Phagentherapie

Kategorien: Behandlungsmethoden, Heilverfahren

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Immer mehr Bakterienstämme werden gegen Antibiotika resistent. Eine ernsthafte Infektion kann dann mit gängigen Antibiotika nicht mehr zu behandeln werden. Einen Ausweg brachte zunächst die Anwendung von Reserveantibiotika. Das sind antibiotische Wirkstoffe, die aus den verschiedensten Gründen nur wenig Verwendung – sei es wegen unerwünschten Nebenwirkungen, hohen Herstellungskosten, kurzer Haltbarkeit usw.- fanden. Da es bereits viele multiresistente Keime gibt, ist auch diese Waffe inzwischen stumpf geworden. Fachleute sprechen inzwischen davon, dass das Zeitalter der Antibiotika, welche Millionen von Patienten das Leben gerettet haben seinem Ende entgegen geht. Schuld an dieser unerfreulichen Entwicklung haben wir selbst. Der Patient setzt das Mittel durch eigenen Entschluss zu früh ab, Ärzte verschreiben es viel zu oft ohne dringende Notwendigkeit und oft ohne zu wissen, ob es sich überhaupt um eine bakterielle Infektion handelt und Tierzüchter verfüttern antibiotische Wirkstoffe um ein hohes Schlachtgewicht in kürzerer Zeit zu erlangen.

Diese Fakten lassen vermuten, dass die Menschheit in Zustände vor dem 2. Weltkrieg zurück fällt, wo man an anfänglich kleinsten Infektionen sterben konnte.

Ganz so dramatisch wird vermutlich unsere Zukunft nicht ablaufen, denn vor etwa 100 Jahren entwickelte der Kanadier Fèlix d’Herelle und Frederick Twort (1915/17) am Pasteur Institut Paris sowie der Georgier Georgi Eliava, der 1923 das Eliava-Institut fur Phagenforschung gründete ein Verfahren, welches heute unter dem Namen Phagentherapie bekannt ist. Der Name der Viren «Bakteriophagen» heißt übersetzt „Bakterienfresser“.

Geschichte

Auch nach der Entdeckung und Entwicklung von Antibiotika verfolgte man in Georgien unter Stalin diesen Weg weiter, weil man für die Einfuhr von Antibiotika keine Devisen zur Verfügung hatte. Später aus ähnlichen Gründen auch in Prag und Wraclaw (Breslau). Bis heute besitzt das Eliava Institut Tiflis die umfangreichste Sammlung medizinisch verwendbarer Phagen und wendet sie sehr erfolgreich an. Wie Mzia Kutateladze vom Beirat des Institutes mitteilte, reisen zunehmend Patienten mit chronischen, antibiotika-resistenten Infektionen aus der EU an um sich dort erfolgreich behandeln zu lassen.

Warum erst jetzt?

Während des Kalten Krieges verhinderten Barrieren den Austausch wissenschaftlicher Ergebnisse. Da man mit der Phagentherapie schon im 2. Weltkrieg verwundete russische Soldaten genau so gut wie die US-Amerikaner ihre verwundeten Soldaten mit Antibiotika behandeln konnte, kann man verstehen, dass diese Geheimwaffe möglichst nicht die Landesgrenzen überschreiten sollte obwohl sich zwischen 1920 und 30 auch einige deutsche Wissenschaftler damit beschäftigen.

Die Phagentherapie ist bei uns (D) als Behandlungsmethode nicht anerkannt, weil sie bisher als Erfahrungsmedizin galt und keine evidenzbasierten, klinischen Studien vorliegen, jedoch auch nicht verboten. Die Pharma scheint bisher auch kein großes Interesse zu entwickeln. Möglich, dass man Phagen nicht patentieren kann, die Gewinne zweifelhaft bleiben oder – überheblich wie wir manchmal sind – man den Leuten dort am Kaukasus nicht recht traut, dass sie uns aus wissenschaftlicher Sicht überlegen sind…welch Irrtum!

