Philosophie, Geschichte des (Nach)Denkens

Aristoteles - Biografie

Vielen Dank, Uta, Mike und Tiger, für Eure vielen Antworten, zu den Fragen und danke für die übrigen Gedanken!

Ich werde später aus der Sicht des aristotelischen Gedankenspektrums etwas dazu sagen.

Aristoteles

Zunächst einmal etwas zur Biografie des Herrn.
Aristoteles lebte von 384 bis 322 v. u. Z. Er stammte aus dem nordgriechischen Ort Stagira

Stagira-ruin2.jpg


und kam als Siebzehnjähriger an die Akademie Platons. Er verbrachte 20 Jahre an der Akademie, zunächst als Schüler, dann als Lehrer.

Danach zog er in die Stadt Assos, in Kleinasien, wo er mit dem Herrscher Hermias befreundet war.

Nach Hermias Tod im Jahr 345 zog Aristoteles in die Makedonische Hauptstadt Pellas, wo er Erzieher des späteren Thronfolgers Alexander des Großen war.

Nachdem Alexander 335 König geworden war, kehrte Aristoteles nach Athen zurück und gründete dort seine eigene Schule, das Lykeion

Da die wichtigen Gespräche in Wandelgängen stattfanden, wurde Aristoteles Schule als die der Peripatetiker (Wandelschule) bekannt.



Nach Alexanders Tod, im Jahre 323 musste sich der Gelehrte auf sein Landgut, auf Euböa zurückziehen.


Hier starb er im Jahr darauf.

Bis bald, herzliche Grüße von

Leòn
 
Aristoteles II.




Aristoteles

Philosoph und Wissenschaftler


Von keinem antiken Philosophen ist eine solche Vielfalt an Werken überliefert, wie von Aristoteles.
So hat er u.a. ein Wörterbuch philosophischer Fachbegriffe verfasst und eine große Zahl von Unterrichtsnotizen sind erhalten. Ein großer Teil der Werke, die aristoteles Ruf begründen, stammen aus diesen Schriften. So zum Beispiel Abhandlungen über die Logik, naturwissenschaftliche Arbeiten über „Physik“ (Astronomie, Meteorologie, Pflanzenkunde, Tierkunde), Metaphysik (der „erste Beweger“), Ethik, Thetorik, Poetik und Politik.



Sein Vater war Arzt in Mazedonien gewesen. Dies hat wahrscheinlich sein großes Interesse an biologischen Vorgängen, bzw. dem, was wir heute als Biologie bezeichnen, geweckt.
Eines der Verdienste dieses Philosophen war, dass er eine Fachsprache schuf, die in den unterschiedlichen Disziplöinen noch heute verwendet wird.


Es gibt keine angeborenen Ideen!

Utas Antwort auf die Frage “Was war erst da, das Huhn oder die Idee Huhn“ und Mikes Verweis auf die Evolution, kommen der Antwort Aristoteles nahe.

Platon hätte gesagt: Erst kommt die „Idee Huhn“, dann kommt das Huhn. Anders als er, der die Welt der Ideen und die Welt des Seins, des sinnlich Erfahrbaren, noch trennte, geht Aristoteles davon aus, dass beides in dem konkreten Objekt angelegt sei. Das Ei ist im Huhn und das Huhn ist im Ei.

Platon hielt die Wirklichkeit für Reflexe aus der Ideenwelt. Wie oben ausgeführt, nur über die Vernunft ergründbar. Aristoteles hielt dagegen, dass nichts im Bewusstsein existieren könne, was nicht vorher in der Sinnenwelt existiert habe, also ins Bewusstsein aufgenommen wurde.

Arisitoteles meinte, es sei alles, was wir in uns an Ideen und Gedanken haben, durch das, was wir sehen und hören, in unser Bewusstsein gekommen. Durch Wahrnehmung. Und er sagt, es gebe eine Art „angeborene Vernunft“, eine angeborene Fähigkeit, die Sinneseindrücke zu ordnen und zu „systematisieren“. Auf diese Weise entstünden Begrifflichkeiten wie „Stein“, „Pflanze“, „Tier“ und „Mensch“.
Vernunft kennzeichnet, nach Aristoteles, den Menschen. Aber ohne Sinneseindrücke, ohne empfinden, sei die Vernunft „gänzlich leer“.
Wie Uta oben ihre Ansicht schilderte, so stellte auch Aristoteles fest, es gebe KEINE ANGEBORENEN IDEEN .




Die Formen und die Eigenschaften der Dinge sind identisch

Die Wirklichkeit, so meinte Aristoteles, bestehe aus vielen Einzeldingen, die edine Einheit aus Form und Stoff darstellten. Der Stoff ist das Material, aus dem die Dinge bestehen, die Form bezeichnet die besonderen Eigenschaften der Dinge.

Das lebendige, herumflatternde Huhn ist die „Form Huhn“. WQenn es stirbt, bleibt der Stoff übrig.




Ursachen:


Ihr habt unterschiedliche Antworten auf die Frage „Warum regnet es“ gefunden. Alle sind richtig.

Die alten Philosophen vor Aristoteles (siehe oben) meinten, dass es jeweils eine Ursache gebe. Aristoteles unterschied gleich VIER Arten von Ursachen.

Die stoffliche Ursache - Materialursache, die bewirkende Ursache, also Wirkursache, die formale Ursache oder Formursache und die Zweckursache.
Immer seien die vier Ursachen feststellbar.

Nehmen wir das Beispiel „Warum regnet es?“

1. Stoffliche Ursache/ Materialursache: Das ist die Tatsache, dass der aktuelle Wasserdampf (die Wolken) da waren, als es kalt wurde.
2. Bewirkende Ursache/ Wirkursache: Der Wasserdampf kühlt ab
3. formale Ursache/ Formursache: Es ist die „Form“, die Natur von Wasser, auf den Boden zu platschen, wie es
die „Form“ eines Huhnes unter anderem ist zu flattern und zu gackern, die des Menschen u. a. zu reden und zu denken
etc.!
4. Zweckursache: Es regnet, weil Pflanzen Tiere und Menschen das Wasser brauchen.
Aristoteles hat den Wassertropfen eine Art „Lebensaufgabe“, gar „Absicht“ zugeteilt.

(Zum Zweck: Heute würden wir wohl eher sagen, Pflanzen, Tiere und Menschen wachsen, weil es Wasser gibt. Aristoteles war der Auffassung, dass Dinge einen Zweck gegenüber dem Menschen erfüllten, zum Beispiel die Aprikose, die Traube, um uns Freude zu bereiten. so denken die meisten heute nicht mehr).

So, für heute ist mir das genug, ich mache später weiter.

Herzliche Grüße von Leòn
 
Hallo Tiger,

ich danke Dir für Deine Rückmeldung. Lies unbedingt auch mal Mikes Betrachtung im letzten Beitrag! Ich finde sie super!

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Ja, danke Leon, habe ich schon getan und ich find es klasse was Mike da so geschrieben hat (ich hoffe du liest es Mike^^). Naja (eins meiner Lieblingswörter), es ist interessant. Noch lieben Gruß
Tiger
 
Aristoteles III.

So, machen wir weiter mit unserem Aristoteles!

Wir haben weiter oben ja gesehen, dass seine Lehre in vielen Punkten von der Platons abwich. Kommen wir nun zur aristotelischen

Aristoteles

Logik


Ein Verdienst Aristoteles war, dass er die Begrifflichkeiten systematisierte und Ordnungen schuf.

In der Logik entwickelte Aristoteles Regeln für Denkketten, die von bestimmten Voraussetzungen ausgehend immer zu richtigen Schlüssen führen sollten.

Die Hauptverbindungen im Denkprozess sind die sogenannten Syllogismen: Satzpaare, die zusammengenommen zu einem neuen Schluss führen.

Als klassisches Beispiel erscheint immer wieder folgender Syllogismus: Ausgehend von den Prämissen, dass

1. alle Menschen sterblich sind und
2. alle Griechen Menschen sind, ergibt sich der gültige Schluss, dass
3. alle Griechen sterblich sind.

In seiner Logik unterscheidet Aristoteles zwischen Dialektik und Analytik. Für ihn werden anhand der Dialektik bloss die Behauptungen auf ihre logische Folgerichtigkeit hin überprüft, während die Analytik von Prinzipien ausgeht, die auf Erfahrungen und genauer Beobachtung (Sinneserfahrungen) beruhen.

Auch hiermit vollzog er einen klaren Bruch mit Platons Akademie, da deren Vertreter die Dialektik – Vernunft -, wie oben ja ausgeführt, als einzig angemessene Methode sowohl für die Wissenschaft wie auch für die Philosophie ansahen.

Kennt Ihr das Spiel? Man schickt jemanden, zum Beispiel vor die Tür. Wenn er wieder rein kommt, soll er einen Begriff erraten, den die anderen bestimmen. Er darf nur Fragen stellen, die mit JA oder NEIN beantwortet werden können.

Die anderen einigen sich auf z.B. eine Katze.

Die Person kommt wieder herein. Geht sie mit arsitotelischer Logik vor, könnte sie fragen:
Beschreibt der Begriff etwas Konkretes?
Die Antwort ist: Ja.
Gehört er zum Mineralreich?
Die Antwort ist: Nein!
Geht es um ein Tier?
Die Antwort ist: Ja!
Ist es ein Vogel?
Die Antwort ist: Nein!
Ist es ein Säugetier?
Die Antwort ist: Ja!
Ist das ganze Tier gemeint?
Die Antwort ist: Ja!
Ist es ein Hund?
Die Antwort ist: Nein!
Ist es eine Katze?
Die Antwort ist: Ja!

Aristotelische Ordnung

Zunächst teilte der Philosoph alles was in der Natur vorkommt in zwei Hauptgruppen ein

Seelenlose Dinge - wie Steine, Erde, Wassertropfen und so weiter
(Ihnen wohnt nicht die Möglichkeit zur Veränderung inne. Sie können sich - so Aristoteles - nur durch äußere Einflüsse verändern.`

und

Lebende Wesen, denen die Möglichkeit zur Veränderung innewohne.

Aristoteles stellt eine Art Hierarchie in der Natur fest. So schreite sie von "unten" nach "oben" fort.

Auf das Reich der unbeseelten Dinge folge zunächst das Reich der Pflanzen, die im Verrgleich zu den unbeseelten Dingen "fast wie beseelt", im Vergleich zu den Tieren aber "fast wie unbeseelt" erscheinen.

Schließlich teilt Aristoteles noch die lebenden Wesen in zwei Untergruppen ein: in Tiere und Menschen.

Bei Pflanzen war Aristoteles sich noch nicht so ganz sicher. Zwischen Lebenden und unbeseelten Dingen stellt er klare Unterschiede fest. Auch zwischen Pflanzen und Tieren.

Ihr habt ja schon über die Unterschiede geschrieben. Darum stelle ich hier nur mal schnell die wesentlichen Merkmale nach Aristoteles zusammen:


Alles Lebendige
(Pflanzen, Tiere, Menschen)
hat die Fähigkeit, Nahrung aufzunehmen,
zu wachen und sich zu vermehren!

Tiere und Menschen
können außerdem ihre Umwelt fühlen
und sich in der Natur bewegen.

Menschen
schließlich, haben die Fähigkeit, zu Denken
und ihre Sinneseindrücke in Gruppen und Klassen
zu ordnen

Aristoteles erkannte und beschrieb einen gleitenden Übergang zwischen den lebenden Wesen.
So von einfacheren und komplizierteren Pflanzen, von einfacheren zu komplizierteren Tieren. Ganz oben in der Hierarchie steht für Aristoteles der Mensch, der - so Aristoteles "!Das ganze Leben der Natur lebt". Er habe eine besondere Eigenschaft, über die nur der Mensch verfüge, nämlich rational zu denken!

Der "erste Beweger"

Damit besitze der Mensch einen "Funken göttlicher Vernunft". Aristoteles war davon überzeugt, dass es einen Gott geben müsse, der alle Bewegungen in der Natur in Gang gesetzt habe. So wird, nach aristotelischem Denken, Gott zur obersten "Stufe" in der Natur.

Aristoteles war davon überzeugt, dass die Bewegungen der Gestirne die Bewegungen auf Erden lenken.

Aber irgendetwas müsse ja die Sterne und Planeten lenken müssen. Und das nannte Aristoteles den "ersten Beweger" oder eben Gott.

Der "erste Beweger" bewege sich selbst nicht, sei aber die erste Ursache für die Bewegungen der Himmelskörper und damit aller "Bewegungen" in der Natur.

So, vorerst möchte ich schließen. Es bleibt spannend.

Bleiben Sie dran! :))) :))) :))) :))) :))) :)))

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Aristoteles IV.

Aristoteles
So, ein paar Tage hat es gedauert, bis ich wieder Zeit zum Schreiben fand. Kommen wir jetzt zum Schluss, was den Philosophen Aristoteles betrifft.

Die Ethik

Die aristotelische Ethik und somit das Menschenbild dieses Philosophen, fußt auf seinem Weltbild. Die FORM des Menschen, so Aristoteles, sei so beschaffen, dass sie sowohl eine „Pflanzenseele“, als auch eine „Tierseele“ und eine „Vernunftseele“ habe.
https://www.philosophie.uni-mainz.de/lehre/ws2006/eichler_hs.pdf

Ihr habt ja die Frage des Aristoteles:

„Wie soll der Mensch leben? Was braucht der Mensch, um ein gutes Leben zu führen?“ beantwortet.

