Hildegardmedizin Krankheiten des Herzen

Kategorien: Heilverfahren

 

Krankheiten des Herzens

Hildegardheilkunde in neuer Sicht

Vortrag von Dr. Berkmüller (Ulm 2002)

Hildegard hat zum Herzen vieles gesagt. Aber bevor ich zu ihr komme, will ich kurz das Herz erläutern.

Das Herz liegt in der Brusthöhle zwischen den Lungen zu 2/3 links des Brustbeins und 1/3 rechts davon. Die abgerundete Spitze des Herzens liegt der Zwerchfellkuppel auf und ist im fünften Zwischenrippenraum tastbar.
Das Herz ist sehr störanfällig, besonders beim älter werdenden Menschen. Aber auch junge Menschen leiden immer häufiger unter Herzrhythmusstörungen, weil das Berufsleben keine Rücksicht auf die Bedürfnisse des Herzens nach Ruhe und Entspannung nimmt. Sogar der Sport, der ja eigentlich dem Herzen auf die Sprünge helfen sollte, kann zum Stress werden, weil die Unvernunft der Ausübung dem Herzen viel zu viel abverlangt.

Gift für das Herz sind die Hetze, der Ehrgeiz, die Ängste und die Sorgen, dazu die vielen Konsumgifte, vor allem Nikotin und Alkohol, tierische Fette
und Eiweiße. Was wir dem Herzen zumuten, merken wir erst, wenn es sich bemerkbar macht. Rhythmusstörungen, Stechen, Schwindel, Kurzatmigkeit sind Zeichen, die einer lang andauernden falschen Behandlung des Körpers folgen. Man muss aber wissen, dass diese Zeichen noch keine Herzkrankheiten sind, sondern funktionelle Störungen, die sich wieder beheben lassen, wenn der Mensch sein Leben ordnet und eine vernünftige Lebensweise einübt.

Die von der Schulmedizin angegebenen Ursachen für Herz-Kreislaufkrankheiten beschränken sich auf die messbaren physikalischen, auf die biologischen und biochemischen Daten und bleiben somit an der Oberfläche. Die eigentlichen, seelisch ausgelösten Faktoren bleiben unberücksichtigt.

Schulmedizinisch gesehen sind Auslöser für Herz-Kreislaufkrankheiten Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte (zu viel Cholesterin), Diabetes, Ernährungsfehler, Nikotin- und Alkoholmissbrauch, zu viele verschiedene Arzneimittel, Übergewicht, Bewegungsmangel und unabänderlich andauernde Nervenanspannung, man bezeichnet das als Disstress. Die Aufzählung ist sicherlich richtig, aber der Haken liegt wo anders, nämlich daran, dass sich die Medizin darauf beschränkt, diese Faktoren zu erfassen und mit Arzneimitteln zu beeinflussen. Das kann man aber nicht, weil man damit die Ursache nicht behebt, der man z.B. bei einem Alkoholiker mit keinem Mittel beikommen kann. Man kann aber helfen, dass dem Patienten der Entzug etwas leichter vorangeht, dass er Gift abbaut., aber heilen kann man ihn nur, wenn er selber will und sich dazu entschlossen hat.

Lebenshaltungsfehlern mit Arzneimitteln begegnen zu wollen ist grundlegend falsch. Dem Patienten wird damit die Eigeninitiative, der Willen gesund zu werden aus der Hand genommen. Damit gerät er in die Abhängigkeit von einer Arztpraxis und in eine Reihe ungewollter Nebenwirkungen, die sein Leben zur Hölle machen können. Die chemischen Mittel die heute, meist ganz automatisch, gegeben werden, sind Betablocker um den Blutdruck zu senken und Marcumar um das Blut fließfähiger zu machen. Beide sind nicht immer notwendig, werden aber routinemäßig gegeben, obwohl anfänglich auch Naturheilmittel gute Dienste leisten würden. Entweder findet der Kranke einen Arzt, der mit ihm geht oder er macht sich selbständig. Dazu gehört, dass er sich von den „ngsten befreit, die ihm von der Schulmedizin eingetrichtert worden sind.

Die Naturheilkunde bietet eine reiche Palette von Möglichkeiten, den Herz-Kreislaufkranken zu helfen. Ohne Nebenwirkungen und zu erschwinglichen Preisen können wir für Blutdruck, Herz und Kreislauf mit Mitteln der Naturheilkunde sehr wirksam arbeiten, aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Therapie tiefer gehen muss als nur zu Mitteln zu greifen.

