Lieber Herr Phil
ich bitte Sie um Verständnis, dass ich lange keine Zeit zur sehr kurzweiligen und anregenden Korrespondenz mit Ihnen fand! Hier sei aus meiner Sicht nun anzuknüpfen.
Grüss euch,
nach Herr Leòns Bemerkung zur Ethik, darf ich feststellen, dass der Begriff Ethik so zu allgemein ist. Ich präzisiere: Naturethik - die aus der Naturphilosophie sich ableitende Handlungsweise, die wiederum auf den Naturprinzipien beruht (ich mag in diesem Zusammenhang das Wort Gesetz nicht, da diese von Menschen gemacht werden, Prinzipien hingegen vom Menschen erkannt werden können).
Die Begrifflichkeit "Naturethik" kenne ich in einem gänzlich anderem Zusammenhag, kann dazu augenblicklich wenig sagen!
www.dike.de/akut/Literaturbericht/lit-95-02.htm
Auch wenn es nicht den Anschein hat - ich spiele ja gerne den advocato diabolo - sehe ich in den Religionen auch viele positive Aspekte. Da wir uns hier aber in einem Forum tummeln, das sich das Ende der Symptombekämpfung aufs Heft geschrieben hat, liegt mir mehr daran, die lebensfeindlichen (also abbauenden, krankmachenden) Abläufe und Aslpekte zu hinterfragen.
Nun Herr Phil, die gibt es natürlich auch reichlich. Wenn mit Familien am Thema „Stärken“ arbeite, stellen die ganz oft fest, dass manche Stärke auch eine „dunkle Seite“ hat. Wird zum Beispiel jemandem „Willensstärke“ zugeschrieben, gibt es Situationen, in denen diese als „Dickköpfigkeit“ gesehen wird. Übertrage ich das auf die Religion und deren auch vorhandenen krankmachenden Aspekte, so würde ich vermuten, dass der "Schattenanteil" einer Stärke dann überwiegt, wenn es zu krankmachenden Tendenzen kommt. Ich lasse mich zum Beispiel nicht mehr glücklich in die göttliche Gnade fallen sondern werde bevormundet und gezwungen, von einer harten, unerbittlichen Vaterfigur.
Sollten wir uns hier nicht auch damit auseinandersetzten, mit dem was authentisch ist, und unterscheiden, was lediglich aufgesetzt ist? Aus energetischer Sicht vermute ich nämlich, das Echte, Ursprüngliche verwurzelt und verbindet den Menschen mit dem Allganzen, und somit auch mit ihm selber. Was aufgesetzt ist, ist nicht authentisch, kann somit nicht Wurzeln schlagen. Ich erinnere mich an Erzählungen über Freiheitsbäume während der Französischen Revolution, abgesägt und aufgestellt und nach kurzer Zeit verdorrt und vergleiche sie mit den samt ihren Wurzeln gepflanzten Bäume, z.B. Linden, Eichen, die Generationen von Menschen überdauern.
Was ist echt, was bloss aufgesetzt? Und wie wirkt sich dies aus? Das sind die Fragen, die mich, gerade auch weil mir etwas an der religiosität des Menschen liegt, beschäftigen.
Sie wissen so oft so schöne Bilder zu verwenden, Herr Phil.
Dennoch mag ich diese Fragen so nicht stellen, bzw. nicht beantworten, lieber Herr Phil, denn ich denke dass all das was Menschen machen oder gemacht haben, schon dadurch seine „Authentizität“ beweist, dass es – aus einem Bedürfnis heraus gemacht wird oder wurde. Wie lange das Bedürfnis andauert ist dabei meines Erachtens sekundär. Kultur ist das was Menschen machen. Ob im Garten- oder Landbau (cultorum), in der Politik, im Geistesleben, im gesellschaftlichen Zusammenleben, in Recht und Gesetz und so weiter und so weiter.
Hier liegt der Anteil der krankmachenden Aspekte, wohl bei wiederstreitenden Bedürfnissen, vermute ich.
Einen schönen Tag wünscht weiterhin
Ihr Leòn