Therapeutische Ansatz und derzeitige Anwendung
Heute weiß man, dass es Brustkrebse mit und ohne Überexpression des Her 2 Protein gibt und dass die Überexpression in ca 15 - 30 % der Geschwülste auftritt. Die Überexpression ist meist mit einer schlechteren Prognose der Patientin verbunden, dass heißt mit einem schnelleren Tumorwachstum und einer schnelleren Tumorausbreitung.
Ein therapeutischer Ansatz ergibt sich aus folgender Überlegung: wenn es gelänge, mit einem gegen das Her 2 Protein gerichteten Antikörper diese Rezeptoren zu blockieren, somit die wachstumsfördernden Signale von den Krebszellen fernzuhalten, dann müßte sich das Wachstum der Krebszellen zumindest verlangsamen, vielleicht auch aufheben lassen. Tatsächlich ist ein solcher, beim Menschen anwendbarer, gegen den Her 2 Rezeptor gerichteter Antikörper ( Herceptin®) entwickelt worden.
Die Behandlung mit Herceptin® (in Kombination mit anderen krebshemmenden Medikamenten) ist nach derzeitigem Kenntnisstand nur bei den Patientinnen angezeigt, die eine starke Überexpression des Her 2 Proteins aufweisen.
Trastuzumab wurde 2000 erstmals zur Behandlung von metastasiertem Brustkrebs zugelassen, 2006 wurde die Zulassung auf frühe Brustkrebsstadien (vor und nach der Operation beziehungsweise Strahlen- und/ oder Chemotherapie) erweitert. In einer großen Studie mit einer zweijährigen Beobachtungszeit hatten mit Herceptin behandelte Frauen seltener erneut Brustkrebs bekommen als Frauen, die das Medikament nicht erhalten hatten. Die Gabe von Herceptin bei HER2-positivem Brustkrebs im Frühstadium sollte deshalb immer erwogen werden. Ob und welche Zytostatika zusätzlich gegeben werden sollten und wie lange die Herceptin-Therapie dauern sollte, wird zurzeit in weiteren Studien untersucht.
Im fortgeschrittenen Stadium kann Trastuzumab auch alleine gegeben werden, wenn eine Chemotherapie mit einem Anthrazyklin und einem Taxan nicht erfolgreich war oder wenn diese nicht vertragen wurden. Bei hormonrezeptorpositiven Tumoren oder wenn die Therapie mit Tamoxifen erfolglos war oder nicht vertragen wurde, kann Trastuzumab zusammen mit einem Aromatasehemmer gegeben werden. Wenn noch keine Chemotherapie erfolgt ist, sollte Trastuzumab in Kombination mit Docetaxel oder Paclitaxel gegeben werden. Bei diesen Patientinnen kann die Kombination von Herceptin mit einem der genannten Taxane die mittlere Überlebenszeit im Vergleich zu einer Behandlung mit dem Taxan alleine um sechs bis acht Monate verlängern. Die Kombination von Docetaxel mit Herceptin verlängert die mittlere Überlebenszeit im Vergleich zu einer alleinigen Gabe von Herceptin sogar von 16 auf 31 Monate. Auch für eine Kombinationstherapie mit Capezitabin oder Vinorelbin liegen gute Erfahrungen vor.
Die Entscheidung über eine solche Therapiemaßnahme sollte einem Krebsspezialisten
(Onkologen) vorbehalten bleiben.
Therapeutischer Nutzen
(Fazit aus "arznei-telegramm" 6/2008)
Der monoklonale Antikörper Trastuzumab (HERCEPTIN) wurde in Europa zur adjuvanten Behandlung des Mammakarzinoms im Wesentlichen auf der Basis der HERA-Studie zugelassen. In dieser Untersuchung wird Trastuzumab nach Abschluss üblicher Chemotherapieregime angewendet (sequenzielle Therapie).
Der Nutzen dieses sequenziellen Regimes könnte überschätzt sein: In einer weiteren Studie und in einem von insgesamt drei Therapiearmen, beide nur auf Kongressen vorgestellt, lässt sich kein Einfluss von sequenziell angewendetem Trastuzumab auf das krankheitsfreie Überleben nachweisen.
Wir fordern die rasche Veröffentlichung aller Daten zu Trastuzumab in der adjuvanten Brustkrebstherapie.
Beim derzeitigen Stand der veröffentlichten Kenntnis ist unsere ältere Empfehlung, die sequenzielle Therapie gemäß dem HERA-Schema zu bevorzugen, nicht mehr aufrecht zu erhalten. Die optimale Anwendung von Trastuzumab bleibt offen. Der zeitgleiche Gebrauch mit einem Taxan scheint nach derzeitiger Datenlage überlegen zu sein, allerdings möglicherweise auch schlechter verträglich.
*In einer Sensitivitätsanalyse, in der das erhebliche Crossover nach Bekanntwerden der Einjahresergebnisse berücksichtigt wird, indem Frauen der Kontrollgruppe ab dem Zeitpunkt des Beginns der Trastuzumabanwendung zensiert werden, ergibt sich ein ähnliches Ergebnis (HR 0,63; 95% CI 0,53-0,75).3