Kurz gefasst war die Antwort des Philosophen: „Der Mensch wird nur glücklich, wenn er all seine Möglichkeiten und Fähigkeiten entfalten und nutzen kann!“

Aristoteles formulierte drei Formen des Glücks:

Die erste Form sei ein Leben der Lust und der Vergnügungen.

Die zweite Form des Glücks sei ein Leben als freier, verantwortlicher Bürger.

Die dritte Form sei das Leben als Forscher und Philosoph.


Die drei Formen, so betonte Aristoteles, gehörten zusammen, damit ein glückliches Leben möglich sei.
Einseitigkeiten seien schädlich.

Was die Tugenden betraf, lehnte Aristoteles gleichfalls Extreme ab und verwies auf den „goldenen Mittelweg“. So sollte der Mensch, zum Beispiel, weder feige noch tollkühn, sondern tapfer sein.

Der Mensch solle nicht geizig und nicht verschwenderisch sein, sondern großzügig.

Ähnliches ließe sich für viele Lebensbereiche finden. Wie in der Medizi8n sind „Gleichgewicht“ und „Mäßigung“ anzustreben.



Politik

Der Aspekt der Mäßigung steht auch in Aristoteles’ Gesellschaftssicht deutlich im Vordergrund. Der Mensch sei ein „politisches“ Wesen. Ohne Gesellschaft sei der Mensch kein „richtiger“ Mensch, meinte er.
Die familiäre oder kommunale Gemeinschaft sei zur Befriedigung der primären Bedürfnisse (Aristoteles spricht von „niederen“ Bedürfnissen), wie Ernährung und Kleidung etc., geeignet.
Die höchste Form der Gemeinschaft jedoch sei der Staat.

Aristoteles nennt mehrere gute Staatsformen, eine davon sei die Monarchie. Die dürfe aber nicht zur Tyrannei verkommen.

Die zweite gute Staatsform sei die Aristokratie, bei der eine größere oder kleinere Gruppe herrsche, hier gebe es aber auch Gefahren, die zur Bildung von dem, was wir heute „Junta“ nennen würden, führen könnten.

Eine dritte gute Staatsform sei die Demokratie. Hier müsse man aufpassen, dass sie nicht zur „Pöbelherrschaft“ verkomme.



Das Frauenbild

Aus heutiger Sicht könnte man beklagen, dass ein so kluger und weitsichtiger Mann wie Aristoteles zu folgenden Schlüssen gekommen ist:

Aristoteles meinte, dass der Frau etwas „fehle“, dass sie ein „unvollständiger Mann“ sei.
(Was kann er nur gemeint haben?)
Bei der Empfängnis sei die Frau passiv und nehmend, der Mann aktiv und gebend. Deshalb erbe ein Kind nur die Eigenschaften des Mannes. Alle Eigenschaften des Kindes seien bereits im Samen des Mannes angelegt
Die Frau war für ihn das Erdreich, in dem das Samenkorn aufginge. Der Mann gebe also die „Form“, die Frau den „Stoff“.

Heute wird angenommen, dass Aristoteles wenig praktische Erfahrungen mit dem Leben und Erleben von Frauen und Kindern hatte. Anders als zum Beispiel Sokrates und Platon.

Aristoteles Frauenbild prägte ganze Epochen, bis zur Neuzeit.

Aber auch andere Bereiche seines Denkens haben "überlebt" und sind immer wieder in unterschiedliche philosophische Schulen und religiös – weltanschauliche Systeme eingeflossen.



https://www.philosophie.uni-mainz.de/lehre/ws2006/eichler_os.pdf

Herzliche Dank an alle,

viele Grüße von

Leòn
 
Sehr schön, dann mach mal weiter mit Augustinus und den Philosophen des Mittelalters.
Schöne Grüße
Tiger
 
Sehr schön, dann mach mal weiter mit Augustinus und den Philosophen des Mittelalters.
Schöne Grüße
Tiger

Langsam, Tiger!

Erst kommen die hellenistischen Schulen. Bis dahin bitte ich, die Aufmerksamkeit auf folgendes zu richten!

Nach Aristoteles gibt es Drei Formen des Glkücks, die nur gemeinsam gelebt zu "vollkommenem Glück" führen.

A) Die erste Form sei ein Leben der Lust und der Vergnügungen.

B) Die zweite Form des Glücks sei ein Leben als freier, verantwortlicher Bürger.

C) Die dritte Form sei das Leben als Forscher und Philosoph.


Wie können wir heute A, B und C leben?

Herzliche Grüße von Leòn
 
A) Indem wir es uns erlauben, Lust und Vergnügen zu empfinden. Indem wir
lernen, nicht nur die schlimmen Zustände auf der Welt zu sehen sondern
auch die schönen Dinge, die es immer auch gibt. Also eine Frage des
Fokus.

B) Ich denke, diese Aussage muss man vor allem erst einmal vor dem
Hintergrund der Zeit sehen, in der sie gemacht wurde. Damals war es für
viele Menschen sicher ein Glück, ein freier, verantwortlicher Bürger zu sein.

Heute: wenn jemand sich heute hier unfrei fühlt und meint, daß "die da
oben" sowieso machen, was sie wollen, dann vergißt er oft, daß wir
dennoch in einer recht freien Gesellschaft leben, verglichen mit einer
Diktatur, z.B. Nordkorea. Also durchaus ein Glück, auch wenn man an die
Zeit von vor ca. 70 Jahren. Wer sich da verantwortlich zeigte, ging große
Risiken ein, und von Freiheit war keine Rede.

C) Damals war der gebildete Mann oft Forscher und Philosoph. Andere
Wissenschaften waren der Theologie und Philosophie untergeordnet.
Abgesehen vom Risiko, einen Schierlingsbecher trinken zu müssen, waren
also Forscher und Philosophen eher glückliche Menschen, da sie zur
Oberschicht gehörten und wohlangesehen waren.

Heute: Forscher mögen immer noch glücklich sein, wenn sie mit Be-
geisterung an ihrem Thema dran sein können und die entsprechenden Mittel
zur Verfügung haben. Philosophen mögen heute dann glücklich sein, wenn
- so sie akademische Philosophen sind - eine entsprechende Laufbahn
einschlagen wollen und können.
Ich halte es eher mit den "Laien-Philosophen", die sich für das Leben und
seine Bedingungen und Fragen interessieren.

Grüsse,
Uta
 
Wie kann ich die drei Aussagen, für mich, heute verstehen

Hallo Uta,

ich danke Dir, für Deine schnelle Antwort!
Ich fand das ganz schön schwierig!

Ich habe mir auch mal Gedanken dazu gemacht, auch unter dem Aspekt, wieviel Gültigkeit haben diese Aussagen für mich und auch bezogen auf das Leben heute.

Leicht fiel es mir bei der Aussage A)

Die erste Form sei ein Leben der Lust und der Vergnügungen.
Hier sehe ich den Menschen primär als Einzelwesen angesprochen, in den Bereichen, "Spaß haben" (am Leben, an der Beziehung zu anderen, zum Beispiel auch an der Partnerschaft, an meinen Kindern, an der Arbeit usw.).
Dazu gehört auch die Befriedigung der primären Grundbedürfnisse (nach Freud).

Was ich auch tue: ich empfinde mehr oder auch weniger viel Freude daran. Ohne ein Mindestmaß an Lust/ Freude/ Befriedigung, kann ich nicht glücklich sein.

B) Die zweite Form des Glücks sei ein Leben als freier, verantwortlicher Bürger.

Bei dieser Aussage musste ich erst mal nachdenken, die Übertragung auf unser heutiges Leben fiel mir am Anfang nicht so leicht.
Ich denke, dass damit grundsätzlich der Mensch als soziales (und damit, auf einer anderen Organisationsebene, auch politisches Wesen) gemeint ist.

Soziales Wesen ist der Mensch in seiner Gemeinschaft - in der Familie, auf der Arbeit, im Freundeskreis. Politisches Wesen ist der in der kommunalen oder staatlöichen Gemeinschaft.

Auch heute bin ich ein politisches Wesen, durch Wahl- und Stimmrecht (auch wenn ich nicht wähle, wähle ich mit!)., Ich habe aktive wie passive Teilnahmemöglichkeiten am politischen Prozess.
Mein politischer Einfluss ist breiter gefächert, als ich auf Anhieb annehme: Auch karitatives (also sozialpolitisches) Engagement ist politische Betätigung.

Ohne irgendeine Betätigung für etwas, meine Person transzendierendes (Partnerschaft, Familie, Verein, Gemeinde Staat usw.) kann ich nicht glücklich sein.
[B]
C) Die dritte Form sei das Leben als Forscher und Philosoph.
[/
[/B]QUOTE]

Wenn ich mich an die Diskussion von Mike und Tiger, weiter oben, zurückerinnere, kann man bereits das, was Kleinstkinder tun (erkunden der Umwelt) als "Forschertätigkeit" betrachten.
Das geht weiter, ich will als Kind lernen. ich will dazugehöre, mich der Welt der Erwachsenen durch Zugewinn an Fähigkeiten, durch Entwicklung meiner Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten annähern. Das ist ein Grundbedürfnis. Auch als Erwachsener geht das weiter: Die Redensart "Man lernt nicht aus!" oder flapsiger sagt man hier in Norddeutschland: "Man kann alt werden wie ne Kuh und lernt immer was dazu!"
Auch alks Erwachsener will ich "dazugehopren". Mich "erweitern". Oder anders gesagt:
Ich will meinen Horizont erweitern.

Das ist der dritte Aspekt: Wenn ich nicht in einem Mindestmaß die Möglichkeit habe, dazuzulernen und meinen Horizont zu erweitern, kann ich nicht glücklich sein!

So in etwa würde ich die drei Aussagen für mich, im Moment, für die Gegenwart modifiziert, ausdrücken.

Vielleicht haben ja auch noch andere Lust, ihre Gedanken dazu mitzuteilen?

Herzliche Grüße von Leòn
 
Die Zeit des Hellenismus

Und weiter geht es mit der griechischen Philosophie.



Als Hellenismus wird die Zeit vom Aufstieg Alexanders des Großen (336 v.u.Z.bis zum Tod von Kleopatra VII. (30 v.u.Z.) bezeichnet. Die geographische Ausweitung der griechischen Welt in bis dahin unbekannte Kulturräume sogar jenseits des Vorderen Orients, ist charakteristisch.
www.philhist.uni-augsburg.de/lehrstuehle/geschichte/alte/aktuelles/Hellenismustagung.html

Hellenismus
(Hellenismos, „Griechisch-Reden”, „Griechisch-Sein”) So bezeichnet man das Zeitalter zwischen den Eroberungszügen Alexanders d. Gr (334 v.) bis zum Untergang des ägyptischen Ptolomäerreiches 30 v. bzw. dem Kaisertum des Augustus (31 v. bis 14 n.), in der das Griechentum Weltgeltung errang. Der Begriff Hellenismus wurde erstmal von J. G. DROYSEN benutzt (Geschichte des Hellenismus, 1877).

Kennzeichen des Hellenismus war die Verschmelzung all jener geistigen, politischen und religiösen Vorstellungen innerhalb des alexandrinischen bzw. des römischen Weltreiches (Synkretismus). So gelang es (teilweise) dem Reich mit seiner Vielfalt an Völkerschaften und Kulturen ein einheitliches kulturelles Gepräge zu geben, um seinen inneren Zusammenhalt zu stärken.

Dabei konnte auf den kulturellen Reichtum der Klassik aufgebaut werden, der Geisteswelt des Homer und des Hesiod, der Sappho und des Pindar, den großen Tragöden und allen anderen Größen aus Philosophie, Kunst und Naturwissenschaft, die noch heute Vorbild geschmacklicher Bildung sind.
sungaya.de/schwarz/griechen/hellenismus.htm

Der Begriff Hellenismus (von griech. Ἑλληνισμός ellinismos „Griechentum“) bezeichnet die geschichtliche Epoche vom Regierungsantritt Alexanders des Großen von Makedonien 336 v. Chr. bis zur Einverleibung des letzten hellenistischen Reiches in das Römische Reich 30 v. Chr. Als Epochenbezeichnung wurde der Begriff „Hellenismus“ zuerst vom deutschen Historiker Johann Gustav Droysen um die Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet; der Begriff hellenismos (im Sinne von Nachahmung des Griechischen) ist jedoch bereits antiken Ursprungs.

