Verschiedene Gedichte

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Klasse, Uta!

Liebe Grüsse,
uma :)))
 
Eigentlich kein Gedicht(vielleicht im Original), aber totzdem......

Dies Menschsein ist ein Gästehaus.
An jedem Morgen eine neue Ankunft.
Eine Freude, eine Melancholie, eine Niedertracht,
ein kurzes Gewahrsein
kommen als unerwarteter Besuch.

Heiss`sie willkommen und nimm alle auf!
Und seien sie auch eine Horde von Sorgen,
die mit Gewalt das Haus durchfegen,
der Einrichtung berauben,
auch dann, geh`redlich mit jedem Gast um.

Vielleicht räumt er dich frei
für eine neue Wonne.
Den dunklen Gedanken, die Scham, die Tücke,
begrüsse sie an der Türe, lachend,
und bitte sie herein.
Sei dankbar für jeden der kommt,
weil jeder geschickt ist
als Wegweiser aus dem Jenseits.

Rumi
 
Da Mau im Stroßngrobn
von Evelyn Schlegel



Drei Beirinnen gengan amoi ausnaumsweis furt,
und sitzn in an klan Wiazhaus vua Urt.
Se sitzn und quatschn und schaun auf ka Ua,
auf amoi, do reißt ses, s’is zwa in da Fruah.

Se zoin und stehn auf und gehn außi in d’Nocht,
und hobn aufm Hoamweg vü plaudat und glocht.
Do plötzlich do schreckts Oane, schreit: Schnö, schauts hi!
I moan do liegt Ana im Stroßngrobn drin.

Jö, mei, sogt die Aundre, des wiad do ned goa,
da Meine sei, schauts, die söbn Hoa!
Die Dritte sogt, des is goa ned so leicht,
der hot an voin Daumpf, und is bloss wia a Leich.

Dem san seine Gsichtszüge total entgleist,
do brauchat ma nu an gaunz aundan Beweis.
Na, sogt de Erste, des is ned so schwa,
des losst se dagreifn, obs da Meinige wa.

Se mochts Hosntial auf, und greift gaunz kurz eini,
beidlt in Kopf:Na, des is ned da Meini.
Die Zweite moant:Du, des is ma ned z’bled!
Greift eini und sogt: Na, da Deine is ned.

Die Dritte die denkt jetzt a nimma laung noch,
greift eine beim Tial, schaut keck und daun lochts.
Wos hobts denn ia zwoa, was tats denn aso?
Dea Keal, dea do liegt, is do goa ned von do.
 
Gedichte

Teuflisches

Ein Stabsgefreiter fuhr zur Hölle.
Dort schrie er: "Melde mich zur Stelle!"

Da sprach der Teufel: "Lieber Herr,
hier sind wir nicht beim Militär."

Drauf rief der Landser stramm und schnell:
"Jawohl, verstanden, zu Befehl!"

Der Teufel fragte: "Guter Mann,
was fang ich nur mit Ihnen an?"

Der aber schrie aus voller Kehle:
"Ich bitt gehorsamst um Befehle!"

Der Teufel überlegte lang,
ihm war um seine Ruhe bang.

So schickte er ihn bald darauf
zur Erde wiederum hinauf.

Dort sieht man heute noch ihn ziehn,
wie ihn die Hölle ausgespien.
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Von Herbert W. Franke: Medien Kunst Netz | Franke, Herbert W.: Biografie

Mehr von ihm: HWF - Gedichte
 
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Angeregt von Phil, bin ich auf dieses Gedicht vom alten Geheimrat gestoßen ;):




Eins und Alles


von Johann Wolfgang von Goethe


Im Grenzenlosen sich zu finden,
Wird gern der einzelne verschwinden,
Da löst sich aller Überdruß;
Statt heißem Wünschen, wildem Wollen,
Statt lästgem Fordern, strengem Sollen,
Sich aufzugeben ist Genuß.

Weltseele, komm, uns zu durchdringen!
Dann mit dem Weltgeist selbst zu ringen,
Wird unsrer Kräfte Hochberuf.
Teilnehmend führen gute Geister,
Gelinde leitend höchste Meister
Zu dem, der alles schafft und schuf.