Hildegard von Bingen hat in ihren Werken Causae et curae , Physica und dem Liber vitae meritorum eine Fülle von Anregungen gegeben, wie sich ein Mensch zurechtfinden kann, der wirklich an sich arbeiten will, um eine funktionelle Herz-Kreislauferkrankung wieder loszuwerden.

Nun will ich dazu kommen, wie Hildegard von Bingen Herz und Kreislauf sieht. Das Organ Herz wird von ihr in Causae et curae – etwas ungenau – als cardia bezeichnet, womit aber auch der obere Magengrund gemeint sein kann. Anatomisch liegen beide an dieser Stelle eng beieinander und können auch in der modernen Diagnostik verwechselt werden. Manche Herzbeschwerden sind in Wirklichkeit Magenbeschwerden, weil der Magen das Zwerchfell nach oben drückt und somit das Herz einengt. Auch die Milz ist an dieser Stelle Nachbarorgan und man kann sich denken, dass es hier sehr oft zu einem Symptomenkomplex kommt, der dem, der daran leidet, sehr zu schaffen macht.

Hildegard sieht die eigentlichen Ursachen für Herzerkrankungen viel tiefer als unsere Schulmedizin, nämlich in einem Mangel an guten Eigenschaften, in der seelisch-geistigen Haltung, im Charakter. All das wirkt auf das Herz, sagt sie und erzeugt die Kreislaufkrankheit. Wir sollten wissen, dass nicht jeder Herzschmerz eine Herzkrankheit ist oder gar ein Herzinfarkt. Der Schmerz kann auch eine Warnung sein, er kann bedeuten, dass der Mensch seine Konflikte lösen soll und seinen Lebensstil ändern. Herzschmerzen sofort mit Medikamenten zu beseitigen, heißt den Sinn dieser Schmerzen und der Botschaft die uns Gott und die Natur da geben wollen zu ignorieren. Jede Krankheit ist ja zunächst einmal eine Information, eine Botschaft, die über den Körper etwas aussagen will.

Was kann der Mensch nun selber tun? Herzschmerzen können ein Signal sein, eine Aufforderung über unser Leben und unsere Gefühle nachzudenken. Was habe ich denn? Was belastet mich? Wie gehe ich an die anderen Menschen heran? Wie gehe ich mit meinen Aufgaben um? Muss ich eventuell meine Lebensgewohnheiten überprüfen, muss ich sie ändern? Das kann für den einen bedeuten, mit seinem Nachbarn Frieden zu schließen, denn Streit und Hader können einen Menschen krank machen. Das kann für den andern bedeuten, sich selber nicht allzu wichtig zu nehmen, seinen Zorn unter Kontrolle zu bringen, die Hartherzigkeit durch Zuwendung an andere Menschen zu entschärfen. Es gibt viele Möglichkeiten, die gemeint sein können, wenn sich das Herz einmal meldet, z.B. bei Angina pectoris, einem leichten Herzschmerz, in der linken Brustgegend.

Zusammenfassend ist zu sagen: Neben den äußerlichen Belastungen für Herz und Kreislauf, von denen manche schicksalhaft und außerhalb unserer Kontrolle sind, so dass wir sie einfach annehmen müssen, gibt es auch viele innere Belastungen, die aus der Psyche kommen. Stress und Anspannung sind häufig von uns selbst gemacht. Die allermeisten Stressoren werden von uns selbst erzeugt. Gewohnheiten, die uns in Fleisch und Blut übergegangen sind, innere Konflikte, bewusste oder unbewusste, können die Ursache für ständige Ruhelosigkeit oder Verzagtheit oder für Perfektionismus sein.

Die Forscher sagen, dass es bei Herzkranken zwei typische Verhaltensmuster gibt: Typ A ist gekennzeichnet durch starken Ehrgeiz, Reizbarkeit, Rivalität und Ungeduld, gespannte Aufmerksamkeit, Beschleunigung vieler Aktivitäten, schnelles Sprechtempo, anderen ins Wort fallen, Abwehr von Gefühlen, Denken in Extremen, Alles-oder-Nichts Verhalten! Immer muss für ihn etwas los sein, dauernd ist er in Bewegung, aber nicht wirklich glücklich, nicht wirklich froh. Es fehlt ein inneres Dosieren. Die Energie wird nicht sinnvoll eingesetzt. Dem Typ A fehlt eine gesunde Empfindlichkeit den eigenen Körpersignalen gegenüber. Er kann das nicht wahrnehmen, was er wirklich braucht. Innere Unruhe und Unwohlsein, Gereiztheit, Schlafstörungen sind Warnsignale, doch sie werden übersehen. Und so kommt der Infarkt wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Dagegen ist Typ B ausgeglichen, gelassen, achtsam mit sich selbst und mit anderen Menschen. Er haushaltet gut mit den eigenen Kräften, er kann in allen Dingen entspannen, er wägt ab, er hat das rechte Maß. Das wird belohnt durch Gesundheit. Typ B hat drei bis viermal seltener einen Herzinfarkt als Typ A.

