Birgit Riese
Dr. Susanne Pedersen
26340 Neuenburg
Quellental 2
Berlin, 13.09.2010
Sehr geehrte Frau Dr. Pedersen,
vielen Dank für den Artikel 'Sinnlose Chemotherapie?' in der COMED 08/10.
Auch ich zähle zu den Brustkrebspatientinnen, habe jedoch, trotz der aggressiven Her2 Überexprimierung, k e i n e Chemo, keine Radiatio und auch keine Herceptintherapie durchführen lassen.
Stattdessen stellte ich nervende Fragen zur Sinnhaftigkeit von Enzymen und nach der Höhe der Selen- und Zink-Tagesdosis.
Antwort: Da können wir Ihnen nicht helfen, da haben wir keine Erfahrungen mit.
Selbst mir, die ich medizinisch ausgebildet bin, gelingt es oft nicht, mich gegen die lähmende Kälte zur Wehr zu setzen, die mich beschleicht, wenn ich bei einer Kontrolluntersuchung mit:
"Was - Sie haben keine Chemo gemacht und n o c h kein Rezidiv?" empfangen werde.
Fast möchte ich mich dann dafür entschuldigen, die in mich gesetzten Erwartungen so offensichtlich zu enttäuschen.
Bei den Gründen, die lt. Dr. Abel auf Seiten des Arztes für die Chemo sprechen, sollte die Gewichtung doch etwas verlagert werden.
So kann man getrost Nr. 9 gegen Nr. 1 vertauschen - zu oft habe ich erlebt, dass buchstäblich auf dem Sterbebett noch eine Chemotherapie verabfolgt wurde, als dass ich noch daran glauben könnte, dass einem Mediziner nicht auffällt, was alle Anwesenden im Raum längst wissen: dass es zu Ende geht.
Auch bezüglich des Glaubens an eine, sei es, nur kurzfristige Wirkung habe ich meine Zweifel, denn kurz vor der Operation wurde ich auf die nachfolgenden Behandlungen wie folgt eingestimmt:
"Bei der Aggressivität ihres Tumors müssen Sie sich darauf gefasst machen, dass wir uns in einem halben Jahr wiedersehen und dann muss die ganze Drüse entfernt werden (statt BET)."
Das, obwohl man ganz selbstverständlich davon ausging, dass ich mich der Chemo- und Strahlentherapie unterziehen würde.
Bei solchen Aussagen muss man doch bezweifeln, dass der behandelnde Arzt auch nur einen Patienten kennt, der die positiven Wirkungen einer Chemotherapie bestätigt.
Zu den Gründen der Patienten, die zur Durchführung einer Chemotherapie führen, darf man getrost auch 'gruppendynamische Zwänge' zählen.
So ist es für einen Patienten, der ja allein schon aufgrund seiner Erkrankung bewiesen hat, dass er nicht in der Lage ist, auf seine Gesundheit selbst zu achten, unglaublich schwierig, sich gegen die 'wohlmeinenden' Ratschläge von Freunden und Verwandten zur Wehr zu setzen und oft genug mag die Befürwortung der Chemo kein Zeichen für ungebrochenen
Kampfeswillen, sondern eher eines der Resignation sein.
Zur Strahlentherapie:
Als auf dem ersten Onkologie-Kongress Berlin-Brandenburg eine Ärztin darauf hinwies, dass dänische Studien die relative Sinnlosigkeit dieser Maßnahme bei Brustkrebs belegten - (immer vorausgesetzt, wir halten Heilung oder zumindest Verbesserung der Lebensqualität für den SINN einer solchen...) - da war ich die Einzige, die sich nach dem Namen der Studie
zu Recherchezwecken erkundigte.
Es interessierte niemanden.
Solche Veranstaltungen geraten zu einem einzigen Happening der, reichlich vertretenen, Pharmaindustrie.
Die Referenten spielen sich die Bälle zu und halten eine nicht endende Lobeshymne auf flächendeckendes Screening und Chemo/Strahlentherapie.
Besucht werden sie zumeist von jungen Ärzten die ihren Weiterbildungs-nachweis abarbeiten und entsprechend unkritisch 'drauf sind'.
Womit wir wieder die nächste Generation der Chemotherapie-Befürworter hätten.
Klingt das verbittert? Ein wenig schon, nicht wahr?
Aber andererseits bin ich - egal, wie es endet - froh, den anderen Weg gewählt zu haben!
Nochmals, vielen Dank!
Ihre
Birgit Riese
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Sehr geehrte Frau Riese,
herzlichen Dank für Ihren Brief, der mich sehr berührt hat. Ich kann Ihnen nur bestätigen, dass der von Ihnen gewählte Weg absolut der richtige Weg ist. Patientinnen wie Sie können doch nicht mit falschen Therapien gequält werden, weil die Ergebnisse der Forschung noch nicht bis in die Köpfe der Ärzte vor Ort vorgedrungen sind. Auch Herceptin als alleinige Therapie wäre völlig falsch. Der eine Rezeptor würde blockiert, der nächste, noch gefährlichere, aktiviert.
Für jeden Patienten, der einen auf seinen Krebs zugeschnittene personalisierte Therapie bekommt, die intelligent alle aktuellen Erkenntnisse verwertet, bin ich glücklich. Dabei habe ich das Glück mit einem Forscher in München zusammenarbeiten zu können, der mit einer individuellen Immuntherapie arbeitet. Hierbei wird auch an Selen, Zink und Vitamin D gedacht. Das ist dort selbstverständlich. Immer wieder bekommen wir bei der Arbeit einen strammen Gegenwind zu spüren. Alternative Wege sind einfach nicht erwünscht.
Ich bewundere Ihren Mut und Ihre Konsequenz. Für die Zukunft wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute!
Mit herzlichen Grüßen
Dr. Susanne Pedersen