Ist Östrogen immer entzündungsfördernd?

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[ Anmerkung der Moderation: Thema wurde aus dem Thread Was könnte die Ursache von fünf Stürzen aus heiterem Himmel innerhalb von 25 Monaten sein? ausgelagert. ]


Estrogen ist entzündungsfördernd.
Leider ist es nicht so einfach. Östrogen ist sowohl entzündungsfördernd als auch entzündungshemmend, je nach Gesamtlage.

Vgl. https://academic.oup.com/edrv/article/28/5/521/2355015?login=false
Zusammenfassung:
Es gibt immer noch ein ungelöstes Paradoxon in Bezug auf die immunmodulatorische Rolle von Östrogenen. Auf der einen Seite erkennen wir die Hemmung der Knochenresorption und die Unterdrückung von Entzündungen in mehreren Tiermodellen für chronische Entzündungskrankheiten. Andererseits erkennen wir die immununterstützende Rolle von Östrogenen bei Trauma/Sepsis und die entzündungsfördernde Wirkung bei einigen chronischen Autoimmunkrankheiten beim Menschen. In dieser Übersicht werden mögliche Ursachen für dieses Paradoxon untersucht.
In dieser Übersichtsarbeit wird dargelegt, wie die Wirkungen von Östrogenen von folgenden Kriterien abhängig sind: 1) dem Immunstimulus (fremde Antigene oder Autoantigene) und den nachfolgenden antigenspezifischen Immunantworten (z.B., Hemmung der T-Zellen durch Östrogene vs. Aktivierung von B-Zellen); 2) die Zelltypen, die in den verschiedenen Phasen der Krankheit beteiligt sind; 3) das Zielorgan mit seiner spezifischen Mikroumgebung; 4) der Zeitpunkt der Verabreichung von 17β-Östradiol in Bezug auf den Krankheitsverlauf (und den reproduktiven Status einer Frau); 5) die Östrogenkonzentration; 6) die Variabilität in der Expression von Östrogenrezeptor α und β in Abhängigkeit von der Mikroumgebung und dem Zelltyp; und 7) der intrazelluläre Metabolismus von Östrogenen, der zu wichtigen biologisch aktiven Metaboliten mit recht unterschiedlicher anti- und proinflammatorischer Funktion führt. Erwähnt werden auch systemische Supersysteme wie die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse, das sensorische Nervensystem und das sympathische Nervensystem und wie sie von Östrogenen beeinflusst werden.
Diese Übersichtsarbeit untermauert das Konzept, dass Östrogene je nach den oben genannten Kriterien eine entzündungshemmende, aber auch eine entzündungsfördernde Funktion haben. Es wird auch erklärt, dass ein einheitliches Konzept für die Wirkung von Östrogenen nicht für alle entzündlichen Erkrankungen gefunden werden kann, da die Reaktionen des Immun- und Reparatursystems sehr unterschiedlich sind.
 
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Hallo Widderchen.

Bei den Kohlenhydraten wollte ich dich nicht missverstehen. Ich habe es so gelesen, dass du sehr wenige KH isst seitdem du es vor dreißig Jahren geschafft hattest abzunehmen. Dass du also mit mehr KH Gewicht zunehmen würdest. Dass du die KH also direkt als Fettzellen ins Gewebe schaufelst, du die KH also nicht gut als Glukose sondern als Fettsäuren verwertest.
Weiß nicht, wie ich beim Schreiben fälschlicherweise auf Schwindel kam. So verstehe ich deine Beschreibung: Einfach ohne Schmerzen o.ä. plötzlich keine Kraft und keine Muskelspannung mehr in den Beinen; eine unwillkürliche Muskelerschlaffung oder schlaffe Lähmung. Als ginge plötzlich kein neurologisches Signal mehr an die Muskulatur.
So Ähnliches kenne ich von neurologischen Entzündungen und als z.B. vorübergehende diffuse Erscheinung bei Fieber. Ich vermute, das geht von irgendwelchen Ganglien in Rückenmarksnähe oder sonst dann zentral vom Gehirn aus. Aus Funktionsbereichen, die keine Neurologie therapeutisch beeinflussen will oder mit Absicht beeinflussen kann (als Nebenwirkungen aber denkbar).