Kennzeichen dieser Geschichtsepoche ist die Hellenisierung, die Durchdringung vor allem des Orients durch die griechische Kultur und im Gegenzug der Einfluss orientalischer Kultur auf die Griechen. Die hellenistische Welt umfasste einen gewaltigen Raum, der von Sizilien und Unteritalien (Magna Graecia) über Griechenland bis nach Indien und vom Schwarzen Meer bis nach Ägypten reichte. Die Hellenisierung der orientalischen Bevölkerung sorgte dafür, dass noch bis weit ins Mittelalter hinein wenigstens die städtische Bevölkerung Syriens und Kleinasiens eine Form des Griechischen sprach, die Koiné (von κοινός koinós „allgemein“). Die kulturellen Traditionen des Hellenismus überstanden den politischen Zusammenbruch und wirkten noch Jahrhunderte in Rom und im Byzantinischen Reich fort.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hellenismus
Geschichte des Hellenismus
Der makedonische König Alexander der Große, unter dessen Vater Philipp II. Makedonien zur Vormacht in Griechenland geworden war, eroberte von 334 v. Chr. an das persische Achämenidenreich und drang bis nach Indien vor. Nach dem Tod Alexanders im Jahr 323 v. Chr. erhoben sich seine führenden Generäle, die so genannten Diadochen, zu lokalen Machthabern. Eine Wiedervereinigung des Alexanderreiches erschien spätestens 301 v. Chr. aussichtslos, als der letzte Verfechter der Reichseinheit, Antigonos I. Monophthalmos, in der Schlacht von Ipsos seinen Rivalen unterlag. Die so genannten Diadochenkämpfe um Alexanders Erbe endeten schließlich 281 v. Chr. nach insgesamt sechs Kriegen. Es bildeten sich drei hellenistische Großreiche, die für die nächsten 200 Jahre den östlichen Mittelmeerraum beherrschen sollten. Makedonien und Teile Griechenlands fielen an die Antigoniden, die Nachfahren Antigonos’ I. Syrien, Mesopotamien und Persien gerieten unter die Herrschaft der Seleukiden. Ägypten geriet unter die Kontrolle der Ptolemäer.

Nach dem Ende der Diadochenkriege stabilisierte sich die politische Lage zunächst. Um 200 v. Chr. begann jedoch Rom, sich in der hellenistischen Welt zu engagieren, etwa in Griechenland und im Konflikt der Seleukiden mit den Ptolemäern um Palästina. 188 v. Chr. zwangen die Römer Antiochos III. zum Verzicht auf Teile seines Reiches. Auch Philipp V. von Makedonien musste eine Einengung seines Handlungsspielraums in Griechenland akzeptieren. Im Iran, bis dahin unter seleukidischer Kontrolle, breiteten sich seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. die Parther aus, die sich aber ganz als Erben der hellenistischen Tradition präsentierten. Als sie um 141 v. Chr. auch Mesopotamien in Besitz nahmen, beschränkten sie die Seleukiden, die bereits ihre östlichen Gebiete an das Griechisch-Baktrische Königreich verloren hatten, auf einen unbedeutenden Reststaat in Syrien. Die Griechen in Baktrien hingegen, deren Reich um 130 v. Chr. unterging, sollten später ihren Einflussbereich noch auf Nordwestindien ausdehnen und sich dort bis Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. halten können.

168 v. Chr. teilten die Römer Makedonien in vier Bezirke auf und 148 v. Chr. verwandelten sie es endgültig in eine römische Provinz. Auch das griechische Mutterland geriet unter römische Kontrolle. 64 v. Chr. beseitigte die Eroberung Syriens durch Pompeius die letzten Reste der Seleukidenherrschaft. 30 v. Chr. nahm Oktavian Alexandria ein und gliederte das Ptolemäerreich, das seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. nicht viel mehr als ein römisches Protektorat darstellte, ins Imperium ein. Damit endete die politischen Selbstständigkeit griechischer Staaten und auch die politische Geschichte des Hellenismus, während die kulturelle Ausstrahlung des Hellenismus bis in die Spätantike erhalten blieb (siehe auch Byzantinisches Reich).

https://www.wege.org/artikel/wissen...sophie-in-hellenismus-und-spaetantike-67.html


Philosophie und Hellenismus - ein kurzer Einstieg:



Die Kyniker betonten,
"daß wirkliches Glück nicht von Äußerlichkeiten wie materiellem Luxus, politischem Recht und guter Gesundheit abhänge" (ebd., 158). Unabhängigkeit von vergänglichen Dingen bedeute das wahre Glück, das nicht verloren gehen könne. Die heutige Bedeutung von Zynismus, der Gefühllosigkeit für das Leiden anderer, resultiert aus einer Übersteigerung der Ansicht der Kyniker, daß sowohl eigenes als auch fremdes Leid uns nicht bekümmern und quälen solle.

Ein zentraler Punkt der Philosophie der Stoiker,
die um 300 v. Chr. in Athen aufkam, ist die Ansicht, daß jeder Mensch eine Welt im Miniaturformat sei, ein Mikrokosmos, der den Makrokosmos widerspiegelt. Auf der zeitlosen Vernunft des Menschen und des Universums gründeten sie das sogenannte Naturrecht, das für alle Menschen, auch die Sklaven, gültig sein solle. Es gibt nur eine Natur, keinen Gegensatz zwischen Geist und Stoff, eine Ansicht, die als Monismus im Gegensatz zu Platons Dualismus steht. Aufgrund der stoischen Philosophie prägte Cicero (106 – 43 v. Chr.) den Begriff Humanismus für eine Weltanschauung, die den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt rückt und Seneca (4 v. – 65 n. Chr.) schrieb, daß der Mensch dem Menschen heilig sei. Der Begriff "stoisch" steht den Lehren der Stoiker gemäß für einen Menschen, der sich weder in Not noch in Glück von seinen Gefühlen mitreißen läßt, sondern gelernt hat, sich mit seinem Schicksal zu versöhnen.

Auf der Basis der Lehren von Sokrates Schüler Aristippes,
der es für das Ziel des Lebens hielt, soviel sinnlichen Genuß wie möglich bei gleichzeitiger Vermeidung von Schmerz zu erlangen, sowie Demokrits Atomlehre, begründete Epikur (341 – 270 v. Chr.) seine Schule in Athen. Ihm und seinen Gartenphilosophen ging es vor allem um langfristigen, dauerhaften Genuß, der auch ideeller und künstlerischer Natur sein konnte. Ohne Ideale wie Selbstbeherrschung, Mäßigung oder Gemütsruhe war die Begierde, der nach kurzem heftigen Genuß in der Regel die Reue folgte, nicht zu zügeln. Auch die Angst vor dem Tod sollte überwunden werden: "Denn solange wir sind, ist der Tod nicht da, und sobald er da ist, sind wir nicht mehr" (ebd., 162). Ein Leben im Verborgenen und im Hier und Jetzt war die Devise. Das vierfache Heilmittel der Epikureer lautete: "Die Götter brauchen wir nicht zu fürchten. Über den Tod brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Das Gute ist leicht zu erlangen. Das Furchtbare ist leicht zu ertragen" (ebd., 162).

Vor allem durch Platons Ideenlehre inspiriert,
entstand die philosophische Strömung des Neuplatonismus, deren wichtigster Vertreter Plotin (ca. 205 – 270 n. Chr.) war und die starken Einfluß auf die christliche Theologie ausübte. Laut Plotin ist die Welt zwischen zwei Polen eingespannt, dem göttlichen Licht, dem Einen oder Gott auf der einen Seite, und andererseits der absoluten Finsternis, die im Grunde aber keine Existenz hat, sondern nur eine Abwesenheit von Licht ist. Die menschliche Seele ist ein Funken des göttlichen Feuers und wenn auch in allem etwas vom göttlichen Mysterium liegt, so können wir Gott nur in unserer eigenen Seele am nächsten kommen und dort das Mysterium der Vereinigung mit dem großen Lebensgeheimnis erfahren.
 
Ok, danke Leon! So genau wusste ich das alles noch nicht, aber jetzt. Dank dir!
Liebe Grüße
Tiger
 
Die Kyniker

Die Kyniker – der Kynismus

Philosophische Schule:

Eine der bedeutenden philosophischen Schulen, die in der Nachfolge Sokrates entstanden, waren die Kyniker . Ihr Begründer, war Antisthenes.

Vielleicht erinnert Ihr Euch noch an einen der Sophisten, Gorgias. Antisthenes war zu Anfang sein Schüler und später ein Schüler des Sokrates.

Der Begriff:

Diogenes von Sinope, der später führende kynische Philosoph, soll mit dem Spitznamen Kyon (griechisch für Hund) belegt worden sein.

Eine mögliche Wurzel des Begriffes Kyniker, bzw. Kynismus, könnte darin begründet liegen. Allgemeiner akzeptiert ist aber die These, dass der Name von dem Gymnasium Cynosarges abgeleitet sei, in dem Antisthenes lehrte.


Die Lehre:

Sokrates wird ein Satz, den er bei einem Marktbesuch gesagt haben soll, zugeschrieben: „Seltsam, wie viele Dinge die Athener so brauchen!“

Damit wird Sokrates relative Bedürfnislosigkeit angedeutet. Diese wurde von den Kynikern aufgegriffen und gelebt.


Die Kyniker behaupteten, dass die Zivilisation ein verachtenswerter, künstlicher Zustand sei.

Sie setzten sich für eine Rückkehr zum „natürlichen Leben“ ein, dies setzten sie mit einem einfachgen, bedürfnislosen Leben gleich.

Vollkommenes Glück sei nur durch völlige Unabhängigkeit zu erreichen. Das „wahrhaft Gute“ sei Unabhängigkeit, nicht Reichtum und Luxus. Sie lebten ausgesprochen asketisch und sahen die Enthaltsamkeit als Mittel zur menschlichen Befreiung an. Sie sprachen von „künstlichen“ Bedürfnissen, deren Befriedigung sie für sich bekämpften. Der Befriedigung natürlicher Bedürfnisse (Nahrung, Schlaf, Sexualität usf.) schenkten sie wenig Aufmerksamkeit.

Die heutige Bedeutung des Begriffes Zynismus, der Gefühllosigkeit für das Leiden anderer mit beinhaltet, resultiert aus einer Übersteigerung der Ansicht der Kyniker, daß sowohl eigenes als auch fremdes Leid uns nicht bekümmern und quälen solle.


Diogenes von Sinope
(geb. ca. 412 - 323 v. Chr.)

Folgende Anekdote, so bekannt sie sein mag, möchte ich uns hier nicht ersparen:

Alexander der Grosse kam zu Diogenes von Sinope zu Besuch. Er fragte den Philosophen, welche Bitte er (Alexander) ihm gewähren könne. Diogenes soll geantwortet haben: „Bitte, gehe mir aus der Sonne!“




Diogenes von Sinope lebte in Korinth und gehörte zu den kynischen Philosophen. Er ist der bekannteste Schüler des Antisthenes.
Diogenes von Sinope ist in die Geschichte vor allem als Verächter der Kultur eingegangen. Obwohl Diogenes aus einer vornehmen Familie stammte, lebte er ein Bettlerdasein und daher wurde ihm der Spitzname „Hund“ zugeteilt. Er wirkte mehr durch seine Lebensweise als durch seine Lehren und hatte zu allem eine schlagfertige Antwort parat. Er forderte die Aufhebung der Ehe, befürwortete in Übersteigerung der sokratischen Selbstgenügsamkeit äußerste Armut, verachtete alle Konventionen und bezeichnete sich als Weltbürger. Die Erziehung und Stählung soll diesen Prinzipien entsprechen. Demjenigen, der nichts besitzt und der keine Bedürfnisse hat, kann nichts genommen werden. Daher kann nur ein solcher Mensch glücklich sein.


Diogenes Schüler, Krates von Theben, hatte einigen Einfluss auf Zenon von Kition, den zypriotischen Philosophen und Gründer des Stoizismus.
 
Die Stoa - Der Stoizismus

Die Stoa – Der Stoizismus

Eine philosophische Schule von größter nachhaltiger Wirkung war die des Stoizismus. Der Stoizismus oder eben die Stoa, entstand um 300 v. u. Z.
Der oben erwähnte Krates von Theben lieferte etliche Elemente dieser philosophischen Richtung.

Als Gründer gilt Zenon von Kition, der um 300 v. u. Z. eine Schule in einer Säulenhalle,



der Stoa Poikile („bemalte Vorhalle“) eröffnete.

Heute werden drei Epochen des Stoizismus unterschieden:

300 – 200 v. u. Z.: Die ältere Stoa.
200 - 50 v. u. Z.: Die mittlere Stoa.
50 v. u. Z. – ca. 300 n. u. Z.: Die jüngere Stoa.


Inhalte:

Während des römischen Reiches war die Stoa die einflussreichste Philosophie. Und zwar bis zur Zeit Konstantin I., als das Christentum dann offizielle Staatsreligion wurde.

Passive Materie und Logos:

Das philosophische Projekt der Stoiker bezog sich auf die Ethik. Logik und Naturwissenschaften waren sozusagen „Hilfsmittel“. Auf dem Gebiet der Logik wurde der sogenannte „hypothetische Syllogismus“ entwickelt: die gesamte Wirklichkeit setzt sich aus „passiver Materie“ zusammen. Dem liegt aber eine Art „Schöpfung“, ein „aktiver Ursprung“ zugrunde. Den bezeichneten sie als LOGOS.
Den Logos definierten die Stoiker, als „göttliche Vernunft“, als feinere materielle Wesenheit, aber auch, ähnlich wie Heraklit (siehe bitte dort!), als „durchdringenden Atem“, der den Kosmos erschafft.

Seele und Logos:

Die menschliche Seele betrachteten die Stoiker als Ausdruck des Logos. Ihr Ideal war es, in Übereinstimmung mit der „göttlichen Ordnung“ des Universums zu leben. Dementsprechend entwickelten sie eine Theorie der Naturgesetze. Die wiederum beeinflusste die römische Rechtssprechung.