Inzwischen scheint sich diese Sichtweise durch die Unbeherrschbarkeit multiresistenter Bakterienstämme zu wandeln. Erstmals hat das Leibnitz-Institut DSMZ von der EU für eine klinische Studie von Therapiephagen 3,8 Millionen € erhalten. Damit soll ganz besonders eine Phagentherapie für Verbrennungsopfer (*2) entwickelt werden, da diese durch die großflächigen Wunden besonders gefährdet sind.

Wirkungsweise

Bakteriophagen sind Viren, die gezielt bestimmte Bakterien wie E. coli, Salmonellen, Stapylokokken, Diphtherie usw. angreifen un indem sie sich in diesen vervielfältigen letztlich vernichten. Es gibt natürlich auch Phagen, welche für uns nützliche wie Milchsäurebakterien vernichten und damit als Lebensmittelverderber die Käseherstellung verhindern. Ihre Reproduktionsdauer liegt je nach Art zwischen 20 und 60 Minuten, die Vermehrungsrate schwankt zwischen 20 bis einigen 100 Stück (*1). Mit anderen Worten…Es ist eine tödlich verlaufende Erkrankung einer bestimmten Bakterienart, egal ob sie antibiotikaresistent sind oder nicht. Phagen sind sehr speziell und deshalb auch so interessant. Im Gegensatz zu Antibiotika greifen sie nicht unterschiedliche Arten und Gattungen unserer Flora an, die Nebenwirkungen sind deshalb verschwindend gering, wenn sicher gestellt ist dass sie keine Gifte produzieren oder sich solche sich beim Zerfall der Keime bilden und sie sich nicht in das Erbgut unserer Bakterienstämme einbauen können.

Ein weiterer Vorteil der Phagentherapie ist die Tatsache, dass auch für Antibiotika schwer zugängliche Bereiche wie Biofilme oder Gelenke wirksam erreichen können. Dazu kommt offensichtlich noch eine weitere positive Eigenschaft: verschwindet der Krankheitskeim, verhungern sie auch. Die Zahl der im Körper befindlichen Phagen ist demnach von der Stärke der Infektion abhängig. Sie dosieren sich selbst. Streng genommen kann man die Phagentherapie in ihrer Wirkungsweise den Verfahren der biologischen Schädlingsbekämpfung zurechnen. Diese Eigenschaften offenbaren natürlich auch einen Nachteil. Kennt man den Erreger nicht genau und eilt eine Anwendung muss man Mischungen verschiedener Phagen verwenden in der Hoffnung, das die passende Phage dabei ist. Wenn es die Zeit erlaubt wird eine Probe am Infektionsherd entnommen und aus dieser dann eine wirksame Phage gezüchtet. Meist kann man diese, speziell auf die Erkrankung des Patienten nur ein mal verwenden, denn wenn nur wenige Erreger dies überleben wären ihre Nachkommen gegen diese Phage resistent. Ein weiterer Nachteil ist, dass die so gewonnenen Phagen einer lückenlosen Kühlkette bedürfen, was deren Anwendung in der Praxis einschränkt.

Vorkommen

Mit jedem Atemzug, jeder Berührung und jedem Schluck nehmen wir Bakteriophagen auf. Während man die Menge der Lebensformen auf 1,8 Millionen verschiedene Spezies schätzt, geht man von etwa 10 hoch 30 verschiedene Phagen auf der Erde aus. Sie sind also kein ungewöhnlicher „Fremdkörper“ und gehören deshalb schon immer zum Ökosystem Mensch, welches erstaunliche 90% aus fremden Organismen und Viren und nur aus 10% eigener Zellen besteht. (Wiki Mikroben) Die menschlichen Zellen sind lediglich wesentlich größer wenn man von einigen Parasiten absieht.

Quellen

Wiki

Forum

Web

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