Wäre der Blutfluss plötzlich unterdrückt müsste die Beinmuskulator dagegen schmerzen und krampfen, oder?​

Bin gespannt auf die Erkenntnisse bei deinem anstehenden Termin bei einer Osteologin und Hormonspezialistin.
Ah, die Lithium-Wechselwirkungen. Das ist für dich vermutlich die mitbestimmende Hauptfrage bei allen Medikamenten und Vorschlägen. Gut, dass du da dein Augenmerk drauf hast!

Ganzer folgender Beitrag OT über Estrogen und @Malvegil:

Danke, Malvegil. Sehr wichtig zu beachten ist hierbei aber die Koabhängigkeit der Estrogen-Konzentrationen zu ausgleichenden (oder eben total aus dem Verhältnis stehenden) Progesteron-Konzentrationen. Nebst dem o.g. Vitamin E. Und den separaten Xenoestrogenen aus der Ernährung. Der Autor geht in diesem Artikel sehr speziell diversen Rezeptorwegen nach mit dem ihm Bekannten sowie Fragen, Hypothesen und Überlegungen.
Zwar ist die zitierte Arbeit sicherlich eine Fleißarbeit. Aber nach über 70 Jahren Estrogenforschungen kann man "genaues weiß man nicht" nicht als Gesamtschau bisheriger Erkenntnisse akzeptieren.
Das ist nicht nur meine Kritik an der Aussagekraft dieser Arbeit, sondern vom Autor aufrichtig selbst als Beschränkung eingeräumt:
Because the author has been confronted by an enormous quantity of literature (approximately 5200 references in the primary retrieval), this review only focuses on estrogens. It is evident that androgens and progesterone are important in inflammation, but presentation of these subjects was not possible due to space constraints.
Da der Autor mit einer enormen Menge an Literatur konfrontiert wurde (ungefähr 5200 Referenzen in der Primärrecherche), konzentriert sich diese Rezension nur auf Östrogene. Es ist offensichtlich, dass Androgene und Progesteron bei Entzündungen wichtig sind, eine Präsentation dieser Probanden war jedoch aus Platzgründen nicht möglich.
Gerne würde ich selbst alles darüber verstehen. Leider darf sich dazu keine Institution als ehrlicher Behüterin und Bewahrerin aller Erkenntnisse verschreiben, denn v.A. mit den Xenoestrogenen steht zuviel auf dem Spiel. Was man in vielen zeitgenössischen Publikationen zu Themen mit weitreichender, grundsätzlicher Bedeutung wie diesem beobachten kann ist Vernebelung und Bestätigung vollkommener Ungewissheit. Als finge jedes Autorenteam wieder bei Null an oder übernehme nur Vorwissen aus den letzten Jahren oder gleichartigen Vor-Publikationen. Das stößt auf, wenn man über konkrete Einzelpunkte stolpert die parallel heute oder seit Jahrzehnten von eifrigen Wissenschaftlern eindeutig erwiesen wurden aber durch unzählig wiedergekauten "Müll" begraben werden. Das ist oft nicht anders wie bei den Webtextern und Buchautoren die das mit dem superhohen Eisengehalt in Spinat verbreiteten.

