Lebenswerte Zukunft

... mein Land, das ferne leuchtet ...

... und dein Angesicht.​
(Johanna Egli, Sopran; Charlotte Kaufmann, Klavier)


Du bist Orplid, mein Land!
Das ferne leuchtet;
Vom Meere dampfet dein besonnter Strand
Den Nebel, so der Götter Wange feuchtet.

Uralte Wasser steigen
Verjüngt um deine Hüften, Kind!
Vor deiner Gottheit beugen
Sich Könige, die deine Wärter sind.

(Eduard Mörike, Hugo Wolf)
* * *

Gesegnet sei, durch den die Welt entstund.
Wie trefflich schuf er sie nach allen Seiten.

Er schuf das Meer mit endlos tiefem Grund,
Er schuf die Schiffe, die hinüber gleiten.

Er schuf das Paradies mit ew'gem Licht,
Er schuf die Schönheit - und dein Angesicht.

(Paul Heyse, Hugo Wolf)
 
@ihr: Polylog stimmt schon ;)

Was mir noch zum Thema Meer einfällt - bin ja nicht so poetisch wie ihr, sondern ein Kind des Fernsehens - ist der Film "Das Meer in mir":



 
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Du sollst dir kein Bildnis machen

„Gerade von dem Menschen, den wir lieben, können wir am wenigstens sagen, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, daß sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in all seinen möglichen Entfaltungen. Wir wissen, daß der Mensch, wenn man ihn liebt, sich verwandelt fühlt, wie entfaltet, und daß auch dem Liebenden sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte. Vieles sieht er wie zum ersten Mal. Die Liebe befreit aus jedem Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, daß wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertig werden: weil wir sie lieben; solang wir sie lieben. … So wie das All, wie Gottes unerschöpfliche Geräumigkeit, schrankenlos, alles Möglichen voll, aller Geheimnisse voll, unfaßbar ist der Mensch, den man liebt.

Nur die Liebe erträgt ihn so.

Unsere Meinung, daß wir den anderen kennen, ist das Ende der Liebe, jedes Mal, aber Ursache und Wirkung liegen vielleicht anders, als wir anzunehmen versucht sind – nicht weil wir den anderen kennen, geht unsere Liebe zu Ende, sondern umgekehrt: weil unsere Liebe zu Ende geht, weil ihre Kraft sich erschöpft hat, damit ist dieser Mensch fertig für uns. Er muß es sein. Wir können nicht mehr! Wir kündigen ihm die Bereitschaft, auf weitere Verwandlungen einzugehen. Wir verweigern ihm den Anspruch alles Lebendigen, das unfassbar bleibt, und zugleich sind wir verwundert und enttäuscht, daß unser Verhältnis nicht mehr lebendig sei.

„Du bist nicht“, sagt der Enttäuschte, „wofür ich dich gehalten habe.“ Und wofür hat man einander denn gehalten? Für ein Geheimnis, das der Mensch ja immerhin ist, ein erregendes Rätsel, das auszuhalten wir müde geworden sind. Man macht sich ein Bildnis. Das ist das Lieblose, der Verrat.

…. …. ….

In gewissem Grad sind wir wirklich das Wesen, das die anderen in uns hineinsehen, Freunde wir Feinde. Und umgekehrt! auch wir sind die Verfasser der anderen; wir sind auf eine heimliche und unentrinnbare Weise verantwortlich für das Gesicht, das sie uns zeigen, verantwortlich nicht für die Anlage aber für die Ausschöpfung dieser Anlage. Wir sind es , die dem Freunde, dessen Erstarrtsein uns bekümmert, im Wege stehen, und zwar dadurch, daß unsere Meinung, er sei erstarrt, ein weiteres Glied ist in der Kette, die ihn fesselt und langsam erwürgt. Wir wünschen ihm, daß er sich wandle, o. ja. Aber darum sind wir noch lange nicht bereit, unsere Vorstellung von ihm aufzugeben. Wir selbst sind die letzten, die ihn verwandeln. Wir halten uns für den Spiegel und ahnen nur selten, wie sehr der andere eben der Spiegel unseres erstarrten Menschenbildes ist, unser Erzeugnis, unser Opfer –

…. ….. …..

