Medizinische Behandlungsfehler

Kategorien: Behandlungsmethoden

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Schon in der Antike gab es im Römischen Recht Vorläufer der heutigen Medizinhaftung. Die Delikte der fahrlässigen Körperverletzung und fahrlässigen Tötung waren klar definiert. Bei fahrlässiger Tötung sahen die römischen Gesetze für den Arzt unterschiedliche Strafen vor. Stammte er aus niederem Stand erhielt er die Todesstrafe, jene aus höheren Ständen wurden verbannt.

Zusätzlich gab es Schadenersatzregelungen für entstandenen und zu erwartenden Verdienstausfall und Ausgleich für den Mehraufwand an Heilungskosten. Nicht sich direkt finanziell auswirkende Schäden wie Schmerzen oder entstellende Narben wurden dagegen im Unterschied zu heute nicht abgegolten. Die rechtliche Auseinandersetzung erfolgte zwischen Arzt und Patient, da es Versicherungen noch nicht gab.

 

Einleitung

Durch die stetig wachsende Zahl medizinischer Eingriffe wächst auch die Gefahr medizinischer Behandlungsfehler. Verstärkt wird die unerfreuliche Bilanz durch die Erhöhung des Kostendruckes und die wachsende Zahl der Patienten pro Mediziner. Zudem kommt der verbesserten Information und dem Selbstbewusstsein gut informierter Patienten eine Bedeutung zu, da die Leistung der Ärzte nicht mehr als unfehlbare Handlung der „Götter in Weiß“ sondern eher als Dienstleistung verstanden wird. Natürlich unterlaufen Ärzten wie allen Menschen in Ausübung des Berufes auch Fehler, die vermeidbar gewesen wären. Dieser Wandel der Denkweise wird von einigen konservativen Ärzten nicht wahrgenommen so dass die Zahl der juristisch anhängigen Verfahren einen stärkeren Anstieg als die vermuteten Fehler aufweist. Inzwischen gehört der medizinische Behandlungsfeher zu den 10 häufigsten Todesursachen in Kliniken. Nach der Statistik ist das Risiko höher als im Straßenverkehr bei einem Unfall zu sterben. Man bezeichnet medizinische Fehler auch als Iatrogenie (Tod oder krank durch ärztliche Behandlung). Daraus ergibt sich auch das medizinisches Paradoxum. Es ist statistisch nachweisbar, dass während eines Ärztestreikes die Todesfallrate in den betreffenden Kliniken sinkt. Da auch die langfristigen Nebenwirkungen von ärztlich verordneten Medikamenten zum Tode führen können gehen manche davon aus, das jeder 3. Todesfall iatrogenen Hintergrund hat [1]


Todesursachen 2006

Todesarten Deutschland, 2006   ↓ Anteil (Skala 0-50%)   ↓ Wert   ↓
Herz- Kreislaufsystem
43,7%
Krebs
25,7%
Iatrogenie (1) ?
8% ?
Herzdurchblutung
7,9%
Atmungssystem
6,7%
Verdauungssystem
5,2%
Verletzungen, Vergiftungen
3,9%
Suizid
1,2%
Stürze
1,0%
Transportmittelunfälle
0,7%

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr.385 vom 21.09.2007

(1) Für Iatrogenie existieren nur ca.-Angaben und Schätzungen im Bereich von 1-4%, berücksichtigt man eine Dunkelziffer, so könnten auch ca. 8% möglich sein. In den Angaben des Statistischen Bundesamtes sind für Deutschland keine expliziten Werte der Iatrogenie (Behandlungsursachen) aufgeführt! [2] [3]


Oft erkennt man schon während des Aufenthaltes in der Klinik ob ein Chefarzt nur seine Meinung dogmatisch gegenüber dem medizinischen Team durchgesetzt sehen möchte und den Patienten nicht oder wenig in Entscheidungen einbezieht sowie Alternativen unterdrückt. Verantwortungsbewusste Mediziner orientieren sich inzwischen am Qualitätsmanagement der Verkehrsfliegerei, welches in der Handhabung zur Fehlervermeidung viele Parallelen aufweist.