In seinem Absatz 13, "XIII. Östrogene und systemische Reaktionssysteme" beschreibt dieser Autor zusammenfassend eine grundsätzliche pro-inflammatorische und schmerzverstärkende Wirkung auf die Nervensysteme durch Estrogene:
D. Summary
Estrogens influence systemic response systems by reducing the cytokine-stimulated ACTH and cortisol release, by increasing substance P signaling and sensitization to painful stimuli (increase of neurogenic inflammation), and by increasing signaling through proinflammatory α-adrenergic pathways (Fig. 4). These estrogen effects can partly explain the sexual dimorphism in chronic inflammatory diseases.
D. Zusammenfassung
Östrogene beeinflussen systemische Reaktionssysteme, indem sie die durch Zytokine stimulierte ACTH- und Cortisolfreisetzung reduzieren, die Signalübertragung von Substanz P und die Sensibilisierung gegenüber schmerzhaften Reizen erhöhen (Zunahme neurogener Entzündungen) und indem sie die Signalübertragung über proinflammatorische α-adrenerge Wege verstärken (Abb. 4). Diese Östrogeneffekte können teilweise den Sexualdimorphismus bei chronisch entzündlichen Erkrankungen erklären.

Estrogen ist entzündungsfördernd.
Das möchte ich umformulieren und in Zusammenhang stellen:
Xenoestrogene sind wahrscheinlich generell entzündungsfördernd. Körpereigenes Estrogen wahrscheinlich ebenfalls überwiegend entzündungsfördernd wenn es allgemein zu hoch ist oder das Verhältnis zu Progesteron bei Frauen bzw. zu Testosteron bei Männern zu stark verschoben ist. Bei beiden Geschlechtern nimmt es selbstverständlich unverzichtbare Körperfunktionen ein, sodass zu niedrige Konzentrationen stets die Gesundheit beeinträchtigen.
Den Satz habe ich dahingehend abgeändert in meinem Vorbeitrag.

Peace.​
 
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Zu den "Utrogest Kapseln" mit ölig gelöstem Progesteron, 100mg oder 200mg:
Man kann auch die Kapseln aufstechen und den Inhalt auf die Haut auftragen. So mache ich das seit Jahren, und mein Progesteronwert paßt damit laut jährlichem Hormontest.
Hallo Malvegil, und andere Verwender,
wie dosierst du die aufgestochenen Utrogest-Kapseln?
Verwendest du einfach die gesamte 100 oder gar 200mg Menge auf der Haut?
Oder Pi-mal-Daumen ca. die Hälfte? Jeweils grob einen herausgedrückten Tropfen?
Oder ziehst du den Kapselinhalt in eine Pipette oder 1ml, feinskalierte Einwegspritze ab, um daraus deine tägliche Dosiermenge zu ziehen und die übrige Menge über mehrere Tage aufzubewahren?

Bei transdermaler Aufnahme, heißt es, sei die systemische Absorption ca. 7-10fach höher als bei oral eingenommenen Kapseln. Abhängig (auch im Tempo) von der jeweiligen Körperregion. Wegen Umgehung des primären Leberstoffwechsels.


Peace.​
 
Ich nehme eine Kapsel Progestan (dürfte identisch zu Utrogest sein) mit 100mg am Abend.

Das mit der 7-10fachen Absorption ist mir neu. Aber wie schon gesagt, das Progesteronlevel ist so, wie gewünscht (lag zuletzt bei 2.8 ng/ml). Wenn ich die Dosis reduziere, bricht mein TSH nach oben aus.

In der Fachliteratur wird offenbar davon ausgegangen, daß die orale und die vaginale Applikation eine sehr ähnliche Aufnahmerate haben. Vaginale Applikation ist aber auch transdermal.

In an RCT that included 100 women for a duration of 12 months, all women received transdermal estradiol in a dose of 50 μg patches and were randomized into four groups that assessed sequential intake of micronized progesterone from days 14–25 of a 28 days cycle. Two groups received oral micronized progesterone (in doses of 100 and 200 mg) and two groups received vaginal micronized progesterone (in similar doses of 100 and 200 mg). No significant differences were noted in endometrial thickness between the groups.
The authors [von einer anderen Studie] concluded that 10 days of vaginal progesterone 45 mg/day is insufficient to completely oppose the effect of oral estradiol 1 mg/day on the endometrium.
Based on current evidence if progesterone was considered for vaginal administration (out of license use) in women who experience side effects with oral intake, this should ordinarily be given in similar doses and durations as suggested for oral progesterone intake with HRT.
Quelle: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/20533691211058030
 
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Danke.
Ob das an der schon in Öl "mikronisierten' Darreichungsform in Progestan/Utrogest begründet liegt?
Höhere transdermale Absorption als intravaginal ist eher nicht möglich. Das steht erheblich über Armen, Bauch usf.