Der grundlegende Unterschied zwischen Kynikern und Stoikern lag darin, dass die Kyniker der gegenständlichen Welt mit Verachtung und Ablehnung begegneten. Die Stoiker maßen ihr keine Bedeutung zu, lebten aber mit ihr, u. a. auch als Dichter, Redner, Lehrer und – im Falle von Marcus Aurelius – sogar als Feldherren und Kaiser.

Bedeutende Vertreter der Stoa waren, neben den oben genannten älteren Stoikern, unter anderem:

Panaitos, Poseidonios, Cicero, Seneca, Musonios, Epiktet und Marcus Aurelius (Marc Aurel).
 
Epiktet - der wiederentdeckte Stoiker

Während einer Fortbildung, es ging um RET (Rationalemotive Therapie) bin ich Epiktet (auch: Epiktatos) "begegnet". Der amerikanische Psychologe Dr. Albert Ellis verwandte die grundlegenden Sichtweisen dieses Philosophen, zur Veranschaulichung seiner eigenen, psychologischen, Lehre ("Nicht die Dinge an sich, sind es, die uns Schwierigkeiten machen, sondern unser Denken darüber!"

Hier ein Text über Epiktet:

https://www.pinselpark.org/philosophie/e/epiktet/2_epiktet.html

Epiktet ~ 50 - 130
Lebensdaten

Über das Leben Epiktets wissen wir relativ wenig. Geboren wurde er zwischen 50 und 6o nuZ in Hierapolis (Phrygien), dem heutigen Pamukkale in der Türkei. Durch welche Umstände er Sklave des mächtigen Epaphroditos ( Vertrauter und Leibwächter Neros) wurde und ob sein lahmes Bein wirklich der Grausamkeit seines Herrn zu verdanken war, ist nicht sicher bekannt. Es war in jener Zeit durchaus üblich, daß sich reiche Römer einen gebildeten Sklaven hielten, so überrascht es auch nicht, daß der Sklave Epiktet - sein Name bedeutet »der Hinzuerworbene« - Schüler des hochgeachteten Stoikers G. Musonius Rufus wurde.

Nach seiner Freilassung begann er, die stoischen Lehren zu verkünden. Etwa um das Jahr 90 herum wurde er, ähnlich wie vor ihm Seneca und Musonius, mit anderen Philosophen durch ein Dekret des Kaisers Domitian aus Italien verbannt. Er ließ sich in Nikopolis (Epirus) nieder und gründete eine bald weithin berühmte Schule, die er bis zu seinem Tod leitete. Person und Lehre dieses Philosophen wurden in der Antike hoch verehrt: So ist gesichert, daß Kaiser Hadrian ihn persönlich kannte und schätzte, ebenso bewunderte ihn Marc Aurel. Vom heiligen Augustinus ist uns das Urteil überliefert, Epiktet sei der edelste der Stoiker. Solche Urteile beziehen sich sicherlich auch auf Epiktets kynisch-asketische Lebensführung: Eine Lampe aus Ton, ein Strohsack, eine Decke und eine Bank - das soll sein ganzer Besitz gewesen sein. Er hatte nicht wie Seneca das Problem, als Reicher die Tugend der Bedürfnislosigkeit vertreten zu müssen.

Epiktet verzichtete wie sein großes Vorbild Sokrates darauf, seine Lehren aufzuschreiben. Deshalb sind wir im wesentlichen auf die Mitschriften eines seiner Schüler angewiesen. Flavius Arrianus, der später als Politiker und Biograph Alexanders bekannt werden sollte, notierte die Diatriben (»Gespräche«, »Unterredungen«, »Erörterungen«, gr. »Diatribai«, lat. »Dissertationes«) seines Lehrers so wortgetreu, daß der lebendige Charakter dieser weit verbreiteten Lehrform ebenso erhalten blieb wie die Verwandtschaft zu den sokratischen Dialogen. Epiktet unterrichtete nicht in der griechischen Hochsprache, die etwa Herodot, Xenophon oder auch Arrian benutzten, sondern in der Kome, einem eher umgangssprachlichen Gemeingriechisch. So wirkt die Sprache des Philosophen schlicht, anspruchslos, aber auch eindringlich und authentisch zugleich.

Nach dem Tode Epiktets fühlte sich Arrian veranlaßt, seine ursprünglich nur für den privaten Gebrauch gedachten Stenogramme der Lehren Epiktets herauszugeben.
Wesentlich bekannter als die »Unterredungen« wurde das »Encheiridion«, das »Handbüchlein der Moral«. Hier hatte Arrian in knapper Darstellung - gewissermaßen für den eiligen Leser oder auch für den, der einen Tagesspruch suchte - die wichtigsten Lehrsprüche Epiktets zusammengestellt.
Während erhebliche Teile der Diatriben verlorengingen, blieb das »Handbüchlein« bis auf den heutigen Tag vollständig erhalten. Das mag nicht zuletzt daran gelegen haben, daß die Kirche der christlichen Spätantike die Eignung dieser Schrift für die moralische Unterweisung erkannte. Um alle Hinweise auf das Heidnische zu löschen, wurden die Textstellen entfernt, die man für anstößig hielt. Man ersetzte den Namen Sokrates durch Paulus und gab als Verfasser den Asketen Nilus an. So wurden seine Lehren von Augustinus bis Blaise Pascal beachtet.

Epiktet orientierte sich in seiner Lehre an der älteren Stoa, überging also die mittlere Phase, zu der Panaitios und Poseidonios gehören - er nennt nicht einmal ihre Namen - und knüpfte an die geradlinigen Aussagen Zenons und vor allem Chrysipps an. Im Gegensatz zu diesen richtete sich aber sein Hauptinteresse fast ausschließlich auf die Ethik, lediglich der Logik räumte er - als Instrument des wissenschaftlichen Denkens - einen größeren Platz ein. Seine Armut war Ausdruck der Entscheidung, sich auf das Wichtige im Leben auszurichten. Während verständlicherweise Marc Aurels »Selbstbetrachtungen« immer wieder Gefahren und Vergänglichkeit der Macht reflektierten, konzentrierte sich Epiktets Lehre, konsequenter als die Senecas, auf die Frage nach dem sittlich richtigen Leben. Er forschte nicht nach der Wahrheit wie manche seiner Vorgänger, er kannte sie: Deshalb predigte und lehrte er.

Fundament der Lehre Epiktets ist die Einteilung, Dihairesis, der Dinge in die, welche in der Macht des Menschen stehen, und in solche, worüber der Mensch nicht verfügt. Beispiele für den ersten Bereich sind: Vorstellungen, Triebe, Begierden, Abneigungen, für den zweiten: Leib, Ansehen, Besitz. Anders gesagt: Ob sich der Mensch ärgert oder freut, von welchem Blickwinkel er die Dinge sieht und welche Bedeutung er ihnen zumißt, das entscheidet er in freier Selbstbestimmung, und dafür trägt er die Verantwortung. Hier fördert oder verfehlt er seine Sittlichkeit. Wer sich um die Entwicklung seines Inneren kümmert, ist frei, ist auf dem richtigen Weg und wird sein Lebensziel erreichen. Alles andere wie Ehre, Tod, Besitz, Krankheit entzieht sich seiner ausschließlichen Verfügung. Deshalb muß er sich um diese Dinge nicht kümmern, es sind »Adiaphora«, sittlich gleichgültige Dinge wie etwa auch Lust, Schmerz, Ansehen und Besitz. Sie beeinflussen den Menschen nur, wenn er es zuläßt. Sie kommen auf ihn zu, wie das Schicksal es will. Es liegt also nicht an ihm, er muß nur lernen, sie mit Gleichmut zu behandeln.

Wer sein Leben an diese äußeren Dinge hängt, wird unglücklich werden »und mit Gott und Menschen im Streit liegen«, sagt Epiktet im Enchiridion. Welche Dinge des Lebens der Mensch für die wichtigsten hält, hängt von einer grundsätzlichen Vorentscheidung, der Prohairesis, ab. Er muß entscheiden, was er für gut und richtig ansieht, wofür er sich einsetzen will. Die richtige Vorentscheidung ist die, sich um die »eigenen« Dinge zu kümmern, also um die, über die man Macht hat; das ist die sittliche Grundentscheidung, die jeder Mensch zu treffen hat. Sie liefert ihm die Wertmaßstäbe für sein Handeln, gibt ihm die Kraft, das Rechte zu wollen - der Begriff des »Wollens« ist bedeutsam für Epiktet - und einen festen Standpunkt für seine Selbsterziehung einzunehmen. Das Telos, das dem Menschen innewohnt, ist - modern gesprochen - seine Identität: Eins zu sein mit sich selbst und damit zuletzt mit dem göttlichen Logos, das ist die Grundforderung des tiefreligiösen Epiktet. Für ihn ist Gott immerfort gegenwärtig, ihm verdanken die Menschen ihre gesamte Existenz, in seinen Willen sollen sie sich widerstandslos ergeben, denn er will nur ihr Bestes.
 
Epiktet II.

Und hier ein Text von Epiktet, in einer Übersetzung von Rainer Nickel (Uni Rostock)

www.uni-rostock.de/fakult/philfak/fkw/iph/strobach/veranst/therapy/epiktet.html

Epiktet

HANDBUCH DER MORAL

Ü: Rainer Nickel; Überschriften vom Übersetzer

WAS IN UNSERER MACHT STEHT UND WAS NICHT (1)

Das eine steht in unserer Macht, das andere nicht. In unserer Macht stehen: Annehmen und Auffassen, Handeln, Wollen, Begehren und Ablehnen - alles, was wir selbst in Gang setzen und zu verantworten haben. Nicht in unserer Macht stehen: unser Körper, unser Besitz, unser gesellschaftliches Ansehen, unsere Stellung - kurz: alles, was wir selbst nicht in Gang setzen und zu verantworten haben.

Was sich in unserer Macht befindet, ist von Natur aus frei und läßt sich von einem Außenstehenden nicht behindern oder stören; was sich aber nicht in unserer Macht befindet, ist ohne Kraft, unfrei, läßt sich von außen behindern und ist fremdem Einfluß ausgesetzt. Denk daran: Wenn du das von Natur aus Unfreie für frei und das Fremde für dein Eigentum hältst, dann wirst du dir selbst im Wege stehen, Grund zum Klagen haben, dich aufregen und aller Welt Vorwürfe machen; hältst du aber nur das für dein Eigentum, was wirklich dir gehört, das Fremde aber für fremd, dann wird niemand jemals Zwang auf dich ausüben, niemand wird dich behindern, du brauchst niemandem Vorwürfe zu machen oder die Schuld an etwas zu geben, wirst nichts gegen deinen Willen tun, keine Feinde haben, und niemand kann dir schaden; denn es gibt nichts, was dir Schaden zufügen könnte.

Wenn du nach einem so hohen Ziel strebst, dann sei dir bewußt, daß dies mit erheblicher Anstrengung verbunden ist: Du mußt auf manches ganz verzichten und manches zeitweilig aufgeben. Wenn du aber nicht nur dieses willst, sondern auch noch der Macht und dem Reichtum nachjagst, dann wirst du wahrscheinlich nicht einmal hierin Erfolg haben, weil du zugleich das andere haben willst. Auf keinen Fall aber wirst du das bekommen, wodurch allein Freiheit und Glück möglich sind. Bemühe dich daher, jedem unangenehmen Eindruck sofort mit den Worten zu begegnen: «Du bist nur ein Eindruck, und ganz und gar nicht das, was du zu sein scheinst. » Dann prüfe und beurteile den Eindruck nach den Regeln, die du beherrschst, vor allem nach der ersten Regel, ob sich der Eindruck auf die Dinge bezieht, die in unserer Macht stehen oder nicht; und wenn er sich auf etwas bezieht, was nicht in unserer Macht steht, dann sag dir sofort: «Es geht mich nichts an.»



WAS MAN BEGEHREN UND WAS MAN ABLEHNEN SOLL (2)

Merke dir: Begehren zielt darauf, daß man das, was man begehrt, auch bekommt; Ablehnung zielt darauf, daß einem das, was man ablehnt, nicht zuteil wird, und wer sein Begehren nicht befriedigen kann, ist unglücklich; unglücklich ist aber auch, wem das zuteil wird, was er vermeiden möchte. Wenn du also nur von den Dingen, die in deiner Macht stehen, das ablehnst, was gegen die Natur ist, dann wird dir auch nichts von dem zustoßen, was du ablehnst. Wenn du aber Krankheit, Tod oder Armut zu entgehen suchst, dann wirst du unglücklich sein. Hüte dich also vor Abneigung gegenüber allen Dingen, die nicht in unserer Macht stehen, und gib ihr nur nach gegenüber den Dingen, die in unserer Macht stehen, aber gegen die Natur sind. Das Begehren aber laß für den Augenblick ganz sein. Denn wenn du etwas begehrst, was nicht in unserer Macht steht, dann wirst du zwangsläufig unglücklich, und von den Dingen, die in unserer Macht stehen und die du gern begehren könntest, weißt du noch nichts. Beschränke dich auf den Willen zum Handeln und auf den Willen, nicht zu handeln, doch nicht verkrampft, sondern mit Zurückhaltung und Gelassenheit.



