Falschdarstellung zur Sicherheit der Homöopathie
Manchmal erklären sich seltsame Ereignisse erst aus der Retrospektive. Ich habe mich nämlich gefragt, warum die Homöopathie – schon immer wegen ihrer mangelnden wissenschaftlichen Plausibilität und der kontroversen Daten zu ihrer Wirksamkeit gegenüber Placebo unter Beschuss – plötzlich mit der allerunplausibelsten Argumentation angegriffen wurde, die man sich denken kann:
- wegen ihrer angeblichen mangelnden Sicherheit [1]
- und aus vermeintlich ethischen Gründen [2]
Die Arbeit von Prof. Edzard Ernst (Weitere Details siehe auch) und Kollegen [1] ist so schwach, so durchsichtig falsch und so billig gestrickt, dass man ernsthaft am Funktionieren des Peer-Review Systems zweifelt, dass es ein solches Anfängerstück in die wissenschaftliche Literatur geschafft hat.
Wir haben nur relativ oberflächlich gebohrt und dem Text an einer einzigen Stelle auf den Zahn gefühlt und festgestellt, dass er auf entweder wissentlicher Falschdarstellung aufbaut oder dass die Autoren die Literatur, die sie verarbeitet haben nicht verstanden haben. Beides ist schlimm genug.
Keinem Gutachter ist das aufgefallen
Noch schlimmer ist es, dass dies keinem Gutachter aufgefallen ist. Wir haben nur eine Literaturstelle analysiert, die Ernst und Kollegen als Beweis für die angebliche Gefährlichkeit der Homöopathie angeführt haben [3].
In Kürze (ausführlicher siehe auch): unsere analysierte Studie bezieht sich auf einen Fall, den der belgische homöopathische Arzt Geukens als einen sog. Video-Teaching-Case in einem Seminar berichtete [4].
Dabei wird ein Video abgespielt (das in dem Text als Dialog transkribiert wird) und kommentiert. Die ganze Falldarstellung ist zugegebener Massen etwas verwinkelt, aber wer auch nur minimale Sachkenntnis hat, sieht sofort worum es hier geht. In dem Fall wird über einen ehemaligen Bergwerksarbeiter berichtet, der homöopathisch gesehen ein merkwürdiges Symptom hatte: eine weit fortgeschrittene koronare Herzkrankheit, die zu einem Infarkt zu entgleisen drohte, bei dem der Patient aber immer dann Besserung verspürte, wenn er sich körperlich aktiv betätigte.
Dies ist untypisch für koronare Herzkrankheit, aber sehr typisch für das homöopathische Arzneimittel Rhus toxicodendron. Geukens verwendet die erste Hälfte der Falldarstellung dafür zu beschreiben, wie er auf diese Arznei mit Hilfe dieses Symptoms kam und wie die Verabreichung der Arznei dazu führte, dass sich die Herzsymptomatik praktisch komplett verlor und überdies auch noch eine langjährig nötige Medikation wegen einer Epilepsie, die auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen war, abgesetzt werden konnte.
Dann wird der selbe Mann sieben Jahre später vorgestellt. Diesmal kommt er mit einem Blasenkarzinom. Und Geukens zeigt, dass dieses Mal die bewährte Arznei Rhus tox. nicht wirkt. Weswegen er ihn sofort zu einem guten Kollegen schickt, einem Urologen, der ihn behandelt, worauf der Krebs verschwindet. Geukens argumentiert, dass der homöopathische Mythos offenbar falsch sei, dass ein korrekt homöopathisch behandelter Patient keinen Krebs bekommen könne – Selbstkritik in Richtung der Kollegen also. Schließlich beendet er den Fall damit, dass zeigt, wie er aufgrund einer ungewöhnlichen Restsymptomatik auf ein äußert seltenes Arzneimittel gekommen ist. Das ganze ist ein Lehrstück für die homöopathische Erfahrung, die Hahnemann in Paragraph 153 seines Organon aufgenommen hatte, dass vor allem die ungewöhnlichen, seltsamen und kontraintuitiven Symptome nützlich für die Arzneimittelfindung sind.