Und umzuschaffen das Geschaffne,
Damit sich's nicht zum Starren waffne,
Wirkt ewiges, lebendiges Tun.
Und was nicht war, nun will es werden
Zu reinen Sonnen, farbigen Erden;
In keinem Falle darf es ruhn.

Es soll sich regen, schaffend handeln,
Erst sich gestalten, dann verwandeln;
Nur scheinbar steht's Momente still.
Das Ewige regt sich fort in allen:
Denn alles muß in Nichts zerfallen,
Wenn es im Sein beharren will.
Anthologie.de - Goethe: Eins und Alles
 
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An einen Baum

von Friedrich Hölderlin

und die ewigen Bahnen
Lächelnd über uns hin zögen die Herrscher der Welt,
Sonne und Mond und Sterne, und auch die Blize der Wolken
Spielten, des Augenbliks feurige Kinder, um uns,
Aber in unsrem Innern, ein Bild der Fürsten des Himmels,
Wandelte neidlos der Gott unserer Liebe dahin,
Und er mischte den Duft, die reine, heilige Seele,
Die, von des Frühlinges silberner Stunde genährt,
Oft überströmte, hinaus in's glänzende Meer des Tages,
Und in das Abendroth und in die Woogen der Nacht,
Ach! wir lebten so frei im innig unendlichen Leben,
Unbekümmert und still, selber ein seeliger Traum,
Jezt uns selber genug und jezt in's Weite verfliegend,
Aber im Innersten doch immer lebendig und eins.
Glüklicher Baum! wie lange, wie lange könnt' ich noch singen
Und vergehen im Blik auf dein erbebendes Haupt,
Aber siehe! dort regt sich's, es wandeln in Schleiern die Jungfrau'n
Und wer weiß es, vieleicht wäre mein Mädchen dabei;
Laß mich, laß mich, ich muß - lebwohl! es reißt mich in's Leben,
Daß ich im kindischen Gang folge der lieblichen Spur,
Aber du Guter, dich will, dich will ich nimmer vergessen,
Ewig bist du und bleibst meiner Geliebtesten Bild.
Und käm' einmal ein Tag, wo sie die meinige wäre
O! dann ruht' ich mit ihr, unter dir, Freundlicher, aus
Und du zürnetest nicht, du gössest Schatten und Düfte
Und ein rauschendes Lied über die Glüklichen aus.
 
Suserfescht
Erika Buhr
(aus: Im Zitewind)

Grüeß Gott, grüeß Gott
ihr Fraue, ihr Manne.
Trinket de Suser
us Becher un Channe.
Lueget!
D Summersunne blinzlet drus.
Öpfel un Biire dufte dur s Hus.
Farbigi Blätter leuchte vom Rank.

Heißa, mir fiire hüt Erntedank!

Gedicht des Monats

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Versprechung

Die Tränentropfen die du siehst

die aus unseren Augen fließen

niemals glaube

sind Zeichen der Hoffnungslosigkeit

Es sind nur eine Versprechung

Versprechung für den Kampf

(Militärgefängnis Bogiati, Februar 1972)


Vi scrivo da un carcere in Grecia, 1974


Meine Adresse


Ein Streicholzteil als Bleistift

Blut auf dem Boden als Tinte

Das vergessene Verpackungspapier

Was soll ich dir schreiben

Meine Adresse vielleicht schaffe ich nur

die seltsame Tinte gefriert

Ich schreib dir aus einem Gefängnis

in Griechenland (Militärgefängnis Bogiati, 5 Juni 1971 – Nach Schlägen) Vi scrivo da un carcere in Grecia, 1974.


Alexandros Panagoulis wurde in Glyfada (Athen) geboren als zweiter Sohn von Athena und Vassilios Panagoulis, einem Offizier der griechischen Armee. Sein Bruder Georgios Panagoulis war ein Opfer der Militärdiktatur und Efstathios sein anderer Bruder wurde ein Politiker. Er studierte an der Nationalen Technischen Universität von Athen (Metsovion Polytechnikum) in der Fakultät für Maschinenbau und Elektrotechnik.

