Cranio-mandibuläre Dysfunktion (CMD)

Kategorien: Krankheitsbilder

Eine Fehlfunktion des Kausystems als Ursache für vielfältige Symptome und Beschwerden, auch abseits des Kausystems

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Cranio-mandibuläre (von lat. Cranium für Schädel und lat. Mandibula für Unterkiefer) Dysfunktion (Fehlfunktion), Abkürzung CMD, bezeichnet eine systemische Erkrankung der Funktionszusammenhänge der Kopf-Schulterorgane und ist ein Oberbegriff für funktionelle, psychische, strukturelle und biochemische Fehlfunktionen im Zusammenspiel von Zähnen, Knochen, Muskeln, Kiefergelenken und sonstigen Weichteilen.

 

Andere, teils ältere Begriffe sind: Myoarthropathie, myofaciales Schmerzsyndrom, orofaciales Schmerzsyndrom, Dysfunktion des Kauorgans, Costen-Syndrom (veraltet). Im angelsächsischen Raum wird CMD als TMD (temporo mandibular disorder, von lat. temporo für Schläfen, engl. disorder für Unordnung) oder TMJ (temporo mandibular joint disease, von engl. joint disease für Gelenkerkrankung) bezeichnet. Auch die Schreibweise mit «K» (Kranio-mandibuläre Dysfunktion) und/oder ohne Bindestrich (Kraniomandibuläre Dysfunktion) ist gebräuchlich.

Symptome

Das Tückische an der CMD ist die breite Streuung der Symptome und Beschwerden, die zum großen Teil abseits des Kausystems auftreten. Man kann sie auch als «Teufel» oder «Chamäleon» des orofacialen (Kau-Gesichtssystem) Systems bezeichnen.

Die Symptome lassen sich zum einen unterscheiden in

  • gelenkbezogen (Arthropathie)
  • muskelbezogen (Myopathie)
  • diffuser dumpfer Schmerz
  • sonstige Symptome

und zum anderen nach dem Ort in «nahe» und «ferne» Symptome.

«Nahe» Symptome:

  • Zahnschmerzen ohne erkennbaren Zusammenhang oder durch Pressen und/oder Knirschen
  • Mundöffnungs- und Mundbewegungseinschränkungen
  • Knacken oder Reibegeräusche eines oder beider Kiefergelenke
  • Schmerzen im Kiefergelenksbereich oder Kiefer-Gesichtsbereich
  • Kiefergelenksbeschwerden, Kauschwierigkeiten
  • Zahnlockerungen (lokale Parodontitis), Zahnfleischrückgang (Gingivarezessionen)
  • empfindliche Zahnhälse, Kerben an den Zahnhälsen (keilförmige Defekte)
  • Zahnstellungsveränderungen
  • auffällige Abnutzungserscheinungen von Kauflächen eines oder mehrerer Zähne (Abrasionen)
  • Gefühl, dass die Zähne nicht mehr richtig aufeinander passen
  • Verspannungen der Gesichtsmuskulatur beim Aufwachen
  • Brennen oder taubes Gefühl der Zunge oder Mundschleimhaut

«Ferne» Symptome:

  • Kopfschmerzen, Kopfdruck (vor allem Schläfen und Hinterkopf), eingeschränkte Kopfdrehung
  • Nackensteifigkeit und -verspannungen, Nacken- und/oder Schulterschmerzen
  • Taubheitsgefühl in den Armen oder Fingern
  • Schmerzen in Gelenken, Schultern, Rücken
  • eingeschränkte Drehmöglichkeit im Hüftbereich (ISG-Blockade)
  • Beckenbodenprobleme
  • Ohrenschmerzen ohne erkennbare Ursache, Ohrgeräusche (Tinnitus), Hörminderung
  • Schwindel
  • Schluckbeschwerden, Kloßgefühl im Hals
  • Schmerzen hinter den Augen, Augenflimmern, Doppeltsehen, Lichtempfindlichkeit, Sehstörungen

Ursachen, Einflussfaktoren und Funktionszusammenhänge

Das Skelett wird durch eine ausgewogene Muskelmotorik gerade gehalten. Muskeln wirken wie Gummizüge. Verhärtet sich lokal ein Muskelzug, so kommt das gesamte System der Muskelzüge durcheinander und positioniert alle Skelettverbindungen und Gelenke falsch. Der Körper oder das Verhalten des Menschen adaptiert und kompensiert mit Ausgleichsverhaltensmustern so lange es geht, bis Schmerzen oder weitere Ausfälle durch Muskelspasmen oder durch abgequetschte Nerven entstehen. So ist es zu erklären, dass «schief stehende Zähne» Verhärtungen der Kaumuskulatur verursachen, welche die Nacken- und Schultermuskulatur und damit die Muskulatur der Wirbelsäule «verziehen».