Hildegard sagt sinngemäß: Angina pectoris, die Verengung der Herzkranzgefäße, die Migräne des Herzens, das ist der Kern aller psychosomatischen Erkrankungen. Im Herzen liegt alles. Das Herz hat seit jeher den Vorrang vor dem Gehirn. Man kann sagen, das Gemüthafte ist noch wichtiger als das Verstandesmäßige. Das Herz ist der Sitz der Leidenschaften und ist das Symbol für Tugend, Tapferkeit und Stärke. Wenn ein Mensch an Herz und Kreislauf krank ist, soll er nach Hildegard zu allererst eine Tugend pflegen, das ist «Maßhalten». Das ist bei Hildegard eine unabdingbare Voraussetzung.
Hildegard hat 35 Heilmittel für das Herz, genau so viele wie Tugendkräfte. Unter diesen Heilmitteln ist der Galgant das wichtigste Mittel. Man muss ihn richtig einsetzen und dosieren.
Sehr wichtig ist auch der Jaspisst. Er ist der sogenannte Herzschrittmacher, den man durch Auflegen auf das Herz anwendet, um damit den Rhythmus des Herzens wieder richtig einzustimmen. Es kann sogar der Schmerz behoben werden, weil die Durchblutung wieder besser funktioniert. Hildegard nennt diesen Stein «einen Gruß von Gott an das menschliche Herz».
Hildegard gebraucht viele Symbole um die Zusammenhänge von Herz-Kreislaufkrankheiten und Psyche zu erklären.
«Ausgangspunkt sind die Füße €“ in aufsteigender Richtung laufen die BlutgefäŸe und verleihen strahlende Herrlichkeit und Wärme (das Synonym dafür sind die Sterne auf ihrer Bahn, die Blutgefäße). Sie durchziehen den Kopf und die Leber und geben Blut und Wärme. Sie sind durch das ganze Weltall (Synonym für Körper) hingesetzt, bei Tag und bei Nacht. Der Mensch wird durch die Gefäße zusammengehalten, damit er nicht zerflieŸt und in Stücke fällt. Das Blut wird in den Gefäßen bewegt und hält selber die Bewegung im Gefäßsystem aufrecht. Das Blut pocht und teilt Pulsschläge aus. So bewegt sich das Feuer (Synonym für Seele) in den Sternen und läßt sich bewegen und Funken sprühen. Wie der Mensch sich verhält, so veranstalten die Gefäße Stürme (Blutdruckschwankungen) in sich, das sind die gewöhnlichen Sterne (Gefäße). Die Planeten aber werden nicht bewegt. Die Gefäße zeigen an, was und wie der Mensch lebt und was er tut im freien Willen und seinen Folgen (Gemütsbewegungen und vegetatives Nervensystem). Sie zeigen nicht Zukünftiges, sondern was der Mensch getan hat. Sie zeigen nicht die Gedanken und Taten, sondern die Folgen davon, weil die Luft dies aufnimmt (Seele und Gemüt) und sie teilt es den Gefäßen mit und sogleich offenbaren diese des Menschen Werke.» (Vegetative Regulation).
Wenn also die Seele aufnimmt, was die Folgen der Gedanken sind und es den Gefäßen offenbart, hat sie die Fähigkeit eines Überbringers von Botschaften. Wäre es denkbar, dass das nicht nur von drinnen nach draußen funktioniert sondern auch umgekehrt? Wäre das vielleicht eine Erklärung, warum diese Heilmittel wirken?

Die Seele nimmt die Botschaft aus der Subtilität des Mittels auf und gibt sie an die grünkraftführenden Gefäße weiter (Blut ist grün, wenn es gesund ist, das läßt sich auf einem Objektträger sehen, worauf Blut hauchdünn verteilt wurde), diese transportieren ihre Erkenntnis zu den Gedanken (Gehirn) und diese teilen es den Elementen bzw. Säften mit, damit sie wieder richtig laufen können. Das ist hildegardisch gedacht, – für die Schulmedizin mittelalterlich – für Menschen, die das alte Wissen pflegen aber nicht ungewöhnlich. Kreislauf. Es hat sich so ergeben, dass diese Krankheiten als Zivilisationskrankheiten bezeichnet werden. Noch deutlicher wird es, wenn wir diese Probleme als Wohlstandskrankheiten bezeichnen.