Du sollst dir kein Bildnis machen, heißt es, von Gott. Es dürfte auch in diesem Sinne gelten: Gott als das Lebendige in jedem Menschen, das, was nicht erfassbar ist. Es ist eine Versündigung, die wir, so wie sie an uns begangen wird, fast ohne Unterlaß wieder begehen –

Ausgenommen wenn wir lieben.“​
(Max Frisch [1911 – 1991]:
Tagebuch 1946 – 1949 [1946])

Vielerlei Betrachtungen könnte man anstellen, angeregt durch diesen Text.

Offenbar haben wir hier einen Hebel, einen archimedischen Punkt, Liebe nicht enden zu lassen – falls wir das nicht wollen. Es ist nicht nur Verhängnis, nicht immer tragisch.

Wäre die Frage: wie betätigt man diesen Hebel? Wie bleibt man in der „Schwebe des Lebendigen“, in der Bereitschaft, dem anderen grenzenlos Raum zu lassen? ihn als Geheimnis, als unfaßbar zu sehen?

Ist das nicht ein Grund für Freudentänze: Endlich mal das angeblich naturgegebene Nachlassen der Liebe nicht mehr als durch „Hormonspiegel“ oder durch vermeintliche soziobiologische Notwendigkeiten begreifen zu müssen? sondern als Resultat eigener existenzieller Faulheit? Was impliziert: ich muß ja nicht unbedingt faul sein.

Wir vermeiden Frau, Mann man das? Ich denk, wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Seit Urzeiten wissen Menschen, wie kostbar (und schmerzhaft) Wachheit ist. Sie haben Wege entdeckt, sie zu trainieren. Vier Wege sind’s (bitte um Widerspruch!): Meditation, Kunst, Liebe, Begegnung mit dem Tod. Alles etwas kommentarbedürftig, aber ich belaß es mal dabei.

Und bei den Lyrikern ist’s immer einfacher als bei den Erzählern:
Auch nach Jahren
sind wir uns unbekannt.
Deshalb erkennen wir uns.
Deshalb Zärtlichkeit
und ihr Wortlaut.
Deshalb Hände und
Lippen voller Gedächtnis.
Nichts sonst taugt
gegen Tod und Verderbnis.​
(Walter Helmut Fritz [1929 – 2010]:
Herzschlag. Liebesgedichte, 2008)​
* * *​
Noch ein wenig Geduld. (Es lohnt sich!)

VERENA KAST: „Paare. Beziehungsfantasien oder Wie Götter sich in Menschen spiegeln“ (Neuaufl. 2001). Die Autorin ist eine sehr bekannte, jungianische Psychotherapeutin in der Schweiz. Sechs Grundkonstellationen (Götterpaare), die verschiedenen Beziehungsformen entsprechen, jeweils verbunden mit Fallbeispielen – braucht uns jetzt nicht zu interessieren

Die zentrale Idee des Buchs: "Einen Menschen lieben heißt, ihn so zu sehen, wie Gott ihn gemeint haben könnte" (Dostojewski). Wenn wir verliebt sind, so die gängige Meinung, idealisieren wir das Objekt unseres Entzückens, sehen ihn und den (relativ kleinen) Rest der Welt durch die rosarote Brille, geben uns Illusionen hin. Bis wir irgendwann wieder „realistisch“, „vernünftig“ usw. werden.

Umgekehrt ist es, sagt V.K. Wenn wir verliebt sind, sehen wir den anderen genau, wie er ist. Er IST nämlich ideal. Wer sich geliebt weiß (und das erträgt – auch dazu gehört Mut) IST, wie Gott ihn gemeint haben könnte. Das ist die Kehrseite Deines (hi Aurinko :– falls Du’s bis hierher geschafft hast?) Satir-Zitats (nicht Widerspruch): „Was immer ein anderer Mensch sagt, kann uns nicht zu dem machen, als was er uns sieht, solange wir selbst dies nicht zulassen.“ Wir können’s aber „zulassen“. Wenn der andere das Zauberwort trifft. Das hat verwandelnde Kraft. Mit erheblichen Wachstumsschmerzen, klar.

