Wieso kannst du kein Christ sein und jeden Satz, den du geschrieben hast, so stehen lassen?
Dazu muß ich wohl ein wenig ausholen...
Ich war Christ, weil meine Eltern mich in die evangelische Kirche gebracht haben. Es war einfach üblich, daß die Kinder getauft werden. Die damit verbundene Früherziehung, der evangelische Kindergarten, die Religionsstunden in der Schule und die Konfirmation sorgten dafür, daß 'Evangelisch sein' so normal für mich war wie "Rechtshändler sein". Als wir beschlossen, Kinder zu haben stand ich auch vor der Thematik Taufe und habe mich zum ersten Mal gefragt, was denn damit eigentlich verbunden ist. Ich gehörte einer Glaubensgemeinschaft an und glaubte Dinge, weil andere sie erzählen und nicht aus eigener Überzeugung. Ich mußte die Inhalte für mich selbst bestätigen und begann sie kritisch zu hinterfragen - sowohl den historischen Kontext, als auch die Lehre und die moderne Kirche. Ich will das jetzt nicht ausbreiten, aber die Ergebnisse führten dazu, daß ich aus der Kirche austrat und meine Kinder nicht taufen ließ.
Dieser Austritt war, als ob mir eine Last von den Schultern genommen wurde. Keine vorgefertigten Glaubenssysteme mehr - stattdessen hatte ich die Möglichkeit mich völlig frei mit den drei großen Fragen zu beschäftigen (Woher komme ich, was mache ich hier und wohin gehe ich?). Ich habe mich danach mit vielen anderen Lehren und Theorien beschäftigt, aber immer mit der gleichen kritischen Grundhaltung. Ich wollte nicht glauben, sondern wissen. Daraus kristallisierte sich im Lauf der Zeit ein bestimmtes Weltbild heraus, das auf den Gemeinsamkeiten basiert, die ich überall wiederfand. Dieses Weltbild ist allerdings nicht starr und dogmatisch, sondern eher eine Arbeitshypothese, etwas, das ich immer wieder in Frage stelle und verändere, falls nötig. Das meiste hat sich allerdings bisher als sehr stabil herausgestellt. Was ich in meinem letzten Beitrag schrieb, ist ein Teil dieser Arbeitshypothese.
Man muß also kein Christ sein, man muß nicht einmal einer Religionsgemeinschaft angehören, um zu solchen Erkenntnissen zu kommen. Im Gegenteil - die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft hatte eher verhindert, solche Zusammenhänge zu entdecken, weil deren vorgefertigte Denkmodelle viel bequemer waren. Religionen sind im Grunde wie Fertighäuser - man muß sie nehmen, wie sie sind. Ich baue lieber selbst...