Hildegardmedizin Aderlass

Kategorien: Heilverfahren

 

Formuliert von Dr. Berkmüller

Das Blutsystem ist ein Vermittler von Stoffwechselvorgängen. Das Lebensmaterial, das im Stoffwechsel durchgekocht wird, unterliegt einer bestimmten Auswahl. Es wird zurückbehalten, einverleibt, ausgestossen, in falsche Bahnen gelenkt und auch wieder reguliert. Im Blut drückt sich aus, was im Körper funktioniert oder auch nicht funktioniert. Das Blut besteht aus dem Blutstoff (sanguis), aus dem wässrigen Anteil (tabes) und dem Stoff (livor). Livor ist bei Hildegard wahrscheinlich als krankhaft zu bewerten. Dazu kommen die Kardinalsäfte. Das sind zwei Phlegmata und zwei Schleime. Das ist das, was immer hin und her geschoben wird. Wie alle diese Bestandteile gemischt sind, wieviel von jedem vorhanden ist, daraus entsteht entweder ein direkter Schaden oder eine Diathese, das heisst, dass die Verhältnisse so sind, dass es zu einer bestimmten Krankheit führen muss.

Es ist nicht leicht, diese Bilder mit moderner pathologisch-anatomischer Bezeichnung zu erklären. Vieles davon ist wissenschaftlich nicht untersetzbar. Es hat sich aber erwiesen, dass ein Aderlass, nach den Regeln durchgeführt, die Hildegard dafür angibt, in vielen Fällen gute therapeutische Wirkung hat, und dass die Betrachtung des Blutes auch diagnostische Hinweise gibt.

Der Aderlass nach H.v.B. ist in erster Linie ein Therapieverfahren. Daneben gibt er auch diagnostische Hinweise. Die Betrachtung des fliessenden und des geronnenen Blutes kann andere Diagnosemethoden nicht ersetzen. Da sie aber als Nebenprodukt der Therapie gewissermaßen von selbst anfällt, sollte man auch auf die Hinweise achten, die sie geben kann.

Wir haben Venenblut vor uns, Nüchternblut, das besonders dick und schwarz ist. Es enthält alle Stoffe, die nachts bei ruhigerem Blutfluss an der Venenwand abgelagert wurden. Wir haben Blutkörperchen, Blutflüssigkeit und Eiweisse vor uns, Zelltrümmer aus zerfallenen Zellen, Freßzellen aus dem weissen Blutbild (besonders an der Venenwand), die sich in aufopfernder Tätigkeit mit ihrer Last zu eitrigen und fauligen Ablagerungen sammeln, ferner Fettbestandteile, Farbstoffe aus dem Blutabbau, Gallenstoffe, Fremdstoffe aus der Nahrung, Gifte wie z.B. Aspergilluspilzsporen, Umweltgifte aus der Atemluft u.s.w.

Ich habe bisher rd. 800 Aderlässe nach H.v.B. durchgeführt und davon waren keine zwei gleich gewesen, was den Verlauf und das Bild des geronnenen Blutes betrifft. Jede Blutentnahme ist eine Besonderheit, eine Einmaligkeit, und hat ihren eigenen Charakter, genauso wie ich in jedem Patienten etwas Einmaliges vor mir habe. Auch wenn ich den gleichen Patienten öfter zur Ader lasse, habe ich jedesmal einen neuen Fall und neue Erscheinungen vor mir. Deshalb kann ich aus dem, was ich sehe, nicht in schematischer Weise Schlüsse ziehen. Es ist vielmehr jedesmal meine ganze Phantasie und Kombinationsgabe gefordert. Selbstverständlich beziehe ich dabei auch alle sonstigen Kenntnisse, die ich vom Patienten habe, mit ein. Vielfach liegt ja bereits eine Anamnese vor. Die Einmaligkeit jedes Aderlasses macht es auch schwer, generelle diagnostische Regeln anzugeben. Am besten beginne ich mit der Schilderung des Vorgehens.

Während des Aderlasses lässt sich beim Einlaufen in das Glas bereits dickes, träg fliessendes und flüssiges, schnell fliessendes Blut unterscheiden; ferner die verschiedenen Farben: ziegelrot, burgunderrot, grau, schwarz und gelatineweiß. Die letztere Farbe zieht meistens wie Fernsehflimmern am Auge vorbei.