Wenn wir uns einmal mit Hildegards Liber vitae meritorum befassen, kommen wir schnell darauf, dass Krankheiten vielfach aus der Psyche kommen. Sie psychosomatisieren sich, weil der Mensch über seine Verhältnisse lebt, denen, die ihm die Natur gegeben hat, mit denen er haushalten sollte, weil sie leicht Schaden nehmen können. Das moderne Leben ist hektisch, zermürbend, lebensfeindlich, gesundheitsschädlich. Die seelische Gesundheit kann so nicht erhalten bleiben.

Viele Herzbelastungen sind aber auch Schicksal, was wir nicht verändern können. Eine Herzkrankheit die ererbt ist oder Folge eines Geburtsfehlers, müssen wir in die Hand der erfahrenen Ärzte legen, da kann die Psyche nur mithelfen. Neben den äußerlichen Belastungen für Herz und Kreislauf gibt es aber auch viele innere psychische Belastungsfaktoren. Gewohnheiten, die uns in Fleisch und Blut übergegangen sind, innere Konflikte, Perfektionismus.

Volksweisheiten sagen es: Das Herz ist bei Hildegard der Kern aller psychosomatischen Erkrankung. Im Herzen liegt alles. Die Volksseele hat seit Jahrhunderten über das Herz nachgedacht und das finden wir bei Hildegard in einer umfassenden Tiefe. Das Herz hat gegenüber dem Gehirn den Vorrang. Das Gemüthafte geht vor dem Verstandesmäßigen. Das Herz gilt als Sitz der Leidenschaften, aber auch als Symbol der Liebe, der Tapferkeit und der Stärke. Dem einen wird ein großes Herz zugesprochen, der andere hat überhaupt kein Herz, oder Einer hat das Herz auf dem rechten Fleck, ein guter Mensch läßt sein Herz sprechen. Es gibt sogar Menschen, die tragen ihr Herz auf der Zunge. Man schwört mit «Hand aufs Herz». Einem fällt ein Stein vom Herzen, ein anderer ist mit ganzem Herzen bei der Sache. Man kann sogar sein Herz verlieren, wenn man sich verliebt.
Das Krankheitsbild der Arteriosklerose besteht in einer Verhärtung der Gefäße. Die Arterien werden durch Ablagerungen von überflüssigen Stoffwechselprodukten verengt. Wie ein starres Rohr stellt sich das dar. Ist die Verhärtung der Gefäße weiter fortgeschritten, sind die Symptome noch viel ausgeprägter. Wenn ein Mensch dann völlig desorientiert und depressiv ist, kommt das möglicherweise auch von einem Blutmangel im Gehirn. Lunge, Leber Niere und Gehirn, auch die Beine, werden durch Arteriosklerose betroffen. Hildegard beschreibt das als eine Reihenfolge, die an den Nieren beginnt. Auch nach den neusten Forschungen ist das so, die Schlacken des Stoffwechsels können nicht mehr vollständig von den Nieren ausgeschieden werden. Die Ablagerung in den Gefäßen und im Gewebe wird immer ärger.

