Gegenspieler (Antagonisten) von Insulin (Agonist)

Themenstarter
Beitritt
10.01.04
Beiträge
72.791
Die Aufgabe von Insulin ist es grob gesagt, den Blutzucker zu senken.
Zum Insulin gibt es Gegenspieler. Deren Aufgabe ist es, den Blutzucker anzuheben. Damit dieses Regelsystem funktioniert, müssen alle entsprechenden körpereigenen Faktoren einwandfrei funktionieren. Ist das nicht so, kann von außen nachgeholfen werden.

...
Insulin ist jetzt der Agonist und soll den Blutzucker senken.
Was macht dann ein Insulin-Antagonist?

Er hebt ihn [den Blutzucker] an...?

Ja, natürlich.

Es gibt zwar einige Dinge, die das mit mehr oder weniger Erfolg schaffen, aber wir kümmern uns heute nur um die drei wichtigsten:


1. Das Glukagon
2. Das Adrenalin
3. Das Cortisol


Ist Glukagon das Wichtigste, oder warum steht es zuerst?

Ja, ich würde es schon als eines der wichtigsten einschätzen. Kannst du dich noch an die "Adresse" vom Insulin erinnern?

Na klar:
Wohnort: Bauchspeicheldrüse
Straße: Inselzellen
Hausnummer: Beta-Zelle

Genau. Und sein Nachbar ist das Hormon Glukagon. Es kommt auch von der Bauchspeicheldrüse und den Inselzellen, allerdings von den Alpha-Zellen. Es ist auch so ziemlich der einzige Gegenspieler, dessen Hauptaufgabe es ist den Blutzucker zu erhöhen. Bei den anderen ist das eher ein Nebenprodukt.

Na schön, und warum sollte man das kennen?

Aus zweierlei Gründen:
Wenn der Blutzucker zu stark absinkt, dann registriert das die Bauchspeicheldrüse und drosselt die Insulinausschüttung. Wie bei einem Feuer auf einem Motor: zuerst entzieht man dem Feuer den Brennstoff. Aber damit es nicht rummst, muss man den Motor noch kühlen.
Die Bauchspeicheldrüse gibt dann Glukagon ins Blut ab. Für die Leber- und Muskelzellen ist das wie eine Alarmsirene: "NOTFALL: Wir brauchen sofort Glucose!!!"
Die Zellen fangen dann an ihre gespeicherten Vorräte - also das Glykogen - abzubauen und geben sie ins Blut. Zusätzlich bildet die Leber noch neuen Zucker.
Es ist ja auch kein Insulin mehr da, das sie daran hindert.
...
wenn der Körper z.B. irgendwas als Gefahr erkennt oder der Mensch sich ärgert, erschreckt, aufregt; kurz: wenn er im Stress ist, dann schüttet er Adrenalin ins Blut aus.
Das ist z.B. der Fall, wenn zu wenig Glucose im Blut ist: Der Körper braucht das ganz dringend für das Gehirn, also lässt er die Adrenalin-Sirene läuten.

Hast du nicht vorhin noch gesagt, es wäre die Glukagon-Sirene?

Na, die natürlich auch. Aber sicher ist sicher. Und wenn das Gehirn in Gefahr ist, dann gibt es eben Großalarm.

Also kann man sagen, dass man bei einer Unterzuckerung viel Glukagon und Adrenalin im Blut hat.

Richtig!
Und das Adrenalin kann man sogar spüren: Man bekommt unter anderem Herzklopfen, Schweißausbrüche und Muskelzittern. Das sind alles Symptome, die vom Adrenalin ausgelöst werden. Aber manchmal spürt man sie nicht so sehr.
...
Aber wenn du jetzt weißt, dass das Adrenalin für den Blutkreislauf wichtig ist, dann kannst du dir bestimmt auch vorstellen, wie das morgens vor dem Aufstehen aussieht. Da muss der Kreislauf ja auch erstmal in Schwung kommen.

Heißt das, dass der Blutzucker dann morgens höher ist?

Gut mitgedacht! Aber ganz so einfach kann man das nicht sagen. Das ist nämlich bei den einzelnen Menschen ganz unterschiedlich. Unsere "innere Uhr", der Biorhythmus, merkt sich ja mit der Zeit, wann wir aufstehen.
...
Cortison ist ein Hormon, das auch der Körper selbst herstellt, und zwar in der Nebenniere. Die heißt übrigens so, weil sie tatsächlich neben der Niere liegt.
Cortison ist so eine Art Dirigent: es dirigiert Teile des Eiweiß-, des Fett- und des Mineralstoffwechsels. Aber es steuert auch die Abwehrkräfte des Körpers, das Immunsystem.