Der Fluss des Blutes hängt natürlich auch von der Kanüle ab. Ich bevorzuge Lumen 1.2, weil ich dann mehr Zeit habe, um mir über das, was ich sehe, Gedanken zu machen.

Ich sehe rotes Blut mit einem dicken schwarzen Strom in der Mitte, der scheinbar langsamer fliesst als das seitliche Blut. Je dunkler das Blut, desto langsamer fliesst es, bis es fast zum Stillstand kommt. Es hängt dann manchmal schon nach drei bis vier Minuten ein Thrombus an der Nadel und das Blut steht von selbst. Damit ist der Aderlass beendet. In diesem Fall weiss ich schon, dass ich viel Schwarzgalle finden werde und wenig Serum, was vielleicht daher kommt, dass der Patient am Tag vor dem Aderlaß zu wenig getrunken hat.

Es gibt auch den Fall, dass der schwarze Strom öfter abreisst und dann umso schwärzer wieder weiterläuft, besonders wenn ich den Patienten kurz den Kopf anheben lasse. Durch das Heben des Kopfes kommt es zu einem Rückstau von der Halsvene in den Arm, es wird sanft wieder Schwarzgalle angesaugt und zur Ausscheidung gebracht.

Weiterhin kann ich sehen, wie der schwarze Blutstrom langsam immer dünner wird, bis er endlich nur noch die Stärke eines Bleistiftstriches hat. Manchmal teilt er sich dann noch ein wenig und schwänzelt daher. Dann ist der Aderlass bald beendet.

Während der Patient frühstückt, wird noch einmal das Aderlaßgefäss beobachtet, um zu sehen, wann die Gerinnung beginnt. Zu beachten ist, je schmaler das Gefäss, desto schneller die Gerinnung.

Aus der Farbe geronnenen Blutes lässt sich zunächst einmal die Neigung des Patienten zu einer bestimmten Konstitution ablesen: Rot weist auf den Konstitutionstyp «Blutreich» hin; Weiß-Grau auf «Schleimreich»; Gelb auf «Faulstoffreich» und Schwarz auf «Schwarzgallig». Außerdem gibt es Mischkonstitutionen.

Was sich an besonderen Störungen nahezu sicher erkennen lässt, ist die Gallenproblematik. Sie zeigt sich z.B. in einem grünlichen Serum. Eine Speckschicht auf dem Aderlassblut weist auf einen gestörten Fettabbau der Leber hin. Wenn der Patient unter Sauerstoffmangel leidet, zeigt sich eine livide Farbe im Anteil des roten Blutes. Eine gelbe Auflage oder ein gelber Ring um den Blutkuchen weist auf einen akuten entzündlichen Prozess hin.

Wie sich das Blut nach dem Aderlass darstellt:

rotes Blut            =  Gesundheit (nicht zu hellrot)
dunkle Anteile        = Nekrosen, abgestorbenes Gewebe, Zerfall
schwarzes Blut        = "voll Schleim und Pestilenz", schwieriger Mensch
helles, speckiges     = Fettstoffe können nicht verarbeitet werden
grünlich schimmerndes = Gallenstoffe (Gallenblase) fehlt, 
Serum                 = Sauerstoffmangel, gestörte Gerinnungsfähigkeit
ziegelrotes Blut      = Stoffwechselstörung
schmutziger Rand      = gestörte Nervenbahnen
zähflüssiges Blut     = Organismus und Organe sind angeschlagen, Drüsen sind untüchtig, Enzyme fehlen.
gelbes Blut           = Strukturänderung im Menschen gestaute Lymphe
bräunliches Blut      = Die Leber liegt im Argen
weiße Blutzellen      = Mit der Milz stimmt etwas nicht, dominieren
viel Serum            = Anämie, innere Austrockung
viel Schwarz          = Depression, Umweltbelastung, Stress, Hautprobleme

Ich möchte betonen, dass mit diesen Beziehungen nur Vermutungen zum Ausdruck gebracht werden können. Es wäre ein Kunstfehler, den Patienten nicht nach den Regeln der klinischen Anamnese zu untersuchen. Nur alle Eindrücke zusammen ergeben eine gute Diagnose. Es soll ja auch ein Aderlass nur dann gemacht werden , wenn aus einer Verdachtsdiagnose hervorgeht, dass der Patient ihn braucht.

 

 

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