Hallo Bodo,
der Text von Daunderer ist wohl etwas älter, man sieht es an den Zitaten, die alle vor 1985 datieren und daran, dass manche Aussagen nicht den neuesten Erkenntnissen mehr entsprechen.
Ich will mal die Dinge, die mir aufgefallen sind benennen:
Die Häufigkeit von M. Wilson wird ca. auf 1:30000
geschätzt, wobei ich aber auch Fundstellen gelesen habe, die von 1:10000 ausgehen.
Die heterozygote Form, damit meint Daunderer die Genträger, machen nach den meisten Fundstellen ca. 1 bis 1,25 % der Bevölkerung aus (also jeder 80. bis 100. Mensch ist Genträger), Daunderer hat diese Zahl etwas niedriger angesetzt.
Doch auch hierzu gibt es andere Fundstellen, die von ca. 2 % der Bevölkerung sprechen und die auch bei den Erkrankten von einer höheren Zahl ausgehen ( einer von 1000 ) :
Authors: J
WD= Wilson Disease = M. Wilson
Ich halte die Zahlen zur Häufigkeit für reine
Schätzungen, die man wohl aus den bisher entdeckten Wilson-Fällen ableitet. Wenn man dann wieder liest, dass die Dunkelziffer bei ca. 2 Drittel liegen soll, dann würde dies für Deutschland bedeuten, dass noch ca. 2000 oder mehr Fälle nicht diagnostiziert sind bzw. fehldiagnostiziert sind.
Daunderer schreibt, dass bei heterozygoten Menschen (also Genträgern) die Krankheit nie auftritt. Das ist zwar im wesentlichen richtig, doch geht man heutzutage davon aus, dass bei Genträgern auch Krankheitssymptome auftreten können und dass man Genträger auch behandelt wenn die Beschwerden dies erfordern.
Genträger sollen auch ein gegenüber Gesunden erhöhtes Leberkupfer haben, G. Brewer geht von bis zu 125 µg/g Trockengewicht aus (normal < 50 µg/g):
Recognition, Diagnosis, and Management of Wilson's Disease -- Brewer 223 (1): 39 -- Experimental Biology and Medicine
Auch bei anderen Krankheiten, wie z. B. der Eisenspeicherkrankheit geht man davon aus, dass Genträger auch Probleme bekommen können.
Man muss dazu wissen, dass bei M. Wilson immerhin über 250 verschiedene Gendefekte mittlerweile gefunden wurden und dass jeder Gendefekt ein etwas anderes Krankheitsbild verursacht und daher auch kaum ein Fall dem anderen gleichen soll.
Zu den Zahlen wieviel % des tgl. aufgenommenen Kupfers resorbiert werden, kann ich nichts sagen. Ist aber auch nicht so entscheidend, die genauen Zahlen zu kennen.
Beim Coeruloplasmin sagt man, dass es stark schwankt auch bei Wilson-Patienten, daher ist der genannte Grenzwert von ca. 20 mg/100 ml Serum nur ein
grober Richtwert. G. Brewer definiert die Grauzone bei diesem Wert bis 30 ml/100ml Serum. Hinzu kommt, dass es unterschiedliche Methoden zur Messung des Coeruloplasmins gibt und die in Europa gebräuchlichen nicht so ganz exakt messen (es ist meist die
nephelometrische Messmethode, die nicht nur kupferhaltiges Coeruloplasmin sondern auch nicht kupferhaltiges Coeruloplasmin misst).
Coeruloplasmin ist ein sog. akute-Phase-Protein, d. h. es kann bei Entzündungen dauerhaft erhöht sein und kann dann die Diagnose dadurch verschleiern. Schon die beim Wilson meist entstehende Entzündung der Leber kann den Wert nach oben anheben. Ebenso steigt der Wert bei Hormoneinnahmen, bei Tumoren, etc.
Der genannte Leberkupfergehalt von 250µg/g Trockengewicht (es sind µg und nicht mg wie es Daunderer angibt) ist auch nur ein ungefährer Richtwert. G. Brewer nennt hier 200 µg/g und Prof. Ferenci, Wien hat in Fällen mit einem Leberkupfer von weniger als 100 µg/g ja sogar weniger als 50 µg/g Trockengewicht durch
Genuntersuchung den M. Wilson dennoch nachgewiesen.
Der Leberkupfergehalt sinkt nämlich je mehr die Leber geschädigt ist und bei einer zirrhotischen Leber ist der Leberkupfergehalt sehr niedrig. Daher werden bei Kindern oft sehr hohe Werte beim Leberkupfergehalt gefunden. Die Aussage, dass in frühem Krankheitsstadium (also bei Kindern) die Leber in der Lage ist, das 30 bis 50-fache ihrer normalen Kupferkonzentration zu binden, dürfte daher stimmen.
Hinsichtlich der Therapie wird heutzutage sehr oft Trientine anstelle von Penicillamin eingesetzt, beides sind Chelatbildner.
Von den ungiftigeren Medikamenten wird wohl am häufigsten Zink eingesetzt, in den USA und manchen anderen Ländern ist auch schon Molybdän bzw. eine Molybdänverbindung (Ammonium Tetrathiomolybdate = TM) in Einsatz.
Allerdings werden die letzten beiden Medikamente erst nach der Entkupferung eingesetzt, die Entkupferung erfolgt mit einem Chelatbildner, also Trientine oder Penicillamin. Penicillamin soll die meisten Nebenwirkungen haben ungefähr doppelt so viele wie Trientine und wie Zink.
Ich hoffe, dass ich Deine Fragen beantworten konnte.
Gruß
margie