Frühling

Im Wonnemonat Mai:

Mit deinen blauen Augen
Siehst du mich lieblich an,
Da wird mir so träumend zu Sinne,
Daß ich nicht sprechen kann.
An deine blauen Augen
Gedenk ich allerwärts;
Ein Meer von blauen Gedanken
Ergießt sich über mein Herz.

Heinrich Heine (1797-1856)

www.deutsche-liebeslyrik.de/mai/wonnemonat_mai.htm

Hier sind Gedichte mit Schmetterlingen auf Blumen illustriert. Wunderschön!
 
Frühlingsgruss

Joseph von Eichendorff

Es steht ein Berg in Feuer,
In feurigem Morgenbrand,
Und auf des Berges Spitze
Ein Tannbaum überm Land.

Und auf dem höchsten Wipfel
Steh ich und schau vom Baum,
O Welt, du schöne Welt, du,
Man sieht dich vor Blüten kaum!


 
Die Vögel kommen

Kierkegaard, Sören (1813-1855)

Die Vögel kommen
in ganzen Schwärmen,
um dich zu erfreuen.
Das junge Grün spriesst;
und der Wald wächst schön
und steht wie eine Braut da,
um dir Freude zu schenken.

Du bist geschaffen.
Du bist da.
Du bekommst heute
das zum Dasein Nötige.
Du wurdest erschaffen.
Du wurdest Mensch.

Du kannst sehen,
bedenke: Du kannst sehen,
du kannst hören, du kannst
riechen, schmecken, fühlen.




 

Primula veris

Lenau, Nikolaus (1802-1850)

Liebliche Blume,
Bist du so früh schon
Wiedergekommen?
Sei mir gegrüßet,
Primula veris!

Leiser denn alle
Blumen der Wiese
Hast du geschlummert,
Liebliche Blume,
Primula veris!

Dir nur vernehmbar
Lockte das erste
Sanfte Geflüster
Weckenden Frühlings,
Primula veris!

Mir auch im Herzen
Blühte vor Zeiten,
Schöner denn alle
Blumen der Liebe,
Primula veris!

Liebliche Blume,
Primula veris!
Holde, dich nenn ich
Blume des Glaubens.

Gläubig dem ersten
Winke des Himmels
Eilst du entgegen,
Öffnest die Brust ihm.

Frühling ist kommen.
Mögen ihn Fröste,
Trübende Nebel
Wieder verhüllen;

Blume, du glaubst es,
Daß der ersehnte
Göttliche Frühling
Endlich gekommen,

Öffnest die Brust ihm;
Aber es dringen
Lauernde Fröste
Tödlich ins Herz dir.

Mag es verwelken!
Ging doch der Blume
Gläubige Seele
Nimmer verloren.





 
Ländliches Lied

Und wenn die Primel schneeweiß blickt
am Bach aus dem Wiesengrund,
wenn die Kirschblüt nickt
und die Vöglein pfeifen im Wald allstund:
da flickt der Fischer das Netz in Ruh,
denn der See liegt heiter im Sonnenglanz;
da sucht das Mädel die Schuh
und schnürt das Mieder sich eng zum Tanz,
und denket still,
ob der Liebste nicht kommen will.

Es klingt die Fiedel, es brummt der Baß
der Dorfschulz sitzet im Schank beim Wein,
die Tänzer drehn sich ohne Unterlaß
im Abendschein.
Und geht's nach Haus um Mitternacht,
Glüh-Würmchen trägt das Laternchen vor;
da küßt er sein Dirndel sacht
und sagt ihr leis ein Wörtchen ins Ohr,
und sie denken beid':
o selige fröhliche Maienzeit!

(Emanuel Geibel)

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Rilke, RainerMaria (1875-1926) www.flc.kyushu-u.ac.jp/~michel/exhibitions/20061116_0819/hortensie.jpg

Blaue Hortensie
So wie das letzte Grün in Farbentiegeln
sind diese Blätter, trocken, stumpf und rauh,
hinter den Blütendolden, die ein Blau
nicht auf sich tragen, nur von ferne spiegeln.
Sie spiegeln es verweint und ungenau,
als wollten sie es wiederum verlieren,
und wie in alten blauen Briefpapieren
ist Gelb in ihnen, Violett und Grau;

Verwaschenes wie an einer Kinderschürze,
Nichtmehrgetragenes, dem nichts mehr geschieht:
wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze.

Doch plötzlich scheint das Blau sich zu verneuen
in einer von den Dolden, und man sieht
ein rührend Blaues sich vor Grünem freuen.
 