Genauso vielschichtig wie die Erkrankung ist, so umfangreich ist auch ihre Entstehung – ein Blumenstrauß von Möglichkeiten. Es gibt unterschiedliche «Schulen», die andere Schwerpunkte in der Entstehung und Begünstigung von CMD setzen.

Nach einem Denkmodell, das mittlerweile Verbreitung gefunden hat, kann CMD auf zwei Arten entstehen:

  • Absteigend: Die Probleme gehen von der Zahnstellung/falscher Prothetik usw. aus und übertragen sich dann auf das Kiefergelenk und den gesamten Körper (Schulter, HWS, Rücken etc.).
  • Aufsteigend: Eine Skoliose – entweder durch einen Beckenschiefstand (z.B. durch ein echt kürzeres Bein) oder als eigenständige Erkrankung (im Jugendalter) – wirkt sich auf die HWS und das Kiefergelenk aus.

In mindestens 80% der Fälle gilt die Okklusion (von lat. occludere für verschließen, hier auf das Gebiss bezogen) als ursächlich oder hauptverantwortlich an der CMD beteiligt. Prädisponierende, auslösende und unterhaltende Faktoren umfassen biologische, psychische und soziale Elemente.

Vermutete und diskutierte Faktoren sind

  • Depression, emotionaler Stress, posttraumatische Belastungsstörung
  • Frühere Schmerzerfahrungen
  • Genetik
  • Hormone
  • Haltungsstörungen
  • Makrotrauma durch Unfälle
  • okklusale Störungen
  • körperliche Fehlstellungen und Dysfunktionen im Beckenbodenbereich

Diagnose

Die notwendigen Analysen für die Diagnose einer CMD sollte ein auf die Bereiche Kiefergelenk und Funktionsanalyse ausgebildeter Zahnarzt-Spezialist durchführen.

Am Anfang führt dieser eine ganzheitliche manuelle Funktions- und Strukturanalyse durch. Dabei werden mit den Fingerspitzen die unterschiedlichen Kau- und Kopfmuskeln auf empfindliche Druckpunkte – so genannte Triggerpunkte – untersucht. Diese druckschmerzhaften Verhärtungen lösen meist Schmerzen an anderen Körperstellen aus. Zudem wird die Druckempfindlichkeit des Kiefergelenks vor den Gehörgängen ertastet, um Entzündungen der Gelenkkapseln festzustellen. Auch die Körperhaltung wird zur Diagnose herangezogen und die Drehung, Kippung und Neigung des Kopfes geprüft.

In seltenen Fällen müssen zusätzlich mit einem Aufzeichnungsgerät die Gelenkpositionen des Unterkiefers vermessen werden. Ein Kausimulator (Artikulator) setzt die ermittelten Daten in realitätsnahe Kaubewegungen des Patienten um. Der Zahnarzt-Spezialist kann so Faktoren ermitteln, die den Biss stören.

Therapie

Ein Behandler allein genügt für die Therapie der CMD meist nicht. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Zahnärzten, Orthopäden und anderen Fachärzten, Physiotherapeuten, Osteopathen usw. ist wünschenswert und notwendig.

Basistherapie ist die zahnärztliche Behandlung: Sie soll das harmonische Zusammenspiel der Körper- und Mundstatik wiederherstellen. Bevor irreversible Maßnahmen, wie z.B. Einschleifen oder neuer Zahnersatz, durchgeführt werden, soll eine biodynamische Funktionsschiene eingesetzt werden. Diese – meist im Unterkiefer einzusetzende Schiene – ist herausnehmbar und gleicht die Differenz zwischen der muskelgewünschten und der zahnerzwungenen Unterkieferlage aus.

Quellen

  1. Arbeitskreis Craniomandibuläre Dysfunktion: Startseite
  2. cmd-initiative, Sonja Hentschel: Symptome der CMD
  3. Dr. Klaus-R. Höffler: CMD – carnio-mandibuläre Dysfunktion
  4. Institut für Craniomandibuläre Dysfunktion – ICMD, Dr. Georg Risse: Die CMD-Medizin
  5. ZP – Zahnarzt & Praxis: Überbelastung der Kaumuskulatur und Rückenschmerzen – ein kausaler Zusammenhang (der Link zur verwendeten Quelle unter www.zp-aktuell.de/ ist nicht mehr online verfügbar)

Literatur

Siehe auch

Forumsbeiträge

Weblinks

Autor: Zahira
Technische Hilfe: Kate

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