Was mich bewegt
Keine Entwarnung in Japan - Luftangriffe auf Libyen - Knut ist tot
Beginnen möchte ich mit der letzten Schlagzeile - Asperger haben ja immer mehr Sinn für kleine Details, als fürs große Ganze - das wird ihnen zumindest nachgesagt.
Knut ist tot. Wieder vereint mit seinem Ziehvater in einer besseren Welt.
Ich habe ihn persönlich nie kennengelernt, weder den Einen, noch den Anderen.
Aber seine Existenz habe ich stets begrüßt. (Beider Existenz.)
Knut war ein Symbol.
Ein Symbol für eine bessere Welt. Eine Welt, in der Menschen und Tiere in einer harmonischen Beziehung leben. Einer Welt, in der sich die einen um die anderen kümmern. Einer Welt, in der nicht ständig die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Existenz gestellt wird (lohnt es sich, den Bären aufzuziehen, wenn er dann eine Fehlprägung erhält?).
Hier wurde eine Entscheidung für das Leben getroffen.
Einem kleinen, hilflosen, vom Schicksal (in Gestalt von Tosca) sehr stiefmütterlich behandelten Lebewesen, wurde eine Chance eingeräumt.
Das ist, in unserer sozialdarwinistisch ausgerichteten Welt, selten.
Das gleiche Glück hatten, nur wenig später, die kleinen Tigerbabys, die sich den falschen, d.h. nicht reinrassigen Vater, ausgesucht hatten, nicht: Sie wurden getötet.
Dieses Schicksal ist für Tiere, die in menschlicher Obhut gezüchtet
(fast hätte ich geschrieben: regeneriert) werden, nicht selten.
Es ist eher die Regel, denn die Ausnahme.
Umso größer war die Freude darüber, das dies dem kleinen Knut
erspart blieb und die ganze Welt versank in in rührseligem Entzücken:
"Oh, ist der süß!"
Knut war auch eine Geldmaschine. Das hat er mit Kernkraftwerken gemeinsam.
Aber Knut war auch eine Quelle der Freude und der kollektiven Begeisterung -
was man von Kernkraftwerken nicht grad sagen kann.
Knut machte auf die Klimakatastrophe aufmerksam - nachhaltiger als Al Gore.
Knut ist tot. Ich bin (auch) darüber traurig.
---------------------------
Was geschieht in Libyen?
Ich eröffne mit einem Ausspruch, der zum Rücktritt eines deutschen Bundespräsidenten führte: "Wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir künftig Kriege führen werden, um unsere wirtschaftlichen Interessen zu wahren."
Das müssen wir wohl.
Denn: der Neoliberalismus ist weder neu noch liberal. Er ist der alte Monopolkapitalismus im neuen Gewand. Das ist kein Grund zur Verwunderung.
Was mich verwundert und schockiert, ist das kurze Gedächtnis der Menschheit.
Als ich einen, politisch durchaus engagierten, Bekannten frage:
"Du erinnerst dich doch noch daran, dass die Amerikaner schon einmal Lybien bombardiert haben?" erwidert er: "Nicht wirklich."
Man kann über Gaddafi sagen was man will und ich will gar nichts positives über ihn sagen. Aber man darf eines nicht vergessen: Als er die Macht ergriff, war ein ein junger, ambitionierter Offizier, der seinem Land die Kontrolle über das Erdöl zurückgab.
Er führte Verstaatlichungen durch. Er verjagte die ausländischen Ölmultis.
Damit macht man sich nicht nur Freunde.
Sollte es Aufstände in Libyen geben, die aus dem Willen der Bevölkerung nach
Selbstbestimmung (was ich persönlich für eine Illusion halte) resultieren, haben sie meine volle Unterstützung.
Meine Erfahrung besagt jedoch, dass auch Bilder lügen.
Ein Flächenbrand, wie er derzeit in der islamischen Welt zu beobachten ist, erfüllt mich mit Misstrauen. Ich bezweifle, dass es sich dabei ausschließlich um einen Aufstand von unten, getragen durch die einheimische Bevölkerung, handelt.
Ich befürchte, dass ausländische 'Sicherheitsberater' den Großteil des revolutionären Potenzials stellen.
(Frage: Wenn Gaddafi die Ölquellen in die Hände des Volkes überführt hat und die
'Revolution' diesen Prozess annuliert - handelt es sich dann noch um eine
Revolution, oder eher um eine Konterrevolution?)
Ich möchte nicht zynisch erscheinen.
