Steißbein-Problem?

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Hallo ihr Lieben,

ich merke beim Hinsitzen und auf dem Rücken liegen einen unangenehmen Druckschmerz am Steißbein, beim Laufen geht's.

Wenn ich das untere Ende der Wirbelsäule zwischen den Pobacken ertaste und von unten dagegen drücke, schmerzt es mehr.

Seitdem ich mit meiner Häkelproduktion angefangen habe, sitze ich auch vermehrt, ob das das provoziert hat?

Ich dachte schon, ich schaue mal nach einem Sitzring, hat jemand Erfahrung damit?

Ich kann auch leider nur auf dem Rücken schlafen, habt ihr da eventuell eine Idee, wie man da trotzdem entlastend liegen kann?

Mitte Dezember habe ich eine Flugreise vor mir, wenn das bis dahin nicht besser wird, weiß ich nicht, wie ich die 3 Std Flug im Sitzen managen kann.

Habt ihr Ideen, was ich da tun könnte? Hatte jemand schon so ein Problem? Bin für jeden Rat dankbar!
 
Hallo Laurianna, ich kenne solche Schmerzen nach einem Skiunfall. Da war das Kreuzbein gebrochen und der Steiss abgerissen. Seitdem gibt es immer mal wieder Beschwerden dort in der Gegend.
Ich nehme an, du bist nicht aktuell gestürzt?!
Am ehesten würde ich gerade an eine ISG-Blockade denken (weil mich die auch immer wieder mal einholt).
Da gibt es die Blackroll oder auch alternativ Übungen z.B. von Liebscher&Bracht oder anderen. Die haben mir dann ganz gut geholfen.
Oder die umliegenden Muskeln mit einer Wärmesalbe versorgen.....
Vielleicht ist ja da was dabei .... gute Besserung
 
Ich nehme an, du bist nicht aktuell gestürzt?!
Nein bin ich nicht, es hat über einen längeren Zeitraum allmählich zugenommen. Am Anfang nur so ab und zu, quasi nebenbei wahrgenommen. Nach Übungen schau ich mal, Retterspitz hab auch hier, das probiere ich aus.

Morgen bekomme ich auch einen Sitzring, dann kann ich mir vorstellen, dass das zumindest etwas schonen hilft. Vielleicht kann ich das auch im Bett verwenden. Oder ich muss mir überlegen, was ich da basteln könnte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß nicht, was Du da machen kannst, um die Seite aufzurufen. Habe die Seite aber mal (ausnahmsweise vollständig) zitiert, damit Du sie auch lesen kannst.

Die Coccygodynie ist eine Erkrankung, die durch Schmerzen im Bereich des Steißbeins gekennzeichnet ist. Die Symptome können von leichten Beschwerden bis hin zu starken Schmerzen reichen, die das tägliche Leben dauerhaft beeinträchtigen können.


Bereits 1859 beschrieb Simpson die Coccygodynie als schmerzhaften Zustand beim Sitzen und Aufstehen (1). Wegen der Kuckucksschnabel ähnlichen Form des Steißbeins, leitet sich das Wort Coccygodynie aus den beiden griechischen Wörtern „Coccyx“ wegen der Anatomie und „Dynie“ für den Schmerz verwendeten Nachsilbe ab (2). Typischerweise berichten die Patienten über Schmerzen im Sitzen, die sich bei Lageänderung verstärken und häufig, vorallem nach längerer Schmerzdauer um das Steißbein herum ausstrahlen. Teilweise werden auch Schmerzen bei der Defäkation berichtet. Da das Krankheitsbild der Coccygodynie bis heute nicht immer ernst genommen wird, berichten Patienten von einer verzögerten oder häufig auch keiner Behandlung, trotz einer Vielzahl an Arztbesuchen.

Anatomie

Das Steißbein ist das dreieckige Endstück der Wirbelsäule. Obwohl der Singularbegriff “Steißbein” impliziert, dass es sich um einen einzelnen Knochen handelt, besteht es in der Regel aus 2 bis 5 separaten Wirbelkörpern, mit erheblicher Variabilität. Bis auf das erste Bandscheibenfach treten sie häufig fusioniert auf. Untersuchungen von Maigne haben auch gezeigt, dass die Bandscheibenzwischenräume auch gelenkartig mit knorpligen Anteilen angelegt sein können, was ebenfalls zu einer pathologischen Beweglichkeit führen kann (3).

Die Verbindung zum Kreuzbein ist das Sacrococcygeal-Gelenk. Trotz des Begriffs Gelenk ist dort eine faserknorpelige Bandscheibe enthalten, nur in Einzelfällen konnte Gelenknorpel nachgewiesen werden (4). Zudem verfügt das 1. Steissbeinsegment über rudimentäre, bilaterale Facettengelenke. Die normale Beweglichkeit dieser Zwischenwirbelräume besteht in einer leichte Ventralflexion z. B. beim Sitzen.

