Geschenke

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24.04.12
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1.
Ich dachte oft, ich gäbe viel mehr von mir als ich zurück bekäme, aber das stimmt sicher nicht, denn was andere mir nicht gaben, das nahm ich mir einfach. (Ich finde, das darf man auch - im Sinne von: seinen Platz finden...)

Und auch auf die materielle Ebene übertragen muss ich sagen, es ist eine schwierige Sache mit den Geschenken, denn oft verwundern sie den Beschenkten eher und er fragt sich, was der Schenker wohl in ihm sah, als er grade dieses Geschenk erwählte. Aber auch das ist ja schon ein Geschenk, weil es ihn zum nachdenken bringt.

Drei Geschenke jedoch bekam ich, die mich mehr als alle anderen prägten.

Als ich siebzehn war trafen meine Freundin und ich auf einen jungen Mann und wir freundeten uns an. Er meinte: "Ihr seid wohl beste Freundinnen, aber wartet einmal ab, bis ein Mann zwischen euch tritt, dann ist es damit vorbei." Aber wir lachten nur.
Eines Tages besuchten wir ihn und er sagte, er hätte seine Wohnungs-schlüssel verloren und wir müssten deshalb durchs Fenster, also kletterten wir über den Briefkasten in seine (?) Wohnung und wir tranken dort roten Wein, hörten Musik und unterhielten uns. Wir schliefen zusammen in
einem Bett auf dem Fußboden und nein: es passierte nichts. Oder doch, denn er hielt uns wechselweise im Arm und sagte über meine Freundin sie sähe besser aus, aber ich würde mich besser (an)fühlen und ich fand das sehr merkwürdig, denn meine Freundin litt unter ihrem Aussehen
(obwohl es auch dafür keinen Grund gab) und ich galt als schön.
Dafür gefiel mir ihre extreme Magerkeit, denn ich wollte mich immer (ent) stofflichen und ich fand mich recht üppig, etwa so wie die junge Angelina Jolie oder Beatrice Dallé. Wie dem auch sei, ich dachte, er müsse da wohl
etwas vertauscht haben.
An meinem 18. Geburtstag erhielt ich von meiner Mutter eine Jimi Hendrix Platte über die ich mich sehr freute und ich besuchte mit meiner Freundin unseren Freund und ich entdeckte dort eine Shakespeare-Ausgabe in der ich blätterte. Bis dahin kannte ich nur den Mittsommernachts-Traum
aber nun verliebte ich mich in den 'Sturm' - vielleicht, weil jede der handelnden Figuren meine Geschichte erzählt und man mit mir jede einzelne Rolle besetzen könnte.
Der Freund aber reichte mir ein kleines Bild mit Jesus Christus und obwohl ich damit nicht viel anfangen konnte, freute ich mich sehr, denn ich dachte, es wird schon seinen Grund haben, dass er mir dies gab.
Später verlor ich es dann und den Freund, der es mir gab zu aller erst und ich weiß nicht, warum wir nicht mehr zu ihm gingen.

Bei dem zweiten 'merkwürdigen' Geschenk war ich schon über dreißig Jahre alt und mein Liebster ganze elf Jahre jünger. Er war schön wie ein Engel und er hieß auch so und gingen wir zusammen irgendwo hin, sagte man, dass wir ein schönes Paar seien. Aber ich fand ihn viel schöner als mich,
vielleicht den schönsten Menschen, den ich je gesehen hatte.
Eines Tages fuhren wir zusammen in der Untergrund-Bahn und uns gegenüber saß ein junger Mann und er saß nur da, sah uns an und lächelte und als er aufstand, trat er an mich heran und legte mir eine Taubenfeder, die er die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte in den Schoß und ich dachte,
ein Mann, der nur lächelt und Taubenfedern verschenkt ist wahrscheinlich betrunken, aber das schien mir kein Grund das Geschenk nicht anzunehmen und ich behielt es eine ganze Weile, bis es verschwand.

Das dritte Geschenk bestand aus einem, das ich machen wollte und das man abwies, aber vielleicht war das auch nicht so 'frei-willig' wie der Fast-Beschenkte mich glauben ließ - vielleicht war es ihm einfach versagt. Auf jeden Fall hätte es mich wohl 'gemindert' und selbst, wenn es mich voll-kommener gemacht hätte, ist es für viele andere so sicher besser. Aber vielleicht schenkte er mir doch etwas. Zuerst ein Gefühl, das ich nicht haben wollte, da ich es nicht für meines hielt und später dann eine schmerzhafte Erkenntnis, die mich zu meinem Ursprung führte und die ich eigentlich noch viel weniger haben wollte. Aber was er tat, war richtig, denn er nahm von mir auf einer anderen Ebene das Gefühl meiner Halb-heit zurück, in das er mich versetzt hatte und ich wurde wieder 'ganz'. Oder wenigstens 'ganzer' (Gibt's das Wort überhaupt?)

