Kate

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Hallo zusammen,

kürzlich "begegnete" mir irgendwo das wohl neue Probiotikum Innovall RDS mit dem Stamm Lactobacillus plantarum 299v, speziell für "Reizdarm". Eine Probier-Packung für eine Woche ließ sich gut an (Reduktion von DF, Stuhlfrequenz, Krämpfen, Blähungen, mehr Lebensmittel tolerierbar), so dass ich eine 4-Wochen-Packung besorgt habe, die ich als Kur einnehmen möchte (länger würde ich einen einzelnen Stamm nicht unbedingt im Stück nehmen wollen).

Bei einer Kurzrechcherche zu diesem Stamm gelangte ich zu folgendem Dokument:

... das gute Informationen lieferte und das ich noch in anderer Hinsicht bemerkenswert finde. Offenbar hat sich einiges geändert gegenüber der letzten Leitlinie. Als Pathophysiologie wird eine Störung der Darm-Hirn-Interaktion angenommen, in der das intestinale Mikrobiom eine zentrale Rolle spielt, dem erstmals ein eigenes Kapitel gewidmet wird.

In der neuen Leitlinie tauchen neben der Darm-Hirn-Achse offenbar Begriffe wie Glutensensitivität, Histaminintoleranz, Bristol-Skala, Barrierefunktionsstörung (auch bekannt als Leaky Gut), Mikrobiom, kurzkettige Fettsäuren (hier sind wohl Veränderungen v.a. beim Durchfall-Typ beobachtet worden, ebenso wie Veränderungen bei den Gallensäuren), Veränderungen von Neurotransmitterspiegeln auf.

Auch scheint berücksichtigt zu werden, dass die Richtung der Kausalität auch somatopsychisch (vom Körper zur "Psyche") und nicht nur psychosomatisch sein kann.

Einige Textstellen aus dem o.g. Dokument:
Bei Verdacht empfiehlt die Leitlinien nun u. a. den Nachweis von Glutensensitivität und Histaminintoleranz, v. a. mittels ernährungsmedizinischer Betreuung (LS 3–15B, 3–16).
Schon bei der Diagnose ist es hilfreich, unter Nutzung der Bristol-Stuhlformen-Skala den Reizdarmtyp zu beurteilen. Dies erleichtert es, hinsichtlich der heterogenen Symptomatik, Ausprägung und Beeinträchtigungen im Alltag ein zielführendes therapeutisches Konzept zu erstellen (LS 4–10):...
Die Genese und Aufrechterhaltung des Beschwerdebildes wird multifaktoriell begünstigt und ist oft komplex. Dennoch sind einige Risikofaktoren als initiale Auslöser bekannt, die auch den Verlauf eines Reizdarmsyndroms ungünstig beeinflussen können. Dazu gehören u. a.:
  • Enterale Infekte
  • Antibiotikatherapien
  • Psychische Faktoren (akut sowie chronisch) - Zu beachten ist, dass psychische Belastungen auch sekundär als Folge der chronischen gastrointestinalen Beschwerden auftreten können (LS 2–9).
Die neue Definition des Reizdarmsyndroms als „Störung der Darm-Hirn-Interaktion“ basiert auf einer Vielzahl neuer Erkenntnisse zur Pathophysiologie. Dabei spielt das intestinale Mikrobiom eine zentrale Rolle, da es verschiedene Bereiche der humanen Physiologie stark beeinflusst. Zu den diversen molekulare und zellulären Pathomechanismen beim Reizdarmsyndrom gehören:
  • Motilitätsstörungen und veränderter intestinaler Reflex
  • Verändertes Darmmikrobiom
  • Gestörter Gallensäuremetabolismus
  • Veränderte Schleimhautfunktionen mit gestörter intestinaler Barriere und Sekretion
  • Viszerale Hypersensitivität
  • Veränderte enterale Immunantworten
  • Veränderte Signalverarbeitung in verschiedenen Hirnarealen
  • Veränderte Dichte und Funktion enteroendokriner Zellen
  • Änderungen der Protease-vermittelten Funktionen
  • Verändertes Fettsäuremuster im Stuhl
  • Veränderungen der extrinsischen Innervation und im enterischen Nervensystem
  • Veränderter hormoneller Status
  • Mögliche genetische Prädisposition
  • Veränderte epigenetische Faktoren
Diese erhöhte intestinale Permeabilität ist nachweislich mit einer unterschwelligen Immunaktivierung, einer viszeralen Hypersensitivität, Veränderungen der Darmfunktion sowie Abdominalschmerzen assoziiert.
Bei ReizdarmpatientInnen wird eine erhöhte Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine nachgewiesen, die sich in einer unterschwelligen, also nur histopathologisch nachweisbaren Entzündung äußert.
(Hier im Forum wurde vor einigen Jahren intensiver über Forschungsbestrebungen diskutiert, die Patienten mit und ohne solche histopathologischen Entzündungen auf verschiedene Diagnosen aufzuteilen, da die mit Entzündung eigentlich keine "Reizdarm"-Patienten seien - offenbar geht man da jetzt doch andere Wege.)