Neben den beiden Sitzbeinhöckern (Tuber ischiadicum) kann das Steißbein biomechanisch als Dreibein zur Stabilisierung der sitzenden Position angesehen werden (5).

Nozizeptiv und sympathisch wird das Steißbein durch das Ganglion impar, dem unpaarigen Ende des Grenzstrangs mit afferenter Innervation aus dem Perineum, dem distalen Rektum, dem Anus, der distalen Harnröhre und der distalen Vagina versorgt. Die Lage des Ganglions impar kann variieren, liegt aber im Allgemeinen nahe der Mittellinie ventral des ersten Bandscheibenzwischenraumes (6).

Ätiologie

Die Inzidenz von Steißbeinbeschwerden wird mit 1% angegeben, die Dunkelziffer liegt jedoch deutlich höher. Als Ursachen werden direkte vertikale Traumata, wiederholte Mikrotraumata oder bei Frauen der natürliche Geburtsvorgang benannt. Somit sind Kinder sehr selten betroffen und Frauen 4–5-mal häufiger als Männer (7). Die Folgen eines direkten Traumas können von Prellungen bis hin zu Fraktur-Dislokation des Steißbeins variieren. Eine knöcherne Fraktur ist dabei jedoch selten, eher kommt es zu einer Zerreißung in einem der rudimentären Bandscheibenfächer. Eine traumatische oder nicht-traumatische Beeinträchtigung der Steißbeinbänder kann zu einer dynamischen Instabilität des Steißbeins führen (übermäßige Bewegung des Steißbeins während der Belastung oder beim Sitzen).


Weitere Risikofaktoren in der Literatur sind Adipositas und schneller Gewichtsverlust, da die dämpfende Wirkung des Fetts verloren geht (4,8,9). Der Autor kann jedoch die Aussage zur Adipositas nicht bestätigen, da es sich vermehrt um schlankere Patienten handelt.


Sollte, entgegen der Versorgungsrealität, noch keine weitere Abklärung anderer Ursachen erfolgt sein, müssen schwerwiegendere Gründe, wie z. B. Infektionen (einschließlich Weichteilabszesse und Osteomyelitis), gynäkologische Gründe (Endometriose), urologische Ursachen (Prostatitis) oder Malignität (Chordom) jedoch ausgeschlossen werden (10).


Steißbein kann auch ein übertragener Schmerz aufgrund von Erkrankungen des unteren Gastrointestinaltrakts oder des Urogenitaltrakts sein (9).

Die Anamnese des typischen Patienten

Man könnte sagen, dass sich die Symptome seit der Erstbeschreibung einer klinischen Symptomatik durch Thiele 1963 nicht wesentlich geändert haben [17]. Er beschreibt die Patienten mit scharfem Stechen oder manchmal einem Schmerz in den unteren Kreuzbein- oder Steißbeinsegmenten, insbesondere beim Sitzen auf ebenen und harten Oberflächen. Die Schwere der Schmerzen variiert. Aktivitäten, die zu einer erhöhten Belastung des M. levator ani führen, wie Stuhlgang und Geschlechtsverkehr, können bei solchen Patienten ebenfalls zu einer Verstärkung der Symptome führen. Klassisch berichten die Patienten auch von Schmerzen beim nach hinten neigen im Sitzen, so dass Autofahren und Sitzen auf dem Sofa als unangenehm beschrieben werden. Gerade die Sitzposition im Auto wird als extrem schmerzhaft beschrieben, obwohl in der Regel schon ein Ringsitzkissen eingesetzt wird. Die wenigsten haben Schmerzen beim Gehen und im Liegen. Der Großteil bevorzugt weiche Sitzunterlagen.

Fast alle Patienten fühlen sich nicht ernst genommen und sind in ihrer Lebensqualität maximal eingeschränkt. Viele Patienten berichten zudem, dass sie das Gefühl hätten, das Steißbein bewege sich bei Lageänderung.


Klinische Untersuchung

Bei der körperlichen Untersuchung sollte zunächst die typische Sitzhaltung des Patienten, welche nach vorne geneigt ist, beachtet werden. Als nächstes kann die Palpation der darüber liegenden Haut, des Steißbeins und der angrenzenden Bänder und Muskeln fokale Druckempfindlichkeit zeigen [18]. Danach ist es wichtig, das schmerzhafte Areal zu palpieren und den die druckdolente Stelle von den cranialen Sacrumanteilen abzugrenzen. Typisch ist ein Druckschmerz direkt an der Steißbeinspitze. Dort kann auch eine ventrale Instabilität oder eine Subluxation getastet werden. Um einen besseren Eindruck über eine dorsale Instabilität zu bekommen ist eine rektale Untersuchung nötig (11).


