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Ein frühkindliches Trauma prägt fürs Leben und zwar im wörtlichen Sinn: Es verändert die Methylierung des Erbguts und damit die Aktivität der Gene dauerhaft. Als Folge sind Betroffene stressanfälliger und ängstlicher.
Missbrauch und Gewalt in der Kindheit hinterlassen Narben auf der Seele. Nun haben US-amerikanische Forscher die molekularen Grundlagen hierfür entdeckt: Bestimmte Gene werden durch traumatische Erlebnisse dauerhaft an- beziehungsweise abgeschaltet. Von Ratten war dies seit Längerem bekannt. Dr. Michael Meaney und seine Kollegen von der McGill University in Montreal, Kanada, hatten untersucht, wie die mütterliche Fürsorge das Verhalten der Jungtiere beeinflusst. Dabei entdeckten sie: Je fürsorglicher eine Mutter ihre Kinder versorgte, desto selbstsicherer und stressresistenter war der Nachwuchs. Die bemutterten Tiere produzierten in Gefahrensituationen weniger Stresshormone als ihre vernachlässigten Artgenossen. Dieser Effekt hielt sich bis ins Erwachsenenalter.
Meaney und seine Kollegen wollten die physiologische Grundlage dieser Prägung identifizieren und untersuchten die Gehirne der Tiere. Sie entdeckten dabei, dass sich die DNA in den Zellen des Hippocampus in ihrem Methylierungsmuster unterschied. Die Fürsorge der Mutter hatte dazu geführt, dass wichtige Gene der Stressreaktion durch chemische Modifikation abgeschaltet wurden. Bei den weniger umsorgten Tieren dagegen hatte die frühkindliche Vernachlässigung das Gehirn auf Stress programmiert.
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Die epigenetischen Markierungen bestimmen aber nicht nur die Lesbarkeit der Gene in einem Individuum, sondern sie können vermutlich auch vererbt werden. So bekamen Ratten, die in der Schwangerschaft eine fruchtbarkeitssenkende Substanz gespritzt bekommen hatten, männliche Junge mit eingeschränkter Fertilität. Auch deren Söhne, Enkel und Urenkel zeigten noch dieses Merkmal und wiesen ein auffälliges Methylierungsmuster auf. Selbst beim Menschen gibt es mittlerweile Hinweise darauf, dass epigenetische Muster vererbt werden. Dies erschüttert das bisherige Dogma der Genetik, nach dem Aussehen und Krankheitsrisiken in den Genen festgeschrieben sind und die Gene sich durch die Umwelt nicht beeinflussen lassen.
Doch anders als bei Mutationen sind epigenetische Marker veränderbar, Methylgruppen lassen sich auch entfernen oder neu anbringen.
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