SEI DIR ÜBER DAS WESEN DER DINGE IM KLAREN (3)

Bei allem, was dir Freude macht, was dir nützlich ist oder was du gern hast, denke daran, dir immer wieder zu sagen, was es eigentlich ist. Fang bei den unbedeutendsten Dingen an. Wenn du zum Beispiel an einem Topf hängst, dann sage dir: «Es ist ein einfacher Topf, an dem ich hänge.» Dann wirst du dich nämlich nicht aufregen, wenn er zerbricht. Wenn du dein Kind oder deine Frau küßt, dann sage dir: «Es ist ein Mensch, den du küßt. » Dann wirst du deine Fassung nicht verlieren, wenn er stirbt.



HALTUNG BEWAHREN (4)

Wenn du irgend etwas vorhast, dann mach dir klar, was du eigentlich vorhast. Wenn du zum Beispiel zum Baden gehst, dann stell dir vor, wie es in einem öffentlichen Bad zugeht, wie sie dich naßspritzen, hin und her stoßen, beschimpfen und bestehlen. Du wirst daher mit größerer Ruhe und Sicherheit hingehen, wenn du dir von vornherein sagst: «Ich will baden und meiner sittlichen Entscheidung treu bleiben, durch die ich mich in Übereinstimmung mit der menschlichen Vernunftnatur befinde.» Das gilt auch für alles andere. Denn wenn dich wirklich etwas beim Baden stört, wirst du dir sagen können: «Ich wollte ja nicht nur baden, sondern auch meiner sittlichen Entscheidung treu bleiben, durch die ich mich in Übereinstimmung mit der menschlichen Vernunftnatur befinde. Das tue ich aber nicht, wenn ich mich über derartige Vorgänge ärgere. »



NICHT DIE DINGE SELBST MIT DEN URTEILEN ÜBER SIE VERWECHSELN (5)

Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern ihre Urteile und Meinungen über sie. So ist zum Beispiel der Tod nichts Furchtbares - sonst hätte er auch Sokrates furchtbar erscheinen müssen -, sondern nur die Meinung, er sei furchtbar, ist das Furchtbare. Wenn wir also in Schwierigkeiten geraten, beunruhigt oder betrübt werden, wollen wir die Schuld niemals einem anderen, sondern nur uns selbst geben, das heißt unseren Meinungen und Urteilen.

Ein Ungebildeter pflegt seinen Mitmenschen vorzuwerfen, daß es ihm schlecht geht. Ein Anfänger in der philosophischen Bildung macht sich selbst Vorwürfe. Der wirklich Gebildete schiebt die Schuld weder auf einen anderen noch auf sich selbst.



WORAUF MAN STOLZ SEIN DARF (6)

Sei nicht stolz auf einen Vorzug, der nicht dein eigener ist. Wenn ein Pferd in seinem Stolz sagen würde: «Ich bin schön», so wäre das noch erträglich. Aber wenn du mit Stolz behaupten würdest: «Ich habe ein schönes Pferd», dann mußt du bedenken, daß du nur auf die Schönheit deines Pferdes stolz bist. Was gehört also dir? Der Gebrauch deiner Eindrücke. Wenn du dich aber beim Gebrauch deiner Eindrücke im Einklang mit der menschlichen Vernunftnatur befindest, dann kannst du mit Recht stolz sein. Dann nämlich wirst du auf einen Vorzug stolz sein, der wirklich dir gehört.



WENN DER STEUERMANN RUFT (7)

Wenn das Schiff auf einer Seereise vor Anker geht und du aussteigst, um frisches Wasser zu holen, dann kannst du unterwegs eine Muschel oder einen kleinen Tintenfisch auflesen, aber deine Aufmerksamkeit muß auf das Schiff gerichtet bleiben, und du mußt es ständig im Auge behalten, der Steuermann könnte ja rufen, und wenn er ruft, dann mußt du alles liegen lassen, damit du nicht gefesselt wie die Schafe auf das Schiff geworfen wirst. So ist es auch im Leben: Wenn dir statt einer Muschel oder eines Tintenfisches eine Frau und ein Kind gegeben sind, so wird dies kein Hindernis sein. Wenn der Steuermann ruft, lauf zum Schiff, laß alles liegen und dreh dich nicht um. Wenn du aber alt geworden bist, dann entferne dich nur nicht zu weit vom Schiff, damit du nicht zurückbleibst, falls du gerufen wirst.



NICHT ZUVIEL VERLANGEN (8)

Verlange nicht, daß alles, was geschieht, so geschieht, wie du es willst, sondern wünsche dir, daß alles so geschieht, wie es geschieht, und du wirst glücklich sein.



KRANKHEIT IST KEIN UNGLÜCK (9)

Krankheit ist hinderlich für den Körper, nicht aber für die sittliche Entscheidung, falls sie selbst es nicht will. Eine Lähmung behindert ein Bein, nicht aber die sittliche Entscheidung. Sag dir das bei allem, was dir zustößt. Du wirst nämlich finden, daß es für etwas anderes hinderlich ist, nicht aber für dich selbst.



WAS GEGEN FALSCHE VORSTELLUNGEN HILFT (10)

Bei allem, was dir passiert, denke daran, in dich zu gehen und dich zu fragen: «Welche Kraft hast du, um richtig darauf zu reagieren?» Wenn du einen schönen Knaben oder ein schönes Mädchen siehst, so wirst du als Gegenkraft Selbstbeherrschung haben; erwartet dich eine schwere Anstrengung, so wird dein Gegenmittel Ausdauer sein, wird dir eine Beleidigung zuteil, so wirst du mit Duldsamkeit reagieren. Wenn du dich daran gewöhnt hast, werden dich die (falschen) Vorstellungen und Eindrücke nicht mehr beherrschen.



MAN KANN NICHTS VERLIEREN (11)

Sag nie von einer Sache: «Ich habe sie verloren», sondern: «Ich habe sie zurückgegeben.» Dein Kind ist gestorben? Nein, du hast es zurückgegeben. Deine Frau ist gestorben"? Nein, du hast sie zurückgegeben. «ich habe mein Grundstück verloren.» Gut, auch das hast du zurückgegeben. «Aber es ist doch ein Verbrecher, der es mir gestohlen hat. » Was geht es dich an, durch wen es der, der es dir einst gab, von dir zurückforderte? Solange er es dir überläßt, behandle es als fremdes Eigentum wie die Reisenden ihr Gasthaus.



DU MUSST UMDENKEN (12)

Wenn du moralische Fortschritte machen willst, mußt du Gedanken wie die folgenden abwerfen: «Wenn ich mich nicht um mein Vermögen kümmere, werde ich nichts zu essen haben. » Oder: «Wenn ich meinen Diener nicht bestrafe, wird er ein Taugenichts.» Denn es ist besser zu verhungern, aber ohne Sorgen und Angst gelebt zu haben, als im Überfluß, aber in ständiger Aufregung. Es ist besser, daß dein Diener ein Taugenichts ist, als daß du selbst unglückliech bist. Beginne also mit kleinen Dingen: Wird dir ein Tropfen Öl vergossen oder ein bißchen Wein gestohlen, so sage dir: «Das ist der Preis für Gleichmut und innere Ruhe. Umsonst bekommt man nichts". »

Wenn du deinen Diener rufst, bedenke, daß er dich vielleicht nicht hören kann, und wenn er dich gehört hat, daß er vielleicht gar nicht in der Lage ist, das zu tun, was du von ihm verlangst. Aber er befände sich in keiner besonders glücklichen Lage, wenn deine innere Ruhe von ihm abhinge.



WAS MAN VON DIR DENKT, SEI DIR GLEICHGÜLTIG (13)

Wenn du Fortschritte machen willst, dann halte es aus, daß man dich wegen äußerer Dinge für töricht und einfältig hält, und habe auch nicht den Wunsch, den Anschein zu erwecken, etwas zu verstehen, und wenn andere es von dir glauben, mißtraue dir selbst. Denn sei dir darüber im klaren, daß es nicht leicht ist, seiner moralischen Entscheidung, durch die man sich in Übereinstimmung mit der menschlichen Vernunftnatur befindet, treu zu bleiben und zugleich die äußeren Dinge zu berücksichtigen. Es gibt vielmehr nur ein Entweder-Oder: Wer sich um das eine kümmert, muß das andere vernachlässigen.



ÜBE, WAS IN DEINER MACHT STEHT (14)

Wenn du willst, daß deine Kinder, deine Frau und deine Freunde ewig leben, bist du ein Narr; denn du verlangst, daß das, was nicht in deiner Macht steht, in deiner Macht stehe, und daß das, was dir nicht gehört, dir gehöre. Ebenso töricht bist du, wenn du wünschst, daß dein Diener keinen Fehler mache; denn du willst, daß der Fehler kein Fehler sei, sondern etwas anderes.

Wenn du aber den Willen hast, dein Ziel nicht zu verfehlen, so kann dir dies möglich sein. Übe dich einfach in dem, was dir möglich ist. Jedem anderen überlegen ist derjenige, der die Möglichkeit hat, ihm das zu geben, was er haben will, und ihn von dem zu befreien, was er nicht haben will. Wer aber frei sein will, der darf weder erstreben noch meiden, was in der Macht eines anderes steht. Sonst wird er zwangsläufig zum Sklaven.



VERZICHTEN IST BESSER ALS ZUGREIFEN (15)

Denke daran, daß du dich im Leben verhalten mußt wie bei einem Gastrnahl. Es wird etwas herumgereicht, und du kommst an die Reihe. Streck deine Hand aus und nimm dir ein bißchen. Es wird weitergereicht. Halte es nicht zurück. Es ist noch nicht bei dir angekommen. Richte dein Verlangen nicht weiter darauf, sondern warte, bis es zu dir kommt.

So halte es auch mit dem Wunsch nach Kindern, nach einer Frau, nach einer angesehenen Stellung, nach Reichtum, und du wirst eines Tages eines Gastmahls mit den Göttern würdig sein.

Wenn du aber nichts von dem nimmst, was dir vorgesetzt wird, sondern es unbeachtet läßt, dann wirst du nicht nur ein Tischgenosse der Götter sein, sondern auch an ihrer Macht teilhaben. Denn so taten es Diogenes, Herakles und ähnliche Männer, und darum waren sie mit Recht göttlich und wurden mit Recht göttlich genannt.



GRENZEN DES MITLEIDS (i6)

Wenn du jemanden jammern und klagen siehst, weil sein Kind weit fort ist oder weil er sein Vermögen verloren hat, achte darauf, daß du dich nicht von der Vorstellung hinreißen läßt, er sei aufgrund dieser äußeren Dinge tatsächlich im Unglück. Halte dir vielmehr sofort vor Augen: «Nicht das, was passiert ist, betrübt diesen Mann jemand anders nämlich betrübt es nicht), sondern seine Meinung darüber. »

Zögere jedoch nicht, ihn mit Worten zu trösten und, wenn es sich so ergibt, auch mit ihm zu klagen. Aber hüte dich davor, auch mit innerer Anteilnahme zu jammern.



SPIEL DEINE ROLLE GUT (17)

Erinnere dich, daß du ein Schauspieler in einem Drama bist; deine Rolle verdankst du dem Schauspieldirektor. Spiele sie, ob sie nun kurz oder lang ist. Wenn er verlangt, daß du einen Bettler darstellst, so spiele auch diesen angemessen; ein Gleiches gilt für einen Krüppel, einen Herrscher oder einen Durchschnittsmenschen.

Denn das allein ist deine Aufgabe: die dir zugeteilte Rolle gut zu spielen; sie auszuwählen, ist Sache eines anderen.



VORZEICHEN (18)

Wenn dir ein Rabe krächzend Unheil verkündet, laß dich nicht von deiner Vorstellung hinreißen, sondern triff sofort die Unterscheidung bei dir und sag dir: «Keines dieser Vorzeichen gilt mir, sondern nur meinem erbärmlichen Körper, meinem bißchen Besitz, meinem kümmerlichen Ansehen, meinen Kindern oder meiner Frau. Mir aber wird Oberhaupt nur Glück prophezeit, wenn ich es will. Was auch immer davon eintreffen mag - es liegt bei mir, Nutzen daraus zu ziehen.»



WAHRE FREIHEIT (19)

Du kannst unbesiegbar sein, wenn du dich auf keinen Kampf, einläßt, in dem der Sieg nicht von dir abhängt. Wenn du jemanden siehst, der hochgeehrt, sehr mächtig oder sonst in großem Ansehen steht, laß dich nicht von dem äußeren Eindruck blenden und preise ihn nicht glücklich. Denn wenn das wahre Wesen des Guten zu dem gehört, was in unserer Macht steht, dann ist weder Neid noch Eifersucht am Platze. Du selbst willst doch kein Feldherr, Senator oder Konsul sein, sondern ein freier Mann. Dahin führt aber nur ein einziger Weg: Alles gering zu schätzen, was nicht in unserer Macht steht.



BELEIDIGUNGEN KÖNNEN MICH NICHT TREFFEN (20)

Sei dir dessen bewußt, daß dich derjenige nicht verletzen kann, der dich beschimpft oder schlägt; es ist vielmehr deine Meinung, daß diese Leute dich verletzen. Wenn dich also jemand reizt, dann wisse, daß es deine eigene Auffassung ist, die dich gereizt hat. Deshalb versuche vor allem, dich von deinem ersten Eindruck nicht hinreißen zu lassen. Denn wenn du dir Zeit zum Nachdenken nimmst, dann wirst du die Dinge leichter in den Griff bekommen.