Jeder Arzt in jeder medizinischen Einrichtung ist gegen Behandlungsfehler pflichtversichert. Diese deckt grundsätzlich berechtigte Forderungen aus erlittenen Behandlungsfehlern ab. Unabhängig davon steht dem Geschädigten eine zivil- oder strafrechtliche Anzeige je nach Sachlage offen. Die Krankenkassen unterhalten zusammen mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) ein Forderungsmanagement, welches den entstandenen Mehraufwand bei Behandlungsfehlern vom Verursacher zurückfordert. Die Krankenkassen unterstützen Betroffene sehr unterschiedlich. Bei manchen hat man den Eindruck, dass sie den Patienten allein auf den schwierigen Weg voran schicken und erst wenn er sich erfolgreich durchgesetzt hat lediglich am Ausgleich der eigenen finanziellen Interessen bemüht sind. Andere Kassen nutzen ihre höheren Möglichkeiten durch eigene Fachmediziner und Medizinrechtsanwälte um ihr Kassenmitglied, der als Betroffener zusätzlich mit weiteren Problemen zu kämpfen hat zu entlasten, da ein positives Urteil in gleicher Sache das Verfahren stark vereinfacht.

Was ist ein Behandlungsfehler?

Früher betrachtete man es als „Kunstfehler“, wenn ein Arzt „lege artis“, also nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst behandelte und daraus ein Schaden am Patienten entstand. Vom Grundsatz her hat ein Patient keinen Anspruch auf Heilung. Es besteht jedoch ein Anspruch auf eine Versorgung nach den gültigen Regeln, wenn man sich in die Hand eines Schulmediziners begibt. Eine Behandlung sollte den gesundheitlichen Schaden minimieren und nicht zusätzliche vermeidbare Schäden erzeugen. Heute legt man den Begriff eines medizinischen Behandlungsfehlers wegen der schnellen Entwicklung der Medizin weiter aus und betrachtet einen entstandenen Schaden, ob dieser aus einer nicht angemessenen/falschen oder nicht auf dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis beruhenden Eingriff/Behandlung/Medikation entstanden ist. Auch eine Fehldiagnose und unvollständige oder fehlende Aufklärung können Behandlungsfehler sein. Komplikationen, die auf einer unerwarteten, nicht vorhersehbaren Reaktion des Körpers beruhen, stellen in der Regel keinen Behandlungsfehler dar. Behandlungsfehler werden in verschiedene Stufen unterteilt, obwohl sich in der Praxis oft mehrere Ursachen miteinander mischen:

  • grober Behandlungsfehler oder
  • Behandlungsfehler

Es kann sich dabei um einen

  • Diagnosefehler
  • Therapiefehler
  • Medikationsfehler
  • Hygienemängel
  • Aufklärungsfehler
  • Organisationsfehler
  • Impfschaden

handeln. Nur der grobe Behandlungsfehler führt zur Beweislastumkehr. Die Klinik bzw. der Arzt muß beweisen, dass kein Behandlungsfehler vorliegt. Behandlungsfehler können auch zum Tod des Patienten führen. In diesem Falle können die Hinterbliebenen Ansprüche geltend machen. Es sollte dann unbedingt eine beweiskräftige und gerichtsrelevant verwertbare Obduktion durchgeführt werden. In Fällen «einfacher» Behandlungsfehler muss der Patient nachweisen, dass der Verursacher fehlerhaft gehandelt hat. Im Januar 2008 entschied der Bundesgerichtshof, dass ein Hygienefehler stets vom Arzt entkäftet werden muß, also einen groben Behandlungsfehler darstellt.