Der Liebende wird auch verwandelt, klar. Wer das „Göttliche“ sieht, wird ihm ähnlich. Daher diese ungeheuere Energie, Lebensfreude, Ermutigung, Leichtfüßigkeit … Wir sehen einander und uns zum ersten Mal richtig. Und wir werden richtig gesehen, endlich. Egal wie ungläubig wir sein mögen (Max Frisch war ja gewiß hinreichend ungläubig): „Gott … das Lebendige in jedem Menschen, das, was nicht erfassbar ist“ wird „gesehen“, besser: gewusst. Jedenfalls ohne „Bildnis“ – weder vom anderen noch von mir. (Ist ja überhaupt die Frage: wozu brauchen wir überhaupt all diese Bildnisse? Können wir uns nicht in jeder Situation – die ja immer zum ersten Mal ist – uns spontan verhalten? Abgesehen davon, daß die Bildnisse sowieso falsch sind. „Wo du bist, fängt die Welt / eben erst an.“) Produktivität, Kreativität steigen; plötzlich tun wir, was wir uns und einander nie zugetraut hätten.

Dagegen die riesige Mehrheit, die Konventionen saktioniert, angefangen von Mama und Papa: Kind sei doch vernünftig, du rennst in Dein Unglück usw. Diesem Unisono-Chor zufolge ist der Mensch ein Bündel aus benennbaren Eigenschaften, die unterschiedlich gewichtet werden (bei Frauen anders als bei Männern) und aus denen der Marktwert (auf dem kompetitiven Heiratsmarkt) berechnet wird. Diese Eigenschaften sind „real“, auf sie kommt es an; wer an sie glaubt, ist realistisch = vernünftig = reif usw. Alles andere ist „romantisch“, was ein Schimpfwort ist. (Wobei sogar "Frau" und "Mann" ein Konstrukt ist: "Wir liebten einander. Mann und Frau waren wir obendrein, sozusagen zur Belohnung".)

Klar, da haben wir die Wahl. Zwischen Lieben ohne Bildnis und Realismus mit präzisen Selbst- und Fremdbildern. Dem Realismus bleibt von Liebe noch Sex – solang der nicht zu langweilig wird. Die Entscheidung für Lieben braucht immer wieder Mut, Disziplin - und die Fähigkeit, allein zu sein, vielleicht zu bleiben.

Bei all diesen Ansätzen gibt es andere Wahrheitskriterien als gewohnt. Nicht primär irgendwelche Fakten sondern die Frage: was macht meine Entscheidung mit mir? Macht sie aus mir einen missmutig, misstrauisch Rechnenden (ob ich wohl KRIEGE, was mir zusteht)? oder einen, der begeistert und mutig IST, wie er „von Gott gemeint sein könnte“?

Die Entscheidung hat viele Implikationen. Z.B. braucht Liebe nicht erwidert zu werden. Auch dann IST der Liebende ideal. Er ist besser dran als die reservierte Geliebte. –- Die Liebenden tun nicht nur vieles dem andern zulieb. Ihr Handeln ändert sich auch in Punkten, von denen der andre nichts erfährt. -- Außerdem kann ich mir Eifersucht sparen. Wie sollte ich mich nicht herzlich freuen, wenn es für meine Liebste mit einem anderen besser ist als mit mir? Es gibt Menschen, auch berühmte, die das realisiert haben.

Zum Schluß ein Terzett. Drei Frauenstimmen. Ein junges Paar, der Mann (auch Frauenstimme, Mezzo), zuvor der Geliebte einer wesentlich Älteren, die ihn freigibt, ja seine neue Liebe auf den Weg gebracht hat. Der Text natürlich unverständlich außer dem Anfang:

„Hab mir’s gelobt, Ihn lieb zu haben in der richtigen Weis’.
Daß ich selbst Sein’ Lieb’ zu einer andern
Noch lieb hab’!“​

(Münchener Rundfunkorchester, Leitung kurt Eichhorn, 1969)

Und, mit Dank auch an die Thread-Starterin,
uns allen eine lebenswerte Zukunft
wünscht
Windpferd
 
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Danke für Eure wunderschöne Musik und Dir Windpferd für Deinen Text!