Und einige Leute können so schwer erkrankt sein, dass bei der Steuerung der Abwehrkräfte das Personal der Steuerung (also das Cortison) etwas Hilfe brauchen kann.
...
Sehen wir uns das mal am Beispiel des Cortison beim Diabetiker an:
Cortison wirkt sich in der Leber aus. Dort regt sie die Zellen an, aus Milchsäure und den Eiweißbausteinen neue Glucose zu bilden. Und dadurch steigt natürlich der Blutzucker. Cortison ist da wie Benzin bei einem Feuer: schüttet man viel hinein, dann steigen auch die Flammen höher.

Für den Nichtdiabetiker ist das kein großes Problem: seine Bauchspeicheldrüse merkt, dass der Blutzucker ansteigt und gibt dann mehr Insulin ab.

Und kann der Diabetiker dann nicht auch einfach mehr Insulin spritzen?

Natürlich kann er. Aber das ist nicht so einfach zu berechnen.
Also muss der Diabetiker seinen Blutzuckerspiegel häufiger nachmessen und meistens ist er dann schon zu hoch. Aber wenn er längere Zeit Cortison in immer der gleichen Dosis zu sich nimmt, dann kann er aus seinen Aufzeichnungen irgendwann mal ein Muster erkennen und vielleicht schon frühzeitig das Insulin spritzen.

Was sind denn das überhaupt für Erkrankungen, bei denen man Cortison nehmen muss?

Wie gesagt: das sind Erkrankungen, bei denen man das Immunsystem in seiner Arbeit unterstützen will:

Rheuma
Asthma
Autoimmunerkrankungen (Wenn sich die Abwehrkräfte gegen körpereigene Zellen richten)
und viele mehr
Bei diesen Erkrankungen kommt es zu Entzündungen, also wahren Schlachten der Körperabwehr.
...
Das selbst produzierte Cortison ist ja in immer den gleichen Mengen im Körper. Jeden falls so ziemlich gleich. Und daher fällt es nicht weiter auf, weil man kein Insulin dafür extra geben muss. Das ist ja in der normalen Therapie schon berücksichtigt.

Es kann aber auch zu Tumoren der Nebenniere kommen, also zu Zellwucherungen. Und wenn dann auf einmal mehr Produzenten als üblich da sind, dann wird natürlich auch mehr als üblich produziert.

Und es kann noch etwas vorkommen: wenn ein Mensch in seinen Genen, also den Bauplänen der Zellen schon stehen hat, dass dort nicht so viele Rezeptoren für Insulin sein sollen, dann kann dadurch der Diabetes ausgelöst werden. Kannst du dir vorstellen warum?

Irgendwie schon: Cortison bringt den Blutzucker zum Steigen und die Bauchspeicheldrüse schüttet mehr Insulin aus. Das kann aber nicht schnell genug wirken, weil es zu wenig Andockstellen gibt. Also schüttet die Bauchspeicheldrüse noch mehr Insulin aus, und somit sind noch mehr Rezeptoren in der Pause. Und der Blutzuckerspiegel ist zu hoch: Diabetes!

Goldrichtig! Du hast sehr gut aufgepasst...

Eine Nebenwirkung vom Cortison ist ja auch, dass die Leute darunter zunehmen. Kannst du mir auch das erklären? Denk mal an die Insulinwirkung...

Na Logo: Insulin bringt die Glucose ja nicht nur in die Muskelzellen, sondern auch in die Fettzellen. Und dort werden sie mit Hilfe von Insulin zu Speicherfett umgewandelt.
...
Insulin-Gegenspieler: Glukagon
Insulin-Gegenspieler: Adrenalin
Insulin-Gegenspieler: Cortison

Die Erklärungen hier wirken zwar etwas kindlich (sie sind ja auch für Kinder-Diabetiker geschrieben), aber sie sind alles in allem gut verständlich. So ganz 100%ig sind die Mechanismen, die hinter dem Diabetes stehen, ja auch noch gar nicht bekannt.

Grüsse,
Oregano
 
Oben