Wenn ich mir die Hochglanzmagazine für Frauen ansehe, sind sie gefüllt mit Vorschlägen zu Mode und Kosmetik – abgelichtet sieht man immer knochendürre, viel zu grell geschminkte Models, die aber in Posen gezeigt werden, die der unbedarften Leserin nahe legen, dass so und nur so das Leben Spass machen könne.
Auf der Suche nach Identität
Viele junge Mädchen, aber auch reifere Frauen lesen diese Zeitschriften auf der Suche nach Identität und Hilfe zur Selbstfindung – schliesslich wollen die meisten ja hübsch, begehrt und erfolgreich sein oder werden.
Der Blick in den heimischen Spiegel offeriert den meisten jedoch zunächst ein weit weniger perfektes Bild:
Sei es, dass sich die Heranwachsenden noch mit Pickeln im Gesicht herumschlagen müssen, sei es, dass die Haare zu fettig oder zu matt sind, sei es, dass die eigene Figur von den Claudia- Schiffer-Maßen weit entfernt ist. In jedem Falle fühlt sich das Mädchen oder die junge Frau nicht perfekt genug.
Bei den reiferen Frauen offenbart der Blick in den Spiegel vielleicht die ersten grauen Haare, erste Falten im Gesicht oder eine Haut, die nicht mehr ganz so elastisch ist und auch schon Zeichen von Cellulite zeigt.
Jede Abweichung vom unerbittlichen inneren Ideal untergräbt das zumeist fragile weibliche Selbstwertgefühl, oft gefolgt von verzweifelten Versuchen, über diverse Tricks und Kniffe dem gewünschten Schönheitsideal doch noch näher zu kommen.
Es ist schon erstaunlich, was Mädchen und Frauen sich dabei so alles zumuten:
Sie hungern, sie erbrechen, sie nehmen Abführmittel und entwässernde Tabletten, sie betreiben exzessiven Sport, sie unterziehen sich operativen Nasen- Busen- oder Fettabsaugungseingriffen – und wenn sie sich dann immer noch nicht so glücklich fühlen wie die vermeintlich immer sonnig-wonnigen Models in den Zeitschriften, verfallen sie in Apathie, Lethargie und verstehen sich und das Leben erst recht nicht mehr.
Gegen Frustration, Langeweile, Schulschwierigkeiten, den Ärger in der Lehre, die Angst, erwachsen werden zu müssen und für sich selbst zunehmend die Verantwortung übernehmen zu müssen oder den Liebeskummer gibt es scheinbar kein Patentrezept – und auch ausreichend mager zu sein ist noch kein Garant für ewige Glückseligkeit.
Maskiertes, mangelndes Selbstwertgefühl
Wenn dann noch die pubertäre Ablösung vom Elternhaus konfliktreich ist oder die Trennung der Eltern die Empathie für beide gleichermassen erschwert, oder gar abfällige Bemerkungen eines oder beider Elternteile dem Heranwachsenden gegenüber das Selbstbewusstsein annagen, dann kommen leider viele der von Anorexie oder Bulimie betroffenen Mädchen auf die fatale Idee, den Mangel an Glück und Zufriedenheit durch ein „Mehr vom Gleichen“ doch noch zu erreichen, d.h. es wird noch mehr gehungert, erbrochen etc….
Nachdem das Phänomen der Bulimie und der Anorexie immer grössere Ausmasse annimmt, habe ich mir aus der Sicht der Energiemedizin einmal Gedanken gemacht, was hinter diesen Erscheinungen stecken könnte – und vor allem, wie man dem beikommen könnte.
Bei meinen jungen Patientinnen, die mit diesen Krankheitsbildern zu mir kommen, fällt auf, dass sie ihr Problem kaschieren und herunterspielen.
Oft „verkleiden“ sie ihre Magerkeit unter besonders bauschigen und ausladenden Kleidern, oder sie erklären die Speicheldrüsenschwellungen und die Zahnschäden zur Folge genetischer Belastungen, nicht aber als Folge ihres Erbrechens.
Ausserdem fühlen sie sich nicht krank, es stört sie sogar sehr, dass man sie nicht einfach in Ruhe lässt.
Für den Therapeuten ist besonders bei diesen Patientinnen grosses Feingefühl angebracht, selbst dann, wenn das angeknackste Selbstgefühl hinter einer Maske besonderer Härte oder Schroffheit vonseiten der Patientin verborgen wird.
Oft erscheinen diese Mädchen als die zähesten und härtesten Kämpferinnen, die in keiner Weise zimperlich sind und auch schmerzhafte Prozeduren scheinbar ungerührt über sich ergehen lassen.
Probleme werden zunächst negiert, alles liefe bestens, bekommt man zu hören.
Meist kommen diese Mädchen auch nicht aus eigenem Antrieb in die Praxis, sondern die Mutter oder eine Freundin „schickt sie“, weil sich die Umwelt Sorgen macht über den zunehmenden Gewichtsverlust oder die „Fress- kotz“- Exzesse.
Was ist an mir nicht okay?