Liebe Grüße
Cassandra56.
 
Hi Cassi, Cassandrina ...

mal was bloß zwischen Dir und mir :idee: : niemals einem Mann, gar einem, der sich dreist als Wind- oder gar Wildpferd gebärdet, einfach nur danken! Davon wird er / es, wie Du wissen solltest, faul und eingebildet. Das Mittel der ersten Wahl ist scharfer Widerspruch.

Überhaupt, warum sagst Du mir nicht, Deiner Rolle gemäß, den baldigen Untergang voraus, der mir ja unbezweifelbar droht, wenn ich bedenk, was man so als Pferd ... ? :traurig:

Immerhin gelobe ich :besserung

(Dies ist nicht OT, nein, ist alles im Interesse der "lebenswerten Zukunft". Das ist sehr praktisch. ;) )

Aber umgekehrt ist alles, wenngleich ungerecht, ganz anders: ich darf Dir danken für den wunderschönen norwegischen Wintermorgen. :freu: Aus Bergen? oder vom Hardangerfjord?

Ciao, :wave:
Windi
 
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Hallo, Ihr wohltuenden Plauderer,
Hallo Windi, Du lieber Schöngeist. :)

Erlaubt einen kleinen Off-Topic-Einschub auf Windis Post #166.

Einfach mal in den Raum geworfen ein Zitat eines Französischen eau de toilettes,
das mir Heute ungefragt von einer schlanken Dame einer Drogerie in den Beutel
geworfen wurde. Kommt gleich. Vorab noch die Information, dass es hier aktuell
duftet wie bei Tausend und einer Nacht auf Droge(n), da ich den Proben-Flakon
unbeabsichtigt zertreten habe, aber dass wäre wieder eine andere Geschichte.

Nun denn; auf der Rückseite des Tütchens eben dieses Duftes lese ich:

"Pour les hommes qui aiment les femmes qui aiment les hommes."

Je länger ich darüber nachdenke, um so mehr bin ich beeindruckt.
Dass wollte ich hier jetzt einfach mal so in Euren Raum schmeißen.

Und nun bemerke ich, dass dies auch ein Sprüchlein
für mein Poesiealbum wäre, das ich noch nicht besitze.

Verzeiht mir, Bodo
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Johannes Brahms
Ein Deutsches Requiem

nach Worten der heiligen Schrift
Opus 45

I.
Selig sind, die da Leid tragen,
denn sie sollen getröstet werden.

Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
Sie gehen hin und weinen
und tragen edlen Samen,
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben.

II.
Denn alles Fleisch, es ist wie Gras
und alle Herrlichkeit des Menschen
wie des Grases Blumen.
Das Gras ist verdorret
und die Blume abgefallen.

So seid nun geduldig, liebe Brüder,
bis auf die Zukunft des Herrn.
Siehe, ein Ackermann wartet
auf die köstliche Frucht der Erde
und ist geduldig darüber,
bis er empfange den Morgenregen und Abendregen.
So seid geduldig.

Denn alles Fleisch, es ist wie Gras
und alle Herrlichkeit des Menschen
wie des Grases Blumen.
Das Gras ist verdorret
und die Blume abgefallen.

Aber des Herren Wort bleibet in Ewigkeit.

Die Erlöseten des Herrn werden wiederkommen,
und gen Zion kommen mit Jauchzen;
Freude, ewige Freude,
wird über ihrem Haupte sein;
Freude und Wonne werden sie ergreifen,
und Schmerz und Seufzen wird weg müssen.

III.
Herr, lehre doch mich,
daß ein Ende mit mir haben muß.
und mein Leben ein Ziel hat,
und ich davon muß.
Siehe, meine Tage sind
einer Hand breit vor Dir,
und mein Leben ist wie nichts vor Dir.

Ach wie gar nichts sind alle Menschen,
die doch so sicher leben.
Sie gehen daher wie ein Schemen
und machen ihnen viel vergebliche Unruhe;
sie sammeln und wissen nicht,
wer es kriegen wird.
Nun Herr, wes soll ich mich trösten?