Grundsätzlich sollte jede Behandlung, die für den Patienten nicht zu dem gewünschten Resultat geführt hat exakt und analytisch aufgearbeitet werden, auch wenn sich daraus kein Behandlungsfehler ableiten lässt. Nur eine solche Verfahrensweise führt zu dem unerlässlich ungestörten Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten. Leider ist dies nur zu realisieren, wenn der Arzt dazu uneingeschränkt bereit ist. Liegt ein Behandlungsfehler vor, sollten aus dessen Analyse allgemein gültige Vermeidungsstrategien entwickelt werden, die qualitätssichernde Bedeutung haben um Wiederholungen in Zukunft zu vermeiden.

Ein Impfschaden kann einen Sonderfall eines medizinischen Behandlungsfehlers darstellen, für welchen eigene Regelungen gelten. Impfschäden sind meldepflichtig und strikt von Körperreaktionen auf den Impfstoff oder deren Hilfskomponenten zu trennen. Ein Impfschaden stellt nur dann einen Behandlungsfehler dar, wenn nachgewiesen werden kann, dass trotz eindeutiger Gegenanzeigen der Arzt die Impfung durchführte. Der Nachweis eines Impfschadens wird immer schwierig sein, da ein vermeindlich eindeutiger Zusammenhang von Impfung und Krankheit in vielen Fällen eben nicht eindeutig abzuleiten ist. Meist wird deshalb nur zwischen «wahrscheinlich» und «unwahrscheinlich» unterschieden. Eine eventuelle Entschädigung ist für Deutschland im Bundesversorgungsgesetz §60 Versorgung bei Impfschaden geregelt.

Häufigkeit

Natürlich kann die Häufigkeit medizinischer Behandlungsfehler nur geschätzt werden, da ein Teil unerkannt bleibt bzw. nicht gemeldet oder verfolgt wird. In Deutschland liegt die Schätzung nach der Berichterstattung des Bundes bei 40.000 Behandlungsfehlern/Jahr. Eine Anerkennung durch Schlichtungsstellen der Ärztekammern, die Haftpflichtversicherer oder durch die Justiz erfolgt in etwa 30% der gemeldeten Fälle. In der EU nimmt Deutschland einen mittleren Platz ein, Österreich und die Schweiz haben etwas weniger Fälle pro Eingriff. Die traurige Spitze nimmt in der EU Lettland mit den häufigsten Behandlungsfehlern ein. Die meisten Behandlungsfehler sind aus der Chirurgie bekannt. Dem folgt die Geburtshilfe/Gynäkologie, Allgemeinmedizin und Orthopädie. Die innere Medizin, Dermatologie und Kinderheilkunde weisen die wenigsten Behandlungsfehler aus. Auch die Größe und Spezialisierung einer medizinischen Einrichtung spielt eine Rolle. Kleinere Krankenhäuser mit breitem Behandlungsspektrum haben die höheren Risiken, hoch spezialisierte, sehr gut ausgerüstete Kliniken geringere. Natürlich beeinflusst die Wahrnehmungsfähigkeit der Patienten für einen Behandlungsfehler auch die Häufigkeit der Vorwürfe. Eine Amputation gesunder Körperteile, Fehlstellung verheilter Knochenbrüche, instabile Endoprothesen, Geburtsschäden oder Wundheilungsstörungen sind auch für den Laien leicht erkennbar. Eine Medikamentenverwechslung während einer OP oder die inkonsequente Behandlung psychischer Erkrankungen wird dagegen aus verständlichen Gründen kaum wahr genommen.

Wer stellt einen Behandlungsfehler fest?

Vermutet ein Patient einen Behandlungsfehler sollte er sich Gewissheit verschaffen. Dies ist einesteils notwendig um das gestörte Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten wieder her zu stellen, andersteils um sich über die weitere Verfahrensweise klar zu werden. Da ein unzufriedener Patient sein Problem sowohl aus laienhafter Sicht als auch aus der eigenen Betroffenheit betrachtet, könnten sich daraus vorschnelle und unsachliche Schlüsse und unberechtigte Anschuldigungen entwickeln. Liegt ein vermuteter Behandlungsfehler vor, können verschiedene Wege eingeschlagen werden.

