Themenstarter
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- 04.07.11
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- 52
Norimas Heimatsprache
Anmerkung:
In Norimas Heimat ist es Brauch, wortlos direkt in Bildern zu kommunizieren. Man lernt dort zu verstehen, indem man beobachtet, wie jemand seine inneren Bilder abspult. So vermittelt sich ein Eindruck, der Sachinformation und Befindlichkeit des Gegenübers gleichzeitig enthält. Alles drückt sich darin direkt und unmissverständlich aus.
Nach ihrer Ankunft am neuen Ort beobachtete Norima die Menschen wie gewohnt, um sie zu verstehen. Solange sie der Worte hier in diesem Land nicht mächtig war, hing sie bewundernd an den Lippen derer, die ihre Bilder sprudeln ließen. Im Laufe der Zeit lernte sie so mit Worten zu kommunizieren, auch wenn der Eindruck entstand, damit nur unvollständig ausdrücken zu können, was sie wirklich bewegte.
Mit der Zeit verlor sich Ihre heimatliche Bildersprache, weil sie an diesem Ort kaum jemanden fand, mit dem sie so kommunizieren konnte. Es gab Freundinnen mit denen sie es versucht hatte. Doch sobald Worte ins Spiel kamen, verzogen sich die inneren Bilder wieder.
Ohne das Norima es zunächst wahrnahm, erhielt ihre Heimatsprache durch eine SMS wieder Bedeutung. Knapp wurde darin der derzeitige Aufenthaltsort einer Freundin mitgeteilt. Während Norima die Nachricht las, bebilderte sie sich sofort und ließ sie bereits einiges ahnen.
Als siie die Freundin am nächsten Tag in ihrem Domizil besuchte, erschrak sie. Unfähig zu sprechen lag diese im Koma und gab Norima wortlos zu verstehen, dass sie sich erst einmal von diesem Schrecken erholen und setzen solle.
Norima, die das Unfassbare erst einmal begreifen musste und ihre Freundin schlafend wähnte, streichelte sanft ihre Hand, während sich vor ihrem inneren Auge ein Film abspulte.
Im Herbst hatten sie beide sich unverhofft und guter Dinge beim Wandern getroffen. Obwohl – wenn sie sich genau erinnerte, hatte Norima bereits beim Anblick ihrer Freundin eine intensive Traurigkeit überfallen, die sie sich gar nicht erklären konnte. Sie hatte etwas so Heftiges gespürt, das sie es nicht näher an sich ranlassen wollte und deshalb rasch beiseite geschoben.
In diesem Augenblick, am Bett der Freundin, kam es wieder hervor. Norima erlebte jetzt, worauf es zurück zu führen war. Die Wahrheit stand mitten im Raum: Ihre Freundin würde diesen Ort verlassen und in die Heimat ziehen.
Tiefe Trauer erfasste Norima auf dem Nachhauseweg bei dem Gedanken, dass diese Beziehung nun bald vollendet sei. Eine heftige Gegenwehr brannte in ihr. Norima ließ an diesem Tag ihren Tränen freien Lauf und mit den Tränen kam eine Erkenntnis.
Konnte es sein, dass sich dieser tobende Teil in ihr nur deshalb so heftig gegen den Abschied der Freundin wehrte, weil er glaubte, nun ebenfalls sterben zu müssen?
Würde er nie mehr mit ihr kommunizieren können, wenn sie jetzt einfach ging?
Norima fühlte ihre tiefe Trauer und beschloss daraufhin, ihre Freundin auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Sie wollte sich selbst und der Freundin diesen Abschied, so gut es ging, erleichtern.
Mit jedem Besuch wurden die „Gespräche“ inniger. Welch ein wunderbares Gefühl sofort verstanden zu werden und selbst Missverständnisse direkt ausräumen zu können!
Wie klar und deutlich die Heimatsprache doch war!
Endlich konnten sie beide wortlos ausdrücken, was sie wirklich bewegte.
Sobald sie das Zimmer der Freundin betrat, hatte Norima das Gefühl, eine andere, sensible Welt zu betreten.
In dieser Welt ging es nicht mehr um Erfolg, Geld oder Image.
Hier begegnete man sich direkt.
Jeder konnte fühlen, was im anderen vor sich ging.
Es gab keine Verstellung, keine Maske.
Selbst kleinste Gesten hatten Bedeutung.
Anfangs hatte Norima ihre Freundin etwas ängstlich und aufgeregt empfunden, bezüglich ihrer letzten Reise.
Erst als klar wurde, dass sie sich wirklich nach Hause sehnte, ließ Norima Gedichte, Geschichten und Heimatklänge ertönen, um sie sanft darauf vorzubereiten.
Immer wertvoller empfand Norima ihre Anwesenheit hier und wie hilfreich ihre Heimatsprache war!
Wenige Tage danach wurde die nun endgültig abgereiste Freundin im Kreise ihrer Lieben verabschiedet. Der Pfarrer beschrieb ihr Wesen und ihren Lebensweg in wunderbaren Bildern.
Als er ihre bis zuletzt hennarot gefärbten Haare erwähnte, die sie sich von niemandem hatte ausreden lassen, vernahm Norima das herzliche Lachen ihrer Freundin und unwillkürlich mußte sie schmunzeln.
Wie glücklich sie jetzt aussah und keineswegs traurig!
Nie zuvor hatte Norima sich beim Abschied eines vertrauten Menschen so erfüllt und friedlich gefühlt. Erst jetzt erkannte sie den wahren Wert ihrer Heimatsprache, die auch die letzte vermeintliche Grenze zu überwinden half.