Pfingstbestellung

Ein Pfingstgedichtchen will heraus
ins Freie, ins Kühne.
So treibt es mich aus meinem Haus
ins Neue, ins Grüne.

Wenn sich der Himmel grau bezieht,
mich stört's nicht im geringsten.
Wer meine weiße Hose sieht,
der merkt doch: Es ist Pfingsten.

Nun hab ich ein Gedicht gedrückt,
wie Hühner Eier legen,
und gehe festlich und geschmückt -
Pfingstochse meinetwegen -
dem Honorar entgegen.


(Joachim Ringelnatz)



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Pfingsten

von Wilhelm Müller

Zwischen Tulpenflammen und Narzissen
Springen unter schweren Fliederbüschen
Kleine Mädchen losen Haars im Garten.
Lerne, Herz! Die kleinen Mädchen wissen
Mehr vom Glück, als du; mit ihrem Springen
Loben sie den heiligen Geist der Pfingsten
Zwischen Tulpenflammen und Narzissen.

Denn der heilige Geist ist ausgegossen
In den glutenbunten Tulpenflammen,
Und er heißt: Seid fröhlich, Menschenkinder!
Jede Blume, glorienumflossen,
Ist, dem Haupt Mariens gleich, ein Abbild
Milder, tiefer, süßer Gottesliebe ...
Denn der heilige Geist ist ausgegossen.


 
Berliner Pfingsten
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Heute sah ich ein Gesicht,
Wonnevoll zu deuten:
In dem frühen Pfingstenlicht
Und beim Glockenläuten
Schritten Weiber drei einher,
Feierlich im Gange,
Wäscherinnen, fest und schwer!
Jede trug 'ne Stange.

Mädchensommerkleider drei
Flaggten von den Stangen;
Schönre Fahnen, stolz und frei,
Als je Krieger schwangen,
Blau und weiß und rot gestreift,
Wunderbar beflügelt,
Frisch gewaschen und gesteift,
Tadellos gebügelt.

Lustig blies der Wind, der Schuft,
Lenden auf und Büste,
Und von frischer Morgenluft
Blähten sich die Brüste!
Und ich sang, als ich gesehn
Ferne sie entschweben:
Auf und laßt die Fahnen wehn,
Schön ist doch das Leben!

Gottfried Keller
 
Kleine Wunder

Kalter Tage überflüssig, lässt das Jahr nun Blüten schneien
Erde weckt mit allen Sinnen,
will ein kleines Lied beginnen,
Pflanze, Tier und Mensch erfreuen.

Jede Knospe birgt ein Werden
Tulpe streut die Farben weit,
wächst im kühlen Frühlingsregen, unbeirrt dem Licht entgegen
achtet nicht der kurzen Zeit.

Atmen, fühlen, Wärme spüren,
lauschen, wie ein Vogel singt...
kleine Wunder, die entstehen, können wir sie denn noch sehen,
wenn der Alltag uns verschlingt?

Nur die Stille lässt uns hören
was die Frühlingszeit verspricht:
Jede Not hat ihre Zeit
doch die Liebe macht die Flügel weit
bis sonnenhell das Eis zerbricht.

?

Kaba
 

Pfingsten


Goethe, Johann Wolfgang von

Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen;
es grünten und blühten
Feld und Wald; auf Hügeln und Höhn,
in Büschen und Hecken

Übten ein fröhliches Lied die neuermunterten Vögel;
Jede Wiese sprosste von Blumen in duftenden Gründen,
Festlich heiter glänzte der Himmel und farbig die Erde.
 
Nicht ganz so erhaben:

Bolle reiste jüngst zu Pfingsten


1. Bolle reiste jüngst zu Pfingsten, nach Pankow war sein Ziel,
da verlor er seinen Jüngsten, janz plötzlich im Jewühl.
Ne volle halbe Stunde, hat er nach ihm jespürt,
aber dennoch hat sich Bolle, janz köstlich amüsiert.
2. In Pankow gabs kein Essen, in Pankow gabs kein Bier,
war alles aufjefressen von fremden Jästen hier.
Nicht mal ne Butterstulle ham se ihm reserviert,
aber dennoch...
3. Auf der Meerholzer Heide, da gabs ne Keilerei,
und Bolle - gar nicht feige - war mittenmang dabei.
Hats Messer rausjezogen und fünfe massakriert,
aber dennoch...
4. Es fing schon an zu tagen, als er sein Heimerblickt.
Das Hemd war ohne Kragen, das Nasenbein zerknickt,
das linke Auge fehlte, das rechte marmoriert,
aber dennoch...
5. Zuhause anjekommen, da gings ihm aber schlecht,
da hat ihn seine Olle janz mörderisch verdrescht.
Ne volle halbe Stunde hat sie auf ihm poliert,
aber dennoch...