  • Zweitmeinung eines unabhängigen Facharztes einholen (private Kostenübernahme)
  • Krankenkasse/MDK informieren und Rat einholen (kostenfrei) MDK
  • UPD unabhängige Patientenberatung deutschlandweit Tel: 0800-0117722, alle 0800-Nummern kostenfrei zu Bürozeiten besetzt, gesetzl., privat und unversichert, UPD
    • Beratung Türkisch 0800 011 77 23, Beratung Russisch: 0800 011 7724
    • Termin vor Ort: 0800 011 7725 oder per E-Mail [email protected]
    • Fax 0800 33 22 1224 , postalisch: UPD Tempelhofer Weg 62, 12347 Berlin (nur Kopien einsenden)
  • Schlichtungsstelle der Ärztekammern einschalten (kostenfrei)[4]

Die Schlichtungsstelle der Ärztekammern empfiehlt bei festgestellten Behandlungsfehlern der Gegenpartei ein Vergleichsangebot. Auch wenn durch die oben genannten Stellen ein Behandlungsfehler festgestellt wird, ergibt sich daraus noch kein zwingend rechtlicher Anspruch.

Wege zum finanziellen Ausgleich des entstandenen Schaden/Schmerzensgeld

Jeder Fall ist für sich gesehen ein Einzelfall. Viele Faktoren bestimmen, ob, wie und wenn ein Ausgleich zu erzielen ist. Entscheidend ist, wie der Verursacher und dessen Haftpflichtversicherer den Fall bewerten und Entgegenkommen zeigen. Der Patient hat sich als Gegenpartei im Regelfall nur mit dem Haftpflichtversicherer bei Schadensausgleich und Schmerzensgeldforderungen auseinander zu setzen, da der Verursacher seiner Haftpflichtversicherung den Fall abtritt während im Strafrecht die anwaltliche Vertretung des Arztes tätig wird. Leider ist es immer noch gängige Praxis, dass sogar offensichtlich klare Fälle vertuscht, abgestritten oder absichtlich verzögert werden. Die Ärzte befürchten besonders bei zivil- und strafrechtlichen Anzeigen Imageverlust und einen Knick der beruflichen Karriere, Verwaltungen von medizinischen Einrichtungen eine Erhöhung der Versicherungsbeiträge und Folgekosten durch Auflagen. Dadurch, dass die Krankenakten bis zur Anforderung zur Aushändigung an die Vertretung des Patienten in der Einrichtung des Verursachers abgelegt sind, besteht die Gefahr einer Verfälschung obwohl sich dadurch ein zusätzlicher Straftatbestand ergibt. Aus diesem Grunde kann es leider oftmals hilfreich sein, wenn der Patient gegenüber dem Verursacher seinen Verdacht bis zur Aushändigung der Krankenakten an die Schlichtungsstelle oder Fachanwalt nicht erkennen lässt. Die Herausgabe der Krankenakte hat das Bundesverfassungsgericht geregelt (BVerfG, NJW 1999, 1777). Zur Zeit entwickelt sich eine neue Diskussion, da nicht immer alle Teile der Krankenakte zur Einsicht durch den Patienten geeignet sein müssen und auch private Bemerkungen oder Vermutungen des behandelnden Arztes enthalten können.

Behandlungsunterlagen eines Verstorbenen Erben können einen Anspruch auf Kopien der Krankenunterlagen haben, die den verstorbenen Erblasser betreffen. Das gilt in der Regel dann, wenn ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Behandlung in Betracht kommt. Die ärztliche Schweigepflicht gilt zwar auch noch nach dem Tod des Patienten. Es ist aber davon auszugehen, dass der Verstorbene in eine Durchbrechung der Schweigepflicht eingewilligt hätte, wenn es um Ansprüche wegen fehlerhafter Behandlung geht.

