Ich fasse mal die wesentlichsten Angaben zur E-Card (aus den 31 Seiten) zusammen:
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Aus den USA kommen immer mehr Anordungen, wie die in Europa "nicht mehr zeitgemäße" sozialstaatliche (aus Sicht der USA = sozialistische) Krankenversorgung umzugestalten ist. Krankenhäuser sollen jetzt in Europa privatisiert werden, der Staat und die Kommunen sollen sich zurückziehen und somit muß die Effizienz des Gesundheitswesens auch für den Investor "messbar" werden. Es kann einfach nicht mehr so weitergehen, daß der Arzt nicht nach Kosteneffizienz (im Sinne des Investors), sondern nach eigenem Gutdünken handelt.
Die Investoren empfanden es als unhaltbar, daß die Ärzte darüber entscheiden konnten, welche Behandlung sie ihrem Patienten zukommen ließen, denn das glich einer Lizenz zum Geld drucken. Je mehr sie behandelten und je mehr sie aufgeschrieben haben, desto mehr Geld mußte ihnen die Versicherung auszahlen.
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In den 80-er Jahren begannen die großen Krankenhausketten in den USA alle möglichen
Managementmethoden aus der industriellen Fertigung ausprobieren und propagierten dann weltweit nach dem Mac Donalds Prinzip zu kalkulieren. Die USA war jedoch nicht nur Vorreiter, sondern sie sorgten im Sinne der Globalisierung auch dafür, daß sich das europäische Gesundheitswesen dem Weltmarkt öffnet. So wurde in Deutschland ganz besonders von der "Bertelsmann Stiftung" die Umsetzung der "evidenzbasierte Medizin" und die "Prospektive Finanzierung" forciert. Dazu veröffentlichte sie ihre sogenannte "Ratings" mit denen sie die Ärzten nach ihrer "Qualität" bewertete. Insofern muß sehr skeptisch abgewägt werden, ob die in der Presse als "gut" dargestellten Ärzte wirklich "gut" oder nur gehorsam sind. Bei der "Prospektiven Finanzierung" werden die zu erwartenden Ausgaben im voraus geschätzt, wonach der Arzt dann nach einem Richtwert oder einer vorgegebenen Pauschale behandeln muß. Hier wird der Arzt nicht mehr nach "erbrachten Leistungen" bezahlt, sondern er bekommt Budgets und Pauschalen. Nachdem das in einer Krankenhauskette funktionierte, kann man auch alle Krankenhäuser derart managen. (Folge: Blutige Entlassungen, Problempatienten werden nicht mehr aufgenommen. Schlagwort: Evidenzbasierte Medizin). Effizienz! mehr Effizienz! heißt nun Evidenz !
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Ab den späten 80-er Jahren (neoliberale Politik) wurden dann auch in Europa die Weichen umgestellt. Die Macht verschob sich nun von den Ärzten auf die Finanzierungsinstitutionen. Kurzum: Die Versicherungen begannen, die medizinische Versorgung zu steuern. Aus den USA wird momentan die sogenannte Managed Care Medizin in Deutschland übernommen. Es wird also vom Staat geregelt, welche Patienten auf welche Weise behandelt werden. Hier kann es dann vorkommen, daß Rentner, Erwerbsunfähige, Umweltkranke oder leicht zu ersetzende Arbeiter nicht mehr behandelt werden, oder entsprechende Zuschläge bezahlen müssen. Außerdem wird (wie in den USA) die Versorgung von den Versicherungen und Kapitalgesellschaften gesteuert.
Das sind in Deutschland zum Teil die gleichen Kapitalgesellschaften, die heute schon den Markt in den USA beherrschen. Sie versuchen jetzt auch in Deutschland den ambulanten Medizinsektor (der 90% der Krankheitsfälle behandelt), in ein profitables Geschäftsfeld für private Klinikketten zu verwandeln. Wichtig ist diesen Konzernen dabei nur, daß sie Krankheitsfälle im Voraus kalkulieren können. Es muß also ein "gläserner Patient" geschaffen werden. Sie haben sich als "private Anbieter" offengehalten darüber zu entscheiden, ob sie einen Behandlungsfall annehmen, oder ablehnen. Man kann sich vorstellen, was in Zukunft passiert, wenn ein Risikopatient in einer Klinik oder in einer Arztpraxis behandelt werden will.
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2004 wurde dann das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung erlassen. Dort wurde die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte zum 1. Januar 2006 verfügt. Damit sollen aber nicht nur 130.000 ambulante Arztpraxen ihre Diagnosen, Medikamentenlisten, Arztbriefe, Röntgenbilder und Laborbefunde in einer bundesweiten Datenbank speichern, sondern es bekommen 20x mehr Personen Zugriff auf diese Daten. Neben den 130.000 Arztpraxen sollen noch 20.000 Apotheken, 54.000 Zahnärzte, 2.200 Krankenhäuser, 300 Versicherungen und circa 2 Millionen Heilberufler Zugriff auf die Daten erhalten (miteinander vernetzt werden).
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Auf der elektronischen Gesundheitskarte können solche Datenmengen natürlich nicht gespeichert werden. Die E-Card gilt vielmehr als so genannte Smartcard, auf der zu den entsprechenden Arztdaten in der Datenbank "verlinkt" wird und die als Zugangsschlüssel zur bundesweiten Gesundheitsdatenspeicherung im Internet dient. Um diese Daten lesen zu können, müssen zwei Karten in das Lesegerät gesteckt werden. Es wird die E-Card des Behandlers und die E-Card des Patienten benötigt. Übergibt der Patient seine Karte dem Arzt, kann der die Daten lesen, doch es ist nicht davon auszugehen, daß auch der Arzt dem Patienten seine E-Card überläßt, damit der Patient seine eigenen Daten lesen kann.
