Ich möchte noch etwas zu den Anticardiolipin-Antikörpern posten, die nach Konynenburg im Crash eine Rolle spielen.
2 Studien habe ich dazu gefunden.
In der ersten Studie werden Anticardiolipin-Antikörper (ACA) als serologische Marker angeführt, die in sehr vielen verschiedenen Krankheiten vorgefunden werden: Virusinfektionen, chemische und marine Toxinbelastungen (Ciguatoxine), HIV, EBV, Leukämie, Pilz-Expositionen, Malaria und Staphylococcus-Infektionen, Multiple Sklerose, systemischer Lupus erythematodus, Autoimmun-Hepatitis, idiopathische Epilepsie, Cryptovirus (Zoonotic virus).
Die ACA tauchen also bei relativ vielen Erkrankungen auf. Bei gesunden Probanden werden bei 77% keine Antikörper gefunden, bei den restlichen Probanden nur niedrige Titer, bzw. bei 7,7 % moderat erhöhte Titer.
In der Studie wiesen 95 % aller Serumtests von 40 CFS-Patienten relativ hohe Titer von ACA (Immunglobulin IgM) auf. Die Isotypen IgG waren bei 10 % vorhanden, und IgA bei 2,5 %. Das läßt vermuten, daß CFS eine Erkrankung des Immunsystems ist.
In der ersten Studie wird auf weitere Studien hingewiesen, in denen mit Rituximab hohe Titer der ACA bei einigen Erkrankungen (nicht CFS) reduziert werden konnten. Daß diese Therapie ins Gegenteil umschlagen kann, dazu gibt es hier im Forum den Rituximab-Thread.
Die Studie: Anticardiolipin Antibodies in the Sera of Patients Diagnosed with CFS (2009):
https://www.ncf-net.org/pdf/AnticardiolipinAntibodies.pdf
In einer zweiten Studie, die schwieriger verständlich ist, wurden 328 CFS-Patienten neben anderen Patienten wie z.B. der Ciguatoxin-Fisch-Vergiftung (CTX) untersucht.
Beide Erkrankungen haben ähnliche Symptome wie Fatigue, schlechtes Gedächtnis und Konzentration, geschwollene Lymphknoten, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, und andere neurologische Beeinträchtigungen.
In dieser Studie wurden nicht die ACA bestimmt, sondern – wenn ich das richtig verstanden habe - „acute phase lipids“ (MAb-CTX).
Dabei handelt es sich um eine Immunreaktion (ähnlich der Reaktion wie beim Akute-Phase-Protein), bei der extrem viele spezifische Lipide, eben die "acute phase lipids" freigesetzt werden (v.a. bei viralen Infektionen). Diese Lipid-Fraktionen sind assoziiert mit den Phospholipiden in den Mitochondrien, den Cardiolipinen. Die Anwesenheit von Cardiolipinen als „akute phase lipids“ ist streng assoziiert mit ACA-Titern (strong reaction), sind also ein anderer Marker für die Anticardiolipin-Antikörper.
Die Autoren stellen in Anlehnung an die Vorgänge bei der Ciguatoxin-Vergiftung die Hypothese auf, daß Zerstörung oder Stimulation der Mitochondrien durch Toxine eine Freisetzung der Phospholipide bewirkt, welche wiederum die Antikörper-Reaktion auslöst. Bei der CTX-Vergiftung gilt es als wahrscheinlich, daß während der Entgiftung bzw. der fortschreitenden Zerstörung durch die Toxine die Mitochondrien der Leber so angegriffen werden, daß Phospholipide (oder Bruchstücke) freigesetzt werden, die ihrerseits eine Autoimmunreaktion durch ACA auslösen.
Das erinnert mich an die Phospholipid-Exchange-Therapie, bei der bekannt ist, daß lipidhaltige Toxine, aber auch andere Toxine wie Schwermetalle, sich in die Zellmembranen einlagern und deren Funktion beeinträchtigen. Schädigen diese Toxine möglicherweise die Phospholipide und lösen diese oder Bruchstücke davon aus der Membran heraus, oder verdrängen diese, sodaß sie verstärkt ins Blut freigesetzt werden?
Das Ergebnis der Studie jedenfalls war, daß von den 328 untersuchten CFS-Patienten 299 (vermutlich erhöhte) acute-phase-lipid-Titer mit 1:40 aufwiesen (91,2%), 29 Proben mit 1:20. Leider schreiben sie nirgends, ab welchem Wert die Titer als erhöht gelten, aber im Vergleich zu gesunden Probanden liegen die Titer doch deutlich höher, denn 48 gesunde Probanden hatten Titer mit 1:20, und nur 4 Personen Titer mit 1:40. Auch in dieser Studie waren die IgM bei CFS, soweit sie gemessen wurden, am höchsten vertreten.
Es wird noch eine Studie mit Mäusen angeführt, bei der injiziertes Ciguatoxin strukturelle Veränderungen im Gewebe der Mitochondrien verursachte: Die innere Mitochondrienmembran, die Cardiolipin enthält, ist angeschwollen und wurde beschädigt (in Herz und Leber/Elektronenmikroskop).
Das wirft ein Schlaglicht auf die möglichen Zerstörungen durch Toxine, die eine geordnete ATP-Synthese verhindern: Also nicht nur durch Hemmung der Atmungsenzyme, oder Substratmangel, Elektronenmangel, Störungen der Elektronenübertragung etc., sondern auch durch strukturelle Zerstörungen der inneren Mitochondrien-Membran, an der die ATP-Synthese stattfindet, kann eine zu niedrige ATP-Bildung zustande kommen.
Die Studie: Acute Phase Phospholipids Related to the Cardiolipin of Mitochondria in the Sera of Patients With Chronic Fatigue Syndrome (CFS), Chronic Ciguatera Fish Poisoning (CCFP), and Other Diseases Attributed to Chemicals, Gulf War, and Marine Toxins
https://www.ncf-net.org/pdf/HokamaCardiolipinCFS2008.pdf
Die Anticardiolipin-Antikörper sind zwar unspezifisch, da sie bei vielen Erkrankungen auftreten können, sie sind aber natürlich in jedem Falle Ausdruck einer Autoimmunerkrankung. Bei den hohen Prozentsätzen von 95 % und 91 % dürften die meisten von uns diese Antikörper aufweisen.
Bluttests auf die Antikörper sind bei uns gängig, jedes größere Labor dürfte sie anbieten. Unter den Immunglobulinen dürften die wichtigsten für uns die IgM sein.
LG Gini