Bei den schon etwas älteren Frauen steht die Ess- Störung öfter im Zusammenhang mit einer Trennung oder Scheidung, die frau oft frustriert zurücklässt mit dem Gedanken: „Was ist an mir nicht okay, dass diese Beziehung gescheitert ist?“
Aber auch das Erwachsenwerden der eigenen Töchter, die – wie im Märchen – natürlich jünger und glatter sind, (Frau Königin, Ihr seid die schönste hier, aber Schneewittchen….) kann eine Frau an ihrem Selbstwert zweifeln lassen, zumal dann, wenn sie sich zeitgleich auch noch mit den Turbulenzen der eigenen Wechseljahre auseinandersetzen muss.
Die „Wechseljahre“ waren lange Zeit mit einem Tabu belegt—dass Haarausfall, Hitzewellen und Harninkontinenz gar nicht so zum Lachen sind und zu Mangel an Liebeslust, Stimmungsschwankungen oder gar schlaflosen Nächten führen können, gelangt erst sehr allmählich ins allgemeine Bewusstsein. Zu fürchten, dass nach diesen berüchtigten Jahren nur noch das Alter kommt und damit vielleicht noch mehr unangenehme Symptome, Zipperlein oder Gebrechen, lässt nicht wenige Frauen über 50 verzweifeln.
Anstelle sich in diesem Wandel vertrauensvoll vom Leben tragen zu lassen, stecken sie alle Energie verbissen in den Kampf um ein möglichst jugendliches Aussehen – horrende Hungerkuren, entstellende Botoxinjektionen oder Silikonimplantate inbegriffen.
Diese Manöver vermögen zwar den „Zahn der Zeit“ vielleicht etwas hinauszuschieben, ob aber die zwanghafte Fixierung auf das Äusserliche der weiblichen Seele und dem Gemüt wirklich gut tut, wage ich zu bezweifeln.
Gleichwohl häufen sich auch bei den „erwachsenen“ Frauen die Ess-Störungen – Anorexie, Bulimie und Binge-eating disorder (Essen grosser Mengen mit anschliessendem Erbrechen oder radikalem Essensverzicht) sind also nicht nur eine Störung der heranwachsenden oder jungen Frauen und Mädchen.
Was steckt dahinter?
Im Laufe der Jahre hat sich durch die Erfahrungen in der Praxis ein Muster herausgeschält, das mir hilfreich erscheint.
Zunächst leiden viele dieser Frauen an einer geopathischen Störzone an ihrem Schlafplatz – ein Umstand, der die körpereigene Regulation erheblich stören kann und verhindert, dass die gesunden Impulse von Hunger, Schlafbedürfnis oder Durst adäquat wahrgenommen werden können.
Zudem fördert ein gestörter Schlafplatz in vielen Fällen Gefühle von Depression, Verzweiflung oder Angst, wohl auch deshalb, weil die vegetative Vollautomatik im Körper so einschneidend gestört ist und quasi kein Verlass mehr ist auf den Körper.
Weitere globale Regulationsblockaden der Energie, die häufig vorkommen, sind Ängste jeder Art, nervliche Anspannung, innere Unruhe oder vegetative Erschöpfung und Verkrampfung.
All diese Regulationsblockaden lassen sich sehr schnell und präzise feststellen. Zur Behandlung verwende ich spezielle homöopathische Mischungen über eine Gesamtbehandlungsdauer von einem bis zwei Jahren, je nach Schwere des Falles.
Ganz besonders spannend und erhellend wird es aber, wenn man sich über die Testung der Segmentblockaden im Körper den seelischen Hintergründen dieser Krankheiten annähert.
Ich verwende dazu die Psychosomatische Energetik (PSE), die ich in der Praxis kurz „Energie-Check“ nenne. Diese Methode wird zwar von der Schulmedizin bisher nicht anerkannt, für mich persönlich stellt sie jedoch ein unübertroffen präzises Instrument in meiner Praxisarbeit dar.
Hierbei gibt es interessante Beobachtungen, die auch die emotionalen Unterschiede zwischen diesen beiden Krankheiten beleuchten.
Anorexie: Unsichtbar werden
Bei der Anorexie finde ich vor allem grosse seelische Blockaden im Bereich des Urvertrauens (Beckenbereich) mit dem Grundgefühl, sich hier auf dieser Welt schon einmal grundsätzlich nicht besonders wohl und heimisch zu fühlen. „Am liebsten würde ich mich verdünnisieren und abhauen“ brachte es einmal eine Patientin auf den Punkt.
Das Hungern soll also den Körper „unsichtbar“ machen, sodass auch keine Anforderungen an den Menschen gestellt werden.
Solche jungen Frauen wollen oder können sich nicht „hinstellen“ und für sich selbst eintreten – eher schon für andere!
Sie haben keinen Appetit aufs Leben, nichts erscheint ihnen wirklich wert, sich dafür einzusetzen, alles schmeckt fahl, langweilig und uninteressant.
