Seelenverwandt - Ohne Worte

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08.05.09
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Ohne Worte und still in Gedanken liegt David im Bett, sie ungeduldig erwartend, seine Muse. Gleich wird sie kommen, in dieses Berliner Hotelzimmer, reserviert nur für Sie beide.

Muse? War es wirklich nur seine Muse oder war sie doch mehr? Er vertieft sich in die Überlegung, wieviel mehr sie sein könnte. Ist es Zufall gewesen? Landläufig glauben Menschen, Zufall unterläge der Willkür, ob der Tatsache, dass Zufall von zufallen kommt. Es fällt einem zu, also kann dieses zufallen auch zielgerichtet, ja zielgerichtet frei von Willkür sein. Zufall kann also vorher bestimmt sein. Er überlegt besser das Wort Schicksal zu verwenden. War Sie sein Schicksal?

Gedanklich streift er zurück in die Zeit, als alles begann.

David kennt Sie aus dem Internet. Das Medium, das heute zu einer ungewohnt Tageslicht tauglichen Institution geworden ist.

Einkaufen, Kommunzieren, Kennenlernen, sexuelle Vorlieben ausleben, Freunde treffen, Rat suchen oder einfach nur Informationen einholen, all das hat sich durch das Internet im Alltag von Milliarden von Menschen etabliert.

Ist es Willkür gewesen, sie genau dort kennen gelernt zu haben?

83 Millionen Menschen leben in diesem Land, hunderte Millionen in ganz Europa. Circa 60 % besitzen einen Internetanschluß, das bedeutet über 40 Millionen Menschen in diesem Land sind online. Ist es Willkür genau diese Person unter über 40 Millionen Menschen kennen zu lernen?

Nein, grübelt er, es ist normal eine Frau mit gleichem Gedankengut oder sexuellen Vorlieben im Internet kennen zu lernen. Er mag schlanke Frauen mit kleinen Busen, die über den Tellerrand blicken können und vertrauenswürde Persönlichkeit besitzen. Ein Typus von Mensch der so rar eigentlich nicht ist.

Also was macht diese Frau so ungewöhnlich, so außergewöhnlich?

Es war an einem angenehmen Tag, vielmehr einem Abend, als er in einem Chat sich mit Gleichgesinnten unterhielt. Man tauschte Fragen aus und man nahm sich gerne auch mal auf den Arm. Man kommunizierte entspannt und frei. Eine Ungezwungenheit, wie man sie im alltäglichen Internetgeschehen kennt.

Wie bei jedem Chat funktionieren Privatgespräche während dessen auch im Hintergrund. Wieso haben sie beide Privatnachrichten ausgetauscht? Wo lag hier der Ausschlag?

Es riss ihn aus den Gedanken. Heute wird er sie zum ersten Mal in all ihrer Schönheit wahrnehmen können. David spürt die Energie in sich ausbreiten. Eine Energie, die ihm so noch nie bewusst war.

Er war nicht nur eine steigende Erregung bei dem Gedanken, dass er gleich mit einer Frau, die er bereits jetzt, bevor sie überhaupt da ist, mit allen Facetten wahrnimmt, eine Nacht verbringen wird.

Sie erregte ihn schon Wochen zuvor, jeden Tag auf´s Neue. Wann immer er an sie dachte, war er prall geschwollen erregt. Manchmal war er so erregt, dass er Bäume hätte ausreissen können. Und all das, obwohl er kaum etwas von ihr weiß.

Sie tauschten erotische Skype Nachrichten aus, Sie kommunizierten per Webcam und machten sich im Chat gegenseitig auf sehr phantasievolle Art und Weise an.

Die Eindrücke, die sie voneinander bei den Webcamgesprächen hatten, liessen zwar Rückschlüsse auf ihre Körper schliessen, doch wie jeder von beiden wirklich aussah, wusste keiner genau.

Wesentliches verborgen? Wieder vertiefte er sich in seine Gedanken.

War das körperliche wirklich das Wesentliche? Waren es nicht die unsichtbaren Energien zwischen beiden, die sie enger und enger an sich zogen. Waren es die unausgesprochenem Dinge, der gefühlte Gedankengleichschritt, die Geborgenheit zum Universum?

Er war sich bewusst geworden, dass die Frage, wer sie wirklich war, was sie so wertvoll machte, erst beantworten musste, bevor er weiter sinnierte.

Gleich werden sie sich begegnen, live und in Farbe, real ohne Distanz.

Er wollte sie treffen und mit ihr ohne große Worte schlafen. David wollte jeden Zentimeter Ihrer Haut erforschen, schmecken, riechen, mit allen Sinnen geniessen.

Ja, beide hatten sich verabredet, um miteinander eine Nacht zu verbringen, die eine neue Welt öffnen sollte. Eine Welt des kosmischen Genusses, eine neue gemeinsame Welt.