Stark verbesserungswürdig ist die Dauer eines Verfahrens. Besonders negativ wirkt sie sich aus, je gravierender der Behandlungsfehler war. Man hat den Eindruck, dass sich in der Praxis viele schwere Fälle dadurch lösen, weil der geschädigte Patient entnervt aufgibt oder zuvor verstirbt. Beim Schlichtungsverfahren muss man zwischen 6 bis 18 Monate bis zum Schlichterspruch warten. Folgt der Haftpflichtversicherer nicht dem Schlichterspruch oder ist keine Einigung möglich, dauert ein anschließendes Gerichtsverfahren bis zur ersten Verhandlung mehrere Jahre. Aus diesen Gründen ziehen sich manche Verfahren über ein Jahrzehnt hin. Diese Umstände bevorzugen einseitig die Interessen der Haftpflichtversicherungen.

Verjährung

Sobald der Patient seinen Verdacht erhärtet und bestätigt sieht, sollte er aktiv werden. In Deutschland verjährt ein Behandlungsfehler erst 3 Jahre nach Kenntnisnahme -d.h. wenn es dem Patienten bewusst oder von anderen Medizinern gegenüber dem Betroffenen geäußert wird!- bis zum vollendeten 3. Kalenderjahr nach Kenntnisname. Die Einschaltung der Schlichtungsstelle oder juristischer Organe unterbricht die Verjährungsfrist und hat aufschiebende Wirkung. Eine Verjährung ist dann nicht mehr möglich, egal wie lange dessen Aufarbeitung dauert.

Anwaltliche Vertretung

Einen Fachanwalt für Medizinrecht benötigt man erst dann, wenn eine gütliche Einigung trotz bestätigtem positiven Schiedsspruch mit dem Haftpflichtversicherer nicht möglich ist. Der Patient sollte sich darauf einstellen, dass erhebliche Kosten anfallen und das Verfahren mehrere Jahre dauern kann. Besteht eine Rechtsschutzversicherung sollte der Versicherer von Anfang an informiert und einbezogen werden. Um finanzschwachen geschädigten Patienten ohne Rechtsschutz die Möglichkeit einer Klage trotzdem einzuräumen, kann bei Gericht eine Prozesskostenhilfe beantragt werden. Das Gericht prüft dann die finanziellen Voraussetzungen und wägt die Prozessaussichten ab. Sind all diese Kriterien erfüllt, kann Prozesskostenhilfe gewährt werden. Sie ist wie ein Darlehen gestaltet und richtet sich nach dem Streitwert. Wird der Prozess gewonnen, übernimmt in der Regel der Gegner die entstandenen Kosten.

Gerichtsverfahren

Der Weg durch die Gerichte ist schwierig. Ist eine gütliche Einigung nicht möglich oder nicht akzeptabel bleibt jedoch nur dieser Weg. Da weder der Richter noch die Anwälte eine fachspezifische medizinische Ausbildung besitzen, wird vom Gericht ein Gutachter bestellt. Der Gutachter muss sowohl vom Kläger als auch vom Verklagten akzeptiert werden. Meist folgt das Gericht den Ausführungen des Gutachters, wenn ihm keine fachlichen Fehler nachgewiesen werden. Leider kann noch relativ oft beobachtet werden, dass medizinische Gutachter scheinbar nicht um ausgleichende Gerechtigkeit sondern um Minimierung der „Kollegenschelte und Nestbeschmutzung“ bemüht sind. Formulierungen in der Bewertung wie „schicksalhafter Verlauf“ oder „unerwartetes Ereignis“ deuten auf Wahrung des fragwürdigen Ehrenkodex unter Medizinern zum Schaden des betroffenen Patienten hin. Vielmehr sollte der Gutachter bewerten, ob die gültigen medizinischen Standards und Qualitätsanforderungen zum Zeitpunkt der Schadensentstehung zur Vermeidung schwerer Verläufe durchgängig eingehalten und dokumentiert worden sind. Das Urteil kann, sofern zulässig durch Berufung angefochten werden.

