Bücher von Osman Engin

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Hallo Ihr Lieben,

kennt Ihr Osman Engin? Er schreibt Kurzgeschichten. Das erste Buch, was ich von ihm gelesen habe war "Alles getürkt" danach folgte "Alle Dackel umsonst gebissen". Das sind auch meine Lieblingsbücher von ihm. Auf seiner Homepage kann man einige Geschichten auch online lesen. Viel Vergnügen dabei!

Bücher von Amazon
ISBN: 3423209313

Der Autor Osman Engin erobert die Satire für die Politik zurück und zerlegt sie prismatisch im Brennglas des minoritären Subjekts: lustig.

Seit Ende der 80er Jahre kann man Osman Engins kurze Satiren im `Bremer´ oder auch in `Titanic´ lesen. Seine Texte strotzen nicht gerade vor sprachliche Brillanz, aber wer das will, kann ja Gernhardt lesen. Dafür hat Engin eine Eigenschaft, die einheimische Satire längst verloren zu haben scheint: Er ist eine geradezu virtuose Polarisierungsmaschine. Nun hat er den Einseiter zugunsten des längeren Textes aufgegeben und seinen ersten Roman geschrieben: “Kanaken-Gandhi”. Den Protagonisten könnte man einen Schelm nennen, und der Roman lehnt sich auch deutlich an die Form des Schelmenromans an: allerdings mangelt es der Hauptfigur an der lebenstüchtigen Cleverness, durch die sich “Simplizissimus” und ähnliche literarische Vorlagen gewöhnlich auszeichnen. Nun ja, würde Engin wahrscheinlich sagen, er ist halt Türke.
Geradezu kunstfertig wirkt vor allem Engins Umgang mit rassistischen Klischees. Während man sich von Geschichte zu Geschichte hangelt, wird so ungefähr jede mögliche kritische Situation und jedes Fitzelchen gesellschaftlich kursierendes “Wissen” über türkische Einwanderer ausgebreitet. Das Buch ist eine Odyssee des Herumstolperns, die beginnt, als Osman zufällig mit einem Asylbewerber verwechselt wird und den Ausweisungsbescheid bekommt. Nur eine Episode: Als er seinen Job verliert, wendet er sich im Café an den Vermittler “Arbeitsamt-Necmeddin” mit der Bitte um eine leichte und einfache Arbeit. Als Necmeddin aufgrund seiner mangelhaften Qualifikationen gewöhnliche Prostitution ausschließt (“in dem Moment wurde mit bewußt, welch enorme Qualifikation, verglichen mit mir, selbst Prostituierte haben”), wird Osman schließlich “Pharma-Nutte”: Er testet Medikamente.
Der betreuende Arzt liebt Ausländer, denn sie machen wenig Ärger und rufen keine Tierschutz-organisationen auf den Plan. Osman erhält ein Herzmedikament und muß unglaubliche Schmerzen erleiden, die lebhaft geschildert werden. Doch das Mitleiden wird ad absurdum geführt: Am Ende erfahren wir, daß das Medikament nur ein Plazebo war. Durch seine “verscho-bene” Verwendung der Satiren-Form gibt Engin ihr eine kritische Bedeutung zurück, die sie ei-gentlich längst verloren hatte. Vor allem zerstört er ganz beiläufig die herkömmlichen Identitätsvorstellungen und verwirrt z. B. dadurch, daß “Engin” sowohl Autor als auch Hauptfigur ist. Indem er mit seiner Rolle zusammenfällt, zeigt er einerseits die Unmöglichkeit des minoritären Subjekts, aufgrund der mehrheitlichen Zuschreibungen Rollen einfach an – und abzulegen. Auf der anderen Seite distanziert er sich aber auch von sich selbst: Er “spielt” sich ja nur. Zudem hebt Engin radikal die folgenlose und selbstversichernde Verschwörung mit dem Publikum auf, die ja Satire und Kabarett in den letzten Jahren so unerträglich gemacht haben: Indem er die rassistischen Klischees des einheimischen Publikums thematisiert, agiert er notwendig gegen dieses Publikum.
Wenn man nun daran denkt, daß “der Türke” ja zunehmend zum Referenzpunkt für deutsche Identität geworden ist (in erster Linie wissen “wir” von “uns”, daß wir nicht so wie “die Türken” sind), dann zersetzt Engin eben die Identität der Leser- oder Zuhörerschaft von ihrem imaginären Referenzpunkt aus. Das ist selbstverständlich schwer zu ertragen. Sie suchen noch nach einem geeigneten Objekt für deutsche “postcolonial studies”? Hier ist es. Es muß ja nicht immer Salman Rushdie sein.

