Frühling

Frühling

(Parodie auf die Belebung der Blasierten)

von Paul Scheerbart



Das soll mein feinster Frühling sein!

Es leuchten tausend Sonnen,

Und hinter den Bergen

Wogen die Meere des ewigen Sommers.

Ich komme noch hin.

Ich komme mit Welten

Und lache gewaltig.

Die Berge sind hoch,

Aber rüber komm ich doch.

Tausend Sonnen beleuchten

Den wilden höckrigen Pfad.

Das soll mein feinster Frühling sein.

Das Sonnenlicht macht Alles rein.

Alte, alte Wunderwelt!



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Der Mai
(aus "13 Monate" von Erich Kästner)

Im Galarock des heiteren Verschwenders,
ein Blumenzepter in der schmalen Hand,
fährt nun der Mai, der Mozart des Kalenders,
aus seiner Kutsche grüßend, über Land.

Es überblüht sich, er braucht nur zu winken.
Er winkt, und rollt durch einen Farbenhain.
Blaumeisen flattern ihm voraus und Finken.
Und Pfauenaugen flügeln hinterdrein.

Die Apfelbäume hinterm Zaun erröten,
die Birken machen einen grünen Knicks.
Die Drosseln spielen, auf ganz kleinen Flöten,
das Scherzo aus der Symphonie des Glücks.

Die Kutsche rollt durch atmende Pastelle.
Wir ziehn den Hut. Die Kutsche rollt vorbei.
Die Zeit versinkt in einer Fliederwelle.
O, gäb es doch ein Jahr aus lauter Mai!

Melancholie und Freude sind wohl Schwestern.
Und aus den Zweigen fällt verblühter Schnee.
Mit jedem Pulsschlag wird aus Heute Gestern.
Auch Glück kann weh tun. Auch der Mai tut weh.

Er nickt uns zu und ruft. "Ich komm ja wieder!"
Aus Himmelblau wird langsam Abendgold.
Er grüßt die Hügel und er winkt dem Flieder.
Er lächelt, lächelt. Und die Kutsche rollt.

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Wie man an ihrem Zweig im Monat Mai die Rose
In ihrer Jugend sieht, in ihrer ersten Pracht,
Wie sie mit ihrer Glut den Himmel neidisch macht,
Der morgens die besprengt, der weinend wolkenlose:

Die Anmut ruht sich aus, die Lieb' auf ihrem Blatte,
Erfüllend Busch und Baum mit ihrem süßen Hauch;
Doch martert Regen sie, quält Hitze ihren Strauch,
So löst sie sich vom Stiel und stirbt, die todesmatte:

So hat im ersten Glanz, in deiner schönsten Zeit,
Als Erd' und Himmel dich geziert mit ihrem Kleid,
Die Parze dich gefällt zu frühem Aschenlose.

Nimm meine Träne denn zum Schmuck dir in die Gruft,
Den Krug hier voller Milch, den Korb voll Blumenduft,
Daß tot wie lebend du nur Rose seist, nur Rose.

(Pierre de Ronsard, 1524/25-1585)

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Was für eine wunderschöne Rose ....
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*sing*

Grüß Gott, du schöner Maien
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Grüß Gott, du schöner Maien, da bist du wiederum hier.
Tust jung und alt erfreuen mit deiner Blumenzier!
Die lieben Vöglein alle, sie singen all so hell,
Frau Nachtigall mit Schalle, hat die fürnehmste Stell.

Die kalten Wind´ verstummen, der Himmel ist gar blau,
die lieben Bienlein summen daher auf grüner Au.
O holde Lust im Maien, da alles neu erblüht,
du kannst mich sehr erfreuen, mein Herz und mein Gemüt.

Autor: unbekannt - (aus dem 17. Jahrhundert)
 

Der Mai macht alles grün


Rückert, Friedrich (1788-1866)


Der Mai macht alles grün,
Nur meine Hoffnung nicht.
Er macht die Rosen blühn,
Wie euer Angesicht,
Und läßt die Sonne glühn,
Wie euer Freudenlicht.
Der Mai macht alles grün,
Nur meine Hoffnung nicht.

Der Mai macht alles grün,
Auch meiner Kinder Grab.
Mit seinem Thaue sprühn
Die Thränen mir hinab,
Und seine Lüfte mühn
Sich mit den Seufzern ab.
Der Mai macht alles grün,
Auch meiner Kinder Grab.
 
Frühlingsnacht

Übern Garten durch die Lüfte
Hört ich Wandervögel ziehn,
Das bedeutet Frühlingsdüfte,
Unten fängts schon an zu blühn.