Schmerzensgeld, Forderungen

Ausgleichszahlungen beinhalten Schmerzensgeld und weitere Forderungen. Das Schmerzensgeld wird einmalig gezahlt und ist von mehreren Fakten abhängig. Die Höhe richtet sich nach dem entstandenen körperlichen Schaden. Als Grundlage für dessen Höhe können bestehende Urteile ähnlich gelagerter Fälle zuzüglich Inflationsausgleich genommen werden. Die weiteren Forderungen beziehen sich auf die bisher durch den verursachten Schaden entstandenen und noch entstehenden Kosten. Bei Verlust der Berufs- oder Erwerbsfähigkeit spielt das Lebensalter zusätzlich eine Rolle. Bei relativ jungen Betroffenen ist die Zahlung einer monatlichen Rente eine überlegenswerte Alternative. In der Regel werden die Gerichts- und Anwaltskosten vom Gegner übernommen. Auf diesen kommen zusätzlich die Rückforderungen der Krankenkasse für den entstandenen Mehraufwand hinzu.

Sinnhaftigkeit einer juristischen Aufarbeitung

Angesichts der Faktoren

  • die Beweismittel werden anfänglich vom Verursacher geführt und verwaltet
  • der Patient ist in der Beweispflicht (nicht bei groben Behandlungsfehlern)
  • der Schlichterspruch ist lediglich eine Empfehlung
  • die juristische Verfahrensdauer ist ungewiss, der Gegner kann Zeit als Waffe benutzen
  • der gerichtlich bestellte Gutachter stellt oft allein die Weichen für den Urteilsspruch
  • die hohen Kosten bei geminderter Leistungs- und Erwerbsfähigkeit sowie
  • der gesundheitliche Zustand und die verminderte Lebenserwartung des Geschädigten

die gegen die Sinnhaftigkeit einer juristischen Aufarbeitung sprechen, sollte ein geschädigter Patient trotzdem eine vollständige Aufklärung anstrengen. Nichts ist schlechter als lebenslängliche Zweifel. Nur so ein Verhalten wird langfristig Änderungen sowohl im medizinischen (Qualitätssicherung) als auch im juristischen (Verfahrensdauer, gesetzliche Verbesserungen, statistische Aufarbeitung) Sinne herbei führen können.

Wie schon angeklungen liegt die komlette Dokumentation, auf die sich das Verfahren begründet in der Hand des vermeindlichen Verursachers. So ist der Schluß nahe, dass Beweismittel «verschwinden» oder sogar geändert werden sobald Kenntnis erlangt wird, dass der Patient ein Verfahren anstrengt. Dies ist zwar unzulässig und Urkundenfälschung aber eine zunächst durchaus menschlich verständliche Eigenschaft. Je weniger das Ärzteteam auf kollegialer Ebene gleichberechtigt zusammen arbeitet, um so höher wird die Versuchung einer Manipulation sein. Einem «gottgleichen» Chefarzt, um den herum seine Mitarbeiter als fleißige Handreicher schwirren, kann und darf kein Fehler unterlaufen sein. Ein Fehler würde den Nymbus sowie die mühsam in vielen Jahren erworbene gewachsene Struktur zerstören. Schon aus diesem Grunde braucht die Versuchung einer Manipulation nicht zwangsläufig vom Chef als den Gesamt-Verantwortlichen aus zu gehen sondern kann von jedem geschehen, der Zugang zu den Krankenakten hat und diese Hierarchie erhalten möchte.