Mark Terkessidis

zitiert aus: Osman Engin

Liebe Grüße
Sema
 
Leseverbot in Bayern für Engin

Eisele contra Engin

Die Geschichte könnte fast vom Satiriker selbst erfunden worden sein. Der türkischstämmige Autor aus Bremen, Osman Engin, bekam ein Lese-Verbot in Bayern. Der Direktor des Gymnasium Geretsried bei Bad Tölz, Willi Eisele, verbot kurzerhand eine geplante und angekündigte Lesung von Osman Engin aus seinem neuen Roman “Kanaken-Gandhi”. Die Schüler hatten den Roman in der Klasse besprochen, der Klassenlehrer lud daraufhin den Satire-Autor ein. Engin befand sich im Februar auf einer Lesereise in Süddeutschland. Nachdem aber offenbar auch der Direktor den Roman gelesen hatte, war er nicht mehr mit Engins Auftritt in seinem Revier einverstanden. Offizielle Begründung: Am gleichen Tag sollte ein Volleyball-Turnier stattfinden. Proteste der Schüler konnten das CSU-Mitglied und für seinen autoritären Führungsstil berüchtigten Direktor nicht umstimmen. Ausweichtermine akzeptierte er ebenfalls nicht.
“Es ist unfaßbar, daß in dieser Zeit noch Lesungen verboten werden”, so Osman Engin dazu. Willi Eisele wollte gegenüber STIMME keine Stellungnahme abgeben. “Das ist eine schulinterne Angelegenheit und geht keinen etwas an”, so der wütende Direktor am Telefon. In der Vergangenheit gab es bereits viel Klinsch mit Eisele, berichtete ein Redakteur der lokalen Zeitung. Bei der kritischen Initiative Forum und beim Elternbeirat sei er sehr unbeliebt. Das Verbot von Osman Engins Lesung war eine seiner letzten Amtshandlungen am Gymnasium. Weil er so umstritten war, ist Eisele mittlerweile aus Geretsried ins Münchener Kultusministerium wegbefördert worden.

Luigi La Grotta

...und hier seine Antwort:

Bitte melden! Das ist eine offizielle Vermisstenanzeige!
Alles fing vor ein paar Monaten an.
Wenn meine Frau Eminanim mich nicht mehr sehen will, findet sie irgendwelche Läden, wo ich vor drei gelangweilten Leuten meine Geschichten vorlesen muss, je weiter weg von unserem Zuhause, desto besser.
Vor ein paar Monaten schickte sie mich nach Bayern.
Meine erste Station im Exil-Land der Lederhosenträger war ein Café in München, das irgendeinem Kerl aus Eminanims Verwandtschaft gehört. Und die vier Zuhörer waren wohl auch irgendwelche Bekannte aus ihrem Dorf.
Dumm genug um ruhig zu sitzen und die Sonnenblumenkerne nicht auf dem Boden zu spucken, sahen sie jedenfalls aus. Und zu unserer aller Überraschung kam dann auch noch ein Deutscher rein. Der hatte sich vermutlich verlaufen, und wollte nur was trinken, dachten wir alle. In der Pause entpuppte sich der Irrläufer aber als der Lehrer einer Schulklasse, vor der ich morgen lesen sollte.
„Herr Engin, unser Schulleiter möchte nicht, dass Sie in unserer Schule lesen“, murmelte er verlegen.
„Warum nicht?“ fragte ich überrascht.
„Weil wir morgen Nachmittag eine Volleyballturnier in unserer Schule haben.“
„Dann komme ich eben übermorgen“, sagte ich.
„Übermorgen haben wir Vorbereitung für das Oktoberfest.“
„Tag danach?“ – lies ich nicht locker.
„Die Fußballmannschaft von FC Unterhaching hat eine Autogrammstunde in der Schule…“
Und dann rückte er endlich mit der Wahrheit raus:
„Der Schulleiter ist einfach dagegen, dass Sie aus Ihrem Roman Kanaken-Gandhi in unserer Schule lesen“,.
„Aber Sie haben mich doch selber eingeladen“, fragte ich verblüfft.
„Ich schon, aber unser Rektor hat erst dieses Wochenende in Ihr Buch reingeguckt und hat die Lesung dann völlig spontan verboten.“
Der Verwandte meiner Frau, der Cafébetreiber rief sofort seinen Kumpel Erkan an: Erkan ist ein Reporter vom türkischen Massenblatt Hürriyet.
Die Schlagzeile seiner Zeitung am nächsten Tag lautete deshalb:
„Türkischer Autor Osman Engin ist in Bayern verboten!“
„Süddeutsche Zeitung“, „TAZ“, und der „Spiegel“ zogen nach und berichteten sehr ausführlich.
Ich wurde eingeladen in die Fernsehshows von Johannes B. Kerner, Stefan Raab und Sabine Christiansen.
Kein einziges Buch von mir ist jemals auf soviel Resonanz gestoßen, wie durch dieses Verbot. Die Verkaufszahlen schossen in den Himmel. Zehn Stück anstatt nur fünf.
Der Schulleiter wurde allerdings in irgendeine bedeutungslose Behörde in München strafversetzt. Ich habe ihn nie getroffen.
Ich würde aber gerne den Mann finden. Ich will mich für diese unglaublich große Werbung und Publicity bei ihm bedanken.
Deshalb rufe ich hiermit: „Mein lieber bayrischer Förderer, bitte melde dich bei mir!“
:zunge: :zunge: :D :))) :zunge:


aus Osman Engin
 
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