Jauchzen möcht ich, möchte weinen,
Ist mirs doch, als könnts nicht sein!
Alte Wunder wieder scheinen
Mit dem Mondesglanz herein.

Und der Mond, die Sterne sagens,
Und in Träumen rauschts der Hain,
Und die Nachtigallen schlagens:
Sie ist Deine, sie ist dein!


Joseph von Eichendorff

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Juni


Marie Luise Kaschnitz


Schön wie niemals sah ich jüngst die Erde.
Einer Insel gleich trieb sie im Winde.
Prangend trug sie durch den reinen Himmel
Ihrer Jugend wunderbaren Glanz.

Funkelnd lagen ihre blauen Seen,
Ihre Ströme zwischen Wiesenufern.
Rauschen ging durch ihre lichten Wälder,
Grosse Vögel folgten ihrem Flug.

Voll von jungen Tieren war die Erde.
Fohlen jagten auf den grellen Weiden,
Vögel reckten schreiend sich im Neste,
Gurrend rührte sich im Schilf die Brut.
Bei den roten Häusern im Holunder
Trieben Kinder lärmend ihre Kreisel.
Singend flochten sie auf gelben Wiesen
Ketten sich aus Halm und Löwenzahn.

Unaufhörlich neigten sich die grünen
Jungen Felder in des Windes Atem,
Drehten sich der Mühlen schwere Flügel,
Neigten sich die Segel auf dem Haff.

Unaufhörlich trieb die junge Erde
Durch das siebenfache Licht des Himmels.
Flüchtig nur wie einer Wolke Schatten
Lag auf ihrem Angesicht die Nacht.
(1935)
 
NELKE www.altmuehltal.de/breitenbrunn/rosengarten/nelke.jpg
Rote Nelke blüht im Garten,
Läßt verliebte Düfte glühen,
Will nicht schlafen, will nicht warten
Einen Trieb nur hat die Nelke:
Rascher, heißer, wilder blühen!

Eine Flamme seh ich prangen,
Wind in ihre Röte rennen,
Und sie zittert vor Verlangen,
Einen Trieb nur hat die Flamme:
Rascher, rascher zu verbrennen!

Du in meinem Blute innen,
Liebe du, was soll dein Träumen?
Willst ja nicht in Tropfen rinnen,
Willst in Strömen, willst in Fluten
Dich vergeuden, dich verschäumen!

Hermann Hesse (1877-1962)
 
Strömender Frühlingsregen.
Des Mädchens Regenkleid und Regenschirm
schwatzen miteinander.
Yosa Buson, (1715 - 1783), japanischer Dichter

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Maiengruß an den Redakteur


Frühlingszartes Wohlbehagen
Schwellt erfrorne Poesie.
Maiberauscht im Speisewagen
Ballt sich etwas wie Genie.

Weil Berlin voraus in Sicht ist
Und die Sonne mich bestrahlt.
Und je länger ein Gedicht ist,
Desto besser wird's bezahlt.

Darum: Hundertzweiundneunzig
Tausend und fünfhundertzwei
Oder noch mehr Leute freun sich.
Denn der Winter ist vorbei.

Elf Millionen zweimal hundert
Tausend siebenhundertzehn
Menschen sind etwas verwundert,
Weil kein Maikäfer zu sehn.

Sechs Billionen zwölf Milliarden -
Schätzungsweise - fragen sich:
Wo steckt Maximilian Harden.
Nun, verflucht, was kümmert's mich.

Vier Trillionen neun Billionen
Zirka siebenhundertelf
Milliarden fünf Millionen
Achtzehntausend hundertzwölf - -

Und ich könnte das erweitern
Bis in die Unendlichkeit,
Doch ein Dichter tritt den heitern
Frühlingszarten Mai nicht breit.

Sondern trinkt, sich selbst beschränkend,
Maienbowle, Maienkraut,
Seines Redakteurs gedenkend,
Dem er voll und ganz vertraut.


Joachim Ringelnatz
 
Sie war ein Blümlein


Sie war ein Blümlein, hübsch und fein,
hell aufgeblüht im Sonnenschein.
Er war ein junger Schmetterling,
der selig an der Blume hing.
Oft kam ein Bienlein mit Gebrumm
und nascht und säuselt da herum;
oft kroch ein Käfer kribbelkrab
am hübschen Blümlein auf und ab.
Ach Gott, wie das dem Schmetterling
so schmerzlich durch die Seele ging.
Doch was am meisten ihn entsetzt?
das allerschlimmste kam zuletzt:
Ein alter Esel fraß die ganze
von ihm so heiß geliebte Pflanze.