Wahrscheinlich gilt die Info mit der viel geringeren oralen Absorption dann nur für trockene Pulver. Das ist gut zu wissen.

Peace.
 
Wuhu,
vaginal ist Aufnahme von Hormonen (nicht nur Progesteron) angeblich wg Schleimhaut besser, soll skrotal aber angeblich auch besser klappen also sonstige Hautareale (hab ich nur mal so von Leuten, die das praktizieren / müssen, aber auch regelmäßig Blutwerte machen, aufgeschnappt - wobei anal auch noch eine Möglichkeit wäre, für wens halt "passt");

Alternative ist da nur noch sublingual (ist ja auch Mund-Schleimhaut), wo man die Haut mit den Tabletten oder Pulver (ev auch das Öl-Gemisch) lange benetzen muss;

Ich nehme - wie Mg - den Inhalt der Progesteronkapseln allerdings auf normale Hautareale (zB Innenseite Unterarme), was auch gut klappt, es gibt da eben nicht so einen "Peak" wie @ sublingual oder vaginal/skrotal/anal...
 
auf normale Hautareale (zB Innenseite Unterarme), was auch gut klappt, es gibt da eben nicht so einen "Peak"
Dazu kommt mir auch etwas mal Gelesenes ins Bewusstsein, dass die Aufnahme über solche Hautareale (sofern nicht wegen abgerieben/abgewaschen) für viele Wirkstoffe oder auch einfache Fette garnicht insgesamt schlechter sei, sondern eben bis zu zwei Tage dauere. Ad-hoc weiß ich nicht, über welche Messzeiträume die AUCs bei verschiedenen Absorptionsstudien verschiedener Hautareale konkret gefasst wurden.

Danke für eure beiden Erfahrungsberichte!
 
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Striche mit Querbalken am Ende bedeuten immer eine Hemmung. Normale Pfeile eine Anregung.
 
  • Östradiol erhöht die Freisetzung von Serotonin und Histamin aus Mastzellen. Tamofixen [ein reversibler Estrogen-Rezeptor-Antagonist (m.W.n. höchst ungesund)] hemmt.
Int Arch Allergy Immunol. 1992;98(4):398-409, doi: 10.1159/000236217.
Estradiol augments while tamoxifen inhibits rat mast cell secretion
H Vliagoftis 1 , V Dimitriadou, W Boucher, J J Rozniecki, I Correia, S Raam, T C Theoharides
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/1384869/
  • Höhere Östrogenspiegel verursachen eine erhöhte Histaminfreisetzung durch Allergene.
C R Seances Soc Biol Fil. 1981;175(2):247-52.
[Influence of estrogens on histamines liberation by whole blood induced by allergens in vitro]
C Terral, P Godard, F B Michel, J Macabies
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/6166357/
 
... dass es sich dabei nicht um eine Ansteckung, sondern um eine endogene Infektion handelt, die meist mit Candida-Hefen aus dem eigenen Intestinaltrakt erfolgt. Sie flammt dann auf, wenn das Immunsystem oder auch die Vaginalflora gestört ist – beispielsweise eben nach der Einnahme eines Antibiotikums. Auch Diabetes mellitus begünstigt eine VVC *. Viele Kundinnen wundern sich auch, warum sie häufig kurz vor ihrer Menstruation an einer Pilzerkrankung leiden. Sie sind dankbar, wenn sie die Zusammenhänge mit den hormonellen Faktoren erklärt bekommen, nämlich dass unter Östrogeneinfluss im Vaginalepithel gespeichertes Glykogen den Pilzen als Nahrung dient. ...

* Vulvovaginalcandidosen = VVC

Grüsse,
Oregano
 
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