Gelogen? Geschlampt? Inkompetent? …
Was machen nun Ernst und Kollegen daraus? Angeblich handelt es sich dabei um einen Fall, bei dem aufgrund der homöopathischen Behandlung eine Herzkrankheit entstanden ist, bei der fälschlicherweise die konventionelle Arznei weggelassen wurde, und dass die homöopathische Behandlung einen Krebs mit Sicherheit verursacht hat, der von der konventionellen Behandlung kuriert wurde. Das einzig Richtige ist die letzte Aussage, dass nach der Bestrahlung der Krebs verschwunden ist. Alles andere ist nicht nur missverstanden, sondern widerspricht den berichteten Tatsachen diametral. Absichtliche Lüge? Schlamperei? Inkompetenz? Eine Mischung daraus? Schwer zu sagen.
Einige Kollegen [5] haben die Arbeit von Ernst und anderen noch ausführlicher analysiert als wir und festgestellt, dass noch eine ganze Reihe anderer Fehler darin enthalten sind: eine zitierte Arbeit hat gar nichts mit Homöopathie zu tun sondern mit Phytotherapie und das Wort „Homöopathie“ kommt nur im Abstract bzw. in den Stichworten vor. Das legt nahe, dass niemand genau hingesehen hat, und so weiter.
Wir haben also klar mit einem Fall zu tun, bei dem eine Autorengruppe schlampig gearbeitet hat aber aufgrund der allgemeinen Stimmung und einer damit verbundenen Blindheit bei den Gutachtern einen offenkundig unbrauchbaren Artikel in die wissenschaftliche Literatur transportiert hat.
Der naive Leser findet jetzt: Homöopathie ist gefährlich. Und zwar nicht nur – was ja noch eine nachvollziehbare, wenngleich auch nicht belegbare Argumentation wäre -, weil die Menschen dadurch von einer anderen Behandlung abgehalten werden, sondern weil die Homöopathie selbst gefährlich ist. Und dies, nachdem jahrelang wiederholt wurde, sie könne gar nichts bewirken, weil ja nichts drin ist.
Homöopathie ist sicher – das hat ein schwedisches Gericht bestätigt
Warum ausgerechnet jetzt? Interessant an diesem Zusammentreffen ist, dass irgendwann im letzten Jahr ein schwedisches Gericht einen homöopathisch arbeitenden Arzt vom Vorwurf der Quacksalberei, dessentwegen er angeklagt war, freigesprochen hat und zwar mit dem Argument, dass Homöopathie, wenn schon nicht wirksam, so doch wenigstens sicher ist. Das habe ich unlängst von einer Kollegin erfahren, die in Schweden lehrt. Offenkundig wollen also Kritiker der Homöopathie jetzt genau dort eine Achillesferse der Homöopathie finden, wo sie an sich grosse Stärken hat, und dies mit fadenscheinigen, falschen Argumenten.
Interessant ist auch, dass Prof. Ernst, als er vor kurzem einen Kurs am Grazer Interuniversitären Kolleg gegeben hat, auf die Frage eines Studierenden, ob er denn von Pharmafirmen Geld erhalten habe, geantwortet habe, dass das eine Frage sei, die nicht in den Kurs gehöre, hörte ich von einem Teilnehmer.
Klar ist, dass die englische Skeptikerorganisation „Sense about Science“, der Ernst nahe steht (weitere Details siehe auch ) einen Teil ihrer finanziellen Unterstützung von der Industrie erhält, wie man der öffentlichen Datenbank über die Finanzierung von Stiftungen entnehmen kann (siehe auch). Es sieht mir schon lange danach aus, dass die Kampagne gegen die Komplementärmedizin, und vor allem gegen die Homöopathie, befeuert wird durch industrielle Interessen derer, die ihre Felle davonschwimmen sehen [6]. „Skeptiker“ sind in diesem Kampf willige und blinde Waffen.
Die Homöopathie ist wirtschaftlich
Aber warum einen solchen Trubel veranstalten? Warum nicht einfach warten, bis sich die Wahrheit durchsetzt, wenn doch ohnedies so klar ist, dass die Homöopathie unbrauchbar, unwirksam und überhaupt un-…. ist? Die Antwort darauf finden wir – vielleicht – in einem eben publizierten Überblicksartikel über die Wirtschaftlichkeit der Homöopathie [7].
Der Review stellt alle Studien zusammen, die sich mit der ökonomischen Evaluation der Homöopathie beschäftigen. Dies sind derzeit 14 Studien, von denen 8 zeigen, dass homöopathisch behandelte Patienten einen besseren Gesundheitszustand bei geringeren Kosten haben, 4 einen vergleichbaren Gesundheitszustand bei gleichen Kosten und zwei einen vergleichbaren Gesundheitszustand bei höheren Kosten.