I]
 
Epiktet III.

NACHDENKEN ÜBER DEN TOD (21)

Tod, Verbannung und alles andere, was als furchtbar gilt, halte dir täglich vor Augen, besonders aber den Tod , und du wirst niemals kleinliche Gedanken haben oder etwas übermäßig begehren.



SICH NICHT BEIRREN LASSEN (22)

Wenn du nach Weisheit strebst, so mach dich von vornherein darauf gefaßt, daß man dich auslachen wird und daß dich viele verspotten und sagen werden: «Er ist plötzlich als Philosoph wiedergekommen. »Oder: «Wie kommt es, daß er auf einmal die Brauen so hochzieht?»

Du brauchst aber keine finstere Miene zu ziehen. Aber halte dich an das, was dir als das Beste erscheint, so als ob du von Gott auf diesen Posten gestellt wärest. Erinnere dich daran: Wenn du dabei bleibst, dann werden dich alle, die dich vorher ausgelacht haben, nachher bewundern. Wenn du dich aber von ihnen einschüchtern läßt, dann wird man dich doppelt auslachen.



DEM LEBENSPLAN TREU BLEIBEN (23)

wenn es dir einmal passiert, daß du dich den Äußerlichkeiten zuwendest, weil du jemandem gefallen willst, dann sei dir darüber im klaren: Du hast deinen Lebensplan aufgegeben. Es muß dir also ganz und gar genügen, ein Philosoph zu sein- wenn du aber als solcher angesehen werden willst dann sieh dich selbst als solchen an, und du wirst zufrieden sein.



WOZU BIN ICH NÜTZLICH? (24)

Diese Gedanken dürfen dich nicht quälen: «Ich werde ohne Ansehen leben und nirgends etwas gelten. » Falls das Fehlen von Ansehen wirklich ein Unglück ist: du kannst doch nicht durch einen anderen im Unglück oder in Schande leben. Hängt es etwa von dir ab, ein Amt zu bekommen oder zu einem Gastmahl eingeladen zu werden? Keineswegs. Wieso ist dies dann noch als Fehlen von Ansehen zu verstehen? Wie kann es sein, daß du nirgends etwas giltst, da du doch einzig auf dem Gebiet, das in deiner Macht steht, etwas bedeuten sollst, wo es dir möglich ist am bedeutendsten zu sein?

Aber du hast Freunde und kannst ihnen nicht helfen? Was meinst du mit «nicht helfen können»? Sie werden von dir kein Geld bekommen; du wirst ihnen auch nicht das römische Bürgerrecht verschaffen können. Wer hat dir denn gesagt, daß dies zu den Dingen gehört, die in unserer Macht stehen, obwohl sie in Wirklichkeit unserem Einfluß entzogen sind? Wer kann jemandem etwas geben, was er selbst gar nicht besitzt? «Dann verschaff dir Geld», sagt ein Freund, «damit auch wir etwas davon haben.» Wenn ich Geld bekommen kann, ohne dabei meine Zurückhaltung, meine Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit und meine Großzügigkeit zu verlieren, dann zeige mir den Weg, und ich werde das Geld erwerben. Wenn ihr aber von mir verlangt, daß ich meine Güter aufgebe, damit ihr zu Gütern kommt, die gar keine sind, dann müßt ihr begreifen, wie ungerecht und unverständig ihr seid.

Was wollt ihr denn lieber haben? Geld oder einen verläßlichen und bescheidenen Freund? Helft mir also lieber dabei und verlangt nicht von mir, daß ich etwas tue, wodurch ich diese Eigenschaften verlieren.

«Aber das Vaterland wird von mir keinen Nutzen haben - » Dazu ist wiederum zu fragen: Welche Art von Nutzen meinst du? Säulenhallen und Badeanstalten wird es nicht von dir bekommen. Aber was heißt das schon? Denn es bekommt ja auch keine Schuhe vom Schmied und keine Waffen vorn Schuster. Es reicht, wenn jeder seine eigene Aufgabe erfüllt". Wenn du aus irgendeinem Mitmenschen einen zuverlässigen und bescheidenen Mitbürger machst, bist du damit dem Vaterland etwa nicht nützlich? «Doch.» Folglich dürftest du ihm auch nicht nutzlos sein. «Welche Stellung werde ich im Staat einnehmen?» Die Stellung, die du ausfallen kannst, ohne dabei deine Zuverlässigkeit und Bescheidenheit zu verlieren. Wenn du diese Eigenschaften aber verlierst, weil du dem Staat dienen willst, was dürfte es ihm nützen, wenn du am Ende unzuverlässig und unbescheiden geworden bist?



ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES ÖFFENTLICHEN ERFOLGES (25)

Es wurde dir jemand bei einer Einladung oder bei einer morgendlichen Begrüßung vorgezogen, oder du bist nicht um einen Rat gebeten worden. Wenn dies etwas Gutes ist, dann solltest du dich freuen, daß jemand anders in seinen Genuß gekommen ist. Wenn es aber etwas Schlechtes ist, dann ärgre dich nicht, daß du es nicht bekommen hast.

Bedenke doch, daß du, wenn du nicht dasselbe tust wie die anderen, um das zu bekommen, was nicht in unserer Macht steht, nicht dasselbe beanspruchen kannst. Denn wie kann einer, der nicht die Klinken eines Mächtigen putzt, dasselbe beanspruchen wie einer, der es tut? Entsprechendes gilt für den, der sich im Gefolge eines Mächtigen sehen läßt, und den, der das nicht tut, oder für den, der diesen lobt, und den, der das sein läßt.

Du wirst ungerecht und unersättlich sein, wenn du jenes, ohne den Preis zu bezahlen, für den man es kaufen kann, umsonst haben willst. Wieviel kostet zum Beispiel der Salat? Einen Obolus vielleicht. Wenn also jemand den Obolus hinlegt und dafür seinen Salat bekommt, du aber nichts hinlegst und nichts bekommst, dann darfst du nicht glauben, daß du schlechter daran bist als derjenige, der etwas bekommt. Denn wie jener seinen Salat hat, so hast du noch den Obolus, den du nicht ausgegeben hast.

Dasselbe ist auch hier der Fall. Du bist nicht zum Essen eingeladen worden? Du hast nämlich dem Gastgeber den Preis nicht bezahlt, für den er sein Essen verkauft. Für ein Lob oder eine Aufmerksamkeit verkauft er es. Gib ihm den Preis, für den er es verkauft, wenn es dir nützlich ist. Wenn du das eine aber nicht bezahlen und das andere trotzdem haben willst, dann bist du unverschämt und einfältig. Hast du nichts statt der Einladung? Du kannst doch sagen, du hast den nicht gelobt, den du nicht loben wolltest, und du brauchst dich nicht mit den Wächtern an seiner Tür auseinanderzusetzen.



LEID IST FÜR ALLE GLEICH (26)

Den Willen der Natur kann man dort erkennen, wo wir uns nicht voneinander unterscheiden. Wenn zum Beispiel der Diener eines anderen das Trinkglas zerbricht, dann sagt man sogleich: «Das kann schon einmal passieren. » Also sei dir darüber im klaren: Wenn dein eigenes Trinkglas zerbricht, dann mußt du dich konsequenterweise genauso verhalten wie damals, als das Glas des anderen zerbrach. Übertrage dies nun auch auf wichtigere Dinge. Ein Kind oder die Frau eines anderen ist gestorben. Es gibt keinen, der nicht sagen würde: «Das ist nun einmal das Los des Menschen.» Aber wenn einem das eigene Kind stirbt, dann jammert er sofort: «Ach, ich Armer.» Aber es wäre nötig, daß wir bedenken, was wir empfinden, wenn wir bei einem anderen von einem solchen Unglück hören.



DAS BÖSE (27)

Wie kein Ziel aufgestellt wird, damit man es verfehle, so gibt es auch nichts von Natur aus Böses in der Welt.



LASS DICH NICHT AUS DER FASSUNG BRINGEN (28)

Wenn jemand deinen Körper dem ersten besten, der dir begegnet, übergeben würde, dann wärst du empört. Daß du aber dein Herz jedem Beliebigen überläßt, und es sich, wenn du beschimpft wirst, aufregt und aus der Fassung gerät - deshalb schämst du dich nicht?



MAN MUSS SICH ENTSCHEIDEN (29)

Bei jeder Tat prüfe ihre Voraussetzungen und Folgen und geh erst dann an sie heran. Wenn du das nicht tust, wirst du dich anfangs mit Begeisterung auf die Sache werfen, da du ja nicht an ihre Folgen gedacht hast,- wenn später aber irgendwelche Schwierigkeiten auftreten, dann wirst du aufgeben und Schimpf und Schande ernten.

Du willst in Olympia siegen? Das will ich auch, bei den Göttern. Denn das ist eine schöne Sache. Aber denke an die Voraussetzungen und Folgen und dann erst geh an die Sache heran. Du mußt dich einer strengen Disziplin unterwerfen, eine Diät einhalten, darfst keinen Kuchen mehr essen, mußt nach einem genauen Plan trainieren - zu festgesetzter Zeit, bei Hitze und Kälte. Dann darfst du kein kaltes Wasser und keinen Wein trinken, wenn du Lust dazu hast, du hast dich dem Trainer wie einem Arzt auszuliefern. Darauf mußt du dich beim Wettkampf auf der Erde wälzen. Es kann auch vorkommen, daß du dir die Hand verrenkst, den Fuß verstauchst und viel Staub schlucken mußt. Manchmal bekommst du sogar Schläge - und nach all diesen Anstrengungen mußt du vielleicht am Ende eine Niederlage hinnehmen.

Wenn du dies alles bedacht hast und noch willst, dann nimm an den Spielen teil. Andernfalls wirst du dich wie die Kinder benehmen, die einmal Ringkampf, ein anderes Mal Gladiatorenkampf spielen, bald Trompete blasen, bald Theater spielen. So bist auch du heute ein Ringer, morgen ein Gladiator, dann wieder Redner und ein anderes Mal Philosoph. Mit ganzer Seele aber bist du gar nichts, sondern wie ein Affe machst du alles nach, was du siehst, und heute gefällt dir dieses, morgen jenes. Denn du gehst ohne Überlegung und ohne gründliche Prüfung an eine Sache heran. Du folgst bedenkenlos jeder zufälligen Laune.

So haben zum Beispiel manche einen Philosophen gesehen und reden hören, wie Euphrates redet - in der Tat: Wer kann so reden wie er? -, und nun wollen sie selbst Philosophen sein. Mensch, überlege dir doch, worum es eigentlich geht. Dann prüfe deine eigenen Fähigkeiten, ob du der Sache auch gewachsen bist. Du willst Fünfkämpfer oder Ringer werden? Sieh dir deine Arme und deine Schultern an, untersuche deine Hüften. Denn der eine ist für dieses, der andere für jenes geeignet.

Meinst du, dag du bei dieser Tätigkeit wie bisher essen und trinken oder die gleichen Wünsche und Abneigungen haben kannst? Du mußt auf Schlaf verzichten, Anstrengungen auf dich nehmen, die Angehörigen verlassen, von einem Sklaven dich verachten lassen, dich von den Leuten auf der Straße auslachen lassen, in allem unterlegen sein, wenn es um eine Stellung oder ein Amt geht und wenn du vor Gericht stehst, in jeder Hinsicht also mußt du Nachteile in Kauf nehmen. Überleg es dir gut: Willst du um diesen Preis innere Ruhe, Freiheit und Ungestörtheit gewinnen?

Wenn du das nicht willst, dann fang gar nicht erst an, damit du es nicht wie die Kinder machst: Heute Philosoph, morgen Zöllner, dann Redner, dann Beamter des Kaisers. Das paßt nicht zusammen. Du kannst nur eines sein: ein guter oder ein schlechter Mensch.

Du mußt dich entscheiden: Entweder arbeitest du für deine Seele oder für die äußeren Dinge. Entweder bemühst du dich um das innere oder um das Äußere, das heißt, entweder spielst du die Rolle eines Philosophen oder eines gewöhnlichen Menschen.



DIE PFLICHTEN (30)

Unsere Pflichten richten sich im allgemeinen nach unseren sozialen Beziehungen. Da ist ein Vater: Man ist dazu verpflichtet, sich um ihn zu kümmern, ihm in allem nachzugeben, es zu ertragen, wenn er schimpft und einen schlägt. «Aber es ist ein schlechter Vater.» Hast du dich etwa einem von Natur aus guten Vater anvertraut? Nein, sondern nur einem Vater. «Mein Bruder tut mir unrecht.» Gut, aber ändere nicht dein Verhalten ihm gegenüber. Kürnmere dich nicht darum, was er tut, sondern was du tun mußt, wenn deine sittliche Entscheidung in Obereinstimmung mit der Vernunftnatur bleiben soll. Denn dir wird kein anderer Schaden zufügen, wenn du es nicht willst. Du wirst aber dann geschädigt, wenn du annimmst, daß du geschädigt wirst.

So wirst du auch erkennen, was du von deinem Nachbarn, deinem Mitbürger und deinem Feldherrn zu erwarten hast, wenn du dich daran gewöhnst, deine sozialen Beziehungen zu ihnen zu berücksichtigen.