Die wissenschaftliche und klinische Forschung konzentrierte sich in den letzten Jahren auf die Mikrobiommodulation als therapeutischen Ansatz, um so Einfluss auf Stoffwechselvorgänge, Immunreaktionen und neuromuskuläre Funktionen des Darms zu nehmen.

Zur Ernährung: Eine allgemeine Empfehlung zur Prävention wie auch zur Behandlung könnten nicht gegeben werden, allerdings individuelle an den jeweiligen Symptomen orientierte Empfehlungen; dabei sollten Nahrungsmittelunverträglichkeiten immer abgeklärt werden.

Für spezifische Präbiotika wird mangels hinreichender Studienlage (ist das so?) keine Empfehlung gegeben, aber für Probiotika, von denen einige nun den Empfehlungsgrad B („Sollte“-Empfehlung) erreichen.

Hier kommt der Stamm ins Spiel, um den es mir in meiner Recherche ging:
... Lactobacillus plantarum 299v, ein Stamm der beim Reizdarmsyndrom sowohl klinisch als auch präklinisch sehr gut untersucht ist. Er bringt u. a. folgende für das Reizdarmsyndrom relevante Wirkmechanismen mit:
  • Spezifische Modulation des dysbiotischen Mikrobioms
  • Inhibierung der Anheftung von Krankheitserregern an Wirtszellen
  • Antimikrobielle Metabolite, die spezifische Krankheitserreger direkt hemmen
  • Stärkung der intestinalen Barrierefunktion und Mukusbildung
  • Regulation der viszeralen Sensitivität und gastrointestinalen Motilität
  • Regulation der unterschwelligen mukosalen Immunaktivierung
Es wird die Studienlage verschiedener Stämme zusammengefasst: Bifidobacterium bifidum MIMBb75, HI-MIMBb75, Bifidobacterium infantis 35624, Escherichia coli DSM 17252, Lactobacillus casei Shirota, der o.g. Lactobacillus plantarum 299v (DSM 9843, LP299V).

Hier finde ich noch interessant, dass im Vergleich zu Placebo "die gastrointestinale Gesamtfunktion auch zwölf Monate nach Behandlungsende noch besser" war (das bestätigt mich auch darin, dass ich es erstmal kurweise mache). Zudem, dass sich nach einem Lactulose-Provokationstest (ist das nicht der SIBO-Test?) der H2-Gehalt in der Atemluft in der LP299V-Gruppe signifikant reduzierte.

Es gab auch eine multizentrische, nicht interventionelle Studie unter Alltagsbedingungen zur Verträglichkeit und Wirksamkeit unter deutschen Praxisbedingungen durch niedergelassene Gastroenterologen und Allgemeinmediziner. Dauer 4-12 Wochen, Teilnehmer 143 Reizdarm-Patient/inn/en, Tagesdosis 1 x 1010 KbE LP299V.
Die Daten zeigten eine kontinuierliche und signifikante Reduktion des Schweregrades und der Häufigkeit von typischen Beschwerden (Abdominalschmerzen, Flatulenz/Meteorismus, Diarrhö) über den zeitlichen Verlauf der Studie in der Gesamtkohorte und eine signifikante Reduktion des Obstipationsschweregrades in der RDS-O-Subgruppe. Diese Ergebnisse spiegeln sich auch im psychischen Wohlbefinden der PatientInnen wider. Nach zwölf Wochen hatte sich dieses im Durchschnitt um 110 % verbessert. (...)
Die subjektive Sichtweise der PatientInnen wurde durch die medizinische Einschätzung der Ärztinnen und Ärzte bestätigt, (...). Alle Reizarmtypen (RDS-D, RDS-O, RDS-M) profitierten dabei in gleichem Maße. LP299V war demnach auch abseits von RCT-Studien wirksam, wobei eine längerfristige Einnahme die Effektivität steigert.

