Interessant an diesem Bericht scheint mir, daß man den Versender dieser Briefbombe gleich als Terroristen einstuft und damit, gewollt oder nicht, muslimische Hintergründe unterstellt.
Hoffen wir, daß die Politiker zur Vernunft kommen, BEVOR solch ein verzweifelter Bürger noch schlimmeres anrichtet.
Aber Hallo! Da geht einiges drüber und drunter!
Wer eine Briefbombe versendet, will Schrecken erzeugen, ist also per Definition ein Terrorist. Wieso damit ein religiöser Hintergrund damit verbunden sein soll, kann ein denkender Mensch nicht nachvollziehen. Du willst doch nicht etwa einen Anschlag auf Leib und Leben rechtfertigen?
Abgesehen davon, dass die Ensslin eine Pfarrerstochter war, konnte man weder bei der RAF noch bei den nationalistischen Rummsern im Südtirol noch beim DDR-Regime (den einzigen drei namhaften Terrorbewegungen in unserem Sprachgebiet seit 1945) religiöse Motive nachweisen.
Also lass die Religionen aus den Spekulationen über diesen Anschlag raus!
Wie Du auf die Idee kommst, dass sich die Politik einem angeblich "verzweifelten" Bürger beugen soll, der mit weiteren Anschlägen drohen könnte, ist mir ein vollkommenes Rätsel.
Wir haben ein Druckmittel auf die Politiker. Das heisst weder Religion noch Bombe, sondern STIMMZETTEL. Die Bürger von Baden-Württemberg und Basel-Land haben das letztes Wochenende bewiesen.
Ihr tut so, als seien die KKWs seit zwei Wochen allesamt gefährliche Bomben, die man nun kurz vor dem unmittelbar bevorstehenden Expoldieren "entschärfen" müsse. Haltet mal ein und denkt!
Die direktbetroffenen Japaner haben noch 50 weitere KKWs im Land. Jetzt werden die -hoffentlich- einer gründlichen Risiko- und Sicherheitsanalyse unterzogen anhand der neuen Erkenntnissen aus Fukushima. Abgeschaltet werden die bestimmt nicht, auch nicht jene in Frankreich, Tschechien und schon gar nicht die RBMK-Höllenmaschinen vom Tschernobyl-Typ z.B. in Petersburg und Kursk (deren Letzte gar noch im Bau ist).
Jetzt also zum Erfahrungsstand nach Fukushima:
- Siedewasserreaktoren schalten auch bei grösseren Erdbeben als dem zur Auslegung angenommenen ordentlich ab und die Notstromversorgung läuft an, selbst bei jenen, die von einer lausigen Klitsche wie TEPCO betrieben werden.
- Einen zweiten Schlag, in diesem Fall einen Tsunami, der die Auslegungshöhe überschreitet, hält das System aber nicht aus. Ohne Erdbeben wären zwar durch die Überflutung auch beide Diesel (pro Reaktor) ausgefallen, weil die nicht echt redundant waren, d.h. vom gleichen Ereignis auf gleiche Weise ausgeschaltet wurden. ABER: Die Energieversorgung der Kontrollräume und der Steuerung für die Reaktor-Notspeiseturbine hätte von Aussen durch rasch herbeigebrachte Generatoren oder das Netz wiederhergestellt werden können, bevor die Notbatterien leergefahren waren.
Es brauchte also beide Ereignisse, was man ja hätte wissen können, denn einem Seebeben folgt im Allgemeinen ein Tsunami ...
Ganz besonders schwach ist die Sicherungskette der Abklingbecken:
Ohne Strom geht nix - Ende. So erwies sich rasch der Reaktor mit dem ausgeräumten Kern als der Gefährlichste ...
- Durch die weiträumigen Zerstörungen der Infrastruktur haben sich die etwa 24 Stunden, die man für die Wiederherstellung der Stromversorgung eines KKWs ansetzt, als hoffnungslos zu kurz erwiesen.
Hinzu kommt noch das Klumpenrisiko von sechs bauartgleichen KKWs an einem einzigen Ort, die also auch parallel versagen. Bricht einer, kann für die anderen nichts mehr getan werden (In Tschernobyl wurden das Radionukleare Inventar durch den Graphitbrand vom KKW weggetragen, weswegen es möglich war, die übrigen Blöcke weiterzubetreiben. In Fuku hingegen bleibt das Zeug in der Masse vor Ort. Kommt es allenfalls doch noch zu massiven Austritten von Stufe 7, kann niemand wehr die übrigen Reaktoren retten.)
