Dann noch eine Portion Halbwissen von mir:
Ganz abstrakt beschrieben, ist eine chronische Erkrankung die Folge eines gestörten, ineffizienten kybernetischen Prozesses, den man bei lebenden Organismen auch als Homöostase bezeichnet. Die Homöostase ist ein programmierter Regelmechanismus, der im nicht-linearen (Chaos-)System Balance anstrebt, indem Störfaktoren (Viren, Bakterien, entartete Zellen, etc.) beseitigt werden. Eine übermäßige Dysbalance macht sich äußerlich in Krankheitssymptomen bemerkbar. Das ist soweit noch ganz normal. Gelingt der programmierte Regelmechanismus jedoch nicht (mehr) – etwa als Folge einer Umprogrammierung durch Viren oder Alterungsprozesse (Thymusdrüse!) u. dgl. – und wird der Zustand der Gesundheit deshalb nicht mehr erreicht, dann schaukelt sich das System mehr und mehr auf und es entsteht im ungünstigsten Fall eine multifaktorielle Systemstörung.
Eines der Symptome der gestörten Homöostase ist die unzureichende Temperaturregulierung. Man kennt es bspw. vom Beginn einer Virusgrippe, dass plötzlich Schüttelfrost einsetzt, der dann von hohem Fieber abgelöst wird. Dies sind Extremwerte als Schritte eines funktionierenden Abwehrmechanismus´. (Fieber als heilender Prozess infolge von Entzündungen, ausgelöst durch Erreger.) Das Gefühl, bzw. messbare Symptom bei ME/CFS an Untertemperatur oder subfebrilen Temperaturen zu leiden, ist Ausdruck, dass das neuroendokrinimmunologische System dauerhaft auf halbem Wege stecken bleibt und daher ineffizient ist.
Um die Abwehrkaskade programmgemäß in Gang zu bringen und erfolgreich abzuschließen, sind Botenstoffe (Interleukine) und Gewebshormone (Interferone) nötig. Ohne das wichtige gamma-Interferon (gebildet von TH-1 Zellen) ist z.B. das Heer der Makrophagen lahm gelegt. Ein Mangel an alpha-Interferon: schon fehlt die Aktivierung der Natürlichen Killerzellen. Oder ein Zuviel an Interleukin-10 hemmt die antigenpräsentierenden Zellen (dendritische Zellen). Und das ist nur eine geringe Zahl an potentiellen Störquellen.
Die Supplementierung, bspw. von gamma-Interferon, kann nachweislich den gestörten Prozessablauf wieder in Gang bringen. Dies geht in der Regel mit Fieber einher.
Es gibt sicher viele ME/CFS-Kranke, die jahrelang kein heftiges, und damit effizientes Fieber entwickelten. Natürlich gibt es auch den gegenläufigen Fall, dass hohes Fieber entsteht, das lange Zeit nicht zu senken ist.
Chaotische Zustände in diesen genannten (und anderen) Bereichen können sich durch eine Vielzahl von Symptomen organischer und psychischer Ausprägung bemerkbar machen. Der Fortschritt, Krankheit auf kleinster molekularer Ebene als „Informationsstörung“ zu interpretieren, bringt den Vorteil, dass (Fachgebiets-)Diagnosen überflüssig werden. Sie sind nämlich unpräzise wie ein zu großer Anzug, nur eine beliebige Hülle des Geschehens. (Hier liegt übrigens auch das Problem, ME/CFS zu definieren: der Maßstab einer allgemeingültigen, am liebsten "Evidenz-basierten" Diagnose ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Diese Entität ist einfach zu individuell ausgeprägt; aber trotzdem behandelbar.) Viele Krankheiten werden erst durch Konzentration auf den innerhalb der "schlabbernden" Hülle befindlichen, molekular kleinen Bereich exakt erklär- und behandelbar. Das ist besonders hinsichtlich der psychiatrischen Diagnosen interessant, weil die zugrunde liegende Störung der Homöostase den Nachweis für die organische Genese auch dieses Symptomkomplex´ liefert. Deshalb wird die Vermessung des Immunsystems auch verboten. Es soll nicht hinter die Kulissen geschaut werden. (s. Positionspapier der Ärztekammer Nordrhein in Verbindung mit der Berufsordnung für Ärzte)
Depressionen werden vielleicht durch psychosozialen Stress getriggert. Die Ursache liegt jedoch im molekularbiologischen Bereich – auch hier spielen Zytokine eine herausragende Rolle - und muss auch dort therapiert werden. Und ME/CFS mag folglich in bestimmten Fällen mit dem Symptom Depression einhergehen. Aber es ist nun mal nur ein Symptom unter vielen anderen mit organischen Ursachen. Demzufolge muss es auch organisch therapiert werden. Die Therapie der Informationsstörung schlägt gleichzeitig zig Fliegen (Symptome) mit einer Klappe - und macht damit viele Fachärzte letztendlich arbeitslos...
Grüsse
Castor