Ach ja, dann gab es noch drei Geschenke. Drei Mal der gleiche 'Inhalt', jedoch
in unterschiedlicher Form. Ich war sehr krank und bereit zu sterben und ich bekam einen Engel aus einem Rosenquarz, der mich beschützen sollte und ich setzte ihn in die Ecke meiner Wohnung, damit er auch die behüte, wenn ich einmal abwesend sei. Die anderen beiden waren aus Ton und wohl Geschwister, denn sie ähnelten sich wie ein Ei dem anderen und ich gab einen meiner Mutter und den zweiten meinen Tieren, damit auch sie behütet seien und so bildeten sie eine Tri-Angu(e)lation und später dann kam noch eine kleine Plastik hinzu, die eigentlich nicht auf den ersten Blick als Engel erkennbar war, denn sie trug die Flügel eines Marienkäfers, zugleich jedoch einen Schlüssel und der erinnerte mich an eine Episode aus meiner Kindheit in der ich auf einer Wiese voller gelber Schlüsselblumen saß und eine Burg
auf einer Anhöhe betrachtete und in der Hand hielt ich eine der Blumen - einen Stengel mit mehreren Blüten und immer wenn ich später nach Zeugen meines Erlebnisses fragte, sprach ich von 'Himmelsschlüsseln'.

Und dies alles waren vielleicht die vier(oder sieben) wert-'voll'sten Geschenke, die ich erhielt, denn sie bildeten mich und machten mich heil - jedes auf seine Weise.

2.
Mein Vater schmückte mich mit goldenen Ohrringen - aber ich glaube, ich habe sie selbst bezahlt.
Nicht nur mit Gold, sondern auch mit der Liebe meiner Mutter, die mir diese nicht zur Gänze geben
konnte, weil sie meinen Vater in mir sah, obwohl ich ich war.
Aber vielleicht hat sie recht und mein Vater ist auch in mir und ich hoffe sehr, dass er sich da
auch wohl fühlt.


3.
Dies ist eine Geschichte für meine Freundin die ein Kopftuch trägt. Sie fertigte aus Ton ein Ei und meinte, es sei eine unfertige Plastik, obwohl das ja eigentlich nicht stimmte.
Sie bat den Töpfermeister, sie für sie aufzuheben, vielleicht nähme sie sie mit.
Ich dachte: 'Auf jeden Fall sollte sie das tun, denn selbst wenn ihr die Plastik nicht gefällt, so hat sie doch den Ton, den sie nach Belieben formen kann.'
Dann ging sie fort und vergaß wohl die Plastik also ging ich für sie zum Töpfermeister um mir die Plastik geben zu lassen. Der war fast ein wenig erschrocken und meinte: "Ich habe sie so lange aufgehoben, weil ich dachte, sie wird noch abgeholt, aber nun habe ich sie zurück in die Tongrube geworfen." Und wir gingen zusammen hin und sahen zu meiner
Erleichterung, dass das große Ei obenauf lag und sich noch nicht aufgelöst hatte.
Es war schwer, aber ich nahm es mit, denn ich dachte: 'Ein Ei ist doch so eine perfekte Form und beinhaltet so viele Möglichkeiten. Es ist wie ein Quantenmensch.'

Al ich der Freundin davon berichtete, freute sie sich, erklärte mir aber dann, dass sie zur Zeit gar keinen Platz hätte um das Ei aufzubewahren und so bewahrte ich es weiterhin für sie auf. Dann hörte und sah ich lange Zeit nichts von ihr, obwohl ich glaube, dass sie oft an mich dachte, denn wir sind uns recht ähnlich. Und nun habe ich es getan und das Ei einfach aufgelöst und was ich daraus anfertigen möchte, ist ein einfacher Deckel.

Und das bedeutet nicht, dass ich 'meinen' Deckel suche und schon gar nicht, dass ich gedeckelt' werden möchte, aber ich wünsche mir etwas, das nützlich ist und ich glaube, sie täte das auch. Den Deckel möchte ich auf ein großes Tongefäß legen, von der Art,wie sie in den Gartencentren stehen. Es enthält den Sand für die Voliere meiner Vögel und so kann er nicht beschmutzt werden. Und auch wenn es vielleicht Psychologen gibt,
die meinen, ich wolle nur eine Materie-Metapher für die 'Büchse der Pandora' finden um das wieder einzusperren, was sie in die Welt entließ, sage ich ihnen, dass man mit einem Deckel immer zwei Dinge tun kann: eine Sache zu ihrem Schutz verschließen, aber ihn auch abheben, um etwas zu entnehmen, oder heraus zu lassen - je nachdem.
Zwei Möglichkeiten - aber was daraus entstehen kann ist eine ganze Menge und somit fand auf der stofflichen Ebene eine Einschränkung statt und aus dem 'Quantenei' ist ein Deckel mit nur zwei Formen der Verwendung, die er zuläßt, geworden. Aber dafür hat er seine Form gefunden und er ist ja nur ein Instrument, das keinen eigenen Willen hat und sich dem Wunsch seines Schöpfers fügt. Aber vielleicht gibt es auch eine Beziehung zwischen
den Objekten, die wir für unser Tun erwählen - oder es auf unbewußte Weise zu tun meinen und den Objekten selbst. Wer weiß das schon...
 
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