Die Studien sind nicht ohne Probleme, wie die Autoren freimütig einräumen, denn 10 von diesen Studien sind nicht randomisiert, d.h. die Patienten konnten sich ihre Behandlung aussuchen, wie dies häufig bei realistischen, ökonomischen Evaluationsstudien der Fall ist. Das hat den Vorteil, dass die Situation in der Wirklichkeit abgebildet wird, wie es sich eben bei echten Patienten in der Realität verhält, die mit ihren Krankheiten, die übrigens meistens schwerer sind als bei den konventionell behandelten Patienten, sich ihre Behandlung aussuchen.
Der Nachteil ist, dass die Patientengruppen selten richtig vergleichbar sind. Dies ist indes eher akademischer Natur, denn in der Wirklichkeit werden Patienten ja auch nicht per Zufall auf Behandlungen verteilt sondern suchen sich ihre Behandlung aus. Und solche realistischen Evaluationen dokumentieren, was dann passiert. Das Ergebnis ist interessant: in der Mehrheit der Fälle erzielt homöopathische Behandlung mindestens ebenso so gute Ergebnisse wie konventionelle, ist aber billiger. Das kann natürlich daran liegen, dass keine der Behandlungen wirklich irgendwelche Effekte hat, sondern nur den natürlichen Genesungsverlauf mehr oder weniger behindert, im Falle der Homöopathie weniger und daher billiger (das wäre eine sehr bösartige Lesart der Daten). Aber für den Endeffekt im Versorgungssystem ist dies egal.
Dieser Befund stimmt gut mit der ökonomischen Evaluation des Schweizer Programms Evaluation Komplementärmedizin überein. Dieses zeigt, dass vor allem die Homöopathie günstiger abschneidet als konventionelle Behandlung [8]. Offensichtlich steckt nicht nur das Potenzial einer erfolgreichen Behandlung in der Homöopathie. Ob das wegen einer Maximierung des Placeboeffektes so ist, weil sie tatsächlich wirksam ist, oder weil sie andere schädliche Interventionen vermeidet sei jetzt mal dahingestellt. Sondern Homöopathie scheint auch günstiger zu sein, ein Befund der auch in anderen Bereichen der Komplementärmedizin kürzlich dokumentiert wurde [9].
Dass das Widerstand erzeugt, liegt auf der Hand. Dass sich dieser Widerstand so offensichtlich stümperhaft zu Wort meldet wie im Falle von Posadzki, Alotabi und Ernst zeigt meiner Meinung nach, wie verzweifelt die selbsternannten Anwälte der evidenzbasierten Medizin in Wirklichkeit sind.
[1] Posadzki, P., Alotaibi, A., & Ernst, E. (2012). Adverse effets of homeopathy: a systematic review of published case reports and case series. The International Journal of Clinical Practice, 66, 1178-1188.
[2] Shaw, D. M. (2012). The Swiss report on homeopathy: A case study of research misconduct. Swiss Medical Weekly, 142(w13594).
[3] Walach, H., Lewith, G., & Jonas, W. (2013). Can you kill your enemy by giving homoeopathy? Lack of rigour and lack of logid in the systematic review by Edzard Ernst and colleagues on adverse effects of homeopathy (Letter). International Journal of Clinical Practice, in print.
[4] Geukens, A. (2001). Two more case histories. Journal of the American Institute of Homeopathy, 94, 93-105.
[5] Tournier, A., Roberts, E. R., & Viskveen, P. (2013). Comment on Posadzki et al. Letter to the Editor. submitted
[6] Walach, H. (2009). The campaign against CAM and the notion of „evidence-based“. Journal of Alternative & Complementary Medicine, 10, 1139-1142.
[7] Viksveen, P., Dymitr, Z., & Simoens, S. (2013). Economic evaluations of homeopathy: a review. European Journal of Health Economics, DOI 10.1007/s10198-013-0462-7.
[8] Studer, H.-P., & Busato, A. (2011). Development of costs for complementary medicine after provisional inclusion into the Swiss basic health insurance. Forschende Komplementärmedizin, 18, 15-23.
[9] Herman, P. M., Poindexter, B. L., Witt, C. M., & Eisenberg, D. M. (2012). Are complementary therapies and integrative care cost-effective? A systematic review of economic evaluations. BMJ Open, 2, e001046.
Ein Kommentar in “Homöopathie ist kostengünstig und sicher – und deshalb unter Beschuss?”