öffne gut das Auge deines Geistes und blicke in den Abgrund Meiner Liebe. Es gibt kein Geistwesen, dessen Herz nicht zerfließen müsste beim Anblick der Wohltat, die ihr neben vielen anderen in diesem Sakrament von mir erhalten habt. Mit welchen Augen, liebstes Kind, müsst ihr, du und die übrigen, dieses Geheimnis anschauen, betrachten und berühren? Und nicht bloß mit dem leiblichen Getaste und Gesicht, denn hier versagen alle körperlichen Sinne.

Du siehst, das Auge nimmt nichts weiter wahr als die Weiße des Brotes, die Hand berührt nichts und der Geschmack schmeckt nichts als Brot, also werden die groben leiblichen Sinne getäuscht: nicht aber das Gespür der Seele, sofern sie es nicht selber will und sich durch Untreue des Lichtes des heiligen Glaubens beraubt. Wer schmeckt, wer sieht und wer berührt dieses Sakrament? Die Sinne der Seele. Denn mit welchem Auge wird dieses Sakrament gesehen? Mit dem Auge des Geistes , sofern der heilige Glaube die Pupille dieses Auges ist. Es sieht in jener Weiße den ganzen Gott und den ganzen Menschen, die göttliche Natur mit der menschlichen vereint, Christi Leib, Seele und Blut; es sieht die Seele vereint mit dem Leib, Seele und Leib aber eins mit Meiner göttlichen Natur und niemals gelöst von ihr. Und wer darf dieses Sakrament berühren? Die Hand der Liebe! Mit ihr ertastet man, was das Auge in diesem Sakrament gesehen und erkannt hat. Im Glauben berührt man es mit der Hand der Liebe, gleichsam um sich dessen zu vergewissern, was man im Glauben sah und geistigerweise erkannte. Und wer schmeckt dieses Sakrament? Der Geschmack des heiligen Verlangens! Der leibliche Geschmacksinn schmeckt das Brot, die Seele aber schmeckt Gott und Mensch. Also siehst du, dass die Sinne des Leibes hier getäuscht werden, nicht aber die der Seele.

Betrachte nun, liebes Kind, wie hoch die Seele erhoben wird, die dieses Lebensbrot, die Speise der Engel gebührend empfängt! Durch den Empfang bleibt sie in Mir und Ich in ihr; wie der Fisch im Meer weilt und das Meer im Fisch, so bin Ich in der Seele und die Seele in Mir, einem Meer des Friedens. In einer solchen Seele bleibt die Gnade. Ist die äußere Substanz des Brotes verzehrt, so belasse Ich in euch den Abdruck Meiner Gnade gleich einem Siegel im warmen Wachs. Entfernt man das Siegel, so bleibt dessen Prägung; ebenso bleibt in der Seele die Kraft des Sakramentes, die Glut der göttlichen Liebe, die Süße des Heiligen Geistes; es bleibt das Weisheitslicht Meines eingeborenen Sohnes, der euer Geistesauge mit seiner Weisheit erleuchtet hat, damit ihr die Lehre und Weisheit Meiner Wahrheit erkennt und versteht. Die Seele bleibt stark, weil sie teilhat an Meiner Stärke und Macht; denn Ich bin es, der sie kräftigt im Kampf gegen ihre sinnliche Leidenschaft, gegen Teufel und Welt. Liebstes Kind, das alles solltest du erfahren, um besser die Würde zu erkennen, zu der Ich Meine Diener erhoben habe, und um dich noch tiefer über ihre Armseligkeit zu betrüben. Würden sie selber diese ihre Würde beachten, sie lägen nicht in der Finsternis der Todsünde und beschmutzten nicht das Antlitz ihrer Seele . ... Von jeder Seele fordere Ich Reinheit und Liebe zu Mir und zum Nächsten und dass sie dem Mitmenschen nach Kräften helfe, ihm mit Gebet beistehe in gegenseitiger Liebe.

Aber weit größere Reinheit und Liebe zu Mir und zum Nächsten verlange Ich von Meinen Dienern, die den Leib und das Blut Meines eingeborenen Sohnes in brennender Liebe und im Verlangen nach dem Heil der Seelen ausspenden sollen zu Ehre und Lob Meines Namens. Ich will, dass sie sich ihren Leib als Werkzeug der Seele in lauterster Reinheit bewahren. Ich verbiete, dass sie sich vom Schmutz der Unkeuschheit nähren und sich darin wälzen... Auf Grund ihrer Schuld sind sie grausam gegen sich selbst und sind es auch gegenüber der Seele des Nächsten, weil sie ihm das Beispiel des Lebens vorenthalten und sich nicht darum kümmern, die Seelen dem Teufel zu entreißen und ihnen Leib und Blut Meines eingeborenen Sohnes und darin auch Mich, das wahre Licht, in den übrigen Sakramenten der heiligen Kirche auszuspenden.”

Wahrlich, die heilige Katharina von Siena kann mit vollem Recht eine Mystikerin der Heiligen Eucharistie, vor allem eine Mystikerin des kostbaren Blutes Jesu Christi genannt werden. Konnte sie dem Messopfer beiwohnen und dabei kommunizieren, so verweilte sie anschliessend noch stundenlang in ekstatischer Vereinigung mit ihrem Bräutigam Christus, der sich mit ihr in mystischer Weise verlobt und vermählt und den Herztausch mit ihr vorgenommen hat. Bei der heiligen Kommunion fühlte sie bisweilen, als ob sie wirklich Fleisch esse und sich ihr Mund ganz mit Blut gefüllt habe, “wobei dann eine unsagbar beglückende Süßigkeit in ihrem Mund zurückblieb”.