Ganz egal, ob er damit seine Frau betrügt, oder nicht. Längst ist die Ehe nur noch auf dem Papier existent, es ist eine Frage der Zeit, wann die Trennung auch räumlich erfolgt. Das ehemals gemeinsame Gedankengut, die gemeinsamen Vorlieben und Anschauungen sind nach wenigen Jahren soweit von einander abgedriftet, dass es für beide Seiten, kein 'WIR' mehr geben kann. Die moralische Verantwortung zueinander liess die Ehe räumlich noch existieren. Fairness gehört auch bei einem Abgang dazu, dessen waren sich beide in der Ehe bewusst. Betrug ist es demnach eher nicht. Der Nährboden für ein schlechtes Gewissen war einfach nicht vorhanden.

Sie wählte den Weg der rationalen Weltanschauung, David wählte den spirituellen Weg und so traf er Mesa. Sie hatte eine Wirkung und Ausstrahlung, dass ihn an die griechischen Sirenen erinnerte. Deshalb nannte er sie immer Mesa, die Kurzform von Medusa, eine liebe Anspielung auf die griechische Geschichte. Eine Anziehungskraft von unvorstellbarem Ausmaß.

Bereits seit Wochen tauschten sie Gedanken, Erlebnisse und Fragen aus dem medialen und spirituellen Bereich aus, neckten sich mit erotischen Spitzen. Je erotischer die Gespräche wurden, desto leidenschaftlicher integrierte sich die virtuelle Zweisamkeit in Ihren Alltag. Kein Tag war denkbar ohne die virtuelle Bereichung denkbar.

Nicht nur diese Leidenschaft verbindet Mesa und David miteinander. Sie fanden heraus, dass sie begeisterte Tierfreunde sind, teilen ihre Leidenschaft für die Hilfe zu anderen Menschen und die zwei- bis dreideutige und teils eindeutige, erotische Verbalakrobatik. Alles Dinge, die seine Frau weder versteht, noch mit ihm teilt. Im Gegenteil, gerne macht sie sich darüber lustig.

Seit jeher war David bewusst, Liebe gibt es nicht wirklich zwischen Menschen. Wobei er differenzierte, Liebe, also echte tiefe Liebe ohne Wenn und Aber, gibt es nicht zwischen Menschen. Bedingungslos war das Wort das er in seinen Gedanken suchte. Bedingungslos, ja das traf es auf den Punkt. So wie bei Tieren. Vielleicht ist er deshalb so zu Tieren zugeneigt.

Tiere liebe bedingungslos. Sie zeigen dir diese Liebe jeden Tag, ob du sie schlägst, mißhandelst oder mit aller Liebe behandelst. Sie lieben dich, ob du groß, klein, dick, dünn, mit oder ohne Brille, einarmig bist oder im Rollstuhl sitzt. Sie unterscheiden nicht, sie urteilen nicht, sie ignorieren Äußerlichkeiten. Sie lieben endlos und sind unendlich dankbar. Zusammengefasst sind Tiere bedingungslos demütig und in tiefer Liebe.

Ob man das in dieser Form von Menschen untereinander behaupten kann, verneinte David entschieden. Genügen doch schon Kleinigkeiten, die Menschen dazu veranlassen, Liebe zu Ihren 'Artgenosse' einzustellen, Beziehungen zu kündigen, Ehen scheiden zu lassen.

Ist es billig oder einfach nur opportunistischer Sarkasmus, die Liebe zwischen Menschen als Herausforderung und Würze des Lebens zu bezeichnen? Hat es überhaupt eine Berechtigung, dass Menschen das als Liebe bezeichnen, was in der Menschenwelt doch zu sehr durch Ego lastige Fadenscheinigkeit vergewaltigt wird?

David gab deshalb nie sonderlich viel auf Liebe zwischen Menschen, war diese doch zu oft mit Leid, Schmerz und Unzuverlässigkeit verbunden. Heute noch geliebt morgen schon entsorgt. Doch seit er diese Unbekannte kennenlernte, lebte der Glaube an die Liebe wieder auf. Es war ein ihm bis dato völlig unbekanntes Gefühl. Es war mächtig, es war unumwunden ausfüllend.

Seine Mesa macht aus ihm einen Menschen, der pure Liebe spürte, einen begehrenswerten und leidenschaftlichen Mann. So viel Leidenschaft, Verbundenheit, so eine starke Anziehung. Ja, er genoss es und konnte von diesem Gefühl gar nicht genug bekommen.

Und nun liegt er jetzt in diesem Hotel, in diesem kleinen Zimmer, in diesem Bett. Sehnsüchtig wartet er auf seine Mesa, mit Herzklopfen und erregt bis in die Lenden, pochend und vibrierend.