Oft sind diese Frauen aber besonders intelligent, sportlich und ehrgeizig, sodass sie ihre innere Leere über Leistung überkompensieren.
Von der Familiendynamik kommen Anorektikerinnen oft aus „broken homes“, sind Scheidungskinder oder haben Väter, die sie wegen ihrer Weiblichkeit ablehnten oder gar emotional oder physisch missbrauchten.
Die Mütter werden als Rivalinnen um Schönheit und Macht gesehen, nicht aber als Verbündete oder Freundinnen, schon gar nicht als unterstützend wahrgenommen.
Solche Frauen besitzen eher männliche Seelen und wollen möglichst männlich erscheinen- bitte nur ja keine Rundungen, die Weiblichkeit signalisieren und einen so dazu verpflichten könnten, mütterlich-nährend-versorgend tätig zu werden.
Die seelischen Grundthemen bei dieser Erkrankung haben mit dem Selbst in der Auseinandersetzung mit der Welt, dem eigenen Wert und dem Umgang mit den eigenen Gefühlen zu tun. (Selbst-wert-gefühl)
Oft finde ich seelische Konflikte wie „ich bin nicht gut genug“, „ich bin nicht wirklich in meiner inneren Mitte“, „ich fühle mich ausgeliefert und hilflos“ sowie „ich muss immer funktionieren“.
Wenn eine Frau innerlich nicht genügend Selbstvertrauen hat, um sich gegen „Funktionsansprüche“ adäquat zur Wehr setzen zu können, ist das Beherrschen des Hungers und die scheinbare Unabhängigkeit von den Nahrungsmitteln oft die einzige Bühne, auf der ein Kampf um Macht ausgetragen wird. Dass die eigenen Eltern, der Partner, die Freunde oder Kollegen im wahrsten Sinne des Wortes „ohnmächtig“ zusehen müssen, wie die Frau sich dem sinnlichen Genuss verweigert, ist ein Triumph, der mit einem hohen Preis bezahlt wird- oft bis zur Spitalseinweisung, Zwangsernährung und zahlreichen Folgeschäden am Hormonsystem.
Bulimie: den Lebenshunger stillen
Bei der Bulimie sind die grossen Blockaden und Traumatisierungen dagegen im Bereich des Oberbauches zu finden, wo die Verdauung stattfindet. Ich habe den Eindruck, als sei das seelische Grundempfinden dieser Frauen eher: „Ich finde alles so zum Kotzen – nichts macht mich wirklich satt und stillt meinen Lebenshunger“.
Es geht hier also eher um den schon bewussteren Willen zu leben und vom Leben auch das zu bekommen, was man sich wünscht- nicht einen faden Abklatsch.
Diese Frauen wollen (im übertragenen Sinne formuliert) herzhaft zubeissen, spüren dann aber, dass Essen doch nicht das ist, was ihre Seele nährt—und prompt spucken sie das Essen wieder aus. Nahrung und Essen hat ja aber auch etwas mit der mütterlichen Energie zu tun. Kochen, den Tisch liebevoll decken und sich um häusliche Belange zu kümmern, wird traditionell den Frauen zugeschrieben. Wenn nun aber eine Frau ein ambivalentes Verhältnis zu ihrer Mutter hat, lehnt sie oft auch alles ab, was mit Haushalt zu tun hat. Sie mag sich nicht mütterlich nähren lassen und weist das mit der Mutter assoziierte Essen zurück, indem sie es erbricht.
Das seelische Grundthema ist hier eher, die Brocken, die das Leben einem zuwirft, zu verdauen und zu verarbeiten, Nützliches zu behalten und den Rest auch wieder loszulassen.
Aschenputtel, komm aus der Asche!
Es geht hierbei um das eigene innere Feuer, die Dynamik und Aggression, die man für sich selbst einzusetzen lernen sollte.
Dazu gehört auch, sich selbst Raum im eigenen Leben einzuräumen, sich „Platz zum Wachsen“ zu verschaffen, anderen Menschen Grenzen zu setzen und Respekt einzufordern.
Sich gegen Übergriffe zu wehren und „Nein“ sagen zu lernen gehört genauso zu den Lernaufgaben der Selbstfürsorge, wie das Leben mit allen Sinnen zu geniessen und sich selbst dafür die Erlaubnis zu erteilen.
Etwas salopp sage ich den Patientinnen oft: „Aschenputtel, komm aus der Asche, lasse das Linsen lesen sein und geh auf den Ball!! Du darfst das!!
Die seelischen Konflikte heissen „ich fühle mich allein und einsam“, „ich darf nicht wütend sein“, „ich bin frustriert und will mehr vom Leben“ und „ich bin hungrig nach guten Gefühlen“.
Die schrittweise Auflösung solcher Seelenblockaden und das Umsetzen der Botschaften der Seele im Alltag lässt in vielen Fällen die Symptome von Bulimie und Anorexie verschwinden und macht einem Selbstbild Platz, das harmonischer, echter, freundlicher und lebenstüchtiger ist – zur Freude der Patientinnen, der Familie und der Therapeuten.
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