Hier ein Beispiel dafür, wie ein Kind Gott in Mathematik und Optik gefunden hat. Aus " Hallo Mister Gott, hier spricht Anna" von Fynn.
„ Anna teilte Zahlen in Menschenzahlen und Gottzahlen ein. Menschenzahlen konnte man leicht verstehen, und es liess sich auch relativ leicht damit rechnen. Gottzahlen dagegen konnte man zwar rein akustisch ganz gut verstehen, aber es war meist unmöglich, mit ihnen zu rechnen.
Anna spielte nur selten mit Dingen, die man als normales Spielzeug betrachten würde. Die Ausnahme davon machten ihre Lumpenpuppen, ihre Farbstifte und meine alte Eisenbahn.
Die bestand aus einer Lokomotive, einem Kohletender und acht Wagen. Ungefähr eine
Woche lang spielte Anna eifrig damit, dann tat sie sie wieder in die dazugehörige Kiste.
Und genau da begannen die Gottzahlen in Erscheinung zu treten. Anna fragte:“ Wieviel anders kann ich die Lokomotive, den Kohletender und die Wagen zusammentun?“
Ich erklärte ihr, wie sie die Antwort darauf finden konnte. Was sich als wesentlich komplizierter herausstellte, als sie erwartet hatte.
Also sollte ich ihr das ausrechnen.
Das Ergebnis lautete: drei Millionen sechshundertachtundzwanzigtausendachthundertmal.
Anna war hell begeistert. Sie konnte die Zahl gar nicht oft genug hören und erklärte sie zu einer „ Gottzahl „.
Damit wollte sie ihren Respekt vor der enorm hohen Grösse ausdrücken, aber wohl auch ein
Bisschen mehr: nämlich dass Mister Gott „so viel Verschiedenes gemacht hat und nicht so sparsam ist mit den Zahlen wie mit Butter oder Schinken“.
Ich hatte Anna ein Blasrohr gebastelt. Damit liessen sich herrliche Ketten von Seifenblasen erzeugen – schillernde Kugeln, denen Kinder nachjagten und die mit Händen oder Stöcken zum Platzen brachten. Die Kinder entdeckten in den Seifenblasen alle Farben des Regenbogens. Anna aber sah auch, wie sich die Umwelt darin spiegelte. Um ihr besser erklären zu können, wie diese Spiegelung zustande kommt, besorgte ich eine der gläsernen Zierkugeln, wie man sie manchmal in Gärten findet. Die silbrig glänzende Kugel hatte einen Durchmesser von etwa fünfzehn Zentimetern.
Anna entdeckte schnell, dass die Spiegelbilder in der Kugelrundung „zermanscht“ aussahen, dass sie um die Rundung herumzulaufen schienen und man trotzdem nie die Fortsetzung auf der anderen Seite sehen konnte. Die Kugel schien durchsichtig, war es jedoch nicht. Für Anna ein Zeichen dafür, dass auch unsere kugelige Welt eine Seifenblase ist und Mister Gott sie durch ein grosses Blasrohr zusammen mit unzähligen anderen Weltkugeln entstehen liess.
All ihre aus Gartenkugeln, Seifenblasen, Christbaumschmuck, Murmeln und Glasperlen gewonnenen Erkenntnisse mixte Anna zu einem Spiegelkosmos zusammen. Für sie war es sonnenklar, dass sich alles, was Gott geschaffen hatte, in einer winzigen Glasperle spiegeln konnte. Seitdem trug sie ständig eine Perle oder eine Murmel bei sich.
„ Da hab ich doch die ganze Welt in der Tasche „ erklärte sie mir „und Mister Gott noch dazu“.
Liebe Grüsse, Sine