Reizdarm und Neurostress

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766
Hallo Forum,
Reizdram oder auch Colon irritabile ist ja eines der Themen, die die Schulmedizin lächerlich oberflächlich beachtet und meist mit Tranqulizerabkömmlingen abspeist. Als ganzheitlich denkende Forumteilnehmer gibt es ja hier wesentlich interessantere Ansatzpunkte für das Megathema: Reizdarm (RDS). Ich erinnere an Candida, Stuhldiagnostik, Nahrungsunverträglichkeiten, Intoleranzen etc. bis hin zu... ja: Neurostress.
Wie hängt das nun zusammen? Serotonin ist auch hier ein beteiligter Verdächtiger.
RDS-Patienten unterscheiden sich von Gesunden in thrombozytären
5-HT-Parametern, die auf Störungen der Serotonintransporter-Funktion hinweisen. Diese Beobachtung spricht dafür, dass auch im Magendarm-Trakt und/oder Gehirn von RDS-Pat. Veränderungen in der Serotonintransporter-Funktion vorliegen.
Thieme-connect - Abstract

Lieben Gruß

Thorsten
 
Und (wie) kann man den Serotonin-Transporter bzw. Störungen der SERT-Funktion in Ordnung bringen?

Grüße
Kate
 
Hallo Kate,
zu den Transportern:
Es handelt sich wohl über ein in der Zellmembran vorhandenes
Transportprotein (carrier), das mit dem 5-HT-carrier in den serotoninergen Neuronen identisch ist. Bei einer Thrombozytenaktivierung kommt es zur 5-HT-Freisetzung. Demgegenüber ist die Menge an neuronal gespeichertem Serotonin gering. Im Zentralnervensystem (ZNS) ist 5-HT in
höheren Konzentrationen vor allem in bestimmten Gehirnarealen (Hypothalamus und Raphé-Kerne) gespeichert.
Die klinische / therapeutische Relevanz wird ja gerade erst (von den Autoren vermutlich) geprüft.
Das NeuroLab Neurostress Konzept hat wohl jetzt schon ganz gute Erfahrungen mit der Reizdarm Therapie über diesen Serotonin Weg gesammelt und ganz pragmatisch vermutlich Aminosäuren gegeben.
Lieben Gruß

Thorsten
 
Hallo Thorsten,
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Ich versteh's nicht wirklich, was Du schreibst. Aber ich ahne, daß das ganze erst ein Konzept ist, und daß versuchsweise Aminosäuren helfen mögen - oder auch nicht.

Gruss,
Uta
 
Hallo Uta,
Mein erster Beitrag hier stammt ja von einer ganz anderen Forschergruppe, die mit Neurostress sicher kaum berschäftigt sind.
Ganzheitliche Neurostress Therapie bei Reizdarm ist schon ein ganzes Stück weiter, da es die Erkenntnisse über den Zusammenhang mit Serotonin nutzt. Allerdings kommen sicherlich auch Nahrungstests (IgG / IgG4...) und das Histaminthema mit dazu, um erfolgreich zu sein.

Also, HTP alleine wird es nicht sein, aber ohne HTP wird es auch nicht sein.
Lieben Gruß

Thorsten:popcorn:
 
Öh, also, bei mir dreht es auch grad im Kopf
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Also erstmal ein paar Begriffsklärungen und Zusammenfassungen, die ich dem Text entnehme:
  • 5-HT = Serotonin
  • RDS = Reizdarmsyndrom
  • SERT= Serotonintransporter (genau: SErotonin Reuptake Transporter)
  • 5-HT hat eine Schlüsselstellung in der Regulation von Motilität, Sekretion und Sensitivität des Gastrointestinaltrakts
  • SERT ist auf einen Menschen bezogen im gesamten Organismus identisch
  • Von daher kann man es an Thrombozyten untersuchen und Rückschlüsse auf den 5-HT-Stoffwechsel an anderen Organen, z.B. dem Darm, ziehen
  • So hat man's in der Studie gemacht, bei RDS-Patienten und Gesunden im Vergleich
  • Dabei konnten Rückschlüsse auf Veränderungen des 5-HT-Stoffwechsels im Darm von Patienten mit RDS gezogen werden