Er nahm aktiv teil am Kampf gegen die griechische Militärdiktatur (1967-1974). Er wurde berühmt durch ein Attentat auf den Diktator Georgios Papadopoulos am 13. August 1968, aber auch wegen seiner Haltung in der nachfolgenden Folter, die er in Gefangenschaft erleiden musste. Nach der Wiederherstellung der Demokratie wurde er zum Parlamentarier gewählt als Mitglied der Zentrumsunion E. K. (Enosis Kentrou).
Alekos Panagoulis - Wikipedia
 
Ich bin ein Pilger ...

von Erich Mühsam

Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt;
der Feuer sieht und weiß nicht, wo es brennt;
vor dem die Welt in fremde Sonnen rennt.

Ich bin ein Träumer, den ein Lichtschein narrt;
der in dem Sonnenstrahl nach Golde scharrt;
der das Erwachen flieht, auf das er harrt.

Ich bin ein Stern, der seinen Gott erhellt;
der seinen Glanz in dunkle Seelen stellt;
der einst in fahle Ewigkeiten fällt.

Ich bin ein Wasser, das nie mündend fließt;
das tauentströmt in Wolken sich ergießt;
das küßt und fortschwemmt * weint und froh genießt.

Wo ist, der meines Wesens Namen nennt?
Der meine Welt von meiner Sehnsucht trennt?
Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt.
Erich Mühsam - Gedichte
 
Q u i e r o (Ich will …)

Ich will, dass du mir zuhörst, ohne über mich zu urteilen.

Ich will, dass du deine Meinung sagst, ohne mir Ratschläge zu erteilen.

Ich will, dass du mir vertraust, ohne etwas zu erwarten.

Ich will, dass du mir hilfst, ohne für mich zu entscheiden.

Ich will, dass du für mich sorgst, ohne mich zu erdrücken.

Ich will, dass du mich siehst, ohne dich in mir zu sehen.

Ich will, dass du mich umarmst, ohne mir den Atem zu rauben.

Ich will, dass du mir Mut machst, ohne mich zu bedrängen.

Ich will, dass du mich hältst, ohne mich festzuhalten.

Ich will, dass du dich näherst, doch nicht als Eindringling.

Ich will, dass du all das kennst, was dir an mir missfällt —

Dass du es akzeptierst, versuch es nicht zu ändern.

Ich will, dass du weißt ... dass du heute auf mich zählen kannst

... bedingungslos.

Jorge Bucay

J.B. ist ein argentinischer Psychotherapeut und Schriftsteller. Sein jüngstes Buch erschien im Ammann Verlag in Deutsch, unter dem Titel: "Komm, ich erzähl dir eine Geschichte". Der obige Text ist ein Gedicht, das nicht in diesem Buch enthalten ist. (E.T.)
 
Gedichte

Das Leben beginnt auf alle Fälle
in einer Zelle.
Doch manchmal endets auch
bei Strolchen
in einer solchen.

H. Erhard
 
Gedichte

Saufms aus den Lack
weu uma ochte sperrma
drübm woat auf mi
scho die gaunze Stoß-Partie.

Wahrns friah kumma!
Uma aans umadum bin ih oft no niacht...
wahns friah kumma...
daun wahrns jez a längst scho zhaus.

Refrain:
Mir san ein Haus mit oida Tradition
seit dreißich Jahrn schon....
a oba wos soi ih Ihna sogn
eschowissn
jez sch****** ih dann drauf
....und ibahaupt....


Lieber RRichter! - Ich könnte Übersetzungshilfe brauchen, und angeblich gibt es auch noch eine andere Strophe dazu.

Grüsse,
Uta
 
Gedichte

Hallo Uta,

ein wenig geschockt bin ich schon, weil ich in diesem Gedicht ein paarmal vorkomme :eek: :schock:... Besser, man versteht nicht alles :D.

Liebe Grüsse,
uma :rolleyes: *gg*
 
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Gedichte

hallo uta!


hier ist eine freie übersetzung deines gedicht´s!


Saufns aus den Lack
weu uma ochte sperrma
drübm woat auf mi
scho die gaunze Stoß-Partie.

Trinken Sie das abgestandene Bier aus,
denn um acht sperren wir
denn drüben wartet schon
die kartenrunde auf mich. (Stoss ist ein einfaches Kartenspiel mit sehr hohen einsätzen, Unterweltspiel)


Wahrns friah kumma!
Uma aans umadum bin ih oft no niacht...
wahns friah kumma...
daun wahrns jez a längst scho zhaus.