Sie gleitet durch die Zimmertür, ohne Worte treffen Sie auf einander und doch brennt die Luft zwischen Ihnen. Sie schließt die Tür sofort wieder hinter sich, damit der Zauber der Nacht erhalten bleibt.

David stellt sich vor Sie und nimmt ihre Hände in seine. Er küsst ihre Innenflächen und gräbt seine Nase tief in ihre Hände. Wie Veilchen, Vanille, Weihnachten und Moschus ist ihr Duft, der betörend auf ihn wirkt.

Es ist dieser Duft, so als ob es sein Eigener wäre. Wie kann ein Mensch so vertraut riechen. Sicher ist sie leicht verschwitzt von der langen Fahrt, aber selbst jetzt in diesem Zustand riecht sie so vertraut. David war leicht verwirrt. Wie kann das nur sein? Göttlich, einfach nur göttlich.

Ohne Worte nähert er sich mit dem Mund ihrem Hals, benetzt ihn mit zarten Küssen und atmet immer wieder tief diesen Duft ein. Er schnuppert in ihren langen Haaren, ihren Duft inhalierend. Er kann nicht von ihr lassen, ihr Duft ist unwiderstehlich.

Ihre Lippen finden sich, zunächst zart, dann immer leidenschaftlicher. David erkundet in der Dunkelheit der Nacht mit den Händen ihren Körper.

Es ist diese Haut, sie schmeckt unbeschreiblich, so gewohnt, so bekannt.

Seine Fingerspitzen fühlen die zarte Konsistenz dieser wundervollen Haut. Wie weich sie doch ist. Sie ist wunderschön, signalisieren seine Hände seinem Gehirn. Ihre Hände führen die seinen auch auf ihre Brust und lassen diese sowohl die Form, als auch die Brustwarzen spüren. Ein wohliger Schauer dringt hörbar aus beiden Mündern.

David wird sich erstmal bewusst, dass er etwas erlebt, dass er in dieser Einigkeit noch nie erlebte. Es muss göttlich sein. Nein, es ist göttlich. Ob sie das gleiche denkt? Fühlt sie wie er? Ist es genau das, worauf er im Verborgenen sein Leben lang gewartet hat?

Er legt sich langsam ins Bett, sie mit sich nehmend, ohne Worte und ganz selbstverständlich. Jetzt erforschen sie sich gegenseitig mit einer Neugierde, wie man es nur selten erlebt. Tastende Hände, vereinte Körper, betördende Düfte, ein Geben und Nehmen im Gleichklang. In immer höhere Sphären lassen sich beide treiben, ohne dem Verstand oder der Zeit Nährboden für Existenz zu bieten. Nach mehreren Stunden des leidenschaftlichen Tanzes sinken beide erschöpft in die Kissen, ohne voneinander lassen zu können. Es ist fast schon eine Sucht sich fühlen, riechen, schmecken, hören und spüren zu wollen.

"Mesa, mein Engel, ich habe dich sofort an deinem Duft und deinen mich berührenden Händen erkannt." Er war sich bewusst, dass Sie seine Seelenverwandte sein musste. Wie auch sonst können soviele Gleichklänge existieren, das Gefühlte, das Unausgesprochene, die Harmonie.

Hier wird ihm bewusst, das ist es, was Liebe sein muss zwischen Menschen. Er fühlt sich vollkommen, er fühlt sich glücklich, er fühlt sich am Ziel seiner Sehnsucht. Doch sobald er die übermannenden Eindrücke durchblickt und ein Sichtfenster zu Ihrem Wesen öffnet, entdeckt er Zweifel, er spürt Unsicherheit. Verwundert blickt er auf und merkt, das ist die Liebe zwischen Menschen. Nicht bedingungslos, nicht rein, immer auf sandigen Boden gebaut. Heute innig, morgen auf die Halde geworfen.

Es schmerzt ihn über die Frage nachzudenken, weshalb Menschen Göttliches zerstören versuchen. Die Zeit wird zeigen, ob die Menschen daraus lernen werden, die Zeit wird zeigen, ob Menschen sich gegenseitig wieder wahrnehmen werden, frei von Äußerlichkeiten, die Zeit wird zeigen, wann Menschen sich nach Gerüchen, Geschmäckern und Ihren Seelen orientieren, die Zeit wird zeigen wohin der Weg führen wird.


Eine Geschichte für den geruhsamen Sonntag! Viel Freude!

Rainer
 
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Liebe Brigit,

wozu sollte ich mich das fragen, wenn ich es doch weiß?

Ich erheitere dich mit dem Hintergrund. Ich las eine etwa ähnliche Geschichte in einem virtuellen Raum im Internet und fand das als schöne Grundlage für eine Story, aufgepeppt mit teilweise eigenen Erlebnissen und schon war diese schöne Geschichte fertig. So einfach ist das im Leben liebe Brigit ;)

LG

Rainer
 
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