FRÖMMIGKEIT (31)

Was die Frömmigkeit gegenüber den Göttern betrifft, So wisse, daß es am wichtigsten ist, richtige Vorstellungen über sie zu haben: daß sie existieren und die ganze Welt schön und gerecht regieren und daß du dich darauf einstellen mußt, ihnen zu gehorchen und dich allem, was geschieht, zu fügen und freiwillig zu unterwerfen in der Überzeugung, daß es von der höchsten Vernunft vollzogen wurde. Dann wirst du die Götter nämlich niemals tadeln und ihnen vorwerfen, daß sie sich nicht um dich kümmerten.

Aber das ist nur dann möglich, wenn du deine Vorstellung von Gut und Böse nicht aus dem gewinnst, was nicht in unserer Macht steht, sondern allein dort suchst, wo wir freie Verfügungsgewalt haben. Denn wenn du etwas von den Dingen, die nicht in unserer Macht stehen, für gut oder schlecht hältst, dann ist es nur konsequent, daß du die Verursacher tadelst und haßt, sobald du etwas nicht bekommst, was du dir wünschst, oder wenn dir etwas zustößt, was du nicht willst. Denn es liegt in der Natur eines jeden Lebewesens, das, was ihm schädlich erscheint und was Schaden verursacht, zu meiden und zu fliehen, dem Nützlichen und seinen Ursachen aber nachzugehen und es zu bewundern.

Es ist undenkbar, daß sich einer, der sich geschädigt glaubt, über den vermeintlichen Urheber des Schadens freut, wie es ja auch ausgeschlossen ist, daß man sich über den Schaden selbst freut.

Daher wird auch ein Vater von seinem Sohn verwünscht, wenn er ihn nicht an den Dingen teilhaben läßt, die er für gut hält. So wurden auch Polyneikes und Eteokles zu Feinden, weil sie glaubten, die Herrschaft sei ein Gut. Deshalb beschimpfen auch der Bauer, der Seemann und der Kaufmann die Götter, und dasselbe tun diejenigen, die ihre Frauen und Kinder verlieren. Denn wo Nutzen ist, dort ist auch Frömmigkeit.

Wer daher das Richtige erstrebt oder meidet, der ist auch fromm. Aber Trank- und Brandopfer darzubringen und die Erstlingsgaben nach altem Brauch darzubringen, ist jedermanns Pflicht - mit reinem Herzen, nicht gedankenlos, nicht nachlässig, nicht zu knausrig, aber auch nicht über unsere Möglichkeiten hinaus.



ÜBER DIE BEFRAGUNG DES ORAKELS (32)

Wenn du zu einem Orakel gehst, denke daran, daß du nicht weißt, was passieren wird, sondern daß du gekommen bist, um das vom Wahrsager zu erfahren. Von welcher Art aber eine Sache ist, das wußtest du schon, als du hingingst falls du wirklich ein Philosoph bist. Denn wenn es etwas ist, was zu den Dingen gehört, die nicht in unserer Macht stehen, dann ist es zwangsläufig weder etwas Gutes noch etwas Schlimmes. Äußere also gegenüber dem Wahrsager weder einen Wunsch noch Ablehnung; geh auch nicht mit einem Gefühl der Angst zu ihm, sondern in der Überzeugung, daß alles, was geschehen wird, gleichgültig ist und für dich keine Bedeutung hat. Was es auch sei, es wird dir möglich sein, einen guten Gebrauch davon zu machen, und niemand wird dich daran hindern.

Wende dich mutig an die Götter, die du als deine Ratgeber betrachten mögest. Und dann, wenn dir ein Rat erteilt wird, denke daran, an welche Ratgeber du dich gewandt hast und wem du den Gehorsam verweigerst, falls du nicht hörst. Aber wende dich nach dem Vorbild des Sokrates nur in solchen Fällen an das Orakel, wo sich die ganze Befragung auf den Ausgang des Geschehens richtet und wo es weder durch vernünftige Überlegung noch durch irgendeine andere Kunst möglich ist, die anstehenden Fragen zu klären.

Wenn es also nötig ist, einem Freund oder dem Vaterland beizustehen, frage nicht das Orakel, ob du Hilfe leisten sollst. Denn wenn dir der Wahrsager erklärt, daß die Opferzeichen etwas Schlimmes bedeuten, dann heißt dies, daß Tod, schwerer körperlicher Schaden oder Verbannnung angekündigt werden. Die Vernunft jedoch gebietet, trotz dieser Gefahren dem Freund zu helfen und dem Vaterland beizustehen.

Folge also dem größeren Wahrsager, dem pythischen Apoll, der einen Menschen des Tempels verwies, weil er seinem Freund in Lebensgefahr nicht zu Hilfe gekommen war.
 
Epiktet IV

LIEBER SCHWEIGEN (33)

Gib endlich deiner Persönlichkeit ein dauerhaftes Gepräge, das du bewahrst, ob du nun für dich allein oder mit anderen zusammen bist.

Schweige meistens oder sprich nur das Notwendige und das nur mit wenigen Worten. Selten aber und nur, wenn die Umstände dich zum Reden veranlassen, rede, aber nicht über die üblichen Themen, über Kämpfe in der Arena, über Pferderennen, Athleten, Essen und Trinken, die Allerweltsthemen. Vor allem sprich nicht über andere Leute, weder tadelnd, noch lobend oder sie vergleichend. Wenn du es schaffst, so lenke das gemeinsame Gespräch durch deinen Beitrag auf einen wertvollen Gegenstand. Bist du aber allein unter Freunden, so schweige lieber.

Lach nicht zu oft, nicht über zu viele Dinge und nicht ungehemmt.

Einen Eid mußt du ganz ablehnen, falls es geht; ist das nicht möglich, soweit es geht.

Lehne Einladungen bei Andersgesinnten und philosophisch Ungebildeten ab. Sollte es aber einmal unumgänglich sein, stell dich voll darauf ein, daß du niemals das Benehmen solcher Leute annimmst. Denn sei dir darüber im klaren: Hat man einen verkommenen Freund, so muß man, wenn man engen Umgang mit ihm pflegt, ebenso verkommen, auch wenn man selbst unverdorben ist.

Die körperlichen Bedürfnisse, wie Essen, Trinken, Kleidung, Wohnung und Bechenung, befriechge nur so weit, wie es unbechngt notwendig ist. Aber meide ganz, was äußeren Glanz verleiht oder dem Luxus dient.

In geschlechtlicher Hinsicht übe vor der Ehe größtmögliche Zurückhaltung. Wenn du dich dennoch darauf einläßt, so bleibe im Rahmen des gesetzlich Erlaubten. Beschimpfe und tadle auf jeden Fall nicht diejenigen, die sich dem Geschlechtsgenuß hingeben. Erzähle auch nicht überall, daß du dies nicht tust.

Wenn dir jemand mitteilt, dir sage jemand Böses nach, dann rechtfertige dich nicht, sondern antworte: «Er kannte wohl meine anderen Fehler nicht; denn sonst würde er nicht nur diese hier erwähnen.»

Es ist nicht nötig, häufig zu den öffentlichen Spielen zu gehen. Wenn sich einmal die Gelegenheit dazu ergibt, dann zeige dich für niemanden besonders interessiert außer für dich selbst, das heißt habe nur den Wunsch, daß alles so abläuft, wie es abläuft, und laß den Sieger Sieger sein. So gerätst du nämlich nicht aus der Fassung.

Verzichte ganz darauf zu schreien, über jemanden zu lachen oder dich zu sehr aufzuregen. Und wenn alles zu Ende ist, unterhalte dich nicht zu lange über das, was geschehen ist, soweit es nicht zu deinem eigenen Vorteil ist. Denn ein solches Verhalten zeigt, daß das Schauspiel deine Bewunderung hervorgerufen hat.

Zu den öffentlichen Autorenlesungen geh nicht unüberlegt und ohne innere Bereitschaft. Gehst du aber hin, so bewahre deine Würde und Zurückhaltung und sorge dafür, daß du niemandem lästig wirst.

Wenn du die Absicht hast, jemanden zu treffen, vor allem wenn es sich um eine hochgestellte Persönlichkeit handelt, dann stell dir vor, was Sokrates und Zenon in dieser Situation getan hätten, und du wirst genau wissen, wie du die Situation angemessen meistern kannst.

Wenn du einen mächtigen und bedeutenden Mann aufsuchen mußt, dann mach dir klar, du wirst ihn zu Hause nicht antreffen, man läßt dich nicht vor, die Tür wird dir vor der Nase zugeschlagen oder er wird dich Oberhaupt nicht beachten. Und wenn du trotzdem hingehen mußt, dann geh, nimm hin, was kommt, und sag dir nicht: «Das hat sich nicht gelohnt!» Denn das bewiese eine unphilosophische und verkehrte Einstellung gegenüber den äußeren Dingen, Wenn du mit anderen Menschen zusammen bist, vermeide es, zu ausführlich und zu ausgiebig von deinen eigenen Leistungen und Problemen zu reden. Denn wenn es dir Spaß macht, von deinen Abenteuern zu erzählen, so bedeutet dies nicht, daß auch die anderen gern hören, was du überstanden hast. Verzichte auch darauf, Witze zu reißen. Denn ein derartiges Verhalten wirkt schnell gewöhnlich und fülhrt dazu, daß deine Mitmenschen die Achtung vor dir verlieren.

Gefährlich ist es auch, in ein Gespräch über unanständige Dinge verwickelt zu werden. Wenn derartiges geschieht, dann weise denjenigen, der es so weit hat kommen lassen, zurecht, falls die Situation es zuläßt. Sollte dir das aber unmöglich sein, so zeige wenigstens durch dein Schweigen, dein Erröten und deine finstere Miene, daß dir die Worte mißfallen.



LUSTGEFÜHLE (34)

Wenn du dir eines Lustgefühls bewußt wirst, dann hüte dich wie bei allen anderen Eindrücken, dich von ihm überwältigen zu lassen. Laß vielmehr die Sache nicht gleich an dich heran. Halte dich noch ein Weilchen zurück. Dann denke an die beiden Augenblicke, wo du die Lust genießt und wo du sie genossen hast, aber alles bereuen wirst und dir Vorwürfe machst. Und halte dagegen, wie du dich freuen und mit dir selbst zufrieden sein wirst, wenn du dich zurückgehalten hast.

Hältst du es aber für angebracht, dich auf die Sache einzulassen, so achte darauf, daß dich ihre Verlockung, ihr Reiz und ihre Anziehung nicht überwältigen. Denk stattdessen daran, wieviel schöner es ist, sich bewußt zu sein, einen Sieg errungen zu haben.



LASS DICH NICHT BEIRREN (35)

Wenn du erkannt hast, daß du etwas Bestimmtes tun mußt, und es dann auch tust, dann scheue dich nicht, dabei gesehen zu werden, auch wenn die Mehrheit dazu neigt, schlecht darüber zu denken. Denn wenn das, was du vorhast, Unrecht ist, dann laß es sein. Wenn das aber nicht der Fall ist, warum fürchtest du die Leute, die dich zu unrecht tadeln ?



ANSTAND WAHREN (36)

Wie die beiden Sätze «Es ist Tag» und «Es ist Nacht» sehr sinnvoll sind, wenn sie nicht miteinander verbunden sind, aber keinen Sinn ergeben, wenn sie miteinander verknüpft sind, so mag es zwar auch für den Körper gut sein, sich beim Essen das größte Stück zu nehmen; im Blick auf die in Gesellschaft notwendige Zurückhaltung und Bescheidenheit ist dieses Benehmen jedoch würdelos. Wenn du also bei jemandem zum Essen eingeladen bist, denk daran, nicht nur den Wert der aufgetragenen Speisen im Auge zu haben, sondern auch gegenüber dem Gastgeber Anstand und Zurückhaltung zu zeigen.



ÜBERFORDERT?(37)

Falls du eine Rolle übernimmst, die deine Kräfte übersteigt, so machst du keine gute Figur und hast außerdem das versäurnt, wozu du eigentlich fähig gewesen wärst.



VORSICHTIG SEIN (38)

Wie du beim Gehen darauf achtest, daß du nicht in einen Nagel trittst oder dir den Fuß verstauchst, so nimm dich auch davor in acht, daß das leitende Prinzip in dir keinen Schaden nimmt. Und wenn wir diese Regel bei jeder Handlung einhalten, dann werden wir mit größerer Sicherheit an die Sache herangehen.



DAS RICHTIGE MASS (39)

Bei jedem Menschen ist der Körper ein Maß für den Umfang seines materiellen Besitzes wie der Fuß für den Schuh. Wenn du dich von diesem Prinzip leiten läßt, dann wirst du das richtige Maß einhalten. Wenn du es aber überschreitest, dann wirst du eines Tages unweigerlich in den Abgrund stürzen. Es ist wie beim Schuh: Wenn du einmal den Fuß als natürliches Maß überschritten hast, dann bekommst du zuerst einen vergoldeten, dann einen purpurnen und schließlich einen gestickten Schuh. Denn wenn du erst einmal das Maß überschritten hast, dann gibt es keine Grenze mehr.



DIE MÄDCHEN (40)

Die Mädchen werden, wenn sie vierzehn geworden sind, von den Männern «Damen» genannt. Und wenn sie sehen, daß sie keine andere Aufgabe haben, als Bettgenossinnen der Männer zu sein, fangen sie an, sich schön zu machen und darauf all ihre Hoffnung zu setzen. Es ist also angebracht, ihnen bewußt zu machen, daß sie nur dann geehrt werden, wenn sie bescheiden und zurückhaltend sind.