Ich hoffe auf Dich.

Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand
und keine Qual rühret sie an.

IV.
Wie lieblich sind Deine Wohnungen,
Herr Zebaoth!
Meine Seele verlanget und sehnet sich
nach den Vorhöfen des Herrn;
Mein Leib und Seele freuen sich
in dem lebendigen Gott.
Wohl denen, die in Deinem Hause wohnen,
die loben Dich immerdar.

V.
Ihr habt nun Traurigkeit;
aber ich will euch wiedersehen,
und euer Herz soll sich freuen,
und eure Freude soll niemand von euch nehmen.

Ich will euch trösten,
wie einen seine Mutter tröstet.

Sehet mich an: Ich habe eine kleine Zeit
Mühe und Arbeit gehabt
und habe großen Trost gefunden.

VI.
Denn wir haben hie keine bleibende Statt,
sondern die zukünftige suchen wir.

Siehe, ich sage Euch ein Geheimnis:
Wir werden nicht alle entschlafen,
wir werden aber alle verwandelt werden;
und dasselbige plötzlich in einem Augenblick,
zu der Zeit der letzten Posaune.

Denn es wird die Posaune schallen
und die Toten werden auferstehen unverweslich;
und wir werden verwandelt werden.
Dann wird erfüllet werden das Wort,
das geschrieben steht.
Der Tod ist verschlungen in den Sieg.
Tod, wo ist dein Stachel?
Hölle, wo ist dein Sieg?

Herr, Du bist würdig
zu nehmen Preis und Ehre und Kraft,
denn Du hast alle Dinge erschaffen,
und durch Deinen Willen haben sie das Wesen
und sind geschaffen.

VII.
Selig sind die Toten,
die in dem Herrn sterben,
von nun an.
Ja, der Geist spricht,
daß sie ruhen von ihrer Arbeit;
denn ihre Werke folgen ihnen nach.​
 
Anmerkung

:wave:

Bitte, seid herzlich eingeladen hier zu schreiben, wenn ihr das mögt. Natürlich auch Du, Bodo, Windpferd, Cass'n' Auri,...! Habe mir mal überlegt, warum ich diesen Thread mittlerweile sogar richtig mag! Wirklich nicht nur, weil ich ihn mal vor Ur-Zeiten gestartet habe, sondern weil er langsam so weit, so offen, so frei wird, dass es fast kein verbindliches Thema für uns mehr gibt. Eher ein uns alle verbindendes Thema, nämlich die Liebe zu einer lebenswerten Zukunft.

Und die beginnt immer hier und jetzt. Vielleicht mit Musik, Gedichten, Gedanken, Meditation, Schwingungen, mit denen wir uns hoch hinaufschwingen können, wenn wir uns darauf einlassen oder eben auch nicht. Kurz, für mich ist dieser Thread selbst eine Art Therapie und nicht nur ein bloßer Austausch von Informationen über Therapien und Therapeuten, gar über Symptome, die uns belasten. Dank der wirklich großartigen Menschen hier! Vielen Dank euch allen! Es ist nicht mehr mein Thread, sondern er sei euch überlassen. als freier Raum.

So, und jetzt lasse ich erstmal Windi's Worte auf mich wirken...

:kiss:
 
... Nun steckt aber in jedem Fall, auch im alltäglichsten von Liebe,
der Grenzfall, den wir, bei näherem Zusehen, erblicken können und
vielleicht uns bemühen sollten, zu erblicken.
Denn bei allem, was wir tun, denken und fühlen, möchten wir manchmal
bis zum Äußersten gehen. Der Wunsch wird in uns wach, die Grenzen zu
überschreiten, die uns gesetzt sind. Nicht um mich zu widerrufen,
sondern um es deutlicher zu ergänzen, möchte ich sagen: Es ist auch
mir gewiß, daß wir in der Ordnung bleiben müssen, daß es den Austritt
aus der Gesellschaft nicht gibt und wir uns aneinander prüfen müssen.
Innerhalb der Grenzen aber haben wir den Blick gerichtet auf das
Vollkommene, das Unmögliche, Unerreichbare, sei es der Liebe, der
Freiheit oder jeder reinen Größe. Im Widerspiel des Unmöglichen mit dem
Möglichen erweitern wir unsere Möglichkeiten. Daß wir es erzeugen,
dieses Spannungsverhältnis, an dem wir wachsen, darauf, meine ich,
kommt es an; daß wir uns orientieren an einem Ziel, das freilich, wenn
wir uns nähern, sich noch einmal entfernt. ...

