Guten Tag, Miglena,
vor einer Weile hatte ich, zur Beantwortung der Frage dieses Threads, auf die Gründer zweier Weltreligionen hingewiesen. Die hatten noch viel mehr getan, als diese Frage zu beantworten; sie hatten einen Weg in die Freiheit gewiesen. Keine "Spiritualität" (sondern konkretes Tun), keine "Metaphysik" (sondern Demut angesichts unseres Nichtwissens.)
Du hast Dich, bewußt, wie ich vermute, entschieden, dies - schweigend - beiseitezuschieben. (Eine Alternative hätte sein können: darüber zu sprechen.) Stattdessen kommt:
"Wer das Ganze besser begreifen will, sollte Schopenhauer lesen."
Tja, "das Ganze". Damit haben's die Philosophen. Jesus und der Buddha heben die Kleindetails gelehrt: Verkauft eure Reichtümer und spendet den Erlös. Nennt euere Gedanken - jeden! - schlicht "Denken". Nicht wirklich brillant, zugegeben.
Glaubst Du, Schopenhauer habe irgendjemandem den Weg zur Befreiung gewiesen? (Seine Bücher toll zu finden, das meine ich nicht.)
"Das ganze Universum ist ein ständiger Wechsel zwischen Werden und Vergehen, Aufbau und Zerstörung, Glück und Leid. Und der sog. '(Ur-)Wille zum Leben'" . . .
Tja, das ist nun wirklich "Metaphysik". So sieht die in der Tat aus. Man behauptet einfach - nach eigenem Belieben - irgendwas stehe "hinter" den Menschen, Dingen, Geschehnissen. Einfach, im Grund. (Nebenbei: Du weißt, daß Dein Philosoph die Essenz dieses Willens im Geschlechtstrieb sieht? Explizit.) Frage: wem, denkst Du, hilft dieser Glaube? in welchen Situationen? auf welche Weise? Welchen (konkreten) Weg weist er? Oder wie sonst hilft, ermutigt er? Beispielsweise, wenn ich Unrecht begangen habe? wenn ich Todesangst erlebe? wenn ich Liebe nicht erwidern kann? Usw. U.A.w.g.
"Dieser Urwille "wird uns immer wieder neu entstehen lassen und erneut zerstören. Bis in alle Ewigkeit."
Steile Behauptungen, würde ich sagen. Über alle Urknälle hinweg. Sprache prostituiert sich. Sie hat sich von den Fakten emanzipiert. Tagträumerei kann zu Sucht werden. Auch für ganze Subkulturen. Sie lullt uns ein.
Jesus und der Buddha sind beim Naheliegenden geblieben. Beispielsweise bei dem Umstand, daß "Ewigkeiten" (incl. unserer Wiedergeburt - weil wir nämlich so irre wichtig sind) nicht das Thema sind. Sondern dies: daß keiner sicher sein kann, die nächste Stunde zu überleben. Das lullt nicht ein sondern macht wach. Ungemütlich wach. Antikuschelig. (Nebenbei, "Buddha" bedeutet der Erwachte.)
(Nebenbei: Schopenhauer und der "Buddhismus". Das ist eine Legende; er hatte davon keine Ahnung. Konnte er auch nicht. Er hat in den Upanishaden gelesen - was ganz anderes. Die Idee von schlichter Praxis - u.a. Meditationspraxis - lag ihm völlig fern.)
"Es gibt viele schlimme und grausame Dinge auf dieser Welt, auch die Natur und jedes Lebewesen können grausam sein. Dies kann man mit den Gesetzen der Natur (Physik, Biologie, Evolution u.s.w.) erklären."
So?
Warum das so ist, weiß ich nicht, aber es wird schon einen Sinn haben,
Na, dann können wir uns ja zurücklehnen. (Deine Formulierung klingt, als sei's im Grund egal. So hat Jesus uns nicht "getröstet")
". . . nicht für den einzelnen . . ."
wir sind aber Einzelne.
". . .aber für das Ganze, das Universum."
Was ist denn das nun wieder? Galaxien und Schwarze Löcher? Die Schmetterlinge und Bienen, die langsam ausgerottet werden? Menschen, die sich nicht wie Du reisende Lebenskünstler nennen mögen? Die sich z.B. fragen, "wie zu leben sei"?
"Wir können nur lernen, damit so gut wie möglich umzugehen und das Beste daraus zu machen."
Flapsig ist Deine Rede, meine Liebe. So haben unsere Lehrer nicht geredet. So redet keiner, der den Angesprochenen und sich selber ernst nimmt.
Schade, Miglena.
Herzlich
Windpferd
PS: Du hast verschwiegen, was Schopenhauer über "die" Frauen schrieb. Das hätte die User sicher entzückt. Ich mag jetzt die Stellen nicht heraussuchen; aus dem Gedächtnis: Sie seien keineswegs schön, vielmehr "das unästhetische Geschlecht". Ohne Sinn für Bildung, Künste u. dgl. Wenn sie sich sanft und verfeinert geben, so verbirgt das nur, daß sie im Grund nur sexuelle Interessen haben.
Vielleicht magst mal bedenken, was dies für Frauen bedeutete, die über Generationen hinweg um grundlegende Menschenrechte kämpfen mußten. Noch immer müssen. (Wobei für den schreibenden Philosophen "Mitleiden" der Zentralbegriff seiner Ethik war.)
Fakt ist, daß er sich durchaus verliebt hat, aber durchwegs in zu alte oder zu junge, die ihn abwiesen. Also kann man schon mal vermuten, daß er nicht fähig war, unerfüllte Liebe fruchtbar zu machen. Was ein Teil eines "Weges" wäre. "Metaphysik geht auch ohne." Weil die halt bloß aus Wörtern besteht.