Hämochromatose

Kategorien: Krankheitsbilder

Durch die Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) kann der Eisengehalt im Körper zu hohe Werte erreichen und Schäden auslösen.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Hämochromatose (auch: Primäre Siderose, Hämosiderose, Siderophilie, Eisenspeicherkrankheit, engl. hematochromatosis) ist eine der häufigsten erblichen Stoffwechselerkrankungen. Ein angeborener Gendefekt führt im Dünndarm zur erhöhten Eisenaufnahme aus der Nahrung. Im Verlauf von Jahrzehnten kommt es zur Eisenablagerung in verschiedenen Organen, die dadurch in ihrer Funktion und ihrer Struktur geschädigt werden. Zu diesen Organen gehören Leber, Herz, Bauchspeicheldrüse, Hirnanhangsdrüse und Schilddrüse, ausserdem sind Gelenke betroffen. Setzt die Aderlasstherapie vor Auftreten von irreparablen Organschäden ein, ist die Lebenserwartung normal.

Eisen ist ein lebensnotwendiges Spurenelement und wichtig für Sauerstofftransport und Energie-Stoffwechsel. Eisen ist andererseits auch ein potentiell toxisches Schwermetall. Eisen in freier, ungebundener Form ist giftig, wirkt als «freie Radikale» (Stichwort: Oxidativer Stress) und verursacht Gewebeschäden und begünstigt Infekte. Daher wird Eisen im Organismus immer möglichst in gebundener Form transportiert oder eingespeichert. Die Leber bildet aufgrund des Defektes im HFE-Gen nicht genügend «Eisenhemmstoff» Hepcidin. Daher ist die Eisenaufnahme ständig um das Zwei- bis Dreifache erhöht. Mangels Ausscheidungsmechanismus und potentiell zellschädigender Wirkung von Eisen kommt es zur fortschreitenden Eisenüberladung und Krankheitssymptomen.

 

Ursachen

Der Hämochromatose liegt in den allermeisten Fällen eine entsprechende genetische Disposition zugrunde. Diese wird autosomal-rezessiv vererbt: Die Krankheit wird unabhängig vom Geschlecht vererbt und man erkrankt nur, wenn man von beiden Elternteilen eine Mutation erbt (homozygot). 80% der Hämochromatose-Patienten sind homozygot für die Mutation C282Y. Menschen, die nur von einem Elternteil eine Mutation geerbt haben, sind heterozygot. Sie erkranken in der Regel nicht.

Die Häufigkeit der «homozygoten Merkmalsträger» liegt in Deutschland bei mindestens 1:200 und die der heterozygoten bei etwa 1:10 Personen. [2]

Symptome

Bei Männern manifestieren sich erste klinische Symptome meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Frauen haben vor den Wechseljahren durch Menstruation und ev. Schwangerschaft(en) einen erhöhten Eisenbedarf und daher einen gewissen Schutz vor Eisenüberladung. Bei ihnen treten erste Krankheitszeichen im Vergleich zu Männern meist später und weniger ausgeprägt auf.

Frühzeichen:

  • Auffällige Laborwerte: erhöhte Eisenwerte, evtl. erhöhte Leberwerte
  • Evtl. Gelenkschmerzen an verschiedenen Gelenken, insbesondere Grund-und Mittelgelenke des Zeige-und Mittelfingers, bei Belastung zunehmend
  • Unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Leistungsschwäche

Weitere mögliche Krankheitszeichen und Folgeschäden bei zunehmender Eisenüberladung:

  • Hämochromatose-Arthropathie: Gelenkschmerzen und Gelenkveränderungen
  • Leberschäden: (Lebervergrößerung, Leberfibrose, im Spätstadium Leberzirrhose mit stark erhöhtem Risiko eines Leberzellkarzinoms)
  • Herzinsuffizienz: Herzmuskelerkrankung (Kardiomyopathie) durch Eisenablagerungen in den Herzmuskel, Herzrhythmusstörungen
  • Störungen der Geschlechtsfunktion: nachlassende Libido, Potenzminderung, Veränderung der Monatsblutung (Hypophyse)
  • Diabetes: starker Durst, Heißhunger (Pankreas). Im Zusammenhang mit den nachfolgend erwähnten Hautveränderungen auch Bronzediabetes genannt.
  • Hautveränderungen: dunkle Pigmentierung an sonnenexponierter Haut, aschgrauer oder bronzefarbiger Hautteint
  • Allgemeinsymptome wie starke Müdigkeit, depressive Verstimmung, Infektanfälligkeit.