Texte alter Moritaten
 
Zirrwitt! Diddellitt!

Die Sonne schien;
Kein Lüftchen weht.
Der Dorfpoet
Ergriff seinen Stock, um
Zu spazieren nach Loccum.
Und wie er so geht
Auf der graden Chaussee
Und die Augen verdreht
Nach der Rehburger Höh,
Wo kürzlich
Drei Musen gesessen,
Um roten
Kohlsalat zu essen,
Den sie sonst nicht kriegten,
Fing er natürlich
Gleich an zu dichten.

Es war - es war -
Na, sagen wir mal -
Es war einmal ein reizendes Tal,
Da saß in ihrem Blumenpalais
Eine Sommerfee,
Die göttliche Zephira,
Und spielte auf ihrer Lyra.
Sie klimpert so hübsch,
Sie trillert so schön,
Kann keiner da vorübergehn;
Wer es auch ist,
Der Fußtourist,
Der Ritter zu Roß,
Er muß und muß
In das Zauberschloß.
Und ist er mal dort,
Kommt er nie mehr fort,
Denn die - denn die...

Hier kann der Poet,
Der Versebereiter,
Urplötzlich nicht mehr weiter.
Die Dichtung stockt,
Der Pegasus bockt.
O diese Nanda!
Schrie nämlich ganz
Dicht bei ihm an da
Ein Klapperstorch,
Der selig allein
In der Wiese stand
Auf dem linken Bein. -

Ei, sieh da! Meister Storch!
Also kennt Ihr die? -
Na, ob und wie!
Bin hübsch lang
In Frankfurt gewesen,
Mein Lieber!
Fünfzig Jahre und darüber;
Könnt jeden fragen,
Den Ihr dort trefft.
Hab' ich doch gehabt
Mein Geschäft
Auf der Bockenheimer Gass',
Links oben am Schlot.
Und flott ging die Sach',
Potz zapperlot!
Hatt' meine Ruhe nie.
Kommt da auch mal,
Es war so im Juni,
Eine schöne Frau
Aus der Wiesenau. -
Herr Storch - hat sie gesagt -,
Könnten S' mir nit für morgen
Wieder etwas besorgen? -
Wieviel, Madam?
Eins oder mehr? -
Nein, danke recht sehr!
Nur eins!
Aber ein Mädel, ein feins. -
Schon recht, Madam,
So prompt wie's geht,
Und prima Qualität.
Also ich fort sogleich
Zu meinem Bäbiliteich.
Hab' gefischt und gefuscht -
Die erst' war nischt,
Die zweit' war nuscht -
Aber beim drittenmal,
Da hab' ich's erwischt.
Fürwahr,
Ein Prachtexemplar!
Und Augen hat's gemacht,
Und gleich hat's gelacht,
Und gestrampelt hat's,
Wie 'ne wilde Katz.
Und wie ich mich aufmach'
Und flieg' zurück -
Bei der Sachsenhäuser Brück'
Hat's mich gerupft und gestupst,
Fast wär' mir's entschlupft
Und in den Main geplumpst.
Und wie ich vorbeikomm'
An Rothschild seinem Haus,
Ruft die Frau Rothschild
Zum Fenster heraus:
Herr von Storch,
Herr von Storch!
Fliegen S' nicht so dorch.
Lassen S' es hier,
Geben S' es mir,
Geb' gleich
10 000 Gulden dafür! -
Frau Baronin -
Hab' ich gesagt-,
Um kein Geld in der Welt.
Die Sach' ist bestellt! -
Und weiter flog ich,
Ohne lang zu warten,
Über Gontards Garten
Und besorgte mein Päckchen. -
Drum heißt sie jetzt Nanda
Und nicht Rebeckchen. -

Der Poet,
Als der Storch so gesprochen,
Verneigt sich tief -
Er wär' in der Mitte
Fast abgebrochen -
Und sprach:
Herr Kommerzienrat!
Wegen dieser
Eurer hochherzigen Tat
Kann Euch die gute Stadt
Frankfurt am Main,
Wo Juden und Christen
Sich überlisten,
Nur dankbar sein. -