Wären Sie früher gekommen
um ein Uhr herum bin ich oft noch nüchtern
wären Sie früher gekommen
dann wären Sie jetzt schon längst zuhause.


Refrain:
Mir san ein Haus mit oida Tradition
seit dreißich Jahrn schon....
a oba wos soi ih Ihna sogn
eschowissn
jez sch****** ih dann drauf
....und ibahaupt....

Wir sind ein Haus mit Tradition
seit dreißig Jahren schon...
aber was soll ich sagen
Sie wissen schon
jetzt scheiß ich drauf
...und überhaupt...




also bitte sehr, aber ein ziemlich seltsames gedicht. wahrscheinlich liegt es am fehlenden schluß.


schöne grüße
rudi
 
Gedichte

Gott sei Dank, Rudi! :D

Ich dachte schon, man müsste "Ferkelalarm" geben! ;)

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Gedichte

Ist wirklich ein seltsames "Gedicht", aber mich hat geärgert, daß ich es schon gleich gar nicht richtig verstehen konnte.

Danke für die Übersetzung, RR :).

Uta
 
Gedichte

Der Halbwilde
Vor ein paar Monat geh i aus mit der Hilde,
i mit der neuchen Schal'n und sie mit'n Kostüm.
wir geh'n ins Kärntnerkino und wir sehn "Der Wilde", ein leiwander Film.
I schick' die Hilde z'Haus und steh dann allan do,
weil dieser Film, der geht mir nicht aus dem Sinn
und ich beschliess ich kauf mir wie der Marlon Brando a klasse Maschin.

Ich bin nämlich immer für's Moderne, jeder muß sich heut motorisier'n,
and're reissen immer wieder Sterne, aber mir kann sowas nicht passier'n!

Ich kaufe einer Wittwe billig des G'wand o
und leg beim Daimler-Puch die Anzahlung hin.
Und jeder sagt, i schau jetzt aus wie Marlon Brando mit seiner Maschin.

Bis jetzt war i in uns'rer Platten der Gfüllte,
jetzt wissens alle in mir steckt no was drinn',
in meiner Gassen nennt mi jeder jetzt "der Wilde" mit seiner Maschin.

Weil i fahr jetzt jeder Limousin' vor, schließlich liebt der Mensch von heut den Spurt,
zwar hab ich ka Ahnung wo ich hinfahr, aber dafür bin i g'schwinder durt!

I hab' an Spezi und der wollt' mi verzahn do
in eine Fahrschul', aber i geh' net hin.
Des is ka Aufenthalt für einen Marlon Brando mit seiner Maschin.

Weil jeder Wachmann der mi sicht is im Bilde.
Er stellt von Weiten schon die Ampel auf Grün,
weil wenn die rot is siech i rot. ich bin der Wilde mit meiner Maschin.

Leider gibt es immer wieder Viecher, die behandeln mich mit Spott und Hohn,
nennt mich einer "Halbstark" oder "Pülcher" kränkt er meine Generation!

Mein Vater sagt, aber dem geht der Verstand o,
ich hab für wahre Ideale kan Sinn.
Na ist des net a Ideal? Der Marlon Brando mit seiner Maschin.
Gedichte-Sammlung { Liebe, Freundschaft, Abschied, Trauer ... }

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Qualtinger gesungen von Qualtinger, Text & Musik: Gerhard Bronner .
Hier kann man sich das auch anhören!


Uta
 
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Gedichte

Was es ist
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

... danke Erich Fried
 
Gedichte

Es gingen zwei Parallelen
ins Endlose hinaus,
zwei kerzengerade Seelen
und aus solidem Haus.


Sie wollten sich nicht schneiden
bis an ihr seliges Grab:
das war nun einmal der beiden
geheimer Stolz und Stab.


Doch als sie zehn Lichtjahre
gewandert neben sich hin,
dawar's dem einsamen Paare
nicht irdisch mehr zu Sinn.


War'n sie noch Parallelen?
Sie wußten's selber nicht, -
sie flössen nur wie zwei Seelen
zusammen durch ewiges Licht.


Das ewige Licht durchdrang sie,
da wurden sie eins in ihm;
die Ewigkeit verschlang sie,
als wie zwei Seraphim.

