UNerwünschte Nebenwirkung - Was muß man wissen?

Clematis

Hallo,

über PN wurde mir die Frage gestellt, warum viele in Fachinformationen genannten unerwünschten Nebenwirkungen nicht im Beipackzettel zu finden sind... Vorerst jedoch zu den UNerwünschten Nebenwirkungen, die unterschiedliche Grundlagen haben, was den Meisten von Euch sicher bekannt ist, doch einigen vielleicht nicht.

Kontraindikationen: dies bedeutet, daß ein Medikament nicht eingenommen werden darf, wenn bestimmte Erkrankungen bereits vorliegen. Als Beispiel eine Erkrankung der Leber oder der Nieren. Diese werden von Medikamenten immer stark belastet, da sie die Hauptentgiftungsorgane sind. Sind sie gesund, können sie die notwendige Entgiftung leisten, sind sie aber krank, schaffen sie das nicht mehr, dann erkranken Leber und Nieren noch stärker.

Wechselwirkungen oder Interaktionen: dies bezieht darauf, ob das neu verschriebene Medikament sich mit anderen, die man bereits einnimmt verträgt oder im Zusammenspiel dieser Pharmaka zusätzliche gesundheitliche Schäden entstehen können. Oft entstehen solche Wirkungen weil ein Patient bei mehreren Fachärzten nacheinander oder gleichzeitig in Behandlung ist. Wenn bei der Verschreibung nicht ausdrücklich danach gefragt wird, ob und welche Medikamente man bereits einnimmt, sollte man darauf bestehen, es dem Arzt auf jeden Fall zu sagen. Wenn man viele Medikamente einnimmt, auch Schmerzmittel und Nahrungsergänzungsmittel, kann man sich eine Liste machen und diese dem Arzt vorlegen. Der Arzt ist verpflichtet zu prüfen, ob seine Verschreibung Probleme verursachen kann. Ich habe mal erlebt, daß eine 72-jährige FÜNF verschiedene Diuretika, mit unterschiedlichen Namen, verschrieben bekommen hatte, die sie auch einnahm. Kein Wunder, daß die Frau immer kränker wurde.

UNerwünschte Nebenwirkungen, meist nur als Nebenwirkungen bezeichnet:
Dies sind Wirkungen, die NICHT erwünscht sind, aber von dem Medikament selbst erzeugt werden. Im Beipackzettel müssen diese angegeben werden, wobei oft, aber nicht immer die Unterscheidung in sehr häufig, häufig, gelegentlich, selten, sehr selten gemacht wird. Die Staffelung ist recht unterschiedlich. Wenn unter sehr selten eine schwere Krankheit steht, gaukelt man sich gerne vor, na ja, werde ich schon nicht kriegen! Wenn man dann aber DER sehr seltene Fall ist, wird man seine eigene Verharmlosung recht schnell bereuen.

Generell muß man davon ausgehen, daß die Kontraindikationen, Wechselwirkungen und UNerwünschten Nebenwirkungen nie vollständig sind.
Ein Grund ist, daß jeder Mensch auf ein und dasselbe Medikament anders reagiert. Ein weiterer Grund ist, daß die zugrundeliegenden Studien nur mit einer kleinen Zahl von Patienten gemacht wurden und das meist nur drei, höchstens mal sechs Monate lang. Langzeitstudien sind extrem teuer.

Da es der Pharma am liebsten wäre, gar keine Nebenwirkungen nennen zu müssen, werden solche, die vielleicht bei nur ein oder zwei Patienten während der Studie auftraten, gerne als "Ausnahmen oder Ausreißer" benannt und tauchen im Studienergebnis gar nicht erst auf. In dieser kurzen Zeit kann man die UNerwünschten Nebenwirkungen nicht alle herausfinden, die Patientenzahl ist zu klein, der Zeitraum zu kurz, besonders für Medikamente, die über lange Zeiträume eingenommen werden. Die vorher ausgefilterten "Ausreißer" können sich später als sehr häufig herausstellen.

Die eigentliche Erprobung und Erfahrungs- bzw. Nebenwirkungssammlung beginnt erst, wenn das Medikament auf dem Markt ist. Wie schnell UNerwünschtes zu -Kontraindikationen, Wechselwirkungen, UNerwünschten Nebenwirkungen- bekannt wird, hängt davon ab, ob Ärzte dies lückenlos an das BfARM melden. Bekannt ist, daß Ärzte diese Meldungen bestenfalls sporadisch und meist nur bei sehr schweren Nebenwirkungen machen.

Macht der Patient selbst eine Meldung an das BfARM, landet die im Papierkorb. Richtiger wäre, wenn das BfARM dann den Arzt anschreiben würde, dessen Praxis auf dem Meldeformular angegeben werden muß, um ihn aufzufordern zu dem Patientenbericht Stellung zu nehmen. Dies geschieht jedoch nicht.

Wenn nun viele neue UNerwünschte Nebenwirkungsmeldungen beim BfARM eingehen, muß dieses die Daten überprüfen und entscheiden, was davon in den Beipackzettel muß. Auf der anderen Seite steht Big Pharma und versucht eben das zu verhindern, schließlich laufen ihr schon genug Kunden wegen der Nebenwirkungen weg. Bei diesem Interessenkonflikt gibt das BfARM den wünschen der Pharma meist nach, wobei der Gesichtspunkt wohl ist, wenn die Ärzte das wissen -mittels Fachinformation- dann reicht das. Also steht das dann in der Fachinformation, die den Patienten in Deutschland verschlossen bleibt, aber nicht im Beipackzettel. Ausnahmen sind höchstens tödliche Nebenwirkungen, aber wie an den neuen Antibabypillen nachvollzogen werden kann, stimmt auch das nicht immer.