Gelenkbeschwerden bei Hämochromatose-Arthropathie:

Bei rund 64% der Hämochromatosepatienten sind die Gelenke betroffen. Der Gelenkbefall ist eher degenerativer als entzündlicher Art, also ähnlich wie Arthrose. Jedoch finden sich auch entzündliche Verläufe im Erscheinungsbild ähnlich einer rheumatoiden Arthritis. Die Arthropathie kann unabhängig von Krankheitsdauer und Grad der Eisenüberladung auftreten.

  • Chronische Gelenkschmerzen und Gelenkveränderungen meist degenerativer Ausprägung. Betroffene Gelenke: u.a. Fingergelenke, Handgelenk, Hüfte, Knie, Sprunggelenk, Großzehengrundgelenk (sehr häufig: schmerzhafte Schwellungen und Auftreibungen der Grund-und Mittelgelenke des Zeige-und Mittelfingers, weitere häufig betroffene Gelenke sind Hüfte und Knie)
  • Chondrocalcinose, Pseudogicht
  • Sehnen- und Muskelbeschwerden

Diagnostik

Erhöhte Eisenwerte im Blut erfordern weitere Ablärungen zum Ausschluss oder zur Bestätigung einer Hämochromatose.

Bereits im Frühstadium vermehrter Eisenspeicherung ist die Transferrinsättigung erhöht. Deren Bestimmung ist weitaus verlässlicher beim Verdacht auf eine Eisenüberladung als das Serumeisen. Die Erhöhung der Transferrinsättigung geht der Serumferritinerhöhung außerdem über viele Jahre voraus. Eine mehr als 50%ige Sättigung des Transferrin lenkt den Verdacht auf eine Eisenspeichererkrankung. Der Ferritinspiegel im Serum zeigt hingegen die Menge des im Körper gespeicherten Eisens an und ist bei Hämochromatose meist deutlich erhöht. Bei jüngeren Menschen, insbesondere jüngeren Frauen, kann das Ferritin trotz Hämochromatose-Disposition noch unauffällig, oder gar zu tief sein. Zudem ist das Serumferritin eine Art «Entzündungsanzeiger»: So findet sich erhöhtes Ferritin auch bei entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Leberentzündungen u.a., ohne dass tatsächlich eine vermehrte Eisenspeicherung in den Organen vorliegt. Der Hämochromatose-Gentest bringt in rund 85 % der Verdachtsfälle die sichere Diagnose. Für den Gentest wird Blut abgenommen und in ein Labor zur Auswertung geschickt. Der Gentest erfasst die häufigsten relevanten Genmutationen (C282Y, H63D und evtl. noch S65C). Ist der Gentest positiv, gilt die Diagnose heute als gesichert. Früher (vor der Entdeckung des HFE-Gens 1996 und vor der Einführung des Gentests) konnte eine eindeutige Diagnose nur mittels Leberbiopsie gestellt werden.

Therapie

Aderlass-Therapie:

Ziel der Aderlasstherapie ist, die Körpereisenspeicher zu entleeren bzw. auf gesundes Maß zu reduzieren. Die Aderlasstherapie ist eine sehr wirksame und verträgliche Therapie gegen Eisenüberladung. Bei jedem Aderlass à 500 ml werden 200 bis 250 mg Eisen entfernt. Der Organismus benötigt für die Neubildung von Blut Eisen. Der häufige Blutverlust durch Aderlass zwingt den Körper, für die Blutneubildung auf die in den Organen gespeicherten Eisenreserven zurückzugreifen. So können die Körpereisenspeicher zuverlässig entleert werden.