Hildegard geht bei der Entstehung dieser Krankheit noch tiefer, sie sagt, daß es sich um eine gewisse seelische Verhärtung handelt. Nur von den Ablagerungen durch Essen, kann ein Mensch eigentlich nicht in diesem Sinne so verhärten, wenn nicht auch die seelische Komponente hinzutritt. Das ist bei Hildegard das Laster der Hartherzigkeit. Durch diese Haltung wird die Arteriosklerose verstärkt, wird ein Giftstoff im Körper vermehrt, das ist die Melanche, eine Substanz wie die Schwarzgalle und das löst eine Kaskade aus, es kommt zur Folgeerscheinung von Hunderten von verschiedenen enzymartigen Ausschüttungen an dem falschen Orten und zu Organschäden die sich daraus entwickeln können. An vielen Stellen ihrer Schriften nennt Hildegard in der Besprechung und den von ihr geschauten Bildern, das Bild vom unbeweglichen Stier. Die Verschlossenheit des Herzens, die der Reue entgegensteht, aber auch von der obstinatio, der Herzenshärte, die der Nährboden für diese Erkrankung ist. Mit Hartherzigkeit bezeichnet Hildegard die abstumpfenden, verhärtenden Kräfte im Menschen, die sich wie Ballast, wie Schmutz und Schlacke in den Blutgefäßen ablagern können oder auch im Bindegewebe einlagern und somit den gesamten Organismus belasten. Die Hartherzigkeit kümmert sich nicht mehr um das Überirdische, sondern nur noch um irdische Dinge und alles andere bleibt ihr verschlossen. So ein Mensch nimmt keine Notiz von Gott, sieht und kennt ihn nicht mehr, das Wahrnehmungsvermögen dafür ist vernebelt. Sein Herz ist wie mit Pech und Schwefel verleimt und verkettet. Das denkende und das fühlende Herz ist hier gemeint. Hildegard sagt, dass ein Mensch, der ein Herz hat, das fühlen und denken kann, nie in die Sklerose fällt. Das ist wie bei Salomon dem Weisen, dem Gott sagte, dass er sich etwas wünschen dürfte und der sich ein weises, ein hörendes und fühlendes Herz gewünscht hat. Hartherzige Menschen gelangen oft in Zorn und Verbitterung wenn sie ihre Ziele nicht erreichen, so dass sie kein Vertrauen mehr in die Mitmenschen haben. Ihre Worte sind wie Pfeile, die sie wie aus Schießscharten abschießen. Ihre Werke sind voller Bitterkeit und Stumpfsinn, das ist all das, was aus der Hartherzigkeit kommt und dann bitter in den Menschen zurückgeht. Wen es trifft, der wird von den Pfeilen selbst getroffen. Hartherzige können nur durch Herzschmerzen und durch die Herzenszerknirschung, das ist bei Hildegard die compunctio cordis, die Reue, von ihrem eigenen Herzklopfen zur Einsicht und zur Umkehr gebracht werden. Durch die Tugend der Reue bricht die Härte auf. Durch Reue wird der Mensch ín seiner ganzen Natur durchgeschüttelt und durchbebt, so dass das Harte von ihm weggenommen wird.

Die Arteriosklerose ist eine schleichende Krankheit. Es heißt, dass es bis zu fünfzig Jahre dauern kann, bis ihr gefährliches Stadium erreicht ist, nämlich der Schlaganfall, das heißt ein Gehirnschlag. Der kann blutig sein oder auch ohne Erguss aus einem Gefäß, das wegen zu großem Druck gebrochen ist. Das Blut verdrängt dann die Gehirnmasse und es entstehen die halbseitigen oder totalen Lähmungen. Es gibt auch den trockenen Schlaganfall, bei dem das Gehirn keinen Sauerstoff mehr bekommt. Die Wirkung ist fast dieselbe. Hildegard nennt den Stoff, der aus der Traurigkeit kommt Schwarzgalle. Die antiken Ärzte nannten es Melanche und daher kommt auch der Ausdruck Melancholie.

Hier setzt die hildegardische Psychotherapie an, denn das Krankheitsbild führt zum Laster der Hartherzigkeit. Wie ein Qualm legt sich die Hartherzigkeit um das Herz, so dass die Seele keinen Ausblick mehr hat wie es weitergehen kann.

Durch die Verengung der Gefäße und deren Verhärtung kommt es dazu, dass das Herz mehr Arbeit hat. Es versucht mit vermehrter Kraft gegen den Widerstand anzuschlagen. Ist es aber schon geschädigt oder schwach, kommt es zum Hochdruck zur Hypertonie und das ist eine Krankheit, die häufig vorkommt. Hildegard sagt, dass die Anfänge des Hochdrucks im seelischen Bereich liegen und dass davon der ganze Mensch betroffen ist. Aus der Tiefenpsychologie von Jung wissen wir, dass Hochdruckkranke an inneren Nöten leiden, die von starken Emotionen begleitet sind, was immer von der Seele her kommt. Außerdem lebt der Hochdruckkranke in einer intensiven Opposition zu seinem Umfeld. Er trägt auch häufig ängstliche oder aggressive Gefühle in sich. Er ist insgesamt immer aufgewühlt und in einer aufgeladenen Gefühlsverfassung. Dabei lebt er in einer dauernden Sympathikusüberaktivität. Konflikte gehen auf Herz und Kreislauf. Verborgene oder manifeste Aggressionen scheinen die kleinen Arteriolen spastisch zu verengen. Dieser Widerstand erzeugt den Hochdruck. Alle Patienten, die in einer Studie untersucht wurden, litten an schweren Konflikten in ihrer familiären oder auch in der beruflichen Umwelt.

