Zusammenfassung der Studienergebnisse:
375 Patienten mit Chronic Fatigue Syndrome (CFS) wurden anhand eines standardisierten Fragebogens sowie anschließenden Interviews auf 11 Risikofaktoren und 45 Symptome hin untersucht. Zusätzlich wurden Immunologische, serologische, toxikologische, neuroradiologische, neurophysiologische und kardiale Untersuchungen durchgeführt.
Immunologische Untersuchungen zeigten zelluläre Immundefekte insbesondere im funktionellen Bereich (pathologische Lymphozytenstimulation bei 50 % der Patienten. Störungen der Granulozytenfunktion bei 44%). Weiterhin fanden sich unterschiedliche Abweichungen der Lymphozytensubpopulationen (CD3, CD4, CD8, CD19, DR, Leu 11+19).
Im humoralen Bereich zeigten sich Tendenzen zu niedrigen IgG-3- und IgG-1-Subklassenspiegeln (59% bzw. 11% der Patienten) sowie Erniedrigungen im Komplementsystem (CH50, C3, C4, C1-Esterase-Inhibitor). Bei Aktivierungsmarkern und Cytokinen wiesen 42% der Untersuchten zirkulierende Immunkomplexe (CIC), 47% Erhöhungen von Tumor-Nekrose-Faktor (TNF-α) und 21% von löslichem lnterleukin-2-Rezeptor (IL-2-R) auf.
Das überdurchschnittlich häufige Auftreten von Autoantikörpern (besonders antinukleäre Antikörper [ANA], mikrosomale Schilddrüsenantikörper) weist auf die Assoziation bzw. möglichen Übergang der Immundysfunktion in manifeste Autoimmunerkrankungen hin.
Bei den Erregern hatten 78% der Patienten eine auffällige Serokonstellation bei Epstein-Barr-Virus (Early-Antigen positiv, niedrige EBNA-Titer), beim HHV-6-Virus zeigten 47% erhöhte Antikörpertiter. Tests auf weitere Herpesviren sowie Borrelien, Chlamydien, Candida und Amöben waren bei 8 bis 36% der Untersuchten auffällig.
Weiterhin fanden sich unterschiedliche Vitamin- und Spurenelementmangelzustände sowie hormonelle Störungen.
Bei 26% der Patienten bestanden Hinweise auf Schadstoffbelastungen (z. B. Holzschutzmittel), bei 32 Patienten wurden unterschiedliche Spiegel von Pentachlorphenol (PCP) und Gamma-Hexachlorzyklohexan (γ-HCH, Lindan) im Blut gemessen. 187 (83%) von 225 untersuchten Patienten zeigten Perfusionsstörungen in der Hirn-SPECT-Untersuchung, 65 (29%) von 218 Patienten zerebrale herdförmige Signalveränderungen in der kraniellen Magnetresonanztomographie (MRT).
Neurophysiologische Messungen (magnetisch evozierte Potentiale, MEP) zeigten bei knapp 50% von 112 Patienten eine verlängerte zentralmotorische Leitungszeit (ZML). Bei 62 Patienten wurden zusätzlich Myokard-SPECT Untersuchungen durchgeführt, die unter Belastung bei 73% auffällig waren.
Unsere Ergebnisse bestätigen das Konzept, daß das CFS als komplexe psycho-neuro-immunologische Erkrankung zu betrachten ist.
(
Chronic Fatigue Syndrome: Immundysfunktion, Erreger- und Schadstoffbeteiligungen sowie neurologische und kardiale Veränderungen, erschienen in Wiener Medizinische Wochenschrift, 1994;144:399-406)