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Bildgebung


Wenn man eine konventionelle Röntgenaufnahme des Steißbeins in zwei Ebenen anfordert, werden diese meistens seitlich im Liegen, manchmal auch im Stehen durchgeführt. Die Patienten haben jedoch meistens weder im Liegen noch im Stehen Beschwerden, so dass sich auf den Bildern so gut wie nie eine Pathologie zeigt. Dazu kommt noch die enorme Variabilität des Steißbeins, die eine Beurteilung über das Vorliegen einer Pathologie je nach Beurteiler erschwert.

Bereits 1994 veröffentlichten Maigne et al aus Paris die Technik der dynamischen Funktionsaufnahmen des Steißbeins in seitlich stehender und sitzender Position (12,13). Dabei wird zunächst eine Aufnahme im Stehen und nach 5-minütigem Sitzen in schmerzhafter, reklinierter Position im Sitzen angefertigt. In der Originalpublikation wurden die Folien der Aufnahmen übereinandergelegt und eine Winkelbeweglichkeit von mehr als 25° oder weniger als 5° als abnormal beschrieben.

In der Versorgungsrealität ist diese Art der Bildgebung jedoch weitgehend unbekannt und auch schwierig anzufordern. Selbst mit detaillierter Überweisung kommt es zu Schwierigkeiten. Diese Erfahrungen machte nicht nur der Autor schon häufig, sondern werden auch aus anderen Ländern berichtet (9).

Aus Sicht des Autors sind die Funktionsaufnahmen der Goldstandard in der Diagnosestellung und sollten immer durchgeführt werden. Da durch die Digitalisierung die ursprüngliche Messmethode von Maigne heutzutage nur schwer durchführbar ist, wurde vom Autor 2021 die Benditz-König Klassifikation veröffentlicht, um eine schnelle Einschätzung des digitalen Röntgenbildes zu ermöglichen (14). Es werden 4 Typen unterschieden. Bei Typ I handelt es sich um ein langes Segment das nach ventral mehr als 15° abkippt, bei Typ II um mehrere Segmente. Typ II war der häufigste Typ. Typ III und IV beschreiben Subluxationen nach dorsal, wobei mehr als 50% der Typ IV Patienten operiert wurden, was im Vergleich zu Typ I und II signifikant erhöht ist. (Abb. 1)

Die AP-Aufnahmen hat nur einen geringeren Stellenwert in der Diagnosestellung und wird aus Strahlenschutzgründen nicht regelhaft benötigt. Sollte die klinische Untersuchung eine laterale Achsdeviation vermuten lassen, so ist die Aufnahme zur Verifikation sinnvoll.

Therapie

Konservative Therapie


In der Literatur sind viel verschiedene konservative Behandlungsmethoden beschrieben. Laut Literatur sind konservative Maßnahmen auch in 90% der Fälle erfolgreich [23]. Sie immer vollumfänglich ausgeschöpft werden und über mindestens 6 Monate nach Beginn der Schmerzen probiert werden, bevor eine Operation in Betracht gezogen werden kann.

Trotz spärlicher Beweise in der Literatur, sollten im als Erstes nicht-steroidale entzündungshemmenden Medikamenten in Kombination mit einem Ringsitzkissen oder Keilkissen verordnet werden. Zudem kann Krankengymnastik zum Haltungstraining eingesetzt werden.

Je nach dargestellter Instabilität in der Bildgebung gibt es zwei Ansätze für die manuelle Therapie. Geht man von einem Spasmus der Beckenbodenmuskulatur (M. levator ani) aus, (in der Bildgebung nur geringe Instabilität) so spielt das Massieren der langen Fasern des Levator ani eine Rolle bei der Linderung der Muskelkrämpfe und der Unterbrechung des Teufelskreises der Schmerzen [17].

Thiele beschreibt eine zentrale Rolle des Levator-ani-Spasmus, da Steißbeinkrämpfe zusätzlich Schmerzen verursachen und die Degeneration der Kreuzbein- und Steißbeingelenke fortschreitet, was wiederum zu mehr Krämpfen führt.