Menschen, die für ihre Freiheit kämpfen, genießen meine volle Sympathie.
Aber die Freiheit des einen ist nicht die Freiheit des anderen.
Wenn wir im Westen, d.h. westliche Politiker den Begriff 'Freiheit' verwenden,
bedeutet dies gewöhnlich: Freiheit des Marktes.
Freiheit im Sinne eines Milton Friedman.
Freiheit für die Jünger des Kapitals.
Es bedeutet nicht: Freiheit für den Einzelnen.
Es bedeutet schon garnicht: Freiheit für die unterdrückte Bevölkerung.
Unsere Schmerzgrenze, bezüglich dessen, was wir an Elend in anderen Ländern
ertragen, ist enorm hoch angesiedelt.
Da wir schon beim Beispiel Afrika sind: Unterdrückung, Korruption, Massenmord, ungehemmte Ausbreitung von Aids (WHO: Zahl der Infizierten könnte bei bis zu 50% liegen) oder ganz einfach millionenfacher Tod durch Hunger.
Das alles geht an uns nahezu spurlos vorbei.
Ja, Nordafrika ist näher an Europa und kriegerische Auseinandersetzungen in diesen Regionen beunruhigen uns naturgemäß stärker, als wenn sie in den Stammesgebieten der Tutsi und Hutu stattfinden.
Sie sind weiter weg. Die anderen näher dran. Auch schneller hier, wenn wir das Kind mal beim Namen nennen wollen.
Die verstörenden Bilder des Filmes 'Der Marsch' stehen uns noch vor Augen.
Das alles wollen wir nicht zu nahe an uns heranlassen.
Wir streiten - unter medialer Beobachtung - heftig darüber, ob der Islam mittlerweile zu Deutschland gehört oder nicht.
Die Zuordnung dessen, was zum Islam gehört ist ebenso variabel wie diffus und meint gewöhnlich alles, was in irgendeiner Form be(fremd)lich ist.
(Osama bin Laden, Al-Kaida, Selbstmordattentäter, Steinigung von Ehebrecherinnen, Kopftuchzwang, Turbane.)
Das ist nicht nur für Deutschland typisch.
Nach den Ereignissen des 11.09.2001 kam es in amerikanischen Städten zu wahren Hetzjagden auf Turbanträger. Ein Sikkh fiel ihnen zum Opfer.
Das allgemeine Bedauern hielt sich in Grenzen. In Zeiten der Not tut man gut daran, auf die öffentliche Zurschaustellung einer nicht 'national' besetzten Symbolik zu verzichten.
Ich hatte in der Vorwoche Christa Wolf und ihr 'laßt euch nicht, von den eigenen Leuten täuschen', zitiert.
Und ehe wir in Jubel über unsere Fähigkeit, Verantwortung für das Schicksal der Aufständischen von Bengasi zu übernehmen, ausbrechen, sollten wir uns ernsthaft fragen, ob hier nicht - im Schatten von Fukushima - etwas stattfindet, was man auf der Ebene internationaler Großkonzerne als 'feindliche
Übernahme' bezeichnen würde.
Die Ereignisse, die zum Eingreifen deutscher Truppen in Jugoslawien führten, wurden im nachhinein als 'manipuliert' enttarnt.
Ich will hoffen, das es sich in diesem Fall nicht auch so verhält.
Ich fürchte, dass es doch so ist.
Die Bilder des Libyen-Krieges ( ja, der Einsatz wurde im deutschen Fernsehen tatsächlich schon so genannt) überlagern die des Fukushima-Gaus. Ein durchaus erwünschter Effekt.
Wenn ich jetzt eine Rauchwolke im Fernsehen sehe, muss ich ein zweites Mal hinschauen, um herauszufinden, wo sich die Kamera befindet. Der Kampf-einsatz in Libyen lenkt von der atomaren Krise ab. Man hat etwas anderes, womit man sich beschäftigen kann.
Man gehört dabei, wieder einmal, zu den Guten. Wir Deutschen gleich zweifach, weil wir uns ja nicht an den eigentlichen Kampfeshandlungen beteiligen.
Die Gründe, warum dies nicht geschieht, interessieren nicht.
Es liegt auf der Hand, dass es sich für keine Partei so kurz vor den Wahlen auszahlt, wenn sie - neben einer absolut unberechenbaren Atompolitik auch noch eine Aussenpolitik betreibt, die sich durch eine ungebremste Einsatzfreude rund um den Globus auszeichnet.
Auch das sollten wir im Auge behalten.
-------------------------