Der Charakter des Hochdruckkranken spielt eine große Rolle. Es muss nicht sein, dass einem die Krankheit als solche gegeben ist, wenn wir aber alles tun, dass sie sich entwickelt, wir uns einen bestimmten Charakter aneignen, es in unser Wesen einprägen, dann haben wir die Krankheit früher oder später manifestiert. Häufig findet man dabei Anzeichen inneren Zwangs durch den die Betroffenen ihre Persönlichkeit massiv unter Druck setzen. Gleichzeitig besitzen sie ein lebhaftes Wesen, das sie wiederum zwanghaft niederhalten. Das ist ein Widerspruch, einerseits sind sie sehr lebhafte fröhliche Wesen, sogar nach außen gewandt, extravertiert, andererseits, haben sie den Zwang, es nicht zu zeigen. Das sind vitale und dennoch gehemmte Menschen, die einem Dampfkessel gleichen, dessen eingesperrte Lebendigkeit zum Kochen und zum Sieden kommt, wobei sie in Folge ihrer Erziehung auf den Ausbruch von Zorn und Wut verzichten. Das erzieherische Element ist, dass ihnen vielleicht schon als Kind nicht erlaubt wurde, Gefühle zu äußern und sie zurückgehalten wurden und davon ist dieses eingesperrte Energiepotential noch größer geworden. Der unterdrückte Affekt der Gefühle reagiert sich dann im Kreislaufsystem ab, wird zunächst funktionelle Beschwerden machen, ohne dass das Organ beteiligt ist, aber später kommen die körperlichen Schäden. Wer mit einem Hypertoniker lebt, weiß welche angespannte Atmosphäre dieser Charakter um sich verbreitet. Hildegard bezeichnet diese Art Verhaltensmuster als wahren Greuel. Es ist unangenehm mit diesen Menschen zu leben.

Hildegard gibt uns Anregungen, wie wir dieses vorhandene Spannungsfeld wieder lösen können. Hochdruck ist als Störung der Erlebnisverarbeitung zu verstehen. Eine Vermutung geht dahin, dass Fehlleistungen des Vegetativums und Dysfunktionen hormoneller Drüsen den Kreislauf unter Druck setzen, deshalb sieht man am Hochdruckkranken häufig diese Zeichen: Kopfschmerz, Herzklopfen, rotes Gesicht Arterienverkalkung Herzerweiterung, Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Nervosität bis hin zum Schlaganfall. Das Problem wird von vielen Ärzten als reine Medikamentenfrage angesehen. Es erweist sich aber als eine zutiefst menschliche Problematik. Der behandelnde Arzt müßte viel Zeit haben und der Sache nachgehen, denn nur eine psychotherapeutische Führung mit einem hohes Maß an menschlicher Reife kann diesen Fall bewältigen. Hildegard setzt dazu die sittlichen Kräfte, die virtutes ein, um den Menschen zu helfen ihren Lebensstil zu ändern. Z.B. dass sie gelassen werden, sich entspannen können, dass sie nicht mehr nach dem Geld jagen, nach all den irdischen Dingen. Die Liebe zur Welt ist der Anfang zu all den vielen Stufen der 35 Belastungen bis hin zum Weltschmerz, bei dem sich der Mensch durch seine negativen Kräfte vollkommen verausgabt hat.

Oft hilft schon eine einfache Umstellung der Essgewohnheiten hin zum Einfacheren, eine Diätetik einhalten, salzarm leben, fett- und fleischfrei, so kann man manchmal einen Hochdruck schon im Frühstadium unter Kontrolle bringen. Anwendungen, die man zusätzlich machen kann, sind die Heilsauna, Erholungspausen und Bewegungstraining. Ganz gezieltes Gehen kann helfen, Atemübungen, Autogenes Training und Wasseranwendungen nach Kneipp. Man kann auch homöopathisch sehr viel erreichen, z. B. mit einer Verdünnung von Gold. Das verbessert, weil dieses Gold das Bild des hochdruckkranken Menschen darstellt. Aber auch Quecksilber oder die Mittel Barium, Arnika, Chlononium und Kaktus können helfen. Viele Möglichkeiten sind uns von der Natur gegeben, auch außerhalb der Hildegardheilkunde. Aber das Entscheidende ist die Behandlung der Seele.