Intensive Phase:

Die Aderlässe werden meist im Wochenabstand mit individuell angepasster Aderlassmenge (meist 500 ml) durchgeführt. Die ungefähre Faustregel für die Aderlassmenge ist 5-7 ml/kg Körpergewicht. Die intensive Aderlassphase wird so lange fortgesetzt, bis die Körpereisenspeicher entleert sind und das Ferritin <50 ng/ml gesunken ist. Manche Ärzte empfehlen <20 ng/ml. Die Aderlasstherapie ist im allgemeinen gut verträglich, doch treten oft Müdigkeit und Kreislaufschwäche mit Schwindel auf, dann kann die jeweilige Aderlassmenge bzw. Häufigkeit individuell angepasst werden. Wichtig ist, dass der Hämoglobinwert während der Therapie nie zu stark absinkt.

Erhaltungsaderlässe:

Nach der intensiven Phase erhalten regelmäßige Aderlässe in größeren zeitlichen Intervallen die Eisenbalance. Der Ferritinwert sollte immer zwischen 20- 50 ng/ml liegen. Meist genügen wenige Aderlässe pro Jahr. Diese müssen lebenslang durchgeführt werden.

Eisenchelatbildner:

Nur wenn Aderlässe aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sind (Anämie, z.B. bei sekundärer Hämochromatose, oder Herzinsuffizienz), kommen als weitaus schlechtere Alternative Eisenchelatbildner zum Einsatz.

Zusammenhänge

Ernährung:

Eine eisenarme Diät muss aufgrund der guten Wirksamkeit der Aderlässe nicht eingehalten werden. Gut ist eine gesunde, ballaststoffreiche Kost mit viel Gemüse und Obst. Das in Gemüse und Obst enthaltene Eisen spielt eine untergeordnete Rolle, da es der Körper schlecht verwerten kann. Eher wenig Fleisch. Besonders rotes Fleisch und Innereien enthalten viel für den Körper gut verwertbares Eisen. Alkohol nur in Maßen, sofern die Leberwerte unauffällig sind. Bei Leberschäden muss ganz auf Alkohol verzichtet werden. Vitamin-C fördert die Eisenaufnahme. Vitamin-C reiche Kost sollte daher idealerweise nicht zusammen mit Fleisch verzehrt werden (besser zwei Stunden vorher oder nachher). Schwarzer Tee (in schwächerem Maße auch Kaffee) zugleich mit einer Mahlzeit eingenommen, hemmt die Verwertbarkeit des Nahrungseisens.

Erbkrankheit Hämochromatose und Familie:

Wenn erbliche Hämochromatose nachgewiesen ist, sollten Verwandte ersten Grades getestet werden (Transferrinsättigung, Ferritin, Leberwerte, gegebenenfalls Gentest). Geschwister haben das höchste Risiko, ebenfalls betroffen zu sein. Ebenfalls sollten Verwandte, die Krankheitszeichen oder Erkrankungen haben, die auf Hämochromatose hindeuten, getestet werden.

Bei rechtzeitigem Erkennen der genetischen Disposition vor Beginn einer Eisenüberladung -Aderlasstherapie vorausgesetzt- wird man nie erkranken! Es liegt dann nur eine genetische Besonderheit vor, aber keine Krankheit. Wenn Eltern erfahren wollen, ob ihr Kind eventuell betroffen sein könnte, kann sich der Partner testen lassen oder man bestimmt die Eisenwerte (Ferritin,Transferrinsättigung) des Kindes bzw. des Jugendlichen. Auf diese Weise ergeben sich Anhaltspunkte für eine mögliche Hämochromatose-Disposition. Auch wenn sie die genetische Disposition für Hämochromatose (Typ 1) geerbt haben sollten, liegt im Kindesalter noch keine behandlungsbedürftige Eisenüberladung vor.

Siehe auch

Forumdiskussionen

Wiki-Links

Web-Links

Literatur

Quellen

[1] haemochromatose-forum.de
[2] hepatitis-nrw.de
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