Ingeborg Bachmann
"Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar"


Dem noch etwas hinzuzufügen wäre überflüssig, wenn nicht sogar Frevel...
Alles Liebe sendet Euch
Cassandra56
 
Liebe Cassandra,

"Dem noch etwas hinzuzufügen wäre überflüssig, wenn nicht sogar Frevel...", schreibst Du.

Nun, ich tu das Über-Flüssige, begehe den Frevel.

Ich zitiere aus "Der gute Gott von Manhattan", dem Hörspiel, durch das Ingeborg Bachmann berühmt wurde und für das sie den Hörspielpreis der Kriegsblinden erhielt. (Du zitiertest aus ihrer Dankesrede für diesen Preis. Sie erwähnt das Hörspiel ein paar Zeilen vor der Stelle, die Du zitiertest.) Es spricht der "Gute Gott", der Vertreter der "Ordnung", in dessen Auftrag die Liebenden ermordet wurden:

"Ich glaube an eine Ordnung für alle und für alle Tage, in der gelebt wird jeden Tag.

Ich glaube an eine große Konvention und an ihre große Macht, in der alle Gefühle und Gedanken Platz haben, und ich glaube an den Tod ihrer Widersacher. Ich glaube, daß die Liebe auf der Nachtseite der Welt ist, verderblicher als jedes Verbrechen, als alle Ketzereien. Ich glaube, daß, wo sie aufkommt, ein Wirbel entsteht wie vor dem ersten Schöpfungstag ... Ich glaube, daß die Liebenden gerechterweise in die Luft fliegen und immer geflogen sind. Da mögen sie vielleicht unter die Sternbilder versetzt werden. ...

Ich gestehe Ihnen unzählige [Gegenbeispiele] zu. Aber wer wird sich mit Menschen beschäftigen, die nach einem anfänglichen Seitensprung in die Freiheit ohnehin Instinkt bewiesen haben. Die das bißchen anfängliche Glut zähmten, in die Hand nahmen und ein Heilmittelunternehmen gegen die Einsamkeit daraus machten, eine Kameradschaft und wirtschaftliche Interessengemeinschaft. Ein annehmbarer Status in der Gesellschaft ist geschaffen. Alles im Gleichgewicht und in der Ordnung. ...

[Das Unmögliche gibt es nicht,] weil ich es ausgerottet und kaltgemacht habe. Ich habe es getan, damit es Ruhe und Sicherheit gibt, auch damit Sie hier ruhig sitzen und sich die Fingerspitzen betrachten können und der Gang aller Dinge der bleibt, den wir bevorzugen.“

Ja Dichter widersprechen sich selbst (wie wir). Und sie sind nicht die besten Interpreten ihrer Werke.

Aber, bei all meiner tiefen Verehrung für und Liebe zu I.B. noch mehr Überflüssiges, noch mehr Frevel (?). Ohne jeden Vergleich mit ihr, in aller Demut; einfach weil ich auch ein Mensch bin, der auch für etwas einsteht:

Ich glaub nicht, daß das „Äußerste“, in dem erotischen – durchaus mystischen – hellwachen Rauschzustand liegt, den die Liebenden in diesem Stück erfahren. Sondern darin, das Beste für den Geliebten zu wollen, ganz alltäglich. „Ti voglio bene“ heißt „Ich liebe dich“ – kein Mensch gebraucht in Italien das literarische „Ti amo“. Also: "Ich will dir wohl." Das sagt sich leicht – und kann bis zum Äußersten führen. Beispielsweise kann sich herausstellen, daß mein Verschwinden für die Geliebte das Beste ist. [Heftiger Protest, sagt die Regieanweisung.] manche Menschen haben’s vorgemacht. Jesus zum Beispiel. Bis heute. Einer ging freiwillig mit den ihm anvertrauten jüdischen Kindern in die Gaskammer.