Hildegard sagt, «dass sich die Zukunft der Schöpfung und die Geschichte am Herzen des Menschen entscheidet». Es spiegelt sich alles Leben auf dieser Erde wider, das Kranke und das Gesunde. Hildegard sagt weiter: «Die Erde schenkt ihr sprießendes Grün je nach der Natur des Menschen, je nach den Eigenschaften und den Bestrebungen seines Seins und Handelns. Der Mensch ist das lichtgrüne Herz der ganzen lebendigen Fülle der Natur. Diese Grünheit ist die viriditas und bedeutet das ganze Lebens, ansonsten geht auch ein Weg vom Herzen des Menschen zu allen Elementen des Weltenbaus, mit denen der Mensch das bewirkt, was er in sich selbst entscheidet.» Der Weltgestank, die Störung des ökologischen Gleichgewichts, die wir Menschen ausgelöst haben, führt dazu, dass viele Arten von Pflanzen sterben werden und Tiere dahinsiechen. Der ganze Lebensraum wird verpestet und liegt da in Agonie. Das ist der Todeskampf. Der Mensch verhungert aus Mangel an der viriditas des Herzens. Kreislauf, Atmung, Verdauung, Ausscheidung, Drüsensekretion, Stoffwechsel, all das wird von den seelischen Tugendkräften geleitet. Wenn ich also ein seelisch gesunder Mensch bin, wird das alles in Ordnung gehalten. Wenn ich aber die Ordnung der Tugendkräfte nicht habe, fällt dies auf die Seele zurück.
Die sieben Verhaltensfehler, die sich auf Herz und Kreislauf auswirken, sind nach Hildegard Hartherzigkeit, Engherzigkeit, Verschlossenheit, Verstocktheit, Verbitterung, Stumpfsinn und Zorn.

Bei genauerem Hinsehen könnten aber noch mehr Verhaltensmuster aus dem Katalog der Tugenden und Laster mit der Ausbildung von Herz-Kreislauferkrankungen verbunden sein.

An erster Stelle aber steht die Verschlossenheit oder Starrköpfigkeit, die obstinatio. Sie wird an mehreren Stellen im Buch Liber vitae meritorum erwähnt. Hildegard gebraucht das Sinnbild vom «unbeweglich dastehenden Stier». Dieses Laster ist der Nährboden für Herzkreislauferkrankung. Abstumpfende, verhärtende Elemente lagern sich wie Ballast, Schmutz oder Schlacke in den menschlichen Blutgefäßen und in seinem Bindegewebe ab und belasten den Organismus. Tränen können dann erlösend sein und sind wie das Grundwasser der Seele, das alles hinwegschwemmt, was verhärtet ist, sagt Hildegard. Der Gegensatz zur Starrköpfigkeit ist die Reue. Sie kann die Natur neu beleben, sie bricht die Härte auf, der Mensch wird durchgeschüttelt, durchbebt, so dass alles Harte von ihm genommen wird.

Die Hartherzigkeit ist die obduratio, die schon fast zu einer Epidemie geworden ist. Die Verhärtung des Herzens, die Verrohung der Gefühle, die Teilnahmslosigkeit am Elend der Armen, am Hunger, die Abkapselung und die Versteifung gegenüber dem Humanen und die Beziehungslosigkeit dem Leben gegenüber schlägt sich in den vielen verhärtenden Erkrankungen der heutigen Menschen nieder, denen mit keinem Medikament auf Dauer zu helfen ist. Hier geht es eindeutig um eine Verrohung der Gefühle, die sich auf dem Leib als Sklerose psychosomatisch auswirkt. Nicht nur das Herz und die Gefäße, auch die Haut kann davon betroffen sein, das nennen die Ärzte dann Sklerodermie.

Die positive Eigenschaft, die der Arzt dem Kranken gegenüber erstreben soll, ist die Barmherzigkeit. Ein Mensch im Heilberuf sollte barmherzig sein und Hildegard sagt: «das geht dann über in die Tat, es muss die Mitteilung des Fühlens sein, was er in seinem Herzen hat.» Er muss mit dem Patienten das Leid tragen, er darf den kranken Menschen nicht alleine lassen, der Heiler ist eins in sich selber, nicht mehr gespalten. Einssein als Heilkraft und als Heilmittel personifiziert, kann diesem Anderen das Heil wirklich bringen. Ein guter Arzt hat Placebowirkung, er wirkt bereits durch seine Anwesenheit. Der Heiler leidet mit, er fastet mit, er freut sich mit, er trägt die Lasten mit und er betet mit seinem Patienten.

