Ich hätte mal noch ein paar Gedankengänge.
Sollte man nicht auch auf seinem Körper hören, wenn der Körper sehr schwer krank ist und nicht mehr regenerierbar kaputt ist, was die Gedanken um das Ableben betrifft?. Nicht nur ob die Seele gehen will? Ich spreche hier kurz das Thema Sterbehilfe etc. an.
Den Körper sollte man auch "fragen". Er ist der Organismus, der alles ausbaden muss.
LG NellyK
Liebe Nelly,
es scheint wirklich so, daß die Bedürfnisse des Körpers und des Geistes von vielen Menschen nicht zusammenkommen.
Seit geraumer Zeit beobachte ich einen Bekannten, der über 80 Jahre alt ist und immer hinfälliger wird. Er kann nur noch mit Unterarmstützen kurze Wege laufen, schluckt nach eigenem Bekunden über 20 Tabletten jeden Tag, wurde bei einer Autofahrt schon einmal bewußtlos und fuhr quer über eine Landstraße in einen angrenzenden Wald hinein, was einen Totalschaden seines Autos verursachte. Zum Glück kam gerade kein anderes Auto auf der Gegenfahrbahn. Er kriecht immer mehr in sich zusammen, wenn ich es bildlich ausdrücken möchte.
Aber er ist ein krasser Materialist und kann nicht loslassen. Mit seinem neuen Auto geht es weiter wie bisher, auch auf die Gefahr hin, daß er noch einmal einen schweren (vielleicht für andere Verkehrsteilnehmer tödlichen) Autounfall verursacht.
Ganz anders war es bei meiner Mutter. Sie hatte nach einem schweren Herzinfarkt einige Jahre gesundheitliche Probleme, aber mit Medikamenten ging es noch. Ihren 75. Geburtstag feierte sie im großen Verwandtenkreis. Sie lebte noch einmal richtig auf und legte sogar ein kleines Tänzchen aufs Parkett.
Zwei Tage später kam sie mit Magenbluten, verursacht durch Acetylsalicylsäure (ASS), die sie nach dem Infarkt nehmen mußte, in das Krankenhaus. Ihr Zustand schien sich zuerst zu bessern, aber aufgrund der Herzschwäche bekam sie schließlich Wasser in der Lunge. Meine Freundin (heute meine Frau) und ich besuchten sie häufig und als wir an einem Sonntag abend gegen Ende Januar weggingen, schickte sie uns noch einen langen und intensiven Blick nach. Kurze Zeit darauf erlitt sie einen Herzstillstand. Sie wurde reanimiert und in ein künstliches Koma versetzt. Ich habe am Montag vormittag mit einem jungen Arzt auf der Intensivstation lange Zeit gesprochen, um ihm klar zu machen, daß meine Mutter so etwas nicht wollte. Er wunderte sich, denn so etwas hatte er noch nicht gehört. Öfter seien dagegen schon Angehörige kurz vor Monatsende zu ihm gekommen mit der Bitte, den sterbenden Vater oder die Mutter wenigstens noch bis zum nächsten Monat am Leben zu erhalten, da ja dann die Rente noch einmal komme(!).
Nun, wie auch immer. Kurze Zeit nach unserem Gespräch erlitt meine Mutter einen weiteren Herzstillstand. Jetzt entsprach der Arzt ihrem Wunsch und sie wurde nicht mehr reanimiert. Als ich danach wieder ins Krankenhaus kam, um von meiner Mutter Abschied zu nehmen, sagte er nur: "Sie hatten recht." Mir war klar, daß meine Mutter gehen wollte. Sie konnte loslassen, als sie sah, daß ich nicht mehr alleine war.
"Loslassen zu können" scheint mir das große Problem zu sein. Ich denke, wenn der Geist erst einmal loslassen kann, geht es viel leichter.
Liebe Grüße
Jürgen