Dieses NICHT informieren der Patienten hat System und kommt der Pharma entgegen. Aus den "Rote Hand Briefen" ist erkennbar, daß manches Medikament stillschweigend vom Markt genommen wird, was nur geschieht, wenn es viel gefährlicher ist als jeglicher Nutzen. Apotheken verkaufen ihre Bestände ab und Patienten nehmen es dennoch weiter bis der Vorrat erschöpft ist. Bei anderen Medikamenten wird stillschweigend die Indikation geändert, es darf dann bei bestimmten Krankheiten nicht mehr eingesetzt werden. Auch davon erfahren Patienten nichts, selbst wenn sie es absetzen müßten.

Diese Geheimniskrämerei von BfARM und Pharma zu Lasten und zum Schaden der Patienten erklärt auch, warum in Deutschland eine derart scharfe Trennung zwischen Fachinformation und Patienteninformation besteht. Zum Schutz des Patienten ist das nicht gedacht, sondern zum Schutz von Big Pharma. In den USA und England gibt es diese Trennung bis zu einem gewissen Grad zwar auch, dennoch kann man meist wenigstens bei gängigen Medikamenten an die Fachinformation herankommen.

Bei den heute üblichen Schnelldiagnosen und einer meist fehlenden gründlichen Anamnese ist es meines Erachtens besonders wichtig, daß der Patient freien Zugang zu den Fachinformationen hat, denn nur er selbst kann oft genug feststellen, was bei ihm selbst sonst noch im Argen liegt und was der Arzt gar nicht weiß, weil er nicht gründlich genug nachgefragt hat. Hinzu kommt, daß Ärzte neue Fachinformationen gar nicht lesen, weil sie mit Informationen überflutet werden und ihnen die Zeit dazu fehlt.

Ein Patient, der bei sich Nebenwirkungen feststellt, auch solche die nicht im Beipackzettel stehen, sollte seinen Arzt darauf hinweisen und ein anderes Medikament verlangen. Die Ärzte wimmeln da gerne ab, behaupten das läge nicht am Medikament usw. Devise: PATIENT MUSS SICH DURCHSETZEN!!!

Gruß,
Clematis

PS: Nachstehender Film wurde schon mal eingestellt, da der Link nicht mehr funktioniert, hier der Neue. Am Beispiel Aspirin kann man in dem Film auch die Gegensätze von Pharmainteressen, Ärzteansichten und Patientenwohl erkennen. Verschreibungspflichtig ist ein eindeutiges Warnsignal, aber frei verkäuflich heißt noch lange nicht, daß das Medikament ungefährlich ist, was bei Aspirin so oft angenommen wird, gelegentlich mit tödlichen Folgen.
 
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Hallo,

man kann schon an die Fachinfos herankommen. Man kann sie beim sog "Fachinfo-Service" per mail bestellen (Adresse z.B. in der Roten Liste) oder, noch besser, telefonisch beim Hersteller. Wenn man promoviert ist (egal in welchem Fach), braucht man nicht zu lügen, denn bei "Dr." denkt jeder an "Dr. med." (Dafür kann der Anrufer nichts. Zweckmäßig ist es, nicht selber anzurufen (ein richtiger Dr. hat dazu natürlich keine Zeit), sondern sich für diesen Anruf eine Sekretärin zuzulegen. Am besten auf einen Fax-Anschluß bestellen. Völlig legal und funktioniert. Und niemand hat Schaden dadurch.

Alles Liebe,
Windpferd
 
Man kann sie beim sog "Fachinfo-Service" per mail bestellen (Adresse z.B. in der Roten Liste) oder, noch besser, telefonisch beim Hersteller. Wenn man promoviert ist (egal in welchem Fach), braucht man nicht zu lügen, denn bei "Dr." denkt jeder an "Dr. med." (Dafür kann der Anrufer nichts). Zweckmäßig ist es, nicht selber anzurufen, sondern sich für diesen Anruf eine Sekretärin zuzulegen. Am besten auf einen Fax-Anschluß bestellen. Völlig legal und funktioniert. Und niemand hat Schaden dadurch.

Hallo Windpferd,

nur: die Rote Liste muß man erst mal haben - bei Praxissperrmüll vorbei schauen, wenn die ältere Jahrgänge ausmisten... sonst kostet die ein Heidengeld, auch in digitaler Form! Auch einen Dr. hat nicht jeder greifbar... Vor Erfindungen sei gewarnt, das kann vor Gericht landen.
Hier kommt man vorerst noch an die Fachinformationen - aber nicht mehr lange: compendium.ch - Alprazolam Pfizer®
Wenn die Seite fertig ist, wird sie für Laien gesperrt und kostenpflichtig.

Gruß,
Clematis
 
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Sofern man antiquarisch an eine ältere Auflage des nachstehend notierten Standardwerks herankommt, vermag man sich über die Arzneimittelneben- und -wechselwirkungen umfassend zu informieren:

H. P. T Ammon (Hrsg.): Arzneimittelneben- und -wechselwirkungen: Ein Handbuch zur umfassenden und raschen Information für Ärzte und Apotheker - 2. Aufl. / Stuttgart: Wissenschaftl. Verlagsges., 1986.

Alles Gute!

Gerold
 
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