Bei Patienten mit erheblicher Instabilität dagegen führen Massagen zu einem eher schlechten Ergebnis, so dass Maigne in diesen Fällen eine Steißbeinmanipulation empfiehlt. Dabei sollte mit dem Finger innerhalb des Rektums und dem Daumen außen das Steißbein umgriffen werden. Weiterhin sollte die Steißbeinstreckung nach Manipulation für einige Minuten aufrechterhalten werden, indem mit dem Zeigefinger Gegendruck auf das Steißbein und mit der anderen Hand Druck nach hinten auf das untere Kreuzbein ausgeübt wird [24]. Diese Behandlungen werden auch von Osteopathen häufig erfolgreich durchgeführt.

Sollten diese nicht invasiven Behandlungsmethoden nicht zum Erfolg führen, sollten Injektionen mit Lokalanästhetikum und Steroiden zum Einsatz kommen. Dabei hat die Lokalanästhetikagabe auch eine diagnostische Funktion, um ein mögliches operatives Ergebnis abzuschätzen. In der Literatur werden bildwandlergestützte, CT-gesteuerte oder Freihandinjektionen beschrieben. Ziel ist dabei die Umflutung des schmerzhaften Areals [2,7]. Der Autor verwendet zur Diagnosesicherung bei Erstinfiltration 2ml Mecain 1% und 10mg Triamcinolon, als therapeutische Infiltration dann im Abstand von einigen Wochen 40mg Triamcinolon und 4ml Mecain 1% (11,15).

Eine Sonderform der Injektion ist der Ganglion-Impar-Block. Dieser ist ebenfalls mit unterschiedlichen Techniken in der Literatur vertreten. Unter Bildgebung (CT, Bildwandler) wird dabei das ventral des ersten Bandscheibenfaches gelegene Ganglion entweder direkt durch die Bandscheibe oder von seitlich kommend zunächst mit Kontrastmittel dargestellt (reversed C-sign) und dann infiltriert [25–28].

Operative Therapie

Bei nicht Ansprechen oder nur kurzem Ansprechen der konservativen Methoden, besteht die Möglichkeit der operativen Entfernung des Steißbeins, der Coccygektomie. Obwohl in den meisten Fachkreisen umstritten und negativ belegt, zeigt die Literatur eine Erfolgsrate von 85-100% [8,33–37]. Aus Sicht des Autors ist die Auswahl der zu operierenden Patienten wie immer der Schlüssel zum erfolgreichen Ergebnis. Es sollte mindestens 6 Monate ein konservativer Therapieversuch gelaufen sein, eine deutliche klinische und radiologische Instabilität vorliegen und die Testinfiltration mittels Lokalanästhetikum positiv gewesen sein. Wichtig, ist ebenfalls die Aufklärung des Patienten, dass die Schmerzen nicht sofort nach der OP verschwunden sind und der Wundschmerz auch noch mehrere Monate nach der OP anhalten kann.

Technisch sind verschiedene Methoden beschrieben. Prinzipiell unterscheidet man die totale von einer partiellen Coccygektomie. Je nach Literatur sind beide gleich erfolgreich, wobei bei der partiellen Coccygektomie Rezidive beschrieben sind. Der Autor setzt das Steißbein immer an der instabilen Stelle ab, um möglichst wenig Kollateralschaden zu verursachen.

Zur Vermeidung von Infektionen sollte eine gute Abdichtung der Naht und des Pflasterverbandes stattfinden. Einige Autoren empfehlen eine 48h Antibiose, um Infektionen und wundbezogene Komplikationen, einschließlich Wunddehiszenz und verzögerter Heilung zu vermeiden [40].

Fazit

Patienten mit Steißbeinbeschwerden sollte frühzeitig ernst genommen werden. Wenn sich ein Patient mit typischen Druckschmerzen über der Steißbeinspitze vorstellt und diese Schmerzen bei Lageänderungen auch noch verstärkt werden, sollte zwingend eine Röntgenfunktionsaufnahme des Steißbeins seitlich im Stehen und Sitzen durchgeführt werden. In der Zwischenzeit kann ein Therapieversuch mit NSAR und Ringsitzkissen gestartet werden. Nach Vorliegen der Aufnahmen sollte eine Testinfiltration des Steißbeins, ggf. unter Bildwandler mit Lokalanästhetikum und einem Glukokortikoid durchgeführt und bei Bedarf wiederholt werden. Sollte dies zu keiner dauerhaften Besserung führen, ist die Coccygektomie durch einen erfahrenen Behandler sicher und gut wirksam.



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Prof. Dr. med. Achim Benditz, MHBA
Sektion Orthopädie und Wirbelsäulentherapie
Klinikum Fichtelgebirge Marktredwitz
Schillerhain 1-8
95615 Marktredwitz
E-Mail: [email protected]

Falls Du doch noch die Seite aufrufen kannst, kann das hier ja (von den Moderatoren) auch wieder entfernt werden.
 
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