Alles Liebe, klar.
Windpferd
 
Ach, liebes Gotteskind,

laß lieber die Musik auf Dich wirken (#171). Die wirkt wirklich. Meine Worte nicht.

Und laß wieder was hören von Dir. Höchstpersönlich. Wenn Ew. Gnaden geruhen möchten . . . :)

Adieu.
Windpferd
 
Ihr Lieben

hier die fehlenden Sätze (Nr. 2, 6 und 7) von Johannes Brahms' "Ein Deutsches Requiem".

In #167 Nr. 1 und 5,
in #169 Nr. 3 und 4,
in #170 der gesamte Text.

Hätte man etwas übersichtlicher organisieren können. Tut mir leid.

Jemand von Euch :) schrieb, das Requiem sei gar nicht traurig. Schön, daß das so ist. :)

Keine Ahnung, warum die Stücke hier nicht automatisch erscheinen wie sonst. (Die Elektronik ist für mich eine Schikane :confused::mad:.) Aber wenn man draufklickt :idee:, kommen sie doch. - Na, jetzt sind sie plötzlich doch automatisch da. Nicht einmal das Scheitern ist endgültig.:freu:





 
Ach Du Kind Gottes,

Du stellst zwei der am meisten poetischen Szenen aus "Das Meer in mir" hier ein (#163) - allein die Kameraführung! - rätselhafte zugleich, kaum verstehbare, wenn man den Film nicht kennt (ich kannte ihn nicht) - der übrigens gar kein Fernseh- sondern ein Kinofilm ist -

und schreibst dazu: "bin ja nicht so poetisch wie ihr, sondern ein Kind des Fernsehens ..."

Laß doch das Meer in Dir dasein. Und die Poesie in Dir auch.. (Vielleicht ist Letztere ja der Rettungsring?)

Ich wünsch Dir baldige Sturmflut.

Gute Nacht,
Windpferd
 
Hallo Windpferd und Gotteskind,

was habt Ihr beiden? Gabs da was Kränkendes? Bitte nicht weiter kränken!!!
Ich mag Euch beide nämlich sehr!

Cassandra, die Oberflächliche kannte sicher das Hörspiel garnicht. Nur das Zitat, welches im übrigen aus einer schnöden Internet-Zitaten-Sammlung stammt, gefiel ihr einfach. So ein Mist, wenn man die Hintergründe nicht kennt. Aber ich werde vielleicht an ihrer Statt jetzt auf die Suche nach besagtem Hörspiel gehen und diesen unerbittlichen Gott (den ich auf keinen Fall kenne, der Gott, den ich kenne ist ein gnädiger, liebender Gott) zur Rechenschaft ziehen.

Herzliche Grüße an Euch alle!!! Und denkt dran, Weihnachten, das Fest der Liebe steht unmittelbar vor der Tür... ("in der Zeitenwende trat das Welten-Geistes-Licht in den irdischen Wesensstrom; Nacht-Dunkel hatte ausgewaltet; Taghelles Licht erstrahlte in Menschenseelen..." Rudolf Steiner)

aurinko
 
Hmmm... Es ist NICHTS, Cass'n'Auri.

Große Klang-Kunst beinhaltet als wesentliches Element auch den Nicht-Klang. Musik braucht die Pause, Textzeilen bedürfen des Zwischenraumes, das Etwas kann nur existieren durch das Nichts, manchmal sogar nur durch den Nachhall des Nichts. Das Leben gibt es nur mitsamt dem Tod (siehe "Das Meer in mir", Windpferd).

Das sind die tiefen Augenblicke in der Zeit, in denen man neben der Bedeutung des Gesagten die Bedeutung des Ungesagten, ja, auch des Gelöschten :D, erkennt.

Noch vier Tage, bis die seligen Geschenke ihre Besitzer wechseln :rolleyes:
Euch allen eine frohe Niederkunft!
 
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