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Offiziell wird heute noch propagiert, daß der Patient selbst entscheiden soll, welche Daten gespeichert oder wieder gelöscht werden sollen. Sogar beim elektronischen Rezept, welches verpflichtend ist, sollen Patienten einzelne Verschreibungen unterdrücken oder löschen können. Auch müssen lt. Gesetz in Zukunft Automaten eingerichtet werden, an denen die Versicherten ihre Daten selbständig verwalten können. Dazu benötigen sie dann nicht die zweite E-Card des Arztes oder Heilberuflers. Allerdings wird’s hier schon ziemlich "schwammig" denn: "Gilt das nur für die auf seiner E-Card gespeicherten Daten (=Links), oder auch für die Daten, die in der bundesweiten Gesundheitsdatenbank gespeichert sind ? In jedem Fall kann der Arzt erkennen, wenn der Patient etwas "unterdrückt" oder gelöscht hat. Der Arzt wird dann nachfragen, warum der Patient die Daten des Vorbehandlers für ihn gesperrt hat und ihn darauf hinweisen, daß er ihn aufgrund seiner fehlenden Mitwirkung nicht mehr evident versorgen kann. Und tschüssssss - Welcher Arzt will sich denn schon auf Querulanten einlassen ?
Abgesehen davon werden wohl immer mehr Patienten dem Arzt ihre "Zugangspin" überlassen, da sie sowieso keinen Einfluß auf die Daten nehmen können, die in der Bundesdatenbank gespeichert sind. Wenn diese Daten von 2 Millionen Menschen gelesen werden können, warum sollte ausgerechnet ihr behandelnder Arzt sie nicht lesen können.
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Nach einer Umgewöhnungszeit, bleibt es dem Gesetzgeben dann überlassen die freiwillige Speicherung morgen zur Pflichtspeicherung zu machen. ER wird es dem Arzt auch ermöglichen können, die Patientendaten auch ohne dessen E-Card lesen zu dürfen (und damit noch über 2 Millionen anderen Heilberuflern). Man darf bei alledem nicht vergessen, wofür die E-Card überhaupt eingeführt wurde. Die Krankenhauskonzerne und Arztpraxen wollen das Behandlungsrisiko abschätzen können. Wie sollen sie das aber noch kalkulieren können, wenn der Patient "kritische Daten" nicht gespeichert haben möchte und diese dann erst nach seiner Aufnahme im Krankenhaus vorlegt ? Gerade bei stigmatisierenden Erkrankungen kann die Krankengeschichte absichtlich "löchrig" gehalten werden. Das könnte man als einen Interessenskonflikt zwischen den Eigeninteressen des Patienten und der Risikoabschätzung des Konzerns ansehen, doch der wurde von den Konstrukteuren der Gesundheits-telekommunikations-informatik (=Telematik) schon berücksichtigt. Sollte nämlich der Patient wünschen, daß Daten nicht aufgenommen werden, so wird auch das im System dokumentiert. Der Arzt könnte also vor seiner Behandlung, oder das Krankenhaus könnte vor seiner Aufnahme, darauf bestehen, daß die fehlenden Daten vorgelegt werden.
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Die Gesundheitsreform von 2007 sieht für das Jahr 2010 Qualitätszuschläge oder -abschläge für die niedergelassenen Ärzte vor. Das bedeutet , dass in klaren Leitlinien vorgeschrieben wird, wie Patienten zu behandeln sind. So soll täglich online der aktuelle Blutdruck oder der Zuckerwert mit einem Spezialgerät übermittelt werden, wonach dann der Arzt einen Zuschlag bekommt, wenn sich die Werte verbessert haben, oder einen Abzug erhält, wenn sie sich nicht verbessert haben. Hält sich der Patient nicht an die Anweisungen seines Arztes (Gewicht muß reduziert werden, das Rauchen muß aufgegeben werden, es muß täglich Jogging gemacht werden), dann wird der Arzt für den Ungehorsam seines Patienten bestraft (und stellt irgendwann dessen Behandlung ein). Wahrscheinlich wird es auch Bonus Punkte für Patienten geben, die zweimal die Woche bei der Gymnastik erscheinen. Patienten werden also in Zukunft durch Bonus-Malusregelungen zunehmend von den Versicherungen gemaßregelt.
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Demnach muß in Zukunft jeder wirtschaftlich arbeitende Arzt einen überzeugten Raucher oder eine übergewichtige Person als Patienten ablehnen. Wenn ein Arzt jüngere oder gesündere Patienten hat, als sein Konkurrent, dann hat er einen enormen Renditevorteil. Deutsche Ärzte werden im Sinne der evidenzbasierten Medizin heute schon dazu angehalten, sich beim ersten Besuch erst einmal die Vorbefunde vorlegen zu lassen und erst beim darauffolgenden Besuch das Erstgepräch zu führen. Sollte sich aus den Vorbefunden keine "positive Tendenz" entnehmen lassen, wird er es erst gar nicht zum Erstgespräch kommen lassen. Um seine Patienten ausreichend selektieren zu können, braucht er Informationen aus der Gesundheitsdatenbank ...
In diesem Kontext muß man die elektronische Gesundheitskarte sehen ...