Zu SERT:

Mithilfe neuester bildgebender Verfahren ist es vor kurzem gelungen, ein spezielles Eiweiß im Gehirn sichtbar zu machen, welches für die Aufnahme von Serotonin in die Nervenzelle verantwortlich ist. Dieses Eiweiß wird SERT (Serotonin-Transportprotein) genannt.
Aus: www.neurologie.uni-tuebingen.de/klinik/informationen-fuer-aerzte/spezial-ambulanzen/kopfschmerz/

Serotonin wird hauptsächlich durch die Wiederaufnahme über den Serotonin-Transporter (SERT) in Nervenenden, Thrombocyten oder in Organen inaktiviert.[22] Nicht aufgenommenes Serotonin wird schnell durch die Monoaminooxidase (MAO) zu 5-Hydroxyindolessigsäure abgebaut. (...) Das für SERT codierende Gen liegt auf Chromosom 17q11.1-17q12
Aus: Andreas L. Birkenfeld: Autonome, kardiovaskuläre und metabolische Wirkungen kombinierter pharmakologischer Noradrenalin- und Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmung (das mit der Wiederaufnahme und dem inaktivieren kapiere ich nicht :eek:) )

Hier noch was vom Dr. Stefan Bischoff (war früher an der MHH für "Darm & Allergie" zuständig): https://dgem.de/material/pdfs/Bischoff_Irsee05.pdf

Diese unter anderem am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München etablierten Untersuchungen dienen dazu, genetische Assoziationen von psychiatrischen Erkrankungen, wie beispielsweise Angststörungen, mit Polymorphismen (SNPs) in spezifischen Kandidatengenen aufzuklären. Auf diese Weise konnten z.B. genetische Veränderungen im Adenosin 2a (A2aAR)-Rezeptor [3] bzw. im Serotonin-Transporter (SERT) [18] gefunden werden, die signifikant häufiger bei Patienten mit Angsterkrankungen auftreten.
Aus: Thieme-connect - Artikel im Volltext

Das bezieht sich zwar auf Angst"erkrankungen", aber ich zielte auf die dort betrachteten genetischen Veränderungen ab mit meiner Frage:

Man möchte den Serotoninspiegel erhöhen bei einem RDS-Patienten. Was nützt aber die Einnahme der Aminosäuren, die Ausgangstoffe für Serotonin sind, wenn bestimmte Enzyme (wegen genetischer Veränderungen) nicht funktionieren, die an der Umwandlung beteiligt sind? Würde man damit nicht ggf. erreichen, dass irgendwelche nicht so vorteilhaften Zwischenprodukte sich ansammeln und trotzdem nicht genug Serotonin entsteht?

Mir ist schon klar, dass Gen-Untersuchungen nicht gerade Standard-Diagnostik sind. Aber zumindest, wenn "normale" Dosen an entsprechenden Aminosäuren nichts bewirken, könnte man ja mal dran denken :rolleyes: bevor man sich vollstopft :lolli: Und wenn sich dann die Fehl- oder Unterfunktion des Gen herausstellt? Kann man so ein Enzym stimulieren o.ä.?

Bieger hat irgendwo auch geschrieben, dass man bei nicht-Erfolg der Neurostress-Therapie an Genvarianten "denken sollte". Aber das Denken allein hilft da ja nicht wirklich :D

Einen schönen Sonntag wünscht
Kate :)


Wenn Du Dein Hirn völlig zum Absturz bringen willst, Uta, nimm das hier: https://genetics.biozentrum.uni-wue...netik_2005_1109622178/F1-Vortrag-07-Ritze.pdf (da gibt es ein entsprechendes Kapitel mit hübschen Bildern) ;)