Anmerkung:
In Norimas Heimat ist es Brauch, wortlos direkt in Bildern zu kommunizieren. Man lernt dort zu verstehen, indem man beobachtet, wie jemand seine inneren Bilder abspult. So vermittelt sich ein Eindruck, der Sachinformation und Befindlichkeit des Gegenübers gleichzeitig enthält. Alles drückt sich darin direkt und unmissverständlich aus.
Nach ihrer Ankunft am neuen Ort beobachtete Norima die Menschen wie gewohnt, um sie zu verstehen. Solange sie der Worte hier in diesem Land nicht mächtig war, hing sie bewundernd an den Lippen derer, die ihre Bilder sprudeln ließen. Im Laufe der Zeit lernte sie so mit Worten zu kommunizieren, auch wenn der Eindruck entstand, damit nur unvollständig ausdrücken zu können, was sie wirklich bewegte.
Mit der Zeit verlor sich Ihre heimatliche Bildersprache, weil sie an diesem Ort kaum jemanden fand, mit dem sie so kommunizieren konnte. Es gab Freundinnen mit denen sie es versucht hatte. Doch sobald Worte ins Spiel kamen, verzogen sich die inneren Bilder wieder.
Ohne das Norima es zunächst wahrnahm, erhielt ihre Heimatsprache durch eine SMS wieder Bedeutung. Knapp wurde darin der derzeitige Aufenthaltsort einer Freundin mitgeteilt. Während Norima die Nachricht las, bebilderte sie sich sofort und ließ sie bereits einiges ahnen.
Als siie die Freundin am nächsten Tag in ihrem Domizil besuchte, erschrak sie. Unfähig zu sprechen lag diese im Koma und gab Norima wortlos zu verstehen, dass sie sich erst einmal von diesem Schrecken erholen und setzen solle.
Norima, die das Unfassbare erst einmal begreifen musste und ihre Freundin schlafend wähnte, streichelte sanft ihre Hand, während sich vor ihrem inneren Auge ein Film abspulte.
Im Herbst hatten sie beide sich unverhofft und guter Dinge beim Wandern getroffen. Obwohl – wenn sie sich genau erinnerte, hatte Norima bereits beim Anblick ihrer Freundin eine intensive Traurigkeit überfallen, die sie sich gar nicht erklären konnte. Sie hatte etwas so Heftiges gespürt, das sie es nicht näher an sich ranlassen wollte und deshalb rasch beiseite geschoben.
In diesem Augenblick, am Bett der Freundin, kam es wieder hervor. Norima erlebte jetzt, worauf es zurück zu führen war. Die Wahrheit stand mitten im Raum: Ihre Freundin würde diesen Ort verlassen und in die Heimat ziehen.
Tiefe Trauer erfasste Norima auf dem Nachhauseweg bei dem Gedanken, dass diese Beziehung nun bald vollendet sei. Eine heftige Gegenwehr brannte in ihr. Norima ließ an diesem Tag ihren Tränen freien Lauf und mit den Tränen kam eine Erkenntnis.
Konnte es sein, dass sich dieser tobende Teil in ihr nur deshalb so heftig gegen den Abschied der Freundin wehrte, weil er glaubte, nun ebenfalls sterben zu müssen?
Würde er nie mehr mit ihr kommunizieren können, wenn sie jetzt einfach ging?
Norima fühlte ihre tiefe Trauer und beschloss daraufhin, ihre Freundin auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Sie wollte sich selbst und der Freundin diesen Abschied, so gut es ging, erleichtern.
Mit jedem Besuch wurden die „Gespräche“ inniger. Welch ein wunderbares Gefühl sofort verstanden zu werden und selbst Missverständnisse direkt ausräumen zu können!
Wie klar und deutlich die Heimatsprache doch war!
Endlich konnten sie beide wortlos ausdrücken, was sie wirklich bewegte.
Sobald sie das Zimmer der Freundin betrat, hatte Norima das Gefühl, eine andere, sensible Welt zu betreten.
In dieser Welt ging es nicht mehr um Erfolg, Geld oder Image.
Hier begegnete man sich direkt.
Jeder konnte fühlen, was im anderen vor sich ging.
Es gab keine Verstellung, keine Maske.
Selbst kleinste Gesten hatten Bedeutung.
Anfangs hatte Norima ihre Freundin etwas ängstlich und aufgeregt empfunden, bezüglich ihrer letzten Reise.
Erst als klar wurde, dass sie sich wirklich nach Hause sehnte, ließ Norima Gedichte, Geschichten und Heimatklänge ertönen, um sie sanft darauf vorzubereiten.
Immer wertvoller empfand Norima ihre Anwesenheit hier und wie hilfreich ihre Heimatsprache war!
Wenige Tage danach wurde die nun endgültig abgereiste Freundin im Kreise ihrer Lieben verabschiedet. Der Pfarrer beschrieb ihr Wesen und ihren Lebensweg in wunderbaren Bildern.
Als er ihre bis zuletzt hennarot gefärbten Haare erwähnte, die sie sich von niemandem hatte ausreden lassen, vernahm Norima das herzliche Lachen ihrer Freundin und unwillkürlich mußte sie schmunzeln.
Wie glücklich sie jetzt aussah und keineswegs traurig!
Nie zuvor hatte Norima sich beim Abschied eines vertrauten Menschen so erfüllt und friedlich gefühlt. Erst jetzt erkannte sie den wahren Wert ihrer Heimatsprache, die auch die letzte vermeintliche Grenze zu überwinden half.