Bitte, Herr Hofpoet! -
Aber jetzt muß ich was fragen:
Wollt Ihr mir nicht
Gefälligst mal sagen,
Wie's weiterging
Mit der Zephira
Und ihrer Lyra? -

Stehe zu Diensten! -
Ganz recht - jaja -,
Ist einer mal da -
Und ist mal dort,
Kann er nie mehr fort;
Denn die Hex',
Und wär' er auch noch so kühn,
Behandelt, bezaubert,
Verwandelt ihn,
Bis er schwirrt und girrt
Und auf einmal
Ein richtiger Vogel wird.
Wohl zwanzig und mehre
Hat sie bereits in ihrer Voliere;
Verschiedenerlei,
Specht, Zeisig,
Gimpel und Papagei,
Und sogar einen alten
Uhu mit gräßlichen Falten.
Die sitzen nun da
In Federröcken
Auf Stangen und Pflöcken
Und recken sich
Und necken und packen sich
Und warten, daß ihre
Verehrte Zephire
Herbeikommt mit
Futter und Saitenspiel.
Aber es gibt nicht viel.
Ah! - Da tritt sie aus ihrer
Kemnate
Im luftigen, duftigen
Morgenstaate.
Bon jour, Messieurs!
Bin ich nicht
Eine entzückende Fee? -
Sofort - denn jeder will
Immer der erste sein -
Erhebt sich ein begeisterndes
Piepsen und Schrein:
Heil dir, Zephire!
Du bist die Schönste
Im ganzen Reviere!
Zirrwitt, uhu!
Diddellitt, uhu! -
Bravo, ihr Herrn!
Man weiß es ja selbst,
Aber man hört's doch gern!
Hier, meine lieben
Höflichen Mätzchen,
Habt ihr Hanfkörner
Und Zuckerplätzchen!
Doch du, alter Kauz,
Warum singst du nicht mit
So wie die andern:
Zirrwitt, Diddellitt?
Nur kein Huhuh mehr,
Das bitt' ich mir aus,
Du alter Mucker und
Butzeklaus! -

Dieser Kauz
War früher ein Laienbruder,
Ein kreuzbraves Luder,
Den hatte sein Kloster
Ausgesandt
Nach Lourdes ins Frankenland,
Damit er von dort
In einer Literphiole
Potzwundersam
Kräftiges Wasser hole,
Das besorgt er denn auch,
Bezahlt, was Brauch,
Verstöpselt die Flasche,
Verwahrt sie in seiner
Pilgertasche
Und begibt sich alsbald
Auf den Heimweg
Nach dem Ardenner Wald.
Natürlich ist all sein
Denken und Sinnen
Beschaulichermaßen
Gerichtet nach innen;
Und weil es schon spät
Und dunkel wird -
- Natürlich, so geht's -,
Er hat sich verirrt.
Erst ist er geduldig,
Dann wird er verdrießlich,
Dann schimpft er tüchtig
Und leider schließlich
Flucht er sogar
Ob dieser Bedrängnis.
Das war sein Verhängnis.
Verlockt durch eines
Lichtes Schein,
Kehrt er im Zauberschlosse ein.
Und - ach! - da sitzt sie,
Die himmlische Fee,
Auf dem rosigen kosigen
Kanapee,
Im Abendkleide
Von goldener Seide,
Im Silberschleier
Und singt zur Leier.
Dem Klosterbruder
War's nicht geheuer. -
Hu, 'ne Hex, 'ne Hex!
Geschwind furt, furt!
Oh, hilf mir,
Du heiliges Wasser von Lurd! -
Aber es half nicht -
Versimpelt, berauscht,
Mit offnem Maul,
Steht er da und lauscht,
Und eh' er bemerkt,
Worum es sich handelt,
Ist er schon verwandelt.
Die Kutte wird zum
Federgewand,
Zum Flügel die Hand,
Die Nase wird knöchern,
Starr glotzen die Augen
Aus runden Löchern.
Der Kauz ist fertig, haha, hihi!
Marsch fort,
Zu dem übrigen Federvieh!