Verändert der Arzt nachträglich die Patientenakte, kann dies eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung nach § 267 StGB nach sich ziehen. Erfolgt dies um einer Schadenersatzpflicht wegen eines Behandlungsfehlers zu entgehen, liegt zudem ein (versuchter) Betrug nach § 263 StGB vor. Ist eine Krankenakte «verschwunden» kann das Gericht mit hoher Strafe drohen. Meist taucht die Akte dann wieder auf…

Trotzdem ist geschädigter Patient ist klug beraten, wenn er die Absicht einer Klage bis zur vollständigen Übergabe der Behandlungsakte nicht erkennen lässt. Nur dieses Verhalten minimiert die Versuchung und bringt die Gegenseite nicht in Zugzwang.

Auch die ärztliche Dokumentations- und Schweigepflich ist gesetzlich geregelt. Sie ergibt sich nicht nur aus den Berufsordnungen und dem Behandlungsvertrag. Sie ist auch strafrechtlich abgesichert. Offenbart der Arzt Informationen, die er im Rahmen des Behandlungsverhältnisses erlangt hat, unbefugt Dritten gegenüber, macht er sich nach § 203 StGB strafbar.

Erstellt der Arzt ein falsches Zeugnis zur Vorlage bei einer Behörde oder eine Versicherungsgesellschaft, wird dies ebenfalls nach § 278 StGB bestraft.

Verantwortungsvollen Ärzten in guten Kliniken sind dieser Zusammenhänge sehr bewusst. Seit einigen Jahren ist man bestrebt ähnliche Verhältnisse wie in der Fliegerei zur Minimierung menschlicher Fehler zu schaffen, wo Kompetenzunterschiede zwischen Pilot und Copilot zu Gunsten echter, gleichberechtigter Teamarbeit drastisch geändert wurden. Ein Vorgang, der nicht von heute auf morgen auf Anweisung zu ändern ist, jedoch stetig mit der Verjüngung wächst. Dieser Bemühung verdient ungeteiltes Lob und Anerkennung!

Selbsthilfegruppen

Die meisten betroffenen Patienten erlitten durch medizinische Behandlungsfehler nicht nur körperliche Schäden, Verkrüppelungen, Behinderungen, eine Verkürzung der Lebenszeit oder eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität sondern auch psychische Beeinträchtigungen. In vielen Fällen zerbricht das soziale und finanzielle Umfeld, manchmal sogar der Familienverband weil selbst engste Angehörige total überfordert sind. Es kann sehr hilfreich sein sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, da sie in gleicher Situation waren und die Zusammenhänge aus eigener leidvoller Erfahrung verstehen. Diese Selbsthilfegruppen bieten da Hilfe an, wo Staat, Kassen und Sozialeinrichtungen die Maschen des Netzes zu weit gehalten haben und Schnittpunkte fehlen. Manche Selbsthilfegruppen haben als Mitglieder erfahrene Medizinrechtler, die auch kostenfrei ohne eigene Mitgliedschaft des betroffenen Patienten in der Selbsthilfegruppe beraten. Da die grundsätzlichen Probleme innerhalb des deutschsprachigen Raumes gleich sind, arbeiten manche grenzübergreifend. Es fallen nur höhere Auslands-Telefongesprächskosten an, falls man die Internet-Angebote nicht nutzen möchte oder kann. Natürlich gibt es auch „Vereine“, die hintergründig finanzielle Interessen vertreten. Man erkennt sehr schnell, ob die Leitung und Beratung in der Hand selbst Betroffener oder geschäftstüchtiger Manager oder Anwälte liegt. In dieser Hinsicht können neben der Suche von Meinungen im Internet auch Verbraucherzentralen Auskunft über bekannte schwarze Schafe und ihrer Aktivitäten geben.

Links

Foren-Diskussionen

Wiki

Web

 


Falls tote Links entdeckt werden bitte Mitteilung an James

Oben