Die Tugenden sind heilende Seelenkräfte. Sie stellen wieder her, weil sie auf den Leib ausgerichtet sind, wenn der Mensch in sich geht und das wieder gut macht, was er bisher nicht gut gemacht hat. Tugenden sind die effektivsten und besten Abwehrkräfte gegen Gebrechen und Schwächen des Körpers. Die Tugend der Reue führt zur Zerknirschung des Herzens. Die compunctio cordis ist das wirksamste Heilmittel das es gibt. Wenn ein Mensch standhält und das Negative in sich erkennen will, dann kann man sagen, beginnt die compunctio cordis. Einen Mensch, der sich dem nicht stellt, der davonläuft, den nennt Hildegard eine flüchtende Seele (Anima fugativa) und diese kann nicht standhalten. Die compunctio hält die Spannung aus. Der Mensch ist andauernd in einer Spannung zwischen Leib und Seele, zwischen Materie und Geist. Das ist unglaublich schwer auszuhalten, aber wir müssen im Lauf des Lebens damit umgehen lernen, damit wir wieder gesund werden können.

Es fällt auf, wie in dem Zusammenhang bei Hildegard das Seufzen und das Klagen, die Tränen und die Zerknirschung, das Schluchzen das Erschüttertsein und das Betroffensein eine ganz große Rolle spielen, weil das den Menschen wieder dorthin bringen kann, wo er sein soll. Er muss einmal alles hinausschreien dürfen, was ihn quält. Hildegard nennt das suspirium, hauchen, ein Herausholen von der innersten Seele her. Manchmal muss ein Mensch hinausbefördern, was ihn zutiefst bewegt und ihn vielleicht schon lange gekränkt hat. In der compunctio cordis, gerät der Mensch als Ganzer in Bewegung. Er wird aufgerüttelt, er kommt wieder in Bewegung zu seiner göttlichen Natur hin.

Hildegard sagt: «Das suspirium eröffnet das Erstarrte, es wird gelöst, es kommt zur Einsicht und über die Einkehr zur Wende der Not. Der Mensch findet zu sich, er kommt aus der Entfremdung in sein eigenes Herz, das Haus, wo die Seele wohnen kann, zurück.» Krankheit als Entfremdung ist nach Hildegard etwas ganz Wichtiges. Die Psychosomatisation stellt also die Krankheit dar.

Als vorbeugende Maßnahme gegen Gefäßkrankheiten empfiehlt Hildegard etwas zu tun, das die Blutgefäße wieder geschmeidig macht. Wenn nun ein Mensch merkt, daß er auf dem Wege ist, auf diese Weise krank zu werden, also verhärtete Gefäße bekommt, dann soll er tun, was Hildegard sagt. Dafür hilft das Wermutelixier, das sogenannte Frühlingselixier und die Quitte, gekocht, roh oder getrocknet. Die Quitte ist sehr wirksam bei der Arteriosklerose und kann vor allem auch die Ausscheidung von Ermüdungsstoffen bewirken, das ist der Melancholiestoff, die sogenannte Schwarzgalle. Diese Schwarzgalle schlägt sich nämlich auf dem Gemüt nieder und wirkt somit gleichzeitig seelisch und körperlich, so dass sie entfernt werden muss.

Aber noch wichtiger ist Vorbeugung und Heilung über die Seele. Würden wir Arteriosklerose nur medikamentös behandeln, dann würde uns wahrscheinlich kein Erfolg beschieden sein. Es handelt sich ja dabei um einen seelischen Vorgang, der auch über die Seele wieder behoben werden muss. Wenn ein Körper mit seiner Seele in Harmonie ist, wird er nicht krank.

Musik für Leib und Seele ist Harmonie und die kann den Menschen wieder herstellen, indem er auf seine Gemütsverfassung achtet und so lebt, dass er richtig schwingen kann. Bei Hildegard spielt die Musik eine große Rolle und der Gesang zum Lob Gottes füllt ein ganzes Buch, das «Buch der Lieder».

Ohne Herz können wir nicht leben und Hildegard hat einen wunderbaren Begriff für die Lebenskraft, das ist bei ihr die viriditas, die Grünheit oder Grünkraft. Diese viriditas hat ein Mensch, der ein fröhliches Herz hat. Alles was ein Herz froh macht, ist angesagt, wenn der Arzt sagt: «Sie haben ein schwaches Herz». Oder «ihr Herz muss gepflegt werden». Eine positive Lebenseinstellung schützt vor Herz- und Kreislauferkrankungen!

Mit freundlicher Genehmigung für symptome.ch und zur allgemeinen Verwendung freigegeben!

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Autorin: Rota

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