So trieb es diese Zauberin,
Mit Lachen
Und mit leichtem Sinn,
Mit Saitenspiel und mit Gesang,
Den ganzen lieben
Sommer lang.
Doch eines Morgens
Ward es kühl,
Das Thermometer fiel und fiel;
Und eines Abends
Wird es kalt. -
O weh, welch eine Mißgestalt?
Was ist das für 'ne alte Frau?
Sie geht am Stock,
Ist krumm und grau.
Sie klopft ans Tor. -
Wer ist davor? -
Mach auf, Zephirchen,
Laß mich ein!
Bin halt ein alt kalt
Mütterlein! -
Weg, weg! Bleib fern!
Die alten Weiber
Hab' ich nicht gern! -
Oho, ohe!
Mein Schatz,
Ich bin die Winterfee! -
Sie tät sich recken,
Sie schwang den
Mächtigen Zauberstecken. -
Verschwinde! rief sie.
Verschwinde!
In alle Winde!
Samt Blumen,
Leier und Hofgesinde! -
Das war ein Schreck.
Puh! Alles ist weg!
Sowohl Zephire
Wie auch ihre sämtlichen
Schnabeltiere. -
Wo ist sie nun?
Kann sie
Noch immer nicht ruhn? -
Sie ist der Hauch,
Der die Wellen kräuselt,
Der in Blättern säuselt,
Der durch die
Aeolsharfen geht,
Der uns neckisch
Den Hut vom Kopfe weht;
Aber manchmal
Ist sie kein bloßer Hauch,
Sondern stürmt wohl auch.
Und ihre getreuen
Vöglein schweifen
Stets um sie her in der Luft
Und pfeifen.
Sind Regenvögel,
Die in der Regel
Nicht sehr beliebt sind
Bei ländlichen Tanten,
Welche Seile spannten,
Um Wäsche zu trocknen
Im Sonnenschein.
Oh! seufzt der Storch -
Und trat vom linken
Auf's rechte Bein.
Wie bin ich froh!
Unsre Fernanda,
Die ist nicht so!
Im übrigen glaub' ich,
Herr Dorfpoet,
Ist's geraten, daß Ihr Euch
Heimwärts dreht,
Falls Ihr nicht etwa
Verregnen wollt -
Zephire grollt!
Schon hör' ich sie rauschen
In den Föhren,
Schon lassen sich ihre
Vögel hören,
Und dort der Kumulus
Über dem Walde verspricht
Einen Regenguß. -
Adieu, Herr Langbein!
Ich empfehle mich! -
Empfehl' mich gehorsamst,
Herr Dichterich!

Schleunigst macht sich der Poet
Auf die Socken.
Im Winde flattern
Die Dichterlocken.
Er schaut nicht um.
Die Wolke naht sich mit
Donnergebrumm.
Und als er sein kleines
Hüttchen erreicht,
Ist er ganz durchweicht
Und durchgewaschen
Bis in die Taschen,
Vom Strohhut oben
Bis tief in die Schuh.
Gottlob!
Jetzt macht er die Türe zu!

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Einer liebenswürdigen Frau, die vermutlich demnächst im Juni ihr Wiegenfest feiert, geschrieben und gezeichnet von
Wilhelm Busch

Wilhelm Busch - Gedichte: Zirrwitt! Diddellitt!
 
Voll Blüten

Voll Blüten steht der Pfirsichbaum,
Nicht jede wird zur Frucht,
Sie schimmern hell wie Rosenschaum
Durch Blau und Wolkenfrucht.

Wie Blüten gehn Gedanken auf,
Hundert an jedem Tag –
Laß blühen! Laß dem Ding den Lauf!
Frag nicht nach dem Ertrag!

Es muß auch Spiel und Unschuld sein
Und Blütenüberfluß,
Sonst wär die Welt uns viel zu klein
Und Leben kein Genuß.

(Hermann Hesse)

 
(müßte das nicht heißen
"Wie Blüten gehn Gedanken auf"... - Druckfehler?

Ein sehr schönes Hesse-Gedicht.
 
Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848)

Der Säntis
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Frühling

Die Rebe blüht, ihr linder Hauch
Durchzieht das tauige Revier,
Und nah und ferne wiegt die Luft
Vielfarb'ger Blumen bunte Zier.

Wie's um mich gaukelt, wie es summt
Von Vogel, Bien' und Schmetterling,
Wie seine seidnen Wimpel regt
Der Zweig, so jüngst voll Reifen hing.

Noch sucht man gern den Sonnenschein
Und nimmt die trocknen Plätzchen ein;
Denn nachts schleicht an die Grenze doch
Der landesflücht'ge Winter noch.

O du mein ernst gewalt'ger Greis,
Mein Säntis mit der Locke weiß!
In Felsenblöcke eingemauert,
Von Schneegestöber überschauert,
In Eisespanzer eingeschnürt:
Hu, wie dich schaudert, wie dich friert!
 
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