Weiter geht die etwas frühe Analyse das Unfallgeschehens mit den Explosionen:
- Wenn Dampf aus einem überhitzen Reaktor abgelassen werden muss, um das Explodieren des Druckbehälters zu vermeiden, weiss man spätestens aus der Praxis (Harrisburg), dass dieser Dampf zuvor die Zirkonhüllen der Brennstäbe oxidierte, also grosse Wasserstoffmengen entstehen lässt zufolge der Reduktion von Wasser.
- Dieser Dampf muss ins Freie abgelassen werden via einen Katalysator, der den Wassestoff kalt zu Wasser oxidiert. (Soviel ich weiss, liess in Deutschland Umweltminister Töpfer solche Katalysatoren nachrüsten, wie das z.B. in Mühleberg und Fessenheim steht, weiss ich nicht.)
- Was in Fukusima drei mal hintereinander passierte ist, dass sich der H2-haltige Dampf in der Werkshalle ansammelte und diese schliesslich in einer gewaltigen (nichtnuklearen) Knallgasexplosion zerstörte. Damit ist auch der Kran zerstört, mit dem später mal die Brennstäbe aus dem Kern ausgebaut werden könnten. Eine ordentliche Entsorgung in eine Zwischenlager ist also nicht mehr möglich.
- Und die Arbeiten zur "Rettung" der Reaktoren sind nun extrem erschwert, mal abgesehen von Zerstörungen am Containment, Druckleitungen und wo immer nun diese Austritte von Radioaktivität herkommen. Es wird Jahrzehnte dauern, bis die Reaktoren in ein 'sicheres' Endlager entsorgt werden können. Ein 'Sarkophag' ist Spielzeug, das in einigen Jahrzehnten kaputt ist. Ob die Leute dann noch das Wissen und Wollen haben zur Entsorgung, ist fraglich. Das Endlagerversprechen kann also nicht mehr sicher eingehalten werden.
So, was muss man nun tun, statt als "verzweifelte" Bürger Verständnis für Terroristen aufbringen?
- Zuallererst muss die Notstromversorgung echt redundant gestaltet werden, was mit zwei baugleichen Dieselmotoren sicher nicht der Fall ist: Das schützt nur gegen einen internen Schaden eines Diesels. Externe Faktoren können beide oder auch drei Diesel zugleich ausschalten.
- Die erforderliche Autonomiedauer wurde bisher krass unterschätzt. Es könnten im Falle von sich überlagernden bewaffneten Auseinandersetzungen, Naturkatastrophen oder Epidemien Wochen oder gar Monate vergehen, bis einem KKW von aussen Hilfe gebracht werden kann.
- Die Annahmen der äusseren Einwirkungen zur Auslegung der KKWs müssen überprüft werden sowie - das ist das neue - die Überlagerung verschiedener Einwirkungen natürlicher, technischer und sozialer Art.
- (Schlauere Leute mögen hoffentlich noch weiterdenken ...)
- Und dann bleibt noch das berühmte Restrisiko, dass das KKW von allein aus sich heraus kaputtgeht, wie in Tschernobyl und Harrisburg. Ein Entscheid, den nicht Ingenieure, sondern die Politik zu fällen hat. Im Falle von Zwentendorf hat die Politik (Stimmbürger) dazu nein gesagt. Die zogen es vor, den Strom aus einem KKW jenseits der Grenze zu beziehen, um ihre eigene nationale Nuklearweste sauber zu halten.
Am Restrisiko hat sich durch das Ereignis von Fukushima aber nichts geändert, ausser dass langsam die Konsequenzen sichtbar werden.
Die Versicherungsgesellschaften haben weit vorausblickend das Nuklear-Risiko ganz zu Beginn der Nukleartechnologie ausgeschlossen, die Verbraucher und ihre Vertreter in der Politik haben es akzeptiert.
Jetzt geht es darum, die KKWs nach und nach runterzufahren und durch die mittlerweile verfügbare und noch zu entwickelnden Alternativtechnologie zu ersetzen statt erneut durch KKWs. Die waren zwar zweifellos sicherer, aber tragen eben immer noch dieses ominöse, schlussendlich untragbare Restrisiko in sich.
Fünfzig Jahre warten auf die Kernfusion ist keine Alternative, auch wenn man mit mehr Steuergeldern 47.5 Jahre draus macht. Die Energielücke muss viel früher aufgefüllt werden, ganz egal, um wieviel man die durch kurz- und mittelfristig sinnvolles Sparen verringern kann.
So, das war jetzt etwas viel auf einmal
antinukleare Grüsse
Puistola