Wenn die heilige Katharina in ihren Briefen neben dem Lobpreis auf das süße, erhabene, hochheilige Sakrament des Leibes Christi auf sein Blut zu sprechen kommt, so bricht sie dabei bisweilen in ein hymnisches Lob aus, wie es über das Blut des Erlösers mit solcher Begeisterung wohl nie zuvor angestimmt worden ist. Die vielleicht schönsten Worte über das kostbare Blut hat Katharina in einem Brief an ihren Beichtvater, den seligen Raimund von Capua gefunden. Hier preist sie in dichterischem Schwung das Blut des Gotteslammes so: “O heiliges Blut, das Tote erweckt und Leben spendet und die Finsternis von den erblindeten Seelen der vernunftbegabten Geschöpfe vertreibt und Licht gibt! Süßes Blut, das die Uneinigen eint, die Nackten bekleidet, die Hungernden nährt, die Durstigen tränkt, du erquickst die Kleinen, die sich in wahrer Demut klein gemacht haben und in wahrer Reinheit schuldlos geblieben sind, mit der Milch deiner Süßigkeit! O Blut, wer wird von dir nicht berauscht?!”

Niemals näherte sich die Heilige dem heiligsten Sakrament und dein Tisch des Herrn, ohne dass ihrem Geist dabei viele übernatürliche Dinge gezeigt wurden. Sie sah in der heiligen Hostie oft die Gestalt Jesu Christi, bisweilen aber schaute sie darin einen Feuerherd, wobei das Feuer den Priester, der die heilige Hostie in Händen hielt, ganz einhüllte. Oft kam es, wenn sie die heilige Kommunion empfangen hatte, auch vor, dass sie von einem ganz eigenartigen Wohlgeruch umgeben war und diesen ausströmte. Wenn sie das heiligste Sakrament sah oder empfing, erzeugte das in ihrer Seele immer eine unbeschreibliche Freude, die bisweilen so groß wurde, dass ihr das Herz zu springen drohte. Dabei klangen aus ihrem Innern dann auch wundersame, harmonische Töne, die von den sie umgebenden Personen vernommen wurden und die von ganz anderer Art waren als die Töne, die der menschliche Organismus von sich gibt. Dazu bemerkt der selige Raimund von Capua in seiner Biographie der heiligen Katharina von Siena: “Schließlich sei das ja gar nicht zu verwundern bei einem ganz und gar gottverbundenen Menschen, wo doch auch der Psalmist im Psalm 83,33 von sich sagt: ‚Mein Herz und mein Fleisch jubeln auf in dem lebendigen Gott!’”

Kurz vor ihrem Tod am 29. April 1380 fasste die heilige Katharina von Siena in einem Gebet, das vom 18. Februar 1379 datiert ist, ihre dankbare Liebe zum eucharistischen Glaubensgeheimnis noch in folgenden Worten zusammen:” O erhabene, ewige Dreifaltigkeit, du unschätzbare Liebe, wenn Du zu mir sagst: Tochter’, so sage ich zu Dir: Höchster, ewiger Vater! Und wenn Du mir Dich selber schenkst beim Kommunizieren des Leibes und Blutes Deines eingeborenen Sohnes, der in der heiligsten Eucharistie ganz als Gott und ganz als Mensch zugegen ist, so bitte ich Dich, Du unschätzbare Liebe, Du mögest mich kommunizieren auch mit dem mystischen Leib der heiligen Kirche und dem universellen Leib der christlichen Religion. Im Feuer Deiner Liebe habe ich erkannt, dass Du willst, dass meine Seele sich an dieser heiligen Speise erfreue.” Wie richtig hat doch Papst Paul VI. die heilige Katharina von Siena eine Mystikerin des eucharistischen und des mystischen Leibes Christi genannt! Die Kirche aber betet mit vollem Recht am Fest der heiligen Katharina in der Eucharistiefeier: “Allmächtiger, ewiger Gott, Du hast der heiligen Katharina von Siena das Leiden Christi und die Wunden seiner Kirche vor Augen gestellt. Im Dienste an der Kirche wurde ihre Liebe zu einem lodernden Feuer... Das Brot des Himmels hat auf wunderbare Weise auch das leibliche Leben dieser Heiligen genährt; uns sei dieses heiligste Sakrament die Speise für das ewige Leben, nachdem sie uns bereit gemacht hat, die Leiden der Kirche mitzutragen, damit einst Christi Herrlichkeit an uns offenbar werde!”

(leicht verändert entnommen aus: Holböck, Ferdinand, Das Allerheiligste und die Heiligen, Stein am Rhein ²1986, S. 158-169)
www.ewige-anbetung.de/Pioniere_der_Ewigen_Anbetung/Katharina_von_Siena/katharina_von_siena.html

Hier findet man eine theologisch - feministische Sichtweise:
Stigmatisation

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Hallo Leon,
das ist ja ein ganzes Buch, das Du da zusammengetragen hast
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b ! Warst Du in einem früheren Leben vielleicht mal Religionswissenschaftler oder auch Harems-Frau ? Ich fand das einen sehr spannenden Exkurs in frühe Zeiten, vor allem der geocity-Artikel hat mich sehr beeindruckt.

Vielen Dank und Grüsse,
Uta
 
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