KÖRPER UND GEIST (41)

Es ist ein Zeichen mangelhafter Begabung, wenn man sich zu ausgiebig mit körperlichen Dingen beschäftigt, zum Beispiel: wenn man zuviel Sport treibt, zuviel ißt, zuviel trinkt, zu oft zur Toilette rennt, um sich zu entleeren, und zu oft den Beischlaf ausführt. Statt dessen sollte man diese Dinge nur nebenbei tun, und die ganze Fürsorge sollte auf die Entfaltung deiner Vernunft gerichtet sein.



«ES SCHIEN IHM EBEN RICHTIG SO» (42)

Wenn dir jemand etwas Böses antut oder schlecht über dich redet, denke daran, daß er dies tut oder sagt, weil er glaubt, er müsse es tun. Es ist doch nicht möglich, daß er tut, was du für richtig hältst, sondern was ihm richtig erscheint. Daraus folgt, daß auch er den Schaden hat, wenn er die Dinge falsch sieht. Denn er ist es, der sich irrte. Denn auch wenn jemand eine richtige Verknüpfung von Aussagen für falsch hält, schadet das der Verknüpfung nicht, sondern nur dem, der sich geirrt hat. Wenn du das bedenkst, wirst du nachsichtig gegenüber dem, der dich beschimpft. Sag dir nämlich immer: «Es schien ihm eben richtig so.»



JEDES DING HAT ZWEI HENKEL (43)

Jedes Ding hat zwei Henkel. An dem einen kann man es anfassen, an dem anderen nicht. Wenn dir dein Bruder unrecht tut, dann packe ihn nicht bei seinem Unrecht - denn an diesem Henkel läßt er sich nicht anfassen -, sondern lieber an dem anderen Henkel, der besagt, dag er dein Bruder ist und mit dir aufwuchs; dann wirst du ihn dort packen, wo er sich fassen läßt.



UNVEREINBARE AUSSAGEN (44)

Folgende Aussagen sind unvereinbar: «Ich bin reicher als du - also bin ich dir überlegen. Ich kann besser reden als du - also bin ich dir überlegen.» Folgende Aussagen passen besser zusammen: «ich bin reicher als du - also ist mein Besitz größer als dein Besitz. Ich kann besser reden als du also bin ich ein besserer Redner als du.» Du selbst bist doch weder dein Besitz noch deine Redekunst.



NICHT ZU VOREILIG URTEILEN (45)

Jemand wäscht sich eilig. Sag nicht: er wäscht sich schlecht, sondern: er wäscht sich eilig. Jemand trinkt viel Wein. Sag nicht: das ist schlecht, sondern: er trinkt viel. Denn bevor du dir deine Meinung bilden kannst - woher weißt du denn, ob er schlecht handelt? So wird es dir nicht passieren, daß du von einigen Dingen eine richtige Vorstellung gewinnst, anderen aber unüberlegt deine Zustimmung gibst.



NICHT REDEN, HANDELN (46)

Nenn dich niemals einen Philosophen und sprich mit den Leuten auch möglichst nicht über philosophische Überzeugungen, sondern handle danach. Ebenso sag während eines Gastmahls nicht, wie man essen muß, sondern iß, wie es sich gehört. Denn erinnere dich, daß Sokrates so vollständig auf äußere Selbstdarstellung verzichtete, daß die Leute zu ihm kamen und ihn baten, sie mit Philosophen bekannt zu machen, und er sie weiterempfahl. So leicht fiel es ihm, übersehen zu werden. Und wenn unter gewöhnlichen Leuten die Sprache auf irgendein philosophisches Thema kommt, schweige, so gut es geht. Denn die Gefahr ist groß, daß du gleich wieder etwas hervorbringst, was du noch nicht verdaut hast. Und wenn jemand zu dir sagt, daß du nichts weißt, und du dich dadurch nicht verletzt fühlst, dann wisse, daß du einen Anfang gemacht hast. Denn auch die Schafe bringen ihr Futter nicht zu ihrem Hirten, um ihnen zu zeigen, wieviel sie gefressen haben; sie verdauen vielmehr ihre Nahrung und liefern dann Wolle und Milch. So bring auch du keine philosophischen Oberzeugungen unter die Leute, sondern zeig Taten, nachdem du die Lehren der Philosophen verarbeitet hast.



NICHT PRAHLEN (47)

Wenn du deinen Körper an ein einfaches Leben gewöhnt hast, dann prahle nicht damit. Und wenn du nur Wasser trinkst, dann sage nicht bei jeder Gelegenheit, daß du nur Wasser trinkst. Wenn du dich im Ertragen von Strapazen üben willst, dann tue das für dich und nicht vor anderen. Umarme nicht die kalten Standbilder in aller Öffentlichkeit, sondern wenn du einmal furchtbaren Durst hast, nimm einen Schluck kaltes Wasser, spuck es wieder aus und erzähle das niemandem.



WER AUF DEM RICHTIGEN WEG IST (48)

Zustand und Charakter eines Durchschnittsmenschen: Niemals erwartet er Nutzen oder Schaden von sich selbst, sondern nur von den äußeren Umständen. Zustand und Charakter eines Philosophen: er erwartet allen Nutzen und allen Schaden von sich selbst.

Kennzeichen eines Menschen, der auf dem richtigen Weg ist: er rügt niemanden, lobt niemanden, tadelt niemanden, macht niemandem Vorwürfe, spricht nicht von sich selbst, als ob er etwas sei oder etwas wüßte. Wenn er durch irgend etwas behindert oder gestört wird, macht er sich selbst Vorwürfe. Und wenn ihn jemand lobt, lacht er im Stillen über den, der ihn lobt. Und wenn ihn jemand tadelt, verteichgt er sich nicht. Er bewegt sich wie ein Kranker und paßt auf, daß er nicht etwas bewegt, was noch nicht richtig in Ordnung ist.

Jedes Verlangen hat er verdrängt. Seine Ablehnung gilt allein den widernatürlichen Dingen, die in unserer Macht stehen. Allem gegenüber übt er größte Zurückhaltung. Es macht ihm nichts aus, wenn er als einfältig oder töricht gilt. Mit einem Wort: Wie einen Feind, der ihm ständig auflauert, beobachtet er sich selbst voll Argwohn.



THEORIE UND PRAXIS (49)

Wenn jemand stolz darauf ist, daß er die Schriften des Chrysipp versteht und erklären kann, dann sprich zu dir selbst: «Wenn Chrysipp nicht schwer verständlich geschrieben hätte, dann hätte ich nichts, worauf ich stolz sein könnte. » Was aber will ich? Ich will die Vernunftnatur erkennen und ihr folgen. Ich frage daher, wer sie mir erklärt; und da ich gehört habe, daß Chrysipp es tut, wende ich mich an ihn. Aber ich verstehe seine Schriften nicht. Also suche ich jemanden, der sie mir erklärt. Bis jetzt besteht noch kein Grund, stolz zu sein. Wenn ich aber einen gefunden habe, der sie mir erklärt, dann bleibt nur noch die Aufgabe, die Lehren auch anzuwenden. Nur darauf kann man stolz sein. Wenn ich aber nur die Auslegung bewunderte, dann wäre ich höchstens ein Philologe, aber kein Philosoph. Der Unterschied wäre nur, daß ich statt Homer Chrysipp interpretierte. Daher erröte ich noch mehr, sobald jemand zu mir sagt: «Lies mir aus Chrysipp vor», wenn ich nicht in der Lage bin, die Taten aufzuweisen, die den Worten entsprechen.



VORSÄTZEN TREU BLEIBEN (50)

Bleibe deinen Vorsätzen wie gewöhnlichen Gesetzen treu in der Oberzeugung, daß du eine gottlose Tat begehst, wenn du sie mißachtest. Was man auch über dich sagt - kümmere dich nicht darum; denn das ist nicht mehr deine Sache.



WIE LANGE WARTEST DU NOCH? (51)

Wie lange willst du noch damit warten, dich zu dem höchsten moralischen Ziel zu bekennen und auf keinen Fall gegen die Vernunft zu handeln, die die richtige Unterscheidung ermöglicht? Du hast die philosophischen Lehren empfangen, die du anerkennen mußt, und du hast sie anerkannt. Auf welchen Lehrer wartest du jetzt noch, um ihm die Aufgabe anzuvertrauen, deine moralische Besserung herbeizuführen? Du bist kein Kind mehr, sondern ein erwachsener Mann. Wenn du jetzt nachlässig und leichtsinnig bist, immer nur einen Vorsatz nach dem anderen faßt und es von einem Tag auf den anderen schiebst, an dir arbeiten zu wollen, dann wirst du, ohne es zu merken, keine Fortschritte machen, sondern als Durchschnittsmensch weiter dahinleben, bis du stirbst. Entschließe dich endlich, wie ein erwachsener Mann zu leben, der auf seinem Weg vorankommt; und alles, was dir als das Beste erscheint, sei dir ein unverbrüchliches Gesetz. Auch wenn dir etwas Beschwerliches oder Angenehmes, Ruhmvolles oder Ruhmloses begegnet, denke daran, daß es jetzt zu kämpfen gilt und daß die olympischen Spiele angefangen haben und es nicht mehr möglich ist, etwas aufzuschieben, und daß es von einem einzigen Tag und einer einzigen Tat abhängt, ob der Fortschritt bestehen bleibt oder zusammenbricht.

Auf diese Weise wurde Sokrates so, wie er war, indem er bei allem, womit er zu tun hatte, auf nichts anderes achtete als auf die Vernunft. Du aber, auch wenn du noch kein Sokrates bist, solltest so leben, als ob du einer sein wolltest.



AUF DIE PRAXIS KOMMT ES AN (52)

Der erste und notwendigste Bereich der Philosophie umfaßt die Anwendung ihrer Lehren, wie zum Beispiel nicht zu lügen. Der zweite handelt von den Beweisen: Hier geht es zum Beispiel um die Frage, aus welchem Grund man nicht lügen darf. Der dritte bezieht sich auf die Begründung und Gliederung dieser Beweise; dabei wird zum Beispiel gefragt: Wie kommt es, daß dies ein Beweis ist? Wodurch ist es denn ein Beweis? Was ist eine logische Folgerung? Was ist ein Widerspruch? Was ist wahr? Was ist falsch? Der dritte Bereich ist notwendig wegen des zweiten und der zweite wegen des ersten. Der wichtigste, mit dem man sich vor allem befassen soll, ist der erste. Wir machen es aber genau umgekehrt. Denn wir verbringen unsere Zeit mit dem dritten Bereich, und ihm gilt unser ganzer Eifer. Den ersten aber vernachlässigen wir völlig. Deshalb lügen wir. Wie man aber beweist, daß man nicht lügen darf, ist uns vertraut.



SICH DEM SCHICKSAL FÜGEN (53)

Bei jeder Gelegenheit müssen wir uns folgendes vergegenwärtigen: «Ach, Zeus, und du, mein Schicksal, führt mich an den Platz, der mir einst von euch bestimmt wurde. ich werde folgen ohne Zögern. Wenn ich aber nicht wollte, wäre ich ein feiger Schwächling und müßte euch trotzdem folgen. » - «Wer sich dem unausweichlichen Schicksal auf rechte Weise fügt, gilt bei uns als weise und kennt das Göttliche" . » - «Nun, mein Kriton, wenn es den Göttern recht ist, soll es so geschehen". » «Anytos und Meletos können mich zwar töten, aber schaden können sie mir nicht. »
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Epikur - Biographie

Die dritte bedeutende hellenistische Schule der Philosophie wurde von Epikur



von Samos gegründet.

Epikur wurde um 342 v. Chr auf der Insel Samos geboren. Als Schüler lernte er die Lehren von Demokrit und Aristoteles kennen. 310 v.Chr begann Epikur in Mytelene auf Lesbos zu lehren.

Danach verschlug es ihn nach Lampsakos am Heelespont. 306 v.Chr ließ er sich schließlich in Athen nieder, wo er ein Haus erwarb und seine "Schule des Gartens" gründete.

Er lebte bescheiden und philosophierte im engen Freundeskreis. Von seinen Schülern wurde Epikur wegen seiner Güte und Weisheit wie ein Gott verehrt. Er starb nach langem schmerzvollem Leiden um 271 v.Chr in Athen.

Vierzig Jahre lang blieb Epikur der geistige Mittelpunkt des "Gartens", dem auch Frauen angehörten.

Die Schule musste schwer um ihre äussere Existenz ringen, eine ärmliche Gesellschaft ist's immer geblieben und zu einem Epikureertum im Sinne eines üppigen und schwelgerischen Lebens, wie man sich dieses Philosophenleben auch heute noch vielfach deutet, haben die Mittel nie gereicht. Wie berichtet wird, hat der "Garten" auf's wohlfeilste und einfachste gelebt; sie waren mit einem kleinen Becher Wein, ja mit Wasser und Brot zufrieden und dabei vergnügt, und aus einem Briefe Epikurs ist die Stelle erhalten: "Schicke mir etwas Käse, damit ich einmal lecker essen kann, wenn mich die Lust dazu ankommt."


www.humanist.de/wissenschaft/philosophie/epikur.htm#2
home.datacomm.ch/mik/ba/e/epikur/
 
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