Wilhelm Busch
 
Der Sommerabend

Eben sank die Sonne nieder
Und nun ward es Abend wieder.
Kühle Luft beginnt zu weh'n,
Süße Labung träufelt nieder,
Und es badet sich im Thau
Halm und Blum' in Feld und Au.

Stille wird es und es dunkelt,
Und der Abendstern schon funkelt.
Alles ist so müd' und matt,
Alles suchet Ruh und Frieden,
Nur die Nachtigall noch wacht,
Singt uns eine gute Nacht.


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

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Ein schönes Gedicht, Uta. :)
Tjaaa, bei dem Wetter könnten wir eigentlich den "Sommer - Thread" wiederbeleben!;)

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Butterblumengelbe Wiesen

Butterblumengelbe Wiesen,
sauerampferrot getönt, -
o du überreiches Sprießen,
wie das Aug dich nie gewöhnt!

Wohlgesangdurchschwellte Bäume,
wunderblütenschneebereift -
ja, fürwahr, ihr zeigt uns Träume,
wie die Brust sie kaum begreift.

(Christian Morgenstern)

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Märztag

Wolkenschatten fliehen über Felder, Blau umdunstet stehen ferne Wälder.
Kraniche, die hoch die Luft durchpflügen, Kommen schreiend an in Wanderzügen
Lerchen steigen schon in lauten Schwärmen, Überall ein erstes Frühlingslärmen.
Lustig flattern, Mädchen, deine Bänder; kurzes Glück träumt durch die weiten Länder.
Kurzes Glück schwamm mit den Wolkenmassen; Wollt es halten, musst es schwimmen lassen.

(Detlef von Liliencron)
 
Mai

Mit Maiglöckchen
läutet das junge Jahr
seinen Duft
Der Flieder erwacht
aus Liebe zur Sonne
Bäume erfinden wieder ihr Laub
und führen Gespräche
Wolken umarmen die Erde
mit silbernem Wasser
da wächst alles besser
Schön ist's im Heu zu träumen
dem Glück der Vögel zu lauschen
Es ist Zeit sich zu freuen
an atmenden Farben
zu trauen dem blühenden Wunder
Ja es ist Zeit
sich zu öffnen
allen ein Freund zu sein
das Leben zu rühmen.

Rose Ausländer (1901-1988)

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Wer Schmetterlinge lachen hört



Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiss, wie Wolken schmecken,
der wird im Mondschein
ungestört von Furcht,
die Nacht entdecken.

Der wird zur Pflanze, wenn er will,
zum Tier, zum Narr, zum Weisen,
und kann in einer Stunde
durchs ganze Weltall reisen.

Er weiss, dass er nichts weiss,
wie alle andern auch nichts wissen,
nur weiss er was die anderen
und er noch lernen müssen.

Wer in sich fremde Ufer spürt,
und Mut hat sich zu recken,
der wird allmählich ungestört,
von Furcht sich selbst entdecken.

Abwärts zu den Gipfeln
seiner selbst blickt er hinauf,
den Kampf mit seiner Unterwelt,
nimmt er gelassen auf.

Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiss wie Wolken schmecken,
der wird im Mondschein,
ungestört von Furcht,
die Nacht entdecken.

Der mit sich selbst in Frieden lebt,
der wird genauso sterben,
und ist selbst dann lebendiger,
als alle seine Erben.


Novalis (1772-1801)
 
Mai I

Der Pirol flötet in der Frühe.
Die Höfe sind vom Flieder blau.
Und wenn ich mich hinausbemühe,
fällt auch auf mich der Morgentau.

Eva Strittmatter
 


In den duftenden Frühling will ich hinaus

In den duftenden Frühling will ich hinaus,
Hinweg aus dem kalten, beengenden Haus
In die freie verlockende Weite;
Was soll mir der Bücher verdrießlicher Kram,
Die ich immer und immer vergeblicher nahm,
Ich werfe sie freudig zur Seite.

Denn find' ich nicht draußen der Blätter genug?
Da schimmert geheimnißvoll jeglicher Zug
Von des Ewigen eigenen Händen,
Das wieget die übrigen Lettern wohl auf,
So will ich denn auch in geflügeltem Lauf
Von dem Einen zum Andern mich wenden.

Da bin ich nun draußen und blicke umher,
Wie wird das Studiren schon wieder mir schwer,
Hier unter den blühenden Bäumen!
Sie senden schon Blüthe auf Blüthe mir zu,
So will ich hier rasten in seliger Ruh,
Und will nur genießen und träumen.

Kurs, Auguste (1815-1892)
 
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