...na dann bis Morgen, Stern

Die zwei Parallelen - DCMA
 
Durch den Merseburger Dom www.symptome.ch/vbboard/religion/11004-schoene-alte-kirchen-16.html gestoßen:


https://titus.uni-frankfurt.de/texte/etcs/germ/ahd/mersebg/mersebg/merseb1o.jpg


Der Erste Merseburger Zauberspruch


Der Erste Merseburger Zauberspruch ist ein Vierzeiler. Er lautet im Original:

Eiris sâzun idisi, sâzun hêra duoder.
suma hapt heptidun, suma heri lezidun,
suma clûbôdun umbi cuoniouuidi:
insprinc haptbandum, inuar uîgandun !

Hier eine Übersetzung ins heutige Deutsch:

Einst setzten sich Jungfrauen/Idisen, setzten sich hierher...
Manche hefteten Haft, manche hemmten das Heer.
Einige zerrten an den Fesseln.
Entspring den Haftbanden, entfahr den Feinden!


Der Zauberspruch beschreibt, wie eine Anzahl „Idisen“ (walkürenartige (?) Frauen, eventuell identisch mit den Disen, weibliche Gottheiten aus der nordischen Mythologie) auf dem Schlachtfeld gefangene Krieger befreit. Insofern handelt es sich um einen „Lösesegen“, durch den Gefangene aus ihrer Gefangenschaft befreit werden sollen. Die letzte Zeile „Entspring den Haftbanden, entfahr den Feinden!“ ist die eigentliche magische Komponente, sie enthält die Vorbildhandlung.


Der Zweite Merseburger Zauberspruch


Der zweite Merseburger Zauberspruch ist länger als der erste:

Phol ende Uuôdan uuorun zi holza.
Dû uuart demo Balderes uolon sîn uuoz birenkit.
thû biguol en Sinthgunt, Sunna era suister,
thû biguol en Frîia, Uolla era suister;
thû biguol en Uuôdan sô hê uuola conda:
sôse bênrenkî, sôse bluotrenkî,
sôse lidirenkî:
bên zi bêna, bluot zi bluoda,
lid zi geliden, sôse gelimida sin!


Auch hier eine Übersetzung:

Phol und Wodan ritten ins Holz.
Da ward dem Fohlen Balders der Fuß verrenkt.
Da besprach ihn Sinthgunt (und) Sunna, ihre Schwester.
Da besprach ihn Frija (und) Volla, ihre Schwester.
Da besprach ihn Wodan, wie (nur) er es verstand:
So Knochenrenke wie Blutrenke
Wie Gliedrenke:
Bein zu Bein, Blut zu Blut,
Glied zu Gliedern, als ob geleimt sie seien! (oder: dass sie gelenkig sind!)

Die Bedeutung des Zauberspruchs ist offensichtlich: das verrenkte Bein eines Pferdes oder Fohlens soll geheilt werden. Entsprechende Darstellungen finden sich oft auf Brakteaten[1] aus dem 5./6. Jahrhundert. Auf vielen Brakteaten aus dieser Zeit ist Wotan abgebildet, wie er ein Pferd heilt, das ein krankes Bein hat (meistens der Vorderlauf). Insofern ist der Spruch klar.

Bis heute in der Fachwelt umstritten sind aber die Götternamen, die im Text genannt werden. Eindeutig identifiziert sind nur „Uuôdan“ (Wodan, Wotan, Odin) und „Frîia“ (Freya, seine Gemahlin). Bei „Phol“ (Vol? Fol?) bestreiten einige Gelehrte, dass es sich um einen Götternamen handelt. Ebenso wird Balder von einigen nicht als Name des Gottes Balder (Baldur), sondern als „Herr“ gedeutet, in diesem Falle bezöge es sich auf Wotan. Sinthgunt und Sunna sind nur hier erwähnt, ebenso Volla. Letztere wird von den meisten Fachleuten mit der Göttin Fulla, einer Zofe der Frigg, gleichgesetzt. Der schwedische Linguist Erik Brate (1857-1924) deutete Phol und Volla als Geschwisterpaar, analog zu Freya und Freyr. Doch das ist nur eine Hypothese, zumal Phol nur hier genannt wird.

Merseburger Zaubersprüche

Herzliche Grüße von
Leòn

 
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