Das Bild stammt aus https://dgem.de/material/pdfs/Bischoff_Irsee05.pdf
 

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Hallo zusammen,

ich gebe hier einen kurzen Bericht (ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit) zu diesem Online-Seminar, das ich in der Nachbarrubrik Oxidativer/Nitrosativer Stress (https://www.symptome.ch/threads/online-vortraege-und-sprechstunden.26845/) angekündigt habe:

Auch oft mit Nitrostress assoziert: Der sogenannte "Reizdarm"

Von daher folgende Seminarankündigung:

Ursachen und Behandlungsmethoden des Reizdarmsyndroms

Termin:
Montag, 15.03.10.
Beginn: 18:30
Referent: Dr. Ulrich Sonnenborn

Beschreibung
Das sogenannte "Reizdarmsyndrom" ist eine relativ häufig vorkommende Erkrankung im Bereich der Verdauungsorgane. Jeder vierte Patient, der eine internistische Praxis aufsucht, hat Reizdarm-Probleme. Kennzeichen für diese Erkrankung sind Schmerzen im Unterbauch, gekoppelt mit vermehrten Blähungen sowie Veränderungen der Stuhlgewohnheiten (Durchfall und/oder Verstopfung). Bei 25 bis 30 % der Patienten tritt diese Erkrankung auf als Folge von schweren Darminfektionen oder längerfristigen Antibiotika-Behandlungen. Die Ursachen des Reizdarms sind bis heute nicht restlos geklärt. Störungen in der Reizempfindlichkeit des Darmes, der Darmflora und des Darmnervensystems ("Bauchhirn") sind nachgewiesen worden. Behandlungsmöglichkeiten dieser plötzlich auftretenden, aber dann chronisch werdenden Erkrankung richten sich nach den Hauptsymptomen. Dabei werden auch Arzneimittel mit pflanzlichen Wirkstoffen oder mit probiotischen Darmbakterien eingesetzt.

Info und Anmeldung unter: Medivere - Gesundheit im Netz


Differenzierung in "Reizdarm-Typen"

  • Typ 1: Durchfall - häufig
  • Typ 2: Verstopfung - 20-25%
  • Typ 3: Blähungen
Weitere Symptome und Merkmale:

  • Im Unterbauch (zu 90%) lokalisierte Beschwerden (typisch sind Koliken)
    • Durch Mahlzeiten verstärkt
    • Durch Stuhlgang erleichtert
    • Häufig: Durchfall (hohe Stuhlfrequenz)
    • Häufig: Konsistenz breiig bis flüssig
    • Der Nachtschlaf ist selten gestört! (das ist eher bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen der Fall)
  • Geblähter Leib
  • Harter Stuhl mit mühsamem Stuhlgang
  • Gefühl von unvollständiger Entleerung
  • Symptome fluktuieren bei 25% (Stärke, Qualität)
  • Verstärkung durch Stress
Die Ursachen sind bisher nicht bekannt, man kennt aber Einflussfaktoren mit unterschiedlichen "Wahrscheinlichkeiten":

Gesichert ist: Störung der Reizempfindlichkeit im Darm

Wahrscheinlich:
  • Psychosomatik (Traumata)
  • Veränderte Geschwindigkeit der Darmpassage
  • Veränderung der Darmflora
  • Chronische geringgradige Entzündung - wird z.Zt. intensiv beforscht, ist vermutlich für die Probleme verantwortlich
Unklar:
  • Bauchhirn
  • Autonomes Nervensystem
  • Immunsystem
  • Erbliche Faktoren
  • Umwelteinflüsse
Unwahrscheinlich:
  • Störungen des zentralen Nervensystems
  • Psychische Erkrankungen

Ein stark (nach einer englischen Studie 12-fach) erhöhtes Risiko ergibt sich nach einer überstandenen bakteriellen Gastroenteritis mit
  • Camphylobacter
  • Salmonella
  • Anderen
In einem kleinen Ort in Spanien gab es 2002 eine Salmonellen-Gastroenteritis durch einen Sahnekuchen, der auf einem Volksfest angeboten wurde. Die Situation wurde genutzt für eine Auswertung mittels Fragebogen. Demnach ergab sich gegenüber der Kontrollgruppe ein 8-fach erhöhtes Risiko für einen Reizdarm.

Mögliche Ursachen von Darmfunktionsstörungen nach überstandener Darminfektion
  • Störungen der Darmflora --> veränderter Stoffwechsel der Darmflora
  • Veränderungen der Reizleitung --> veränderte Reflexe
  • Erhöhte Bildung von Entzündungsstoffen --> chronische geringgradige Entzündung
In der Folge:
  • Chronische geringgradige Entzündung
  • Aktiviertes Darmmmunsystem
  • Erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut
  • Veränderungen im Bauchhirn
Weitere mögliche Ursache:
Enzymmangel, z.B. Laktase-Mangel, der zur Laktoseintoleranz führt. Diese ist geografisch sehr unterschiedlich verteilt und tritt oft kombiniert mit Fruktoseintoleranz auf. Neben Laktose-Karenz und Laktase-Einnahme können auch Laktobazillen helfen, die sozusagen Laktase "im Gepäck" haben.

Besprochen wurden noch Therapiemöglichkeiten für verstopfte Reizdarmpatienten.

Beziehungen zwischen Reizdarm und Fibromyalgie
Vergleich der Ergebnisse eines H2-Laktulose-Atemtestes (zum Nachweis einer bakteriellen Überwucherung des Dünndarms) bei Reizdarm- und Fibromyalgie-Patienten: Reizdarmpatienten waren zu 100% betroffen, Fibromyalgiepatienten immerhin auch zu 84% (die Menge des abgegebenen H2 korrelierte bei der überwiegenend Mehrzahl mit der Schmerzintensität), die Kontrollgruppe nur zu 20%.

Therapie: Ist schwierig wegen der Vielfalt, nicht einheitlich.

In einer Metastudie aus dem Jahr 2008 im Brit. med. Journal zeigten sich die "traditionellen Mittel" Flohsamen (quellend) und Pfefferminzöl (aufsaugend) als wirksam.

Darmflora-Veränderungen werden beobachtet bezüglich
  • Gesamtgehalt (verringert)
  • Spektrum
  • Stoffwechselaktivitäten (Enzymaktivität)
  • Besiedlungsstandorte (Verschiebung vom Dick- zum Dünndarm)
Ursachen für veränderte Darmflora:

  • Umwelteinflüsse (z.B. Toxine, Allergene, Strahlung, Infekte)
  • Organische Veränderungen (z.B. Divertikel, Verengungen)
  • Therapie (z.B. Eingriff, Antibiotika, Chemo-/Strahlentherapie)
  • Ernährung (z.B. Fehlernährung, Fasten, parenterale Ernährung)
  • Systemische Erkrankungen (z.B. Immundefekte, hormonelle Störungen)
  • Psychosoziale Faktoren (z.B. Stress)
Mikrobiologische Therapie: Verabreichung von Mikrorganismen
  • Lebend (Probiotika) --> Wirkung auf Darmökosystem und Immunsystem
  • Abgetötet (Vakzine-Präparate) --> Wirkung auf Darmökosystem und Immunsystem
  • Zellbestandteile --> Wirkung auf Darmökosystem und Immunsystem
  • Stoffwechselprodukte --> Wirkung auf PH-Wert
ergänzt mit Diät, Antipilz-/parasitentherapie, Ausleitung, Enzymen, Pflanzenheilmitteln.

Es wurden viele Beispiele genannt für konkrete Bakterienstämme und Präparate, die ich nicht mitschreiben konnte.

Im Anschluss kam von den Zuhörern u.a. die Frage, ob Probiotika bei Leaky Gut (durchlässige Darmschleimhaut) schädlich seien. Die Antwort war: Nein! Der Nissle-Stamm (Mutaflor) könne nützen.

Ein Video zu diesem Seminar scheint bisher nicht online zu sein, das Handout auch nicht.

Gruß
Kate
 
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