An Literatur werden 43 Quellen genannt.

Gruß
Kate
 
Da der Lactobacillus plantarum offensichtlich in punkto Verdauung/Darm/Reizdarm eine wichtige Rolle spielt:




... Decken Sie den Bedarf

Lactobacillus plantarum kann über die Nahrung aufgenommen werden. Es findet sich in vielen fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut, eingelegten Oliven und Sauerteig wieder. Darüber hinaus ist es zum Beispiel auch in verschiedenen Käsesorten enthalten. Auch wird es in vielen probiotischen Lebensmitteln genutzt. Es ist also relativ einfach, über Nahrungsaufnahme die Besiedlung des Darms mit Lactobacillus plantarum zu optimieren.

Zusätzlich kann auch der Erhalt der vorhandenen Milchsäurebakterien gesichert werden, in dem auch deren Nahrungsgrundlage erhalten bleibt: Aminosäuren, Vitamine, Kohlenhydrate wie das Inulin und andere Nährstoffe sichern das Überleben der Lactobacillus plantarum Bakterien im Darmsystem.


Weitere Quellen zu Lactobacillus plantarum


Mehr dazu: Das Reizdarm-Programm, Medizinverlag Nordwest, EUR 1,99 (gesponsert)

Grüsse,
Oregano
 
Danke, Oregano.

Ich hatte noch nicht gesehen, dass auch René darüber etwas geschrieben hat:
Da Lactobacillus plantarum in vielen Lebensmitteln natürlich vorkommt und gleichzeitig die Darmflora positiv beeinflusst, wird das Milchsäurebakterium auch für probiotische Lebensmittel genutzt. Der Stamm Lactobacillus plantarum 299V beispielsweise ist in unterschiedlichen probiotischen milchfreien Fruchtdrinks und in einigen Medikamenten enthalten. Es ist erwiesen, dass er den Magen unbeschadet passieren kann, um den Darm zu besiedeln. Lactobacillus plantarum 299V gilt, da es natürlicher Bestandteil der menschlichen Darmflora ist, als ungefährlich und gut verträglich.

Ich denke, man muss unterscheiden zwischen den Stämmen und das von mir oben geschilderte bezieht sich auf die Studienlage zu dem "299v". René erwähnt z.B. noch den Stamm L. plantarum PH04, an dem wieder andere Wirkungen in Studien zu beobachten waren.

Auch ist es leider so - und das bezieht ja sogar die neue Leitlinie offenbar ein - dass viele von Histaminintoleranz so stark betroffen sind, dass eine Aufnahme fermentierter Lebensmittel (zunächst) ausgeschlossen ist. Mich hatte mal ein Sauerkraut-"Faden" von ca. 3 cm umgehauen und das auch nicht nur für ein paar Stunden. Von daher sind standardisierte Medikamente mit gut erforschten Probiotika hier ein Weg, der für Viele hilfreich sein dürfte.

Gruß
Kate
 
Gibt auch etliche Studien zur Behandlung von Clostridium difficile assoziertem Durchfall und Befall mit Clostridien nach Antibiotika-Gabe mit Lactobacillus Plantarum:


Bei mir hat er damals bei der Behandlung meiner Darmprobleme (Leaky Gut, Sibo usw.) zeitweise auch sehr gut getan. Allerdings konnte ich ihn nicht länger isoliert und hochdosiert nehmen. Besser in einer Mischung mit anderen gesundheitsförderlichen Milchsäurebakterien war er bei mir hilfreich. Aber da muss wohl jeder für sich und seine spezielle Problematik selbst heraus finden, was einem gut tut!
 
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