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Studie: 75 % der untersuchten CFS-Kranken weisen genetische Defekte auf
Hallo alle zusammen,
ich habe im Literatur-Thread schon kurz Dr. Bieger aus einem Vortrag bei cfs-aktuell zur Neuroendokrinologie der Chronischen Fatigue (CFS) zitiert (https://www.cfs-aktuell.de/Bieger 09.pdf), in dem er schreibt, dass CFS zu 75 % genetisch bedingt ist. Er hat das dort nicht weiter ausgeführt, nun bin ich aber im Buch „Stress, Depressionen, CFS“ (Hg. Felicitas Reglin, 2009) auf ein Kapitel von Dr. Bieger gestoßen, in dem er die Hintergründe nennt.
Zunächst sei schon länger bekannt, dass es bei CFS-Betroffenen zu einer Häufung genetischer Auffälligkeiten bei Enzymen der Detoxifikationsprozesse kommt, die im Eliminationsprozess von Schadstoffen aktiv sind. (Z.B. Umweltmedizin.de [ Umweltmedizin->Zeitschriftenarchiv->Nr. 38 (1-2/01)->Originalia: Erhöhte genetische Suszeptibilität gegenüber Umweltgiften bei schadstoffbelasteten Patienten mit chronischem Erschöpfungssyndrom ]). Ebenso wurde bei CFS schon die Häufung von Polymorphismen proinflammatorischer Gene beschrieben (Carlo-Stella, 2006).
In letzter Zeit rücke die Genetik der Stresshormonachse und des autonomen Nervensystems bei CFS in den Vordergrund, wobei Cortisol und Serotonin ein besonderes Augenmerk gelte.
Von der CDC in den USA wurde ein besonders aufwendiges Programm zur Erforschung der Ursachen von CFS mit einem äußerst umfangreichen genetischen Screening initiiert (Vernon, 2006).
Im ersten Ansatz wurden 20.000 Gene von 172 Patienten untersucht. Charakteristische Unterschiede wurden bei 28 Genen gefunden, die alle in Stressantwort, Immunfunktion und Zellkommunikation involviert sind.
Die 28 auffälligen Gene bezogen sich fast ausschließlich auf die CRH-ACTH-Cortisol-Achse und auf das Serotonin. Zusätzlich zwei Enzyme aus dem neuroendokrinen Regelkreis, die die Monoamin-Neurotransmitter metabolisieren (MAO, COMT), und ein einziges proinflammatorisches Gen für Interleukin 6 (Smith, 2006).
In einem zweiten Ansatz wurden 50 Gene eingehender auf Genpolymorphismen geprüft und schlussendlich auf drei der untersuchten neuroregulatorischen Gene vier bzw. fünf Polymorphismen identifiziert, denen ca. 75 % prädikativer Wert für die Diagnose des CFS zukommen (Goertzel, 2006; Smith 2006).
Die Ergebnisse der Genuntersuchungen zeigen klar die wesentlichen disponierenden Faktoren für CFS:
- das Cortisol mit mehreren Varianten des nukleären Cortisol- (Glukocorticoid-)-Rezeptors
- CRH mit einer Genvariante des CRH-Rezeptors
- und Serotonin mit dem auch bei Depressionen besonders häufig vorkommenden Polymorphismus der Tryptophanhydroxylase (TphII).
Die Ergebnisse gelten als entscheidender Durchbruch in der Suche nach den eigentlichen Ursachen und als klare Bestätigung der organischen Genese des CFS, auch wenn damit noch nicht alle Fragen beantwortet seien (Kaiser, 2006).
Bieger schreibt weiter, dass Untersuchungen zur Genetik nur in schwierigen Fällen zu erwägen seien. Er nennt für die Bestimmung der einschlägigen, CFS-typischen Polymorphismen der Stresshormon- und Serotoninachse: Tph2, NR3C1, 5HTTP und CRH2.
Zusätzlich könne zur Unterscheidung von primären Depressionen der Depressions-spezifische Genpolymorphismus des Serotoninrezeptors der Klasse 5HTR2A herangezogen werden.
Sowie für die Bestimmung der Polymorphismen der inflammatorischen Gene: NF-kB, IL-6, TNF-alpha, evtl auch Cyclooxygenase 2.
Für weitere Recherchen stelle ich die Literaturangaben, die Bieger aufgelistet hat, ein:
Carol-Stella N, Bdulli C, DeSilvestri A, et al. A first study of cytokine genomic polymorphisms in CFS: positive association of TNF-857 and IFNgamma 874 rare alleles. Clin Exp Rheumatol 24: 179-82, 2006
Goertzel BN, Pannachin C, de Souza Coelhi L, et al: Combination of single nucleotide polymorphisms in neuroendocrine effector receptor genes predict chronic fatigue syndrome. Pharmacogenomics 7: 475-83, 2006
Kaiser J: Genes and chronic fatigue: how strong ist the evidence? Science 312:669-70, 2006
Smith AK, White PD, Aslakson E, et al. Polymorphisms in genes regulating HPA axis associated with empirically delineated classes of unexplained chronic fatigue. Pharmacogenomics 7:387-94, 2006
Vernon SD, Whistler T, Aslakson E, Rajeevan M, Reeves WC: Challenges for molecular profiling of chronic fatigue syndrome. Pharmacogenomics: 7:211-18, 2006
Wenn zu diesen 75 % genetisch bedingten Ursachen, die in der obigen Studie festgestellt worden sind, noch die Polymorphismen im Entgiftungssystem und die proinflammatorischen Gene dazukommen, sowie die epigenetischen Einflüsse und die prägend schädigenden Einflüsse aus der funktionellen Teratologie nach Dörner auf das NeuroEndokrinoImmun-System, die Dr. Müller in einem Fachartikel ausgeführt hat, dann sind – wer weiß – die 100 % vielleicht voll.
Der COMT-Defekt sowie die Ausführungen von Dr. Müller zu den epigenetischen Einflüssen und der funktionellen Teratologie nach Dörner sind im Thread „Literatur zu CFS…“ ab Seite 28 (ab Beitrag #275 ff) genauer beschrieben.
Bei der Epigenetik handelt es sich auch um eine Form von vererbten Störungen, bei der funktionellen Teratologie geht es um schädigende prä- oder frühpostnatale Einflüsse (also vor der Geburt oder in der frühen Phase nach der Geburt), die das NeuroEndokrinoImmun-System fürs ganze Leben dauerhaft störend prägen.
LG
Gini
Hallo alle zusammen,
ich habe im Literatur-Thread schon kurz Dr. Bieger aus einem Vortrag bei cfs-aktuell zur Neuroendokrinologie der Chronischen Fatigue (CFS) zitiert (https://www.cfs-aktuell.de/Bieger 09.pdf), in dem er schreibt, dass CFS zu 75 % genetisch bedingt ist. Er hat das dort nicht weiter ausgeführt, nun bin ich aber im Buch „Stress, Depressionen, CFS“ (Hg. Felicitas Reglin, 2009) auf ein Kapitel von Dr. Bieger gestoßen, in dem er die Hintergründe nennt.
Zunächst sei schon länger bekannt, dass es bei CFS-Betroffenen zu einer Häufung genetischer Auffälligkeiten bei Enzymen der Detoxifikationsprozesse kommt, die im Eliminationsprozess von Schadstoffen aktiv sind. (Z.B. Umweltmedizin.de [ Umweltmedizin->Zeitschriftenarchiv->Nr. 38 (1-2/01)->Originalia: Erhöhte genetische Suszeptibilität gegenüber Umweltgiften bei schadstoffbelasteten Patienten mit chronischem Erschöpfungssyndrom ]). Ebenso wurde bei CFS schon die Häufung von Polymorphismen proinflammatorischer Gene beschrieben (Carlo-Stella, 2006).
In letzter Zeit rücke die Genetik der Stresshormonachse und des autonomen Nervensystems bei CFS in den Vordergrund, wobei Cortisol und Serotonin ein besonderes Augenmerk gelte.
Von der CDC in den USA wurde ein besonders aufwendiges Programm zur Erforschung der Ursachen von CFS mit einem äußerst umfangreichen genetischen Screening initiiert (Vernon, 2006).
Im ersten Ansatz wurden 20.000 Gene von 172 Patienten untersucht. Charakteristische Unterschiede wurden bei 28 Genen gefunden, die alle in Stressantwort, Immunfunktion und Zellkommunikation involviert sind.
Die 28 auffälligen Gene bezogen sich fast ausschließlich auf die CRH-ACTH-Cortisol-Achse und auf das Serotonin. Zusätzlich zwei Enzyme aus dem neuroendokrinen Regelkreis, die die Monoamin-Neurotransmitter metabolisieren (MAO, COMT), und ein einziges proinflammatorisches Gen für Interleukin 6 (Smith, 2006).
In einem zweiten Ansatz wurden 50 Gene eingehender auf Genpolymorphismen geprüft und schlussendlich auf drei der untersuchten neuroregulatorischen Gene vier bzw. fünf Polymorphismen identifiziert, denen ca. 75 % prädikativer Wert für die Diagnose des CFS zukommen (Goertzel, 2006; Smith 2006).
Die Ergebnisse der Genuntersuchungen zeigen klar die wesentlichen disponierenden Faktoren für CFS:
- das Cortisol mit mehreren Varianten des nukleären Cortisol- (Glukocorticoid-)-Rezeptors
- CRH mit einer Genvariante des CRH-Rezeptors
- und Serotonin mit dem auch bei Depressionen besonders häufig vorkommenden Polymorphismus der Tryptophanhydroxylase (TphII).
Die Ergebnisse gelten als entscheidender Durchbruch in der Suche nach den eigentlichen Ursachen und als klare Bestätigung der organischen Genese des CFS, auch wenn damit noch nicht alle Fragen beantwortet seien (Kaiser, 2006).
Bieger schreibt weiter, dass Untersuchungen zur Genetik nur in schwierigen Fällen zu erwägen seien. Er nennt für die Bestimmung der einschlägigen, CFS-typischen Polymorphismen der Stresshormon- und Serotoninachse: Tph2, NR3C1, 5HTTP und CRH2.
Zusätzlich könne zur Unterscheidung von primären Depressionen der Depressions-spezifische Genpolymorphismus des Serotoninrezeptors der Klasse 5HTR2A herangezogen werden.
Sowie für die Bestimmung der Polymorphismen der inflammatorischen Gene: NF-kB, IL-6, TNF-alpha, evtl auch Cyclooxygenase 2.
Für weitere Recherchen stelle ich die Literaturangaben, die Bieger aufgelistet hat, ein:
Carol-Stella N, Bdulli C, DeSilvestri A, et al. A first study of cytokine genomic polymorphisms in CFS: positive association of TNF-857 and IFNgamma 874 rare alleles. Clin Exp Rheumatol 24: 179-82, 2006
Goertzel BN, Pannachin C, de Souza Coelhi L, et al: Combination of single nucleotide polymorphisms in neuroendocrine effector receptor genes predict chronic fatigue syndrome. Pharmacogenomics 7: 475-83, 2006
Kaiser J: Genes and chronic fatigue: how strong ist the evidence? Science 312:669-70, 2006
Smith AK, White PD, Aslakson E, et al. Polymorphisms in genes regulating HPA axis associated with empirically delineated classes of unexplained chronic fatigue. Pharmacogenomics 7:387-94, 2006
Vernon SD, Whistler T, Aslakson E, Rajeevan M, Reeves WC: Challenges for molecular profiling of chronic fatigue syndrome. Pharmacogenomics: 7:211-18, 2006
Wenn zu diesen 75 % genetisch bedingten Ursachen, die in der obigen Studie festgestellt worden sind, noch die Polymorphismen im Entgiftungssystem und die proinflammatorischen Gene dazukommen, sowie die epigenetischen Einflüsse und die prägend schädigenden Einflüsse aus der funktionellen Teratologie nach Dörner auf das NeuroEndokrinoImmun-System, die Dr. Müller in einem Fachartikel ausgeführt hat, dann sind – wer weiß – die 100 % vielleicht voll.
Der COMT-Defekt sowie die Ausführungen von Dr. Müller zu den epigenetischen Einflüssen und der funktionellen Teratologie nach Dörner sind im Thread „Literatur zu CFS…“ ab Seite 28 (ab Beitrag #275 ff) genauer beschrieben.
Bei der Epigenetik handelt es sich auch um eine Form von vererbten Störungen, bei der funktionellen Teratologie geht es um schädigende prä- oder frühpostnatale Einflüsse (also vor der Geburt oder in der frühen Phase nach der Geburt), die das NeuroEndokrinoImmun-System fürs